Kurd Laßwitz: Sternentau. Die Pflanze vom Neptunsmond 4. Das weiſe Moos Ebah drängte ſich enger an die Buche und ſagte dankbar: „O Schattende, du gute, große! Nun fühl' ich tief das Glück, dir ſo nahe ſein zu dürfen, der Mächtigſten des Waldes, der Hüterin am Rieſengrab.“ „Und ich freue mich, daß du nun immermehr vernehmen und verſtehen wirſt, was an Pflanzenleid und Pflanzenhoffnung lebt und zittert im Reiche Urd und was wir erflehen vom Schickſal des Planeten.“ Die Buche ſchwieg. Nun regte ſich's unten am Boden, hier und da, nicht ein einzelnes Pflänzchen, ein allgemeines Gemurmel war's von zahlloſen Blättchen und Fäſerchen der Wurzeln, von Stengelchen und Becherchen, und doch eine deutliche Stimme, gemeinſam dem dicken, weichen Teppich, der Fels und Erdreich und Baumwurzeln umzog. Durch den Wald ringsum vernehmbar ſprachen die Mooſe. „Es iſt recht, ihr Kinder da oben, und du, Schattende, die du weiſer biſt als die andern, es iſt recht, daß ihr Ebah aufgenommen habt in die Rede des Waldes.“ „‚Ihr Kinder‘ nennt uns das Moos?“ fragte Ebah heimlich die Buche. „Das tut es immer. Der Wald iſt ſein großes Kind, ſo ſagt es. Und es iſt ja wahr, das Moos war vor uns da. Wenn es jetzt auch unſeres Schattens bedarf, ſo konnten doch wir alle nur dadurch den feſten Boden gewinnen und als Blütenpflanzen emporwachſen, weil uns das Moos die Erdkrume bereitet hat; von Meer und Sumpf zu Berg und Fels. Darum ehren wir's.“ „Das habe ich wohl gemerkt, nur konnte ich's bisher nie richtig verſtehen, wenn es zu dir ſprach.“ „Weil es dich eben noch nicht für mündig erachtete und daher nicht verſtanden ſein wollte. Das Moos iſt etwas altväteriſch, aber es iſt ſehr weiſe.“ „Doch warum iſt es ſo klein geblieben?“ „Ach, Ebah, was iſt klein? Was in uns wirkt und mächtig wird, das iſt ja doch lebendig im allerkleinſten, in der Keimzelle, die das Geſetz des Wachstums birgt. Und das Moos ward klein, weil wir groß wurden. Aber höre, es ſpricht.“ „Das Tiefſte bin ich im Wald,“ ſagte das Moos langſam, „das Niedrigſte, aber das Älteſte, das, was am engſten verſchlungen iſt und verwachſen der Mutter Erde. Wie ich ihre Stoffe umwandle in meinem zierlichen grünen Zellenleibe, ſo fließen von ihr zu mir ihre weiten großen Gefühle, und ich ſpinne ſie für mich zu ſeinen, lockeren Seelenfädchen. Ihr mögt ſie dann zu euern großen Gefäßbündeln und Stämmen verarbeiten und umwandeln in grobe Gedanken und törichte Wünſche, wie jeder kann und will. Ich aber ſage euch, was ich mag.“ „Wir hören gern auf dich, weiſes Moos,“ ſagte die Buche. „Ihr ſpracht vorhin mit der Fichte, Richtiges und Falſches.“ „Vorhin? Vorhin?“ fragte die Buche leiſe den Efeu. „Was mag es damit meinen? Das Moos iſt ein bischen langſam.“ „Wir ſprachen vom Blühen; ich ſehnte mich danach und die Fichte nannte es Luxus,“ ſagte Ebah. „Sie macht ihn aber mit.“ „Durchaus nicht jedes Jahr und niemals vor dem fünfzigſten,“ rief die Fichte unwillig hinüber. „Pſt!“ erwiderte die Buche. „Was ſagten wir Richtiges, weiſes Moos?