Man ſah die Helden täglich · nun reiten an den Rhein,
Die bei dem Hofgelage · gerne wollten ſein
Und den Königen zu Liebe · kamen in das Land.
Man gab ihrer Vielen · beides, Roſs und Gewand.
Es war auch das Geſtühle · allen ſchon bereit,
Den Höchſten und den Beſten, · ſo hörten wir Beſcheid,
Zweiunddreißig Fürſten · zu dem Hofgelag:
Da zierten um die Wette · ſich die Frauen für den Tag.
Gar geſchäftig ſah man · Geiſelher das Kind.
Die Heimiſchen und Fremden · empfieng er holdgeſinnt
Mit Gernot ſeinem Bruder · und beider Mannen da.
Wohl grüßten ſie die Degen, · wie es nach Ehren geſchah.
Viel goldrother Sättel · führten ſie ins Land,
Zierliche Schilde · und herrlich Gewand
Brachten ſie zu Rheine · bei dem Hofgelag.
Mancher Ungeſunde · hieng der Freude wieder nach.
Die wund zu Bette liegend · vordem gelitten Noth,
Die durften nun vergeßen, · wie bitter ſei der Tod;
Die Siechen und die Kranken · vergaß man zu beklagen.
Es freute ſich ein Jeder · entgegen feſtlichen Tagen:
Wie ſie da leben wollten · in gaſtlichem Genuß!
Wonnen ohne Maßen, · der Freuden Ueberfluß
Hatten alle Leute, · ſo viel man immer fand:
Da hub ſich große Wonne · über Gunthers ganzes Land.
An einem Pfingſtmorgen · ſah man ſie alle gehn
Wonniglich gekleidet, · viel Degen auserſehn,
Fünftauſend oder drüber, · dem Hofgelag entgegen.
Da hub um die Wette · ſich viel Kurzweil allerwegen.
Der Wirth hatt im Sinne, · was er ſchon längſt erkannt,
Wie von ganzem Herzen · der Held von Niederland
Seine Schweſter liebe, · ſah er ſie gleich noch nie,
Der man das Lob der Schönheit · vor allen Jungfrauen lieh.
Er ſprach: „Nun rathet Alle, · Freund oder Unterthan,
Wie wir das Hofgelage · am beſten ſtellen an,
Daß man uns nicht ſchelte · darum nach dieſer Zeit;
Zuletzt doch an den Werken · liegt das Lob, das man uns beut.“
Da ſprach zu dem Könige · von Metz Herr Ortewein:
„Soll dieß Hofgelage · mit vollen Ehren ſein,
So laßt eure Gäſte · die ſchönen Kinder ſehn,
Denen ſo viel Ehren · in Burgundenland geſchehn.
„Was wäre Mannes Wonne, · was freut' er ſich zu ſchaun,
Wenn nicht ſchöne Mägdelein · und herrliche Fraun?
Drum laßt eure Schweſter · vor die Gäſte gehn.“
Der Rath war manchem Helden · zu hoher Freude geſchehn.
„Dem will ich gerne folgen,“ · der König ſprach da ſo.
Alle, die's erfuhren, · waren darüber froh.
Er entbot es Frauen Uten · und ihrer Tochter ſchön,
Daß ſie mit ihren Maiden · hin zu Hofe ſollten gehn.
Da ward aus den Schreinen · geſucht gut Gewand,
So viel man eingeſchlagen · der lichten Kleider fand,
Der Borten und der Spangen; · des lag genug bereit.
Da zierte ſich gar minniglich · manche waidliche Maid.
Mancher junge Recke · wünſchte heut ſo ſehr,
Daß er wohlgefallen · möchte den Frauen hehr,
Das er dafür nicht nähme · ein reiches Königsland:
Sie ſahen die gar gerne, · die ſie nie zuvor gekannt.
Da ließ der reiche König · mit ſeiner Schweſter gehn
Hundert ſeiner Recken, · zu ihrem Dienſt erſehn
Und dem ihrer Mutter, · die Schwerter in der Hand:
Das war das Hofgeſinde · in der Burgunden Land.
Ute die reiche · ſah man mit ihr kommen,
Die hatte ſchöner Frauen · ſich zum Geleit genommen
Hundert oder drüber, · geſchmückt mit reichem Kleid.
