„Mir wird ſo kühl der Harniſch,“ · ſprach da Volker:
„Die Nacht, wähn ich, wolle · nun nicht währen mehr.
Ich fühl es an den Lüften, · es iſt nicht weit vom Tag.“
Da weckten ſie gar Manchen, · der da im Schlafe noch lag.
Da ſchien der lichte Morgen · den Gäſten in den Saal.
Hagen begann zu fragen · die Recken allzumal,
Ob ſie zum Münſter wollten · in die Meſſe heut.
Nach chriſtlichen Sitten · erſcholl der Glocken Geläut.
Der Geſang war ungleich; · kein Wunder möcht es ſein,
Daß Chriſten mit Heiden · nicht ſtimmten überein.
Da wollten zu der Kirche · Die in Gunthers Lehn:
Man ſah ſie von den Betten · allzumal da erſtehn.
Da ſchnürten ſich die Recken · in alſo gut Gewand,
Daß nie Helden wieder · in eines Königs Land
Beßre Kleider brachten. · Hagen war es leid;
Er ſprach: „Ihr thätet beßer, · ihr trügt hier anderlei Kleid.
„Nun iſt euch doch allen · die Märe wohl bekannt:
Drum ſtatt der Roſenkränze · nehmt Waffen an die Hand;
Statt wohlgeſteinter Hüte · die lichten Helme gut,
Da wir ſo wohl erkennen · der argen Kriemhilde Muth.
„Wir müßen heute ſtreiten, · das will ich euch ſagen.
Statt ſeidner Hemden ſollt ihr · Halsbergen tragen
Und ſtatt der reichen Mäntel · gute Schilde breit:
zürnt mit euch Jemand, · daß ihr wehrhaftig ſeid.
„Meine lieben Herren, · Freund und Mannen mein,
Tretet in die Kirche · mit lauterm Herzen ein
Und klagt Gott dem reichen · eure Sorg und Noth:
Denn wißt unbezweifelt, · es naht uns allen der Tod.
„Ihr ſollt auch nicht vergeßen, · was je von euch geſchah,
Und fleht vor eurem Gotte · andächtig da.
Laßt euch alle warnen, · gute Recken hehr:
Es wend es Gott im Himmel, · ſo hört ihr keine Meſſe mehr,“
So giengen zu dem Münſter · die Fürſten und ihr Lehn.
Auf dem heiligen Friedhof, · da hieß ſie ſtille ſtehn
Hagen der kühne, · damit man ſie nicht ſchied.
Er ſprach: „Noch weiß ja Niemand, was von den Heunen geſchieht.
„Setzt, meine Freunde, · die Schilde vor den Fuß
Und lohnt es, beut euch Jemand · feindlichen Gruß,
Mit tiefen Todeswunden: · das iſt, was euch Hagen räth.
So werdet ihr befunden, · wie's euch am löblichſten ſteht.“
Volker und Hagen · die beiden ſtellten da
Sich vor das weite Münſter: · was darum geſchah,
Sie wolltens dazu bringen, · daß ſich die Königin
Mit ihnen drängen müße; · wohl war gar grimmig ihr Sinn.
Da kam der Wirth des Landes · und auch ſein ſchönes Weib;
Mit reichem Gewände · war ihr geziert der Leib
Und manchem ſchnellen Degen, · der im Geleit ihr war.
Da flog der Staub zur Höhe · vor der Königin Schar,
Als der reiche König · ſo gewaffnet ſah
Die Fürſten und ihr Ingeſind, · wie bald ſprach er da:
„Was ſeh ich meine Freunde · unter Helmen gehn?
Leid war mir meiner Treue, · wär ihnen Leid hier geſchehn.
„Das wollt ich ihnen büßen, · wie ſie es däuchte gut.
Wenn ihnen wer beſchwerte · das Herz und den Muth,
So laß ich ſie wohl ſchauen, · es ſei mir wahrlich leid:
Was ſie gebieten mögen, · dazu bin ich gern bereit.“
Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Uns iſt kein Leid geſchehn.
Es iſt der Herren Sitte, · daß ſie gewaffnet gehn
Bei allen Gaſtgeboten · zu dreien vollen Tagen.
Was uns hier geſchähe, · wir würden es Etzeln klagen.“
Wohl vernahm die Königin · Hagens Rede da.
Wie feindlich ſie dem Degen · unter die Augen ſah!
Sie wollte doch nicht melden · den Brauch in ihrem Land,
Wie lang bei den Burgunden · ſie den auch hatte gekannt.