“ „Von der Blüte. Sie iſt ein Fehler, aber da er einmal gemacht worden iſt, ſo iſt ſie nun kein Luxus, ſondern ein notwendiges Übel. Das iſt eine ſchwierige Frage, eine lange Geſchichte. Ja, in der guten alten Zeit, als es nur Kryptogamen gab, da hielten wir noch alle zuſammen mit der Mutter Erde. Aber jetzt ſpaltet ſich mehr und mehr ab, und eine Blüte möchte ſich benehmen wie ein Schmetterling.“ „Verzeihe, weiſes Moos,“ ſagte die Buche, „aber du haſt uns doch gelehrt, daß der erſte Fehler der Spaltung ſchon von den Kryptogamen gemacht worden iſt.“ „Ja, das iſt richtig, leider. Das war wohl ein Irrtum der Mutter Erde ſelbſt, den ſie oft bereut hat, damals die Spaltung von Tier und Pflanze. Das hätte nicht ſein ſollen, das iſt das Tragiſche in der ganzen Erdentwicklung. Ich rede nicht gern davon, denn niemand weiß, wie da zu helfen iſt.“ „Aber erzähle doch noch einmal, wie es geſchah. Ebah hat das noch nicht gehört.“ „Wir auch nicht, wir auch nicht,“ klang es auf allen Seiten von den jüngeren Gewächſen her. „Im Anfang, als unſere Mutter Erde noch jung war,“ ſo begann das Moos bedächtig, „da waren alle lebendigen Weſen auf ihr nur ſolche kleine einzelne Pflanzenzellen, wie ſie auch jetzt noch zahllos in Luft und Waſſer umherirren; jede wirtſchaftete für ſich und vermehrte ſich immer nur durch Spaltung in zwei Zellen. Die edlen und feinen Säfte aber, aus denen ſie ſich aufbauten, die mußten ſie mühſam ſich ſelbſt herſtellen; denn Mutter Erde bot ihnen ihre Stoffe noch nicht fertig für ſie bereitet. Sie hatte ihnen aber die Kunſt mitgegeben, wenn der Lichtſtrahl auf ſie ſchien, in ſich die Stoffe zu fügen zu den leuchtenden Kernen des Blattgrüns. Da hatten ſie ein machtvolles Werkzeug, die Luft zu ſpalten und ihre Zellen immer neu und kräftig herzuſtellen. Das war eine Mühe, das wißt ihr; denn ſo machen wir's alle noch heute. Na, ihr braucht nicht zu murren da drinnen, ihr Schmarotzer; euch päppeln wir eben auf, weil wir euch anderweitig zu Dienern brauchen. Aber der große Abfall, die Raubſtaatengründung, das war das Unheil. Es kamen nämlich einmal ſchlimme Zeiten, da fehlte es an Licht, und vielen Lebendigen war es ſchwer, ſich ihren Leib ſelber zu bereiten. Da verfielen einige darauf, die fertigen Nährſtoffe den andern fortzunehmen, ſie überfielen ihre Mitzellen und ſogen ſie in ſich auf. So hatten ſie's freilich bequemer und konnten leicht ſtärker werden als die andern.“ „Aber warum hat man das geduldet?“ fragte Ebah empört. „Das iſt doch ungerecht. Man mußte ſich nicht freſſen laſſen.“ „Sie waren eben die Stärkeren,“ beruhigte ſie die Buche. „Man konnte ſich doch vereinigen —“ „Pſt!“ „Ja,“ ſagte das Moos, „bei dieſer Gelegenheit wurde es auch üblich, daß ſich die einzelnen Zellen immer mehr und mehr zu ganzen Verbänden zuſammenſchloſſen und die Arbeit unter ſich teilten. Da ſtreckten wir Wurzeln aus in den Boden und Blättchen in die Luft, aber die Gegner machten es auch ſo, die bildeten einen Sack mit einer Öffnung, da zogen ſie nun die lebendigen fertigen Weſen hinein. Das nannten ſie eſſen. Ihr müßt bedenken, daß wir damals faſt alle im Waſſer lebten. Und ſo wurden die immer kräftiger, die ſich bloß von den andern Geſchöpfen nährten und gar nicht mehr von der Erde ſelbſt ihre Nahrung nahmen. Allmählich hatten ſie überhaupt verlernt, wie man die Rohſtoffe in Lebensſaft