Auch folgte Kriemhilden · manche waidliche Maid.
Aus einer Kemenate · ſah man ſie alle gehn:
Da muſte heftig Drängen · von Helden bald geſchehn,
Die alle harrend ſtanden, · ob es möchte ſein,
Daß ſie da fröhlich ſähen · dieſes edle Mägdelein.
Da kam die Minnigliche, · wie das Morgenroth
Tritt aus trüben Wolken. · Da ſchied von mancher Noth,
Der ſie im Herzen hegte, · was lange war geſchehn.
Er ſah die Minnigliche · nun gar herrlich vor ſich ſtehn.
Von ihrem Kleide leuchtete · mancher edle Stein;
Ihre roſenrothe Farbe · gab wonniglichen Schein.
Was Jemand wünſchen mochte, · er muſte doch geſtehn,
Daß er hier auf Erden · noch nicht ſo Schönes geſehn.
Wie der lichte Vollmond · vor den Sternen ſchwebt,
Des Schein ſo hell und lauter · ſich aus den Wolken hebt,
So glänzte ſie in Wahrheit · vor andern Frauen gut:
Das mochte wohl erhöhen · den zieren Helden den Muth.
Die reichen Kämmerlinge · ſchritten vor ihr her;
Die hochgemuthen Degen · ließen es nicht mehr:
Sie drängten, daß ſie ſähen · die minnigliche Maid.
Siegfried dem Degen · war es lieb und wieder leid.
Er ſann in ſeinem Sinne: · „Wie dacht ich je daran,
Daß ich dich minnen ſollte? · das iſt ein eitler Wahn;
Soll ich dich aber meiden, · ſo wär ich ſanfter todt.“
Er ward von Gedanken · oft bleich und oft wieder roth.
Da ſah man den Sigelindenſohn · ſo minniglich da ſtehn,
Als wär er entworfen · auf einem Pergamen
Von guten Meiſters Händen: · gern man ihm zugeſtand,
Daß man nie im Leben · ſo ſchönen Helden noch fand.
Die mit Kriemhilden giengen, · die hießen aus den Wegen
Allenthalben weichen: · dem folgte mancher Degen.
Die hochgetragnen Herzen · freute man ſich zu ſchaun:
Man ſah in hohen Züchten · viel der herrlichen Fraun.
Da ſprach von Burgunden · der König Gernot:
„Dem Helden, der ſo gütlich · euch ſeine Dienſte bot,
Gunther, lieber Bruder, · dem bietet hier den Lohn
Vor allen dieſen Recken: · des Rathes ſpricht man mir nicht Hohn.
„Heißet Siegfrieden · zu meiner Schweſter kommen,
Daß ihn das Mägdlein grüße: · das bringt uns immer Frommen:
Die niemals Recken grüßte, · ſoll ſein mit Grüßen pflegen,
Daß wir uns ſo gewinnen · dieſen zierlichen Degen.“
Des Wirthes Freunde giengen dahin, · wo man ihn fand;
Sie ſprachen zu dem Recken · aus dem Niederland:
„Der König will erlauben, · ihr ſollt zu Hofe gehn,
Seine Schweſter ſoll euch grüßen: · die Ehre ſoll euch geſchehn.“
Der Rede ward der Degen · in ſeinem Muth erfreut:
Er trug in ſeinem Herzen · Freude ſonder Leid,
Daß er der ſchönen Ute · Tochter ſollte ſehn.
In minniglichen Züchten · empfieng ſie Siegfrieden ſchön.
Als ſie den Hochgemuthen · vor ſich ſtehen ſah,
Ihre Farbe ward entzündet; · die Schöne ſagte da:
„Willkommen, Herr Siegfried, · ein edler Ritter gut.“
Da ward ihm von dem Gruße · gar wohl erhoben der Muth.
Er neigte ſich ihr minniglich, · als er den Dank ihr bot.
Da zwang ſie zu einander · ſehnender Minne Noth;
Mit liebem Blick der Augen · ſahn einander an
Der Held und auch das Mägdelein; · das ward verſtohlen gethan.
