Der Jammer allenthalben · zu ſolchem Maße ſchwoll,
Daß von der Wehklage · Pallas und Thurm erſcholl.
Da vernahm es auch ein Berner, · Dietrichs Unterthan:
Der ſchweren Botſchaft willen · wie eilends kam er heran!
Da ſprach er zu dem Fürſten: · „Hört mich, Herr Dieterich,
Was ich noch je erlebte, · ſo herzensjämmerlich
Hört ich noch niemals klagen, · als ich jetzt vernahm.
Ich glaube, daß der König · nun ſelber zu der Hochzeit kam,
„Wie wären ſonſt die Leute · all in ſolcher Noth?
Der König oder Kriemhild · Eins ward dem Tod
Von den kühnen Gäſten · in ihrem Zorn geſellt.
Es weint übermäßig · mancher auserwählte Held.“
Da ſprach der Vogt von Berne: „Ihr Getreun in meinem Lehn,
Seid nicht allzu eilig: · was hier auch iſt geſchehn
Von den Heimathloſen, · ſie zwang dazu die Noth:
Nun laßt ſie des genießen, · daß ich ihnen Frieden bot.“
Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Ich will zum Saale gehn,
Der Märe nachzufragen, · was da ſei geſchehn,
Und will euch dann berichten, · viel lieber Herre mein,
Wenn ich es dort erkunde, · wie die Sache möge ſein.“
Da ſprach der edle Dietrich: · „Wenn man ſich Zorns verſieht
Und ungeſtümes Fragen · zur Unzeit dann geſchieht,
Das betrübt den Recken · allzuleicht den Muth:
Drum will ich nicht, Wolfhart, · daß ihr die Frage da thut.“
Da bat er Helfrichen · hin zu gehn geſchwind,
Ob er erkundgen möge · bei Etzels Ingeſind
Oder bei den Gäſten, · was da wär geſchehn.
Da wurde nie bei Leuten · ſo großer Jammer geſehn.
Der Bote kam und fragte: · „Was iſt hier geſchehn?“
Da ward ihm zum Beſcheide: · „Nun muſt uns auch zergehn
Der Troſt, der uns geblieben · noch war in Heunenland:
Hier liegt erſchlagen Rüdiger · von der Burgunden Hand.
„Nicht Einer iſt entkommen, · der mit ihm gieng hinein.“
Das konnte Helfrichen · nimmer leider ſein.
Wohl mocht er ſeine Märe · noch nie ſo ungern ſagen:
Er kam zu Dietrichen · zurück mit Weinen und Klagen.
„Was bringt ihr uns für Kunde?“ · ſprach da Dieterich,
„Wie weint ihr ſo heftig, · Degen Helferich?“
Da ſprach der edle Recke: · „Wohl hab ich Grund zu klagen.
Den guten Rüdger haben · die Burgunden erſchlagen.“
Da ſprach der Held von Berne: · „Das wolle nimmer Gott.
Eine ſtarke Rache wär es · und des Teufels Spott.
Wie hätt an ihnen Rüdiger · verdient ſolchen Sold?
Ich weiß wohl die Kunde, · er iſt den Fremdlingen hold.“
Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Und wär es geſchehn,
So ſollt es ihnen Allen · an Leib und Leben gehn.
Wenn wirs ertragen wollten, · es brächt uns Spott und Schand,
Uns bot ſo große Dienſte · des guten Rüdiger Hand.“
Der Vogt von Amelungen · erfragt' es gern noch mehr.
In ein Fenſter ſetzt' er ſich, · ihm war das Herz ſo ſchwer.
Da hieß er Hildebranden · zu den Gäſten gehn,
Bei ihnen zu erforſchen, · was da wäre geſchehn.
Der ſturmkühne Recke, · Meiſter Hildebrand,
Weder Schild noch Waffen · trug er an der Hand.
Er wollt in ſeinen Züchten · zu den Gäſten gehn;
Von ſeiner Schweſter Kinde · muſt er ſich geſcholten ſehn.
Da ſprach der grimme Wolfhart: · „Geht ihr dahin ſo bloß,
So kommt ihr ungeſcholten · nimmer wieder los:
So müſt ihr dann mit Schanden · thun die Wiederfahrt;
Geht ihr dahin in Waffen, ſo weiß ich, daß es Mancher ſpart.“
Da rüſtete der Alte · ſich nach des Jungen Rath.