verwandeln kann, und ſo iſt es gekommen, daß nur wir Pflanzen unmittelbar von der Erde zehren. Die andern aber, die Stopfſäcke, die Lebensräuber, wurden das, was wir Tiere nennen, und ſie können auch nur exiſtieren, wenn ſie Pflanzen finden, die ihnen die Nahrung ſchon zur Lebensgeſtalt bereitet haben. Und das iſt die Urſache, weshalb ſie den engern Zuſammenhang mit der Erde verloren haben. Die Pflanzen ſetzten ſich feſt, denn ſie brauchten den Boden für ihre Wurzeln, und Luft und Waſſer kamen zu ihnen. Da verbreiteten wir uns in mächtigen Vereinen über die Erde in Wald und Wieſe, in Steppe, Moor und Waſſer. Langſam und bedächtig iſt unſer Tun, aber ſicher und dauernd lebt unſre Seele in der großen Mutter, die uns umfaßt. Die Tiere aber mußten ſich die Nahrung ſuchen, wo ſie wuchs oder umherlief (denn ſie freſſen ſich ja auch untereinander), und ſo mußten ſie ſich bewegen über den Boden oder durch das Waſſer oder die Luft. Da wurden ſie ein umherirrendes Geſchlecht, eilig und unſtet, flüchtig und gewaltſam. Und ſo verloren ſie ihre Dauerſeele. Freilich, in den einzelnen Tieren und in den Menſchen, die ja die klügſten Tiere ſind, da wohnt ein Reſt der großen Erdſeele, der aber iſt ſeinen eigenen Weg gegangen; geſchieden und abgegrenzt von der ewigen Mutter lebt die vergängliche Einzelſeele. Wie ſie die Nahrung ſuchen mußten, ſchweifende Geſchöpfe, ſo müſſen ſie auch ewig ſuchen nach dem Zuſammenhange des Erdbewußtſeins, und in ihrem trümmerhaften Geiſte bleibt für ſie alles ein dunkles, fremdes Geheimnis. Das eben iſt das große Unglück des Planeten, dem ich das erſte Kleid gewoben habe um die ſtarren Glieder. Zerriſſen iſt das Seelenband zwiſchen ſeinen Organen. Wir verſtehen nicht mehr die Haſtenden, und ſie verſtehen uns nicht. Wir wiſſen nur von den Menſchen, daß ſie ſich abſchieden vom Reiche Urd und es für ſchlummernd halten und ſeelenlos. Sie ſelber aber ſind die Geſchiedenen.“ „Arme Harda,“ ſeufzte Ebah im Stillen. Die Pflanzen ſchwiegen und ſannen nach über die Rede des Mooſes. Da begann die Fichte: „Wie aber hängt das alles zuſammen mit dem Blühen, wovon das weiſe Moos doch zuerſt geſprochen hat? Warum ſoll das Blühen kein Luxus ſein, ſondern ein notwendiges Übel?“ „Richtig, richtig!“ ſagte das Moos. „Das iſt nämlich eine neue Spaltung, die innerhalb der Pflanzenwelt eingetreten iſt, freilich nicht eine Spaltung in feindliche Lager, ſondern nur in der Anſicht darüber, wie wir Pflanzen es am beſten weiterbringen, nachdem einmal die Tiere ihren eigenen Weg gegangen ſind. Das iſt aber eine ſehr ſchwierige Frage, die auch mit der erſten Spaltung zuſammenhängt. Und ich ſtehe da auf meinem feſten Standpunkt, den ihr Bäume und alle ihr Offenblütigen für altmodiſch haltet.“ „Altmodiſch bin ich nun nicht, und Blüten trage ich auch,“ ſagte die Fichte. „Aber ich hätte gar nichts dagegen, wenn das Blühen wieder abgeſchafft würde.“ „Das iſt ja Unſinn,“ klang es unten vom Hügel her, wo ſich eine Roßkaſtanie vom Park aus hinverirrt hatte. „Das haben wir alles ſo fein ausgearbeitet mit dem Blühen, und das iſt das Schönſte und Vornehmſte an uns. Das iſt die äſthetiſche Kultur, wie die Menſchen ſagen, das iſt Verfeinerung, das verbindet uns Tier und Menſch. Wenn man das abſchaffte, würde man immer mehr in die Maſſe verſinken. Aber es geht auch gar nicht.