: Das Nibelungenlied 35. Fünfunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Iring erſchlagen ward. Da rief der Markgraf Iring · aus der Dänen Land: // „Ich habe nun auf Ehre · die Sinne lang gewandt; // Auch iſt von mir das Beſte · in Stürmen oft geſchehn: // Nun bringt mir mein Gewaffen: · ſo will ich Hagen beſtehn.“ // „Das möcht ich widerrathen,“ · hub da Hagen an, // „Sonſt finden mehr zu klagen · Die Etzeln unterthan. // Springen eurer zweie · oder drei in den Saal, // Die ſend ich wohlverhauen · die Stiege wieder zu Thal.“ // „Ich wills darum nicht laßen,“ · ſprach wieder Iring: // „Wohl ſchon oft verſucht ich · ein gleich gefährlich Ding. // Wohl will ich mit dem Schwerte · allein dich beſtehn, // Und wär von dir im Streite · mehr als von Jemand geſchehn.“ // Da ward gewaffnet Iring · nach ritterlichem Brauch // Und Irnfried der kühne · von Thüringen auch // Und Hawart der ſtarke · wohl mit tauſend Mann: // Sie wollten Iring helfen, · was der Held auch begann. // Da ſah der Fiedelſpieler · ein gewaltig Heer, // Das mit Iringen · gewaffnet zog einher. // Sie trugen aufgebunden · die lichten Helme gut. // Da ward dem kühnen Volker · darüber zornig zu Muth. // „Seht ihr, Freund Hagen, · dort Iringen gehn, // Der euch im Kampf alleine · gelobte zu beſtehn? // Wie ziemt Helden Lüge? · Führwahr, ich tadl es ſehr. // Es gehn mit ihm gewaffnet · tauſend Recken oder mehr.“ // „Nun ſtraft mich nicht Lügen,“ · ſprach Hawarts Unterthan, // „Ich will gerne leiſten, · was ich euch kund gethan. // Mein Wort ſoll um Feigheit · nicht gebrochen ſein: // Sei Hagen noch ſo gräulich, · ich beſteh ihn ganz allein.“ // Zu Füßen warf ſich Iring · den Freunden und dem Lehn, // Daß ſie allein ihn ließen · den Recken beſtehn. // Das thaten ſie doch ungern, · ihnen war zu wohl bekannt // Der übermütige Hagen · aus der Burgunden Land. // Doch bat er ſie ſo lange, · bis es zuletzt geſchah. // Als das Ingeſinde · ſeinen Willen ſah, // Und daß er warb nach Ehre, · da ließen ſie ihn gehn. // Da ward von den Beiden · ein grimmes Streiten geſehn. // Iring der Däne · hielt hoch empor den Sper, // Sich deckte mit dem Schilde · der theure Degen hehr: // So lief er auf im Sturme · zu Hagen vor den Saal. // Da erhob ſich von den Degen · ein gewaltiger Schall. // Die Spere ſchößen beide · kräftig aus der Hand // Durch die feſten Schilde · auf ihr licht Gewand, // Daß die Sperſplitter · hoch in die Lüfte flogen. // Da griffen zu den Schwertern · die grimmen Degen verwegen. // Die Kraft des kühnen Hagen · war ohne Maßen voll; // Doch ſchlug nach ihm Iring, · daß all die Burg erſcholl. // Der Saal und die Thürme · erhallten von den Schlägen. // Es konnte ſeinen Willen · doch nicht vollführen der Degen. // Iring ließ Hagen · unverwundet ſtehn: // Auf den Fiedelſpieler · begann er loszugehn. // Er wähnt', er ſollt ihn zwingen · mit ſeinen grimmen Schlägen, // Doch wuſte ſich zu ſchirmen · dieſer zierliche Degen. // Da ſchlug der Fiedelſpieler, · daß von des Schildes Rand // Das Geſpänge wirbelte · von Volkers ſtarker Hand. // Den ließ er wieder ſtehen; · es war ein übler Mann: // Jetzt lief er auf Gunther, · den Burgundenkönig, an. // Da war nun Jedweder · zum Streite ſtark genug. // Wie Gunther auf Iring · und der auf Gunther ſchlug, // Das brachte nicht aus Wunden · das fließende Blut. // Ihre Rüſtung wehrt' es, · die war zu feſt und zu gut. // Gunthern ließ er ſtehen · und lief Gernoten an. // Das Feuer aus den Ringen · er ihm zu haun begann. // Da hätte von Burgunden · der ſtarke Gernot // Iring den kühnen · beinah geſandt in den Tod. // Da ſprang er von dem Fürſten; · ſchnell war er genug. // Der Burgunden viere · der Held behend erſchlug, // Des edeln' Heergeſindes · aus Worms an dem Rhein. // Darüber mochte Geiſelher · nicht wohl zorniger ſein. // „Gott weiß, Herr Iring,“ · ſprach Geiſelher das Kind, // „Ihr müßt mir entgelten, · die hier erlegen ſind // Vor euch in dieſer Stunde.