Eh Hildbrand es gewahrte, · ſtanden in ihrem Staat
Die Recken Dietrichs alle, · die Schwerter in der Hand.
Leid war das dem Helden, · er hätt es gern noch abgewandt.
Er frag, wohin ſie wollten. · „Wir wollen mit euch hin;
Ob von Tronje Hagen · wohl dann noch iſt ſo kühn,
Mit Spott zu euch zu reden, · wie ihm zu thun gefällt?“
Als er die Rede hörte, · erlaubt' es ihnen der Held.
Da ſah der kühne Volker · wohlgewaffnet gehn
Die Recken von Berne · in Dietrichens Lehn,
Die Schwerter umgegürtet, · die Schilde vor der Hand:
Er ſagt' es ſeinen Herren · aus der Burgunden Land.
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Dorten ſeh ich nahn
Recht in Feindesweiſe · Die Dietrich unterthan,
Gewaffnet unter Helmen: · ſie wollen uns beſtehn.
Nun wird es an das Ueble · mit uns Fremdlingen gehn.“
Es währte nicht lange, · ſo kam auch Hildebrand:
Da ſetzt' er vor die Füße · ſeinen Schildesrand
Und begann zu fragen · Die Gunthern unterthan:
„O weh, ihr guten Degen, · was hatt euch Rüdiger gethan?
„Mich hat mein Herr Dietrich · her zu euch geſandt,
Ob erſchlagen liege, Helden, · von eurer Hand
Dieſer edle Markgraf, · wie man uns gab Beſcheid?
Wir könnten nicht verwinden · alſo ſchweres Herzeleid.“
Da ſprach der grimme Hagen: · „Die Mär iſt ungelogen,
Wie gern ichs euch gönnte, · wärt ihr damit betrogen,
Rüdigern zu Liebe: · ſo lebt' er uns noch,
Den nie genug beweinen · mögen Fraun und Mannen doch.“
Als ſie das recht vernahmen, · Rüdiger ſei todt,
Da beklagten ihn die Recken, · wie ihre Treu gebot.
Dietrichens Mannen · ſah man die Thränen gehn
Uebern Bart zum Kinne: · viel Leid war ihnen geſchehn.
Siegſtab der Herzog · von Bern ſprach zuhand:
„O weh, wie all die Güte · hier gar ein Ende fand,
Die uns Rüdiger hier ſchuf · nach unſers Leides Tagen:
Der Troſt der Heimathloſen · liegt von euch Degen erſchlagen.“
Da ſprach von Amelungen · der Degen Wolfwein:
„Und wenn ich vor mir liegen · hier ſäh, den Vater mein,
Mir würde nimmer leider · als um Rüdgers Tod.
O weh, wer ſoll nun tröſten · die Markgräfin in ihrer Noth?“
Do ſprach im Zornmuthe · der kühne Wolfhart:
„Wer leitet nun die Recken · auf mancher Heerfahrt,
Wie von dem Markgrafen · ſo oft geſchehen iſt?
O weh, viel edler Rüdiger, · daß du uns ſo verloren biſt!“
Wolfbrand und Helferich · und auch Helmnot
Mit allen ihren Freunden · beweinten ſeinen Tod.
Nicht mehr fragen mochte · vor Seufzen Hildebrand:
So thut denn, ihr Degen, · warum mein Herr uns geſandt.
„Gebt uns den todten · Rüdiger aus dem Saal,
An dem all unſre Freude · erlitt den Jammerfall.
Laßt uns ihm ſo vergelten, · was er an uns gethan
Hat mit großer Treue · und an manchem fremden Mann.
„Wir ſind hier auch Vertriebene · wie Rüdiger der Degen.
Wie laßt ihr uns warten? · Laßt uns ihn aus den Wegen
Tragen und im Tode · lohnen noch dem Mann:
Wir hätten es wohl billig · bei ſeinem Leben gethan.“
Da ſprach der König Gunther: · „Nie war ein Dienſt ſo gut,
Als den ein Freund dem Freunde · nach dem Tode thut.