“ „Es ginge ſchon,“ brummte der Nachtſchatten, „wenn man's anfinge wie meine Verwandten auf dem Felde draußen, die Kartoffeln. Dann bildet ihr Blüten und Früchte zurück und legt alle eure Kraft auf die Knollen. Ja wohl! Wenn ihr lieber ein Kartoffelfeld habt als eine Wieſe, lieber eine Fichtenpflanzung als einen gemiſchten Laubwald, da agitiert nur gegen die Blütenverfeinerung und werdet die richtigen Proletarier.“ „Das will ja eben die Fichte,“ rief die Roßkaſtanie. „Mit der Maſſe will ſie die Herrſchaft im Walde gewinnen.“ „Schweigt,“ rief die Buche. „Das Moos will uns noch etwas ſagen.“ „Zankt euch nicht, Kinder!“ hob das Moos wieder an. „Es kommt jetzt gar nicht darauf an, was man möchte, ſondern wie es geworden iſt. Unſre einzelligen Vorfahren haben ſich immer ſo vermehrt, daß eine Zelle, wenn ſie zu groß geworden war, ſich teilte und die Kinder getrennt fortwuchſen. Aber die Nachkommen wurden da gar zu gleichartig, eintönig, ſchablonenhaft, es gab keinen Fortſchritt. Da haben ſich denn zwei verſchiedene Zellen, eine große und eine kleine, vereinigt und verſchmolzen, und wenn die ſich dann wieder teilten, ſo waren die neuen Zellen auch wirklich neue Weſen, die von beiden Eltern etwas an Eigenſchaften mitgebracht hatten. Als nun aber ſich die Zellgenoſſenſchaften der größeren Pflanzen und Tiere gebildet hatten, da wuchſen dieſe maſſigen Körper jeder für ſich heran, indem immer Zelle auf Zelle ſich teilte; nur unter beſondern Umſtänden, von Zeit zu Zeit, konnten zwei Geſchöpfe gleicher Art Zellen zur Verſchmelzung ausſenden, wie ihr's in euern Blüten tut. Das iſt ja nun ganz gut, nur darf man den Zuſammenhang mit der Mutter Erde nicht verlieren. Und deswegen halten wir Kryptogamen daran feſt, daß wir immer zwei Generationen wechſeln laſſen. Die eine wurzelt in der Erde und vermehrt ſich nur durch die Spaltung der Zellen, erzeugt aber dabei beſondere Organe, unſre Sporen. Dieſe entſenden Zellen, die erſt weiter wachſen, wenn ſich zwei verſchiedene, männliche und weibliche, verſchmolzen haben. Das iſt die zweite Generation, die ſich vervollkommnen kann, weil jeder Nachkomme an den Eigenſchaften beider Eltern teilnimmt. Ihre Kinder aber kehren nun erſt wieder zur Erde zurück und wachſen aus ihr hervor. So bleiben wir immer im Zuſammenhang mit der großen Mutter bei unſrer Vermehrung durch Sproſſung und verfeinern und ſtärken uns doch durch die Vermählung.“ „Aber, weiſes Moos,“ ſagte die Buche, „das machen wir ja gerade ſo, nur haben wir dieſe zweite Generation abgekürzt auf die Entwicklung in der Blüte.“ „Drum meine ich eben, daß die Blüte ein notwendiges Übel iſt, die Vermählung dürfen wir nicht entbehren. Den Fehler ſehe ich nur darin, wie ihr die Sache eingerichtet habt. Die meiſten von euch haben ſich ſchon ganz von den Tieren abhängig gemacht, und wie ihr ſie anlockt durch Honig oder Duft oder glänzendes Äußere, das wird euch ſchließlich das Wichtigſte im Leben. Das ſcheint mir nicht der richtige Pflanzenſtolz auf unſre Erdwurzelung.