“ · Da lief er ihn an // Und ſchlug den Danenhelden, · daß er zu ſtraucheln begann. // Er ſchoß vor ſeinen Händen · nieder in das Blut, // Daß ſie alle wähnten, · dieſer Degen gut // Schlug im Streit nicht wieder · einen Schlag mit ſeinem Schwert. // Doch lag vor Geiſelheren · Iring da noch unverſehrt. // Von des Helmes Schwirren · und von des Schwertes Klang // Waren ſeine Sinne · ſo betäubt und krank, // Daß ſich der kühne Degen · des Lebens nicht beſann. // Das hatt ihm mit den Kräften · der kühne Geiſelher gethan. // Als ihm aus dem Haupte · das Schwirren jetzt entwich, // Von dem mächtgen Schlage · war das erſt fürchterlich, // Da gedacht er: · „Ich lebe und bin auch nirgend wund: // Nun iſt mir erſt die Stärke · des kühnen Geiſelher kund!“ // Zu beiden Seiten hört' er · ſeine Feinde ſtehn. // Sie hättens wißen ſollen, · ſo wär ihm mehr geſchehn. // Auch hatt er Geiſelheren · vernommen nahe bei: // Er ſann, wie mit dem Leben · den Feinden zu entkommen ſei. // Wie tobend der Degen · aus dem Blute ſprang! // Er mochte ſeiner Schnelle · wohl ſagen großen Dank. // Da lief er aus dem Hauſe, · wo er Hagen fand, // Und ſchlug ihm ſchnelle Schläge · mit ſeiner kraftreichen Hand. // Da gedachte Hagen: · „Du muſt des Todes ſein. // Befriede dich der Teufel, · ſonſt kannſt du nicht gedeihn.“ // Doch traf Iring Hagnen · durch ſeines Helmes Hut. // Das that der Held mit Maske; · das war eine Waffe gut. // Als der grimme Hagen · die Wund an ſich empfand, // Da ſchwenkte ſich gewaltig · das Schwert in ſeiner Hand. // Es muſte vor ihm weichen · Hawarts Unterthan: // Hagen ihm die Stiege · hinab zu folgen begann. // Uebers Haupt den Schildrand · Iring der kühne ſchwang. // Und war dieſelbe Stiege · drei ſolcher Stiegen lang, // Derweil ließ ihn Hagen · nicht ſchlagen einen Schlag. // Hei, was rother Funken · da auf ſeinem Helme lag! // Doch kam zu den Freunden · Iring noch geſund. // Da wurde dieſe Märe · Kriemhilden kund, // Was er dem von Tronje · hatt im Streit gethan; // Dafür die Königstochter · ihm ſehr zu danken begann. // „Nun lohne Gott dir, Iring, · erlauchter Degen gut, // Du haſt mir wohl getröſtet · das Herz und auch den Muth: // Nun ſeh ich blutgeröthet · Hagens Wehrgewand!“ // Kriemhild nahm ihm ſelber · den Schild vor Freud aus der Hand. // „Ihr mögt ihm mäßig danken,“ · begann da Hagen, // „Bis jetzt iſt viel Großes · nicht davon zu ſagen; // Verſucht' er es zum andern Mal, · er wär ein kühner Mann. // Die Wunde frommt euch wenig, · die ich noch von ihm gewann. // „Daß ihr von meiner Wunde · mir ſeht den Harniſch roth, // Das hat mich noch erbittert · zu manches Mannes Tod. // Nun bin ich erſt im Zorne · auf ihn und manchen Mann; // Mir hat der Degen Iring · noch kleinen Schaden gethan.“ // Da ſtand dem Wind entgegen · Iring von Dänenland; // Er kühlte ſich im Harniſch, · den Helm er niederband. // Da prieſen ihn die Leute · für ſtreitbar und gut: // Darüber trug der Markgraf · nicht wenig hoch ſeinen Muth. // Da ſprach Iring wieder: · „Nun, Freunde, ſollt ihr gehn // Und neue Waffen holen: · ich will noch einmal ſehn, // Ob ich bezwingen möge · den übermüthgen Mann.“ // Sein Schild war verhauen, · einen beßern er gewann. // Gewaffnet war der Recke · bald in noch feſtre Wehr. // Er griff in ſeinem Zorne · nach einem ſtarken Sper, // Damit wollt er Hagen · zum drittenmal beſtehn. // Es brächt ihm Ehr und Frommen, · ließ' er das ſich vergehn. // Da wollte ſein nicht harren · Hagen der Degen. // Mit Schüßen und mit Hieben · lief er ihm entgegen // Die Stiege bis zu Ende; · zornig war ſein Muth. // Da kam dem Degen Iring · ſeine Stärke nicht zu gut. // Sie ſchlugen durch die Schilde, · daß es zu lohn begann // Mit feuerrothem Winde. · Hawarts Unterthan // Ward von Hagens Schwerte · da gefährlich wund // Durch Helm und durch Schildrand; · er ward nicht wieder geſund. // Als Iring der Degen · der Wunde ſich beſann, // Den Schild rückte