Das nenn ich ſtäte Treue, · wenn man das leiſten kann:
Ihr lohnt ihm nach Verdienſte, · er hat euch Liebes gethan.“
„Wie lange ſolln wir flehen?“ · ſprach Wolfart der Held.“
„Da unſer Troſt der beſte · liegt von euch gefällt,
Und wir ihn nun leider · nicht länger mögen haben,
Laßt uns ihn hinnen tragen, · daß wir den Recken begraben.“
Zur Antwort gab ihm Volker: · „Man bringt ihn euch nicht her,
Holt ihn aus dem Hauſe, · wo der Degen hehr
Mit tiefen Herzenswunden · gefallen iſt ins Blut:
So ſind es volle Dienſte, · die ihr hier Rüdigern thut.“
Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Gott weiß, Herr Fiedelmann,
Ihr müßt uns nicht noch reizen; · ihr habt uns Leid gethan.
Dürft ichs vor meinem Herren, · ſo kämt ihr drum in Noth;
Doch müßen wir es laßen, · weil er den Streit uns verbot.“
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Der fürchtet ſich zu viel,
Der, was man ihm verbietet, · Alles laßen will:
Das kann ich nimmer heißen · rechten Heldenmuth.“
Die Rede dauchte Hagnen · von ſeinem Heergeſellen gut.
„Wollt ihr den Spott nicht laßen,“ · fiel ihm Wolfhart ein,
„Ich verſtimm euch ſo die Saiten, · daß ihr noch am Rhein,
Wenn je ihr heimreitet, · habt davon zu ſagen.
Euer Ueberheben · mag ich mit Ehren nicht ertragen.“
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Wenn ihr den Saiten mein
Die guten Töne raubtet, · eures Helmes Schein
Müſte trübe werden · dabei von meiner Hand,
Wie ich halt auch reite · in der Burgunden Land.“
Da wollt er zu ihm ſpringen · doch blieb nicht frei die Bahn.
Hildebrand ſein Oheim · hielt ihn mit Kräften an.
„Ich ſeh, du willſt wüthen · in deinem dummen Zorn;
Nun hätten wir auf immer · meines Herren Huld verlorn.“
„Laßt los den Leuen, Meiſter, · er hat ſo grimmigen Muth;
Doch kommt er mir zu nahe,“ · ſprach Volker der Degen gut,
„Hätt er mit ſeinen Händen · die ganze Welt erlagen,
Ich ſchlag ihn, daß er nimmermehr · ein Widerwort weiß zu ſagen.“
Darob ergrimmte heftig · den Bernern der Muth.
Den Schild ruckte Wolfhart, · ein ſchneller Recke gut,
Gleich einem wilden Leuen · lief er auf ihn an.
Die Schar ſeiner Freunde · ihm raſch zu folgen begann.
Mit weiten Sprüngen ſetzt' er · bis vor des Saales Wand;
Doch ereilt' ihn vor der Stiege · der alte Hildebrand:
Er wollt ihn vor ihm ſelber · nicht laßen in den Streit.
Zu ihrem Willen fanden · ſie gern die Gäſte bereit.
Da ſprang hin zu Hagen · Meiſter Hildebrand:
Man hörte Waffen klingen · an der Helden Hand.
Sie waren ſehr im Zorne, · das zeigte ſich geſchwind:
Von der Beiden Schwertern · gieng der feuerrothe Wind.
Da wurden ſie geſchieden · in des Streites Noth:
Das thaten die von Berne, · wie Kraft und Muth gebot.
Als ſich von Hagen wandte · Meiſter Hildebrand,
Da kam der ſtarke Wolfhart · auf den kühnen Volker gerannt.
Auf den Helm dem Fiedler · ſchlug er ſolchen Schwang,
Daß des Schwertes Schärfe · durch die Spangen drang.
Das vergalt mit Ungeſtüm · der kühne Fiedelmann:
Da ſchlug er Wolfharten, · daß er zu ſprühen begann.
Feuers aus den Panzern · hieben ſie genug;
Grimmen Haß Jedweder · zu dem Andern trug.
Da ſchied ſie von Berne · der Degen Wolfwein;
Wär er kein Held geweſen, · ſo konnte das nimmer ſein.
Gunther der kühne · mit williger Hand
Empfieng die hehren Helden · aus Amelungenland.