“ „Wir werden darum unſern Zuſammenhang mit der Dauerſeele nicht aufgeben,“ meinte die Buche. „Aber das ſcheint mir doch ein großer Fortſchritt, daß wir uns Wind und Waſſer und vor allem die Tiere und den Menſchen dienſtbar machen, unſern Blütenſtaub von Ort zu Ort zu ſchaffen und unſer Gedeihen zu fördern.“ „Und es iſt doch nichts Rechtes mit den Blüten,“ ſchalt die Fichte. „Nichtstuer ſind ſie, denen ihr alles Beſte an Nahrung abgeben müßt, und vor dem Regen ducken ſie und fürchten ſich, 's iſt lächerlich.“ „Ich aber,“ rief die Roßkaſtanie wieder herüber, „ich finde es lächerlich, ſich mit ſo ſchuppig-ſchäbigen Blüten zu begnügen. Wir tun ſehr Unrecht, die Geſellſchaft der Haſtenden nicht lebhafter zu ſuchen. In der Ausbildung der Blüte ſehe ich einen Weg, ganz beſonders dem Menſchen uns zu nähern. Ich kenne dieſe Obertiere beſſer als ihr hier im Walde, denn meine Mutter ſteht drüben nahe an der Haustür. Sie müſſen für die große Mutter Erde doch einen Nutzen haben, den wir nicht verſtehen.“ „Ach was,“ ſagte die Fichte. „Eben um unſertwillen ſind ſie da. Wozu ſollte die Erde ſie ſonſt brauchen, da ſie doch in uns ihre Organe hat.“ „Sie werden aber die Dinge von mehr Seiten betrachten können als wir feſtſtehenden,“ bemerkte die Buche. „Gewiß,“ rief die Kaſtanie. „Ihr ſolltet nur ſehen, wie ſie bald von dieſer, bald von jener Seite kommen und was für wunderbare Dinge ſie zu machen verſtehen.“ „Aus uns!“ höhnte die Fichte. „Ja, aber dafür pflegen ſie uns auch. Und ſie kennen und unterſcheiden uns viel beſſer als wir ſie. Ihr Fichten ſolltet ihnen beſonders dankbar ſein!“ „Egoismus! Sie nützen uns aus.“ Ebah hatte eifrig der Unterhaltung gelauſcht. Jetzt, da von den Menſchen die Rede war, richteten ſich alle ihre Gedanken auf Harda, und ſie ſagte ſchüchtern: „Es gibt doch auch ſehr gute Menſchen, die uns gern helfen. Sollten wir nicht auch denen zu helfen ſuchen? Das weiſe Moos beklagt, daß die Haſtenden und die Wurzelnden getrennt ſind im großen Erdenleben, daß ſie ſich nicht mehr verſtehen. Könnten wir nun nicht alle danach ſtreben, daß wir uns wieder verſtehen lernen? Daß die Menſchen wieder teilnehmen an der Dauerſeele, und daß auch wir nach dem trachten, was das Moos die Einzelſeele nannte? Dann müßten wir uns doch recht bemühen um das Blühen, weil wir dabei für uns ſelbſt etwas werden und fühlen. Vielleicht iſt da ein Weg, wie Menſchen und Planetenſeele wieder ſich vereinen können?“ „Was haſt du für Gedanken,“ flüſterte die Buche zu Ebah. „Ich habe dir doch geſagt, daß wir uns durch das Blühen mehr und mehr von einander trennen.“ „Ich meine eben, daß das nötig iſt, damit uns die Menſchen verſtehen. Unſre gemeinſame Dauerſeele iſt ihnen zu fremd und groß; aber wenn wir ihnen ähnlicher werden in unſerm Weſen als einzelne, wenn ein Menſch und eine Pflanze eine gemeinſame Sprache finden könnten, dann würden vielleicht vom einzelnen aus die Menſchen wieder zum Ganzen der Erde zurückgeführt werden können. Vielleicht ſuchen die Menſchen von oben her auch einen ſolchen Weg, die Pflanzenwelt zu verſtehen, und wir könnten ihnen von unten her begegnen.“ „Phantaſtin!