näher · dem Helm der kühne Mann. // Ihn dauchte voll der Schaden, · der ihm war geſchehn; // Bald that ihm aber größern · der in König Gunthers Lehn. // Hagen vor ſeinen Füßen · einen Wurfſpieß liegen fand: // Auf Iringen ſchoß er · den von Dänenland, // Daß man ihm aus dem Haupte · die Stange ragen ſah. // Ein grimmes Ende ward ihm · von dem Uebermüthgen da. // Iring muſt entweichen · zu ſeinen Dänen hin. // Eh man den Helm dem Degen · mochte niederziehn, // Brach man den Sper vom Haupte, · da naht' ihm der Tod. // Das beweinten ſeine Freunde: · es zwang ſie wahrhafte Noth. // Da kam die Königstochter · auch zu ihm heran: // Iring den ſtarken · hub ſie zu klagen an. // Sie beweinte ſeine Wunden: · es war ihr grimmig leid. // Da ſprach vor ſeinen Freunden · dieſer Recke kühn im Streit: // „Laßt eure Klage bleiben, · viel hehre Königin. // Was hilft euer Weinen? · Mein Leben muß dahin // Schwinden aus den Wunden, · die an mir offen ſtehn. // Der Tod will mich nicht länger · euch und Etzeln dienen ſehn.“ // Zu Thüringern und Dänen · ſprach er hingewandt: // „Die Gaben, ſo die Königin · euch beut, ſoll eure Hand // Nicht zu erwerben trachten, · ihr lichtes Gold ſo roth // Und beſteht ihr Hagen, · ſo müßt ihr ſchauen den Tod.“ // Seine Farbe war erblichen, · des Todes Zeichen trug // Iring der kühne; · ihnen war es leid genug. // Es konnte nicht geſunden · der Held in Hawarts Lehn: // Da muſt es an ein Streiten · von den Dänenhelden gehn. // Irnfried und Hawart · ſprangen vor das Haus // Wohl mit tauſend Helden: · einen ungeſtümen Braus // Vernahm man allenthalben, · kräftig und groß. // Hei! was man ſcharfer Spere · auf die Burgunden ſchoß! // Irnfried der kühne · lief den Spielmann an, // Wodurch er großen Schaden · von ſeiner Hand gewann. // Der edle Fiedelſpieler · den Landgrafen ſchlug // Durch den Helm den feſten: · wohl war er grimmig genug. // Da ſchlug dem grimmen Spielmann · Irnfried einen Schlag, // Daß er den Ringpanzer · dem Helden zerbrach // Und ſich ſein Harniſch färbte · von Funken feuerroth. // Dennoch fiel der Landgraf · vor dem Spielmann in den Tod. // Zuſammen waren Hagen · und Hawart gekommen. // Da mochte Wunder ſchauen, · wer es wahrgenommen. // Die Schwerter fielen kräftig · den Helden an der Hand: // Da muſte Hawart ſterben · vor dem aus Burgundenland. // Die Thüringer und Dänen · ſahn ihre Herren todt. // Da hub ſich vor dem Hauſe · noch grimmere Noth, // Eh ſie die Thür gewannen · mit kraftreicher Hand. // Da ward noch verhauen · mancher Helm und Schildesrand. // „Weichet,“ ſprach da Volker, · „laßt ſie zum Saal herein: // Was ſie im Sinne haben, · kann dennoch nicht ſein. // Sie müßen bald erſterben · allzumal darin: // Sie ernten mit dem Tode, · was ihnen beut die Königin,“ // Als die Uebermüthigen · drangen in den Saal, // Das Haupt ward da Manchem · ſo geneigt zu Thal, // Daß er erſterben muſte · vor ihren ſchnellen Schlägen. // Wohl ſtritt der kühne Gernot; · ſo that auch Geiſelher der Degen. // Tauſend und viere · die kamen in das Haus: // Da hörte man erklingen · den hellen Schwerterſaus. // Sie wurden von den Gäſten · alle drin erſchlagen: // Man mochte große Wunder · von den Burgunden ſagen. // Darnach ward eine Stille, · als der Lärm verſcholl. // Das Blut allenthalben · durch die Lücken quoll // Und zu den Riegelſteinen · von den todten Degen: // Das hatten die vom Rheine · gethan mit kräftigen Schlägen. // Da ſaßen wieder rufend · die aus Burgundenland, // Sie legten mit den Schilden · die Waffen aus der Hand. // Da ſtand noch vor dem Hauſe · der kühne Spielmann, // Erwartend, ob noch Jemand · zum Streite zöge heran. // Der König klagte heftig, · dazu die Königin; // Mägdelein und Frauen · härmten ſich den Sinn. // Der Tod, wähn ich, hatte · ſich wider ſie verſchworen: // Drum giengen durch die Gäſte · noch viele der Recken verloren. // 36. Sechsunddreißigſtes Abenteuer. // Wie die Königin den Saal verbrennen ließ.