Ward da mit ſanftem Drucke · geliebkoſt weiße Hand
In herzlicher Minne, · das iſt mir unbekannt.
Doch kann ich auch nicht glauben, · ſie hättens nicht gethan.
Liebebedürftige Herzen · thäten Unrecht daran.
Zu des Sommers Zeiten · und in des Maien Tagen
Durft er in ſeinem Herzen · nimmer wieder tragen
So viel hoher Wonne, · als er da gewann,
Da die ihm an der Hand gieng, · die der Held zu minnen ſann.
Da gedachte mancher Recke: · „Hei! wär mir ſo geſchehn,
Daß ich ſo bei ihr gienge, · wie ich ihn geſehn,
Oder bei ihr läge! · das nähm ich willig hin.“
Es diente nie ein Recke · ſo gut noch einer Königin.
Aus welchen Königs Landen · ein Gaſt gekommen war,
Er nahm im ganzen Saale · nur dieſer beiden wahr.
Ihr ward erlaubt zu küſſen · den waidlichen Mann:
Ihm ward in ſeinem Leben · nie ſo Liebes gethan.
Von Dänemark der König · hub an und ſprach zur Stund:
„Des hohen Grußes willen · liegt gar Mancher wund,
Wie ich wohl hier gewahre, · von Siegfriedens Hand:
Gott laß ihn nimmer wieder · kommen in der Dänen Land.“
Da hieß man allenthalben · weichen aus den Wegen
Kriemhild der Schönen; · manchen kühnen Degen
Sah man wohlgezogen · mit ihr zur Kirche gehn.
Bald ward von ihr geſchieden · dieſer Degen auserſehn.
Da gieng ſie zu dem Münſter · und mit ihr viel der Fraun.
Da war in ſolcher Zierde · die Königin zu ſchaun,
Daß da hoher Wünſche · mancher ward verloren;
Sie war zur Augenweide · viel der Recken auserkoren.
Kaum erharrte Siegfried, · bis ſchloß der Meſsgeſang;
Er mochte ſeinem Heile · des immer ſagen Dank,
Daß ihm ſo gewogen war, · die er im Herzen trug:
Auch war er der Schönen · nach Verdienſten hold genug.
Als ſie aus dem Münſter · nach der Meſſe kam,
Lud man wieder zu ihr · den Helden lobeſam.
Da begann ihm erſt zu danken · die minnigliche Maid,
Daß er vor allen Recken · ſo kühn gefochten im Streit.
„Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,“ · ſprach das ſchöne Kind,
„Daß ihr das verdientet, · daß euch die Recken ſind
So hold mit ganzer Treue, · wie ſie zumal geſtehn.“
Da begann er Frau Kriemhilden · minniglich anzuſehn.
„Stäts will ich ihnen dienen,“ · ſprach Stegfried der Degen,
„Und will mein Haupt nicht eher · zur Ruhe niederlegen,
Bis ihr Wunſch geſchehen, · ſo lang mein Leben währt:
Das thu ich, Frau Kriemhild, · daß ihr mir Minne gewährt.“
Innerhalb zwölf Tagen, · ſo oft es neu getagt,
Sah man bei dem Degen · die wonnigliche Magd,
So ſie zu Hofe durfte · vor ihren Freunden gehn.
Der Dienſt war dem Recken · aus großer Liebe geſchehn.
Freude und Wonne · und lauten Schwerterſchall
Vernahm man alle Tage · vor König Gunthers Saal,
Davor und darinnen · von manchem kühnen Mann.
Von Ortwein und Hagen · wurden Wunder viel gethan.
Was man zu üben wünſchte, · dazu ſah man bereit
In völligem Maße · die Degen kühn im Streit.
Da machten vor den Gäſten · die Recken ſich bekannt;
Es war eine Zierde · König Gunthers ganzem Land.
Die lange wund gelegen, · wagten ſich an den Wind:
Sie wollten kurzweilen · mit des Königs Ingeſind,
Schirmen mit den Schilden · und ſchießen manchen Schaft.
Des halfen ihnen Viele; · ſie hatten größliche Kraft.
Bei dem Hofgelage · ließ ſie der Wirth verpflegen
Mit der beſten Speiſe; · es durfte ſich nicht regen
Nur der kleinſte Tadel, · der Fürſten mag entſtehn;
Man ſah ihn jetzo freundlich · hin zu ſeinen Gäſten gehn.
