Microsoft verstaatlichen?
In einer privaten E-Mail meinte letztens jemand scherzhaft:
> …vielleicht verstaatlicht er [Obama] sogar Microsoft! ☺
Darüber musste ich nochmal nachdenken. Letztendlich komme ich sogar zu dem Schluss, dass das sogar das Schlimmste wäre, was ich mir vorstellen kann.
Warum kaufen alle Leute Windows? Bestimmt nicht, weil es das beste System ist. — Die meisten, die sich Windows zulegen, vergleichen es nicht erst mit anderen Systemen. Und die, die es tatsächlich mit anderen Systemen vergleichen, bleiben in der Regel nicht bei Windows.
Microsoft hat eine unheimliche Machtstellung, aus Gründen, die allesamt der Vergangenheit angehören; insbesondere durch die Förderung der damals marktbeherrschenden Computerfirma IBM, welche später von Microsoft selbst wiederum an der Nase herumgeführt wurde (Stichwort: OS/2).
Die meisten Computer werden heute mit Windows verkauft. Nicht etwa, weil die Kunden danach verlangen würden. Sondern, weil Microsoft dies aufgrund ihrer Machtstellung erzwingen können. Die Preise für Händler, die Computer mit vorinstalliertem Windows ausliefern wollen, sind nicht festgelegt, sondern werden individuell verhandelt. Händler, die nicht exklusiv auf Microsoft setzen, werden hierbei so sehr benachteiligt, dass sie kaum konkurrenzfähig sein können. Größtenteils sind die Verträge auch so gestaltet, dass Microsoft pro verkauftem Computer bezahlt wird, egal, ob da Windows vorinstalliert ist, oder nicht — am Verkauf mit vorinstalliertem GNU/Linux verdient somit oft auch Microsoft — und sonst niemand! Da andererseits Windows so bekannt und verbreitet ist, kann es sich auch kaum ein Händler erlauben, auf Windows ganz zu verzichten.
Die Machtstellung von Microsoft hat auch Auswirkungen auf die Herstellung von Hardware. Windows läuft nur auf Intel-Prozessoren. Hersteller von kompatiblen Prozessoren (AMD/VIA) müssen auch auch Abgaben an Intel leisten… (GNU/Linux und die freien *BSD-Varianten sind bezüglich der Prozessoren wesentlich flexibler!) Das ACPI-Protokoll ist besonders auf das System Windows zugeschnitten… ich möchte auch damals an die sogenannten „Winmodems“ erinnern (die hardwaremäßig auch unter Windows wesentlich schlechter waren, als andere. Aber dieses Marketing suggerierte das Gegenteil).
Auf Slashdot sind Auto-Vergleiche immer sehr beliebt. In diesem besonderen Fall muss ich mir noch nicht mal ein hypothetisches Beispiel ausdenken, sondern kann auf die Vergangenheit Ostdeutschlands verweisen. Warum sind in der DDR alle Trabi gefahren? Weil es das beste Auto von der Welt war? Bestimmt nicht. Sondern weil es schwierig war, an etwas anderes zu kommen. Genauso ist es heute mit Betriebssystemen. Ich hoffe, du verstehst jetzt, warum mir der Gedanke an die Verstaatlichung von Microsoft einen Schauder über den Rücken fahren lässt.
In einem Aspekt waren die Bürger der DDR sogar besser dran, als die heutigen Benutzer Windows. Den Bürgern der DDR war sehr bewusst, dass es noch andere Autos gibt. Vor allem durch die Werbung aus dem Westen.
Gerade in Bezug auf Werbung ist aber auch Freie Software gegenüber Windows oder Apple (Macintosh/IPod/IPhone…) benachteiligt. Werbung ist aber nicht nur das, was man im Fernsehen sieht. Ich habe noch keine Tastatur mit einer GNU-Taste gesehen, aber schon viele mit einer Windows-Taste… (Gibt es überhaupt noch welche ohne?). In den Geschäften sieht man laufend Windows-Logos mittlerweile auch schonmal einen angebissenen Apfel, und nur sehr selten mal Pinguine oder GNUs oder gar BSD-Daemonen.
Marketing ist aber noch viel mehr als das. Sogar Sachen wie Namen haben eine enorme Werbewirkung. Aufgrund des Namens „Windows“ gehen viele fälschlicherweise davon aus, dass das das erste System war, das auf Fenstern aufbaute. Viele denken, die anderen hätten das nur von Windows abgeschaut. Dabei war es genau umgekehrt. Die Abkürzung „Win“ ist im englischsprachigen Raum ein Wort, das übersetzt „Gewinn“ bedeutet, und schon lange vor Entstehung von Windows im Hacker-Jargon eine besondere, positive Bedeutung hatte. Patches sind etwas, was ohne Quelltext kaum funktionieren kann — unter Windows werden nun Teil-Updates als Patches bezeichnet… Es ließen sich noch viele, viele andere Beispiele finden. All das ist auch Marketing.
Der Unterschied zu Freier Software:
Freie Software wird heute keineswegs, wie oft dargestellt, nur von Hobbyisten entwickelt. Viele der großen Freie Software Projekte werden heute auch von einzelnen großen Firmen entwickelt. Zum Beispiel OpenOffice.org von Oracle (früher SUN) oder Firefox von Mozilla. Da liegt der Unterschied also nicht. Der Unterschied liegt darin, dass diese Firmen die Software nicht als Privateigentum betrachten, sondern dadurch dass sie die Programme unter freien Lizenzen veröffentlichen, geben sie ihr Eigentumsrecht an die Allgemeinheit ab. Diese Firmen haben nicht mehr die absolute Macht über ihr Produkt.
Es kommt zwar relativ selten vor, aber wenn eine Firma oder eine Entwicklergruppe etwas macht, was anderen missfällt, dann können andere kommen und die Arbeit in ihrem eigenen Sinne fortführen. Dieses nennt man einen „Fork“ (dt. etwa Abspaltung). Dadurch können keine absoluten Monopole entstehen, wie das bei unfreier Software der Fall ist. Das beste Beispiel ist XFree86: das war damals mal der Quasi-Standard für X-Server. Dann haben die ein paar mal die Lizenz geändert, was die Leute nicht mehr mitmachen wollten. Dann hat das X.Org Projekt den Code übernommen und unter ihren eigenen Bedingungen weiterentwickelt. Es hat kaum ein Jahr gedauert, bis fast gar keine Distribution mehr XFree86 verwendete. Heute ist X.Org der Quasi-Standard. (Anmerkung: die Entwickler sind auch abgewandert, so dass es eigentlich nachwievor von den selben Leuten weiterentwickelt wird.)
Sowas ist nur möglich, wenn der Quelltext unter einer freien Lizenz veröffentlicht ist. Windows kann niemand forken. Microsoft gibt den Quelltext zwar manchmal unter Bezahlung heraus, aber niemand hat das Recht, selber überarbeitete Varianten zu veröffentlichen. — Das ist der Unterschied!
Der Staat als Eigentümer wäre auch nicht unbedingt besser. Der Staat ist nicht das Volk. „Wir sind das Volk!“
Weiterführend: Warum Software keine Eigentümer haben sollte