Geiſelher der junge · die lichten Helme gut
Macht' er in dem Sturme · Manchem naß und roth von Blut.
Dankwart, Hagens Bruder, · war ein grimmer Mann:
Was er zuvor im Streite · Herrliches gethan
An König Etzels Recken, · das ſchien nun gar ein Wind:
Nun erſt begann zu toben · des kühnen Aldrians Kind.
Ritſchart und Gerbart, · Helfrich und Wichart
In manchen Stürmen hatten · die ſelten ſich geſpart:
Das ließen ſie wohl ſchauen · die in Gunthers Lehn.
Da ſah man Wolfbranden · in dem Sturme herrlich gehn.
Da focht, als ob er wüthe, · der alte Hildebrand.
Viel gute Recken muſten · vor Wolfhartens Hand
Auf den Tod getroffen · ſinken in das Blut:
So rächten Rüdgers Wunden · dieſe Recken kühn und gut.
Da focht der Herzog Siegſtab, · wie ihm der Zorn gebot.
Hei! was harter Helme · brach in des Sturmes Noth
An ſeinen Feinden · Dietrichens Schweſterſohn!
Er konnt in dem Sturme · nicht gewaltiger drohn.
Volker der Starke, · als er das erſah,
Wie Siegſtab der kühne · aus Panzerringen da
Bäche Blutes holte, · das ſchuf dem Biedern Zorn:
Er ſprang ihm hin entgegen: · da hatte hier bald verlorn
Von dem Fiedelſpieler · das Leben Siegſtab:
Volker ihm ſeiner Künſte · ſo vollen Anteil gab,
Er fiel von ſeinem Schwerte · nieder in den Tod.
Der alte Hilbrand rächte das, · wie ihm ſein Eifer gebot.
„O weh des lieben Herren,“ · ſprach Meiſter Hildebrand,
„Der uns hier erſchlagen · liegt von Volkers Hand!
Nun ſoll der Fiedelſpieler · auch länger nicht gedeihn.“
Hildebrand der kühne · wie könnt er grimmiger ſein.
Da ſchlug er ſo auf Volker, · daß von des Helmes Band
Die Splitter allwärts ſtoben · bis zu des Saales Wand,
Vom Helm und auch vom Schilde · dem kühnen Spielmann;
Davon der ſtarke Volker · nun auch ſein Ende gewann.
Da drangen zu dem Streite · Die in Dietrichs Lehn:
Sie ſchlugen, daß die Splitter · ſich wirbelnd muſten drehn
Und man der Schwerter Enden · in die Höhe fliegen ſah.
Sie holten aus den Helmen · heiße Blutbäche da.
Nun ſah von Tronje Hagen · Volker den Degen todt:
Das war ihm bei der Hochzeit · die allergröſte Noth,
Die er gewonnen hatte · an Freund und Unterthan!
O weh, wie grimmig Hagen · den Freund zu rächen begann!
„Nun ſoll es nicht genießen · der alte Hildebrand:
Mein Gehilfe liegt erſchlagen · von des Helden Hand,
Der beſte Heergeſelle, · den ich je gewann.“
Den Schild rückt' er höher, · ſo gieng er hauend hindann.
Helferich der ſtarke · Dankwarten ſchlug:
Gunthern und Geiſelhern · war es leid genug,
Als ſie ihn fallen ſahen · in der ſtarken Noth;
Doch hatten ſeine Hände · wohl vergolten ſeinen Tod.
So viel aus manchen Landen · hier Volks verſammelt war,
Viel Fürſten kraftgerüſtet · gegen die kleine Schar,
Wären die Chriſtenleute · nicht wider ſie geweſen,
Durch ihre Tugend mochten ſie · vor allen Heiden wohl geneſen.
Derweil ſchuf ſich Wolfhart · hin und wieder Bahn,
Alles niederhauend, · was Gunthern unterthan.
Er machte nun zum dritten Mal · die Runde durch den Saal:
Da fiel von ſeinen Händen · gar mancher Recke zu Thal.
Da rief der ſtarke Geiſelher · Wolfharten an:
„O weh, daß ich ſo grimmen · Feind je gewann!
Kühner Ritter edel, · nun wende dich hieher!
Ich will es helfen enden, · nicht länger trag ich es mehr.“
Zu Geiſelheren wandte · ſich Wolfhart in den Streit.