“ brummte das Moos. „Quäle dich doch nicht damit, Ebah,“ beruhigte die Buche. „Du wirſt erſt ſpäter hören, wie wir es uns denken, daß die Pflanzen wieder die Herrſchaft der Erde gewinnen, die der Menſch jetzt erſtrebt. Vielleicht iſt auch etwas Richtiges in deinen Gedanken. Aber nimm dir Zeit!“ „Ach, Schattende, ich möchte ſo gern, daß die Menſchen nicht ſo ſchnell hinſchwinden, ſondern teilnehmen an unſrer Dauerſeele. Was wird mit den Menſchen, wenn ſie ſterben?“ „Weg ſind ſie!“ rief die Fichte grob. „Dann wiſſen ſie nichts mehr, dann fühlen ſie nichts mehr, dann ſind ſie tot. Tot wie der Stein, der hinabrollt, oder das Harz, das eingetrocknet iſt.“ „Woher weißt du das, daß ſie tot ſind?“ ließ ſich das Moos wieder hören. „Braucht ſie die Erde nicht zu immer neuen Geſtalten? Freilich ſinken ſie zurück in den Boden der Erdmutter. Da ſtürzen ſich unſre kleinſten Genoſſen darauf, die Spaltpilze, und zerlegen die künſtlich aufgebauten Stoffe ihres Leibes wieder in einfachere. Das gilt von den Menſchen wie von den Tieren allen. Würmer und andre Geſchöpfe wühlen ſie durch den Boden, die Fadenpilze verknüpfen die Stoffe zu neuen Verbindungen, und nun erſt iſt für die grünen Pflanzen wieder der Grund geſchaffen, darin und darauf ſie wachſen können. Weißt du noch nicht, daß die grüne Pflanze der niedern Pflanze bedarf, und dieſe wieder — das iſt nun durch die Abtrennung der Tiere leider ſo gekommen — dieſe vermag nur zu leben auf dem Boden, der durch den lebendigen Leib des Tieres gegangen iſt. Das Tier aber und der Menſch müſſen wieder die Pflanze haben. Der ewige Kreislauf iſt da, der iſt nicht zerriſſen auf der Erde. Aber davon wiſſen die nichts, die nicht zur wurzelnden Pflanze gehören. Sie dienen wohl der großen Mutter, aber nur als ihre Werkzeuge. Die Menſchen fühlen, ſie wiſſen vielleicht im Augenblick, was mit ihnen geſchieht, aber nicht, wozu es geſchieht. Und wenn es geſchehen iſt, wiſſen ſie nichts vom Zuſammenhang mit den andern. Sie haben eben keine Dauerſeele. — Nun hab' ich's dir geſagt, neue Waldgenoſſin, nun merke dir's und ſchlafe wohl. Ich will jetzt ruhen.“ Das Moos ſchwieg. „Arme Harda!“ ſeufzte Ebah zur Buche gewandt. „Wie unglücklich muß ſie ſein! Aber weißt du — ich kann's doch nicht glauben, daß die Menſchen ſo verloren ſein ſollten. Sie machen ſich doch Mitteilungen unter einander, das merken wir ja. Sie können ſich gegenſeitig verſtändigen, ſie handeln gemeinſam, es gehen tauſend Wirkungen hin und her zwiſchen ihnen und uns. Warum ſollte es nicht einmal möglich ſein, zu Harda zu ſprechen?“ „Meine gute Ebah! Die Menſchen ſprechen untereinander, das iſt keine Frage, aber wer ſoll unſre Sprache in die ihrige überſetzen? Sorge dich nicht, es iſt gut, daß du Harda nicht ſagen kannſt, was ihr fehlt, denn ſie weiß es jedenfalls nicht und wird ihre Dauerſeele nicht vermiſſen.“ Ebah ſchwieg betrübt, dann ſagte ſie entſchieden: „Und ich bleibe doch dabei!“ „Was willſt du?“ „Blühen will ich! Alles will ich, was zur Einzelſeele hinführt. Dann komme ich vielleicht Harda näher, dann kann ich ſie vielleicht retten und ihr von meiner Dauerſeele geben, daß ſie mit uns zuſammenlebt im heiligen Reiche Urd.“ „Ruhe jetzt, Ebah, ſchlafe. Der Wald iſt ſtill.“ 5. Die Haſtenden