Er ſprach: „Ihr guten Recken, · bevor ihr reitet hin,
So nehmt meine Gaben: · alſo fleht mein Sinn,
Ich will euch immer danken; · verſchmäht nicht mein Gut:
Es unter euch zu theilen · hab ich willigen Muth.“
Die vom Dänenlande · ſprachen gleich zur Hand:
„Bevor wir wieder reiten · heim in unſer Land,
Gewährt uns ſtäten Frieden: · das iſt uns Recken noth;
Uns ſind von euern Degen · viel der lieben Freunde todt.“
Geneſen von den Wunden · war Lüdegaſt derweil;
Der Vogt des Sachſenlandes · war bald vom Kampfe heil.
Etliche Todte · ließen ſie im Land.
Da gieng der König Gunther · hin, wo er Siegfrieden fand.
Er ſprach zu dem Recken: · „Nun rath mir, wie ich thu.
Unſre Gäſte wollen · reiten morgen fruh
Und gehn um ſtäte Sühne · mich und die Meinen an:
Nun rath, kühner Degen, · was dich dünke wohlgethan.
„Was mir die Herrn bieten, · das will ich dir ſagen:
Was fünfhundert Mähren · an Gold mögen tragen,
Das bieten ſie mir gerne · für ihre Freiheit an.“
Da ſprach aber Siegfried: · „Das wär übel gethan.
„Ihr ſollt ſie beide ledig · von hinnen laßen ziehn;
Nur daß die edeln Recken · ſich hüten fürderhin
Vor feindlichem Reiten · her in euer Land,
Laßt euch zu Pfande geben · der beiden Könige Hand.“
„Dem Rathe will ich folgen.“ · So giengen ſie hindann.
Seinen Widerſachern · ward es kundgethan,
Des Golds begehre Niemand, · das ſie geboten eh.
Daheim den lieben Freunden · war nach den heermüden weh.
Viel Schilde ſchatzbeladen · trug man da herbei:
Das theilt' er ungewogen · ſeinen Freunden frei,
An fünfhundert Marken · und Manchem wohl noch mehr;
Gernot rieth es Gunthern, · dieſer Degen kühn und hehr.
Um Urlaub baten alle, · ſie wollten nun hindann.
Da kamen die Gäſte · vor Kriemhild heran
Und dahin auch, wo Frau Ute · ſaß, die Königin.
Es zogen nie mehr Degen · ſo wohl beurlaubt dahin.
Die Herbergen leerten ſich, · als ſie von dannen ritten.
Doch verblieb im Lande · mit herrlichen Sitten
Der König mit den Seinen · und mancher edle Mann:
Die giengen alle Tage · zu Frau Kriemhild heran.
Da wollt auch Urlaub nehmen · Siegfried der gute Held,
Verzweifelnd zu erwerben, · worauf ſein Sinn geſtellt.
Der König hörte ſagen, · er wolle nun hindann:
Geiſelher der junge · ihn von der Reiſe gewann.
„Wohin, edler Siegfried, · wohin reitet ihr?
Hört meine Bitte, · bleibt bei den Recken hier,
Bei Gunther dem König · und bei ſeinem Lehn:
Hier ſind viel ſchöne Frauen, · die läßt man euch gerne ſehn.“
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „So laßt die Roſſe ſtehn.
Von hinnen wollt ich reiten, · das laß ich mir vergehn.
Tragt auch hinweg die Schilde: · wohl wollt ich in mein Land:
Davon hat mich Herr Geiſelher · mit großen Treuen gewandt.“
So verblieb der Kühne · dem Freund zu Liebe dort.
Auch wär ihm in den Landen · an keinem andern Ort
So wohl als hier geworden: · daher es nun geſchah,
Daß er alle Tage · die ſchöne Kriemhild erſah.
Ihrer hohen Schönheit willen · der Degen da verblieb.
Mit mancher Kurzweile · man nun die Zeit vertrieb;
Nur zwang ihn ihre Minne, · die ſchuf ihm oftmals Noth;
Darum hernach der Kühne · lag zu großem Jammer todt.