Da ſchlugen ſich die Recken · manche Wunde weit.
Mit ſolchem Ungeſtüme · er zu dem König drang,
Daß unter ſeinen Füßen · übers Haupt das Blut ihm ſprang.
Mit ſchnellen grimmen Schlägen · der ſchönen Ute Kind
Empfieng da Wolfharten, · den Helden hochgeſinnt.
Wie ſtark auch war der Degen, · wie ſollt er hier gedeihn?
Es konnte nimmer kühner · ein ſo junger König ſein.
Da ſchlug er Wolfharten · durch einen Harniſch gut,
Daß ihm aus der Wunde · niederſchoß das Blut:
Zum Tode war verwundet · Dietrichens Unterthan.
Wohl muſt er ſein ein Recke, · der ſolche Werke gethan.
Als der kühne Wolfhart · die Wund an ſich empfand,
Den Schild ließ er fallen: · höher in der Hand
Hob er ein ſtarkes Waffen, · das war wohl ſcharf genug:
Durch Helm und Panzerringe · der Degen Geiſelhern ſchlug.
Den grimmen Tod einander · hatten ſie angethan.
Da lebt' auch Niemand weiter, · der Dietrich unterthan.
Hildebrand der alte · Wolfharten fallen ſah:
Gewiſs vor ſeinem Tode · ſolch Leid ihm nimmer geſchah.
Erſtorben waren Alle · Die in Gunthers Lehn
Und Die in Dietrichens. · Hilbranden ſah man gehn,
Wo Wolfhart war gefallen · nieder in das Blut.
Er umſchloß mit Armen · den Degen bieder und gut.
Er wollt ihn aus dem Hauſe · tragen mit ſich fort;
Er war zu ſchwer doch, laßen · muſt ihn der Alte dort.
Da blickt' aus dem Blute · der todwunde Mann:
Er ſah wohl, ſein Oheim · hülfe gern ihm hindann.
Da ſprach der Todwunde: · „Viel lieber Oheim mein,
Mir kann zu dieſer Stunde · eure Hülfe nicht gedeihn.
Nun hütet euch vor Hagen, · fürwahr, ich rath euch gut:
Der tragt in ſeinem Herzen · einen grimmigen Muth.
„Und wollen meine Freunde · im Tode mich beklagen,
Den nächſten und den beſten · ſollt ihr von mir ſagen,
Daß ſie nicht um mich weinen, · das thu nimmer Noth:
Von eines Königs Händen · fand ich hier herrlichen Tod.
„Ich hab auch ſo vergolten · mein Sterben hier im Saal,
Das ſchafft noch den Frauen · der guten Ritter Qual.
Wills Jemand von euch wißen, · ſo mögt ihr kühnlich ſagen:
Von meiner Hand alleine · liegen hundert wohl erſchlagen.
Da gedacht auch Hagen · an den Fiedelmann,
Dem der alte Hildebrand · das Leben abgewann:
Da ſprach er zu dem Kühnen: · „Ihr entgeltet nun mein Leid.
Ihr habt uns hier benommen · manchen Recken kühn im Streit.“
Er ſchlug auf Hildebranden · daß man wohl vernahm
Balmungen dröhnen, · den Siegfrieden nahm
Hagen der kühne, · als er den Helden ſchlug.
Da wehrte ſich ſer Alte: · er war auch ſtreitbar genug.
Wolfhartens Oheim · ein breites Waffen ſchwang
Auf Hagen von Tronje, · das ſcharf den Stahl durchdrang:
Doch konnt er nicht verwunden · Gunthers Unterthan.
Da ſchlug ihm Hagen wieder · durch einen Harniſch wohlgetan.
Als da Meiſter Hildebrand · die Wunde recht empfand,
Beſorgt' er größern Schaden · noch von Hagens Hand.
Den Schild warf auf den Rücken · Dietrichs Unterthan:
Mit der ſtarken Wunde · der Held vor Hagen entrann.
Da lebt' auch von allen · den Degen Niemand mehr
Als Gunther und Hagen, · die beiden Recken hehr.
Mit Blut gieng beronnen · der alte Hildebrand:
Er brachte leide Märe, · da er Dietrichen fand.
Schwer bekümmert ſitzen · ſah er da den Mann:
Noch größern Leides Kunde · nun der Fürſt gewann.
Als er Hildebranden · im Panzer ſah ſo roth,
Da fragt' er nach der Urſach, · wie ihm die Sorge gebot.
„Nun ſagt mir, Meiſter Hildebrand, · wie ſeid ihr ſo naß
Von dem Lebensblute? · oder wer that euch das?
Ihr habt wohl mit den Gäſten · geſtritten in dem Saal?
Ihr ließt es billig bleiben, · wie ich ſo dringend befahl.“
Da ſagt' er ſeinem Herren: · „Hagen that es mir:
Der ſchlug mir in dem Saale · dieſe Wunde hier,
Als ich von dem Recken · zu wenden mich begann.
Kaum daß ich mit dem Leben · noch dem Teufel entrann.“
Da ſprach der von Berne: · „Gar recht iſt euch geſchehen,
Da ihr mich Freundſchaft hörtet · den Recken zugeſtehn
Und doch den Frieden brachet, · den ich ihnen bot:
Wär mirs nicht ewig Schande, · ihr ſolltets büßen mit dem Tod.“
„Nun zürnt mir, Herr Dietrich, · darob nicht allzuſehr:
An mir und meinen Freunden · iſt der Schade gar zu ſchwer.
Wir wollten Rüdger gerne · tragen aus dem Saal:
Das wollten uns nicht gönnen · die, welchen Gunther befahl.“
„O weh mir dieſes Leides! · Iſt Rüdiger doch todt?
Das muß mir ſein ein Jammer · vor all meiner Noth.
Gotelind die edle · iſt meiner Baſe Kind:
O weh der armen Waiſen, · die dort zu Bechlaren ſind!“
Herzeleid und Kummer · ſchuf ihm ſein Tod:
Er hub an zu weinen: · den Helden zwang die Noth.
„O weh der treuen Hülfe, · die mir an ihm erlag,
König Etzels Degen, · den ich nie verſchmerzen mag.
„Könnt ihr mir, Meiſter Hildebrand, · rechte Kunde ſagen,
Wie der Recke heiße, · der ihn hat erſchlagen?“
Er ſprach „Das that mit Kräften · der ſtarke Gernot;
Von Rüdigers Händen · fand auch der König den Tod.“
Er ſprach zu Hilbranden: · „So ſagt den Meinen an,
Daß ſie alsbald ſich waffnen, · ſo geh ich ſelbſt hinan.
Und befehlt, daß ſie mir bringen · mein lichtes Streitgewand:
Ich ſelber will nun fragen · die Helden aus Burgundenland.“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Wer ſoll mit euch gehn?
Die euch am Leben blieben, · die ſeht ihr vor euch ſtehn:
Das bin ich ganz alleine; · die Andern die ſind todt.“
Da erſchrak er dieſer Märe, · es ſchuf ihm wahrhafte Noth,
Daß er auf Erden nimmer · noch ſolches Leid gewann.
Er ſprach: „Und ſind erſtorben · all Die mir unterthan,
So hat mein Gott vergeßen, · ich, armer Dietrich!
Ich herrſcht' ein mächtger König · einſt hehr und gewaltiglich.“
Wieder ſprach da Dietrich: · „Wie könnt es nur geſchehn,
Daß ſie all erſtarben, · die Helden auserſehn,
Vor den Streitmüden, · die doch gelitten Noth?
Mein Unglück ſchufs alleine, · ſonſt verſchonte ſie der Tod!
„Wenn dann mein Unheil wollte, · es ſollte ſich begeben,
So ſprecht, blieb von den Gäſten · Einer noch am Leben?“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Das weiß Gott, Niemand mehr
Als Hagen ganz alleine · und Gunther der König hehr.“
„O weh, lieber Wolfhart, · und hab ich dich verloren,
So mag mich bald gereuen, · daß ich je ward geboren.
Siegſtab und Wolfwein · und auch Wolfbrand:
Wer ſoll mir denn helfen · in der Amelungen Land?
„Helferich der kühne, · und iſt mir der erſchlagen,
Gerbart und Wichard, · wann hör ich auf zu klagen?
Das iſt aller Freuden · mir der letzte Tag.
O weh, daß vor Leide · Niemand doch erſterben mag!“