Wie grimm und ſtark die Königin · ihnen abhold wäre,
Hätte Jemand Etzeln · geſagt die rechte Märe,
Er hätt es wohl gewendet, · was nun doch geſchah:
In ihrem hohen Uebermuth · verſchwiegen ſie es Alle da.
Da ſchritt mit vielem Volke · Kriemhild zur Kirchenthür:
Doch wollten dieſe Beiden · weichen nicht vor ihr
Zweier Hände Breite: · das war den Heunen leid.
Da muſte ſie ſich drängen · mit den Helden allbereit.
Etzels Kämmerlinge · die dauchte das nicht gut:
Wohl hätten ſie den Recken · gern erzürnt den Muth,
Wenn ſie es wagen dürften · vor dem König hehr.
Da gab es groß Gedränge · und doch nichts anderes mehr.
Als nach dem Gottesdienſte · man auf den Heimweg ſann,
Da kam hoch zu Roſſe · mancher Heunenmann.
Auch war bei Kriemhilden · manche ſchöne Maid;
Wohl Siebentauſend zählte · der Königin Heergeleit.
Kriemhild mit ihren Frauen · in den Fenſtern ſaß
Bei Etzeln dem reichen; · gerne ſah er das.
Sie wollten reiten ſehen · die Helden auserkannt:
Hei! was man fremder Recken · vor ihnen auf dem Hofe fand!
Nun war auch mit den Roſſen · der Marſchall gekommen.
Der kühne Dankwart hatte · mit ſich genommen
Der Herren Ingeſinde · von Burgundenland:
Die Roſſe wohlgeſattelt · man den kühnen Niblungen fand.
Als zu Roſſen kamen · die Fürſten und ihr Herr,
Da begann zu rathen · der kühne Volker,
Sie ſollten buhurdieren · nach ihres Landes Sitten.
Da wurde von den Helden · bald gar herrlich geritten.
Was der Held gerathen, · Niemanden wohl verdroß;
Der Buhurd und der Waffenklang · wurden beide groß.
In dem weiten Hofe · kam da mancher Mann;
Etzel mit Kriemhild · es ſelbſt zu ſchauen begann.
Auf den Buhurd kamen · ſechshundert Degen.
Dietrichens Recken, · den Gäſten entgegen.
Mit den Burgunden wollten · ſie ſich im Spiel ergehn;
Wollt es ihr Herr vergönnen, · ſo wär es gerne geſchehn.
Hei! Was gute Recken · ritten da heran!
Dietrich dem Helden · ward es kund gethan.
Mit Gunthers Ingeſinde · das Spiel er verbot;
Er ſchonte ſeiner Leute: · das that ihm ſicherlich Noth.
Als Dietrichs Gefolge · ſo vermied den Streit,
Da kamen von Bechlaren · Rüdigers Geleit,
Fünfhundert unter Schilden, · vor den Saal geritten.
Leid wars dem Markgrafen: · er hätt es gern nicht gelitten.
Er kam zu ihnen eilends · gedrungen durch die Schar
Und ſagte ſeinen Mannen: · ſie würden ſelbſt gewahr,
Daß im Unmuth wären · Die Gunthern unterthan:
Wenn ſie das Kampfſpiel ließen, · ſo wär ihm Liebes gethan.
Als von ihnen ſchieden · die Helden allbereit,
Da kamen die von Thüringen, · hörten wir Beſcheid,
Und vom Dänenlande · der Kühnen tauſend Mann.
Von Stichen ſah man fliegen · viel der Splitter hoch hinan.
Irnfried und Hawart · ritten zum Buhurd hin;
Ihrer harrten Die vom Rheine · mit hochfährtgem Sinn
Zum Lanzenſpiel mit Denen · vom Thüringerland:
Durchbohrt von Stichen wurde · mancher ſchöne Schildesrand.
Da kam der Degen Blödel, · dreitauſend in der Schar.
Etzel und Kriemhild · nahmen ſein wohl war,
Da vor ihnen Beiden · das Ritterſpiel geſchah.
Die Königin es gerne · aus Haß der Burgunden ſah.
Sie gedacht in ihrem Sinne, · ſchier wärs auch ſo geſchehn:
„Und thäten ſie wem Leides, · ſo dürft ich mich verſehn,
Daß es zum Ernſte käme: · an den Feinden mein
Würd ich dann gerochen; · des wollt ich ohne Sorge ſein.“
Schrutan und Gibeke · ritten zum Buhurd auch,
Hornbog und Ramung, · nach heuniſchem Gebrauch.
Sie hielten vor den Helden · aus Burgundenland:
Die Schäfte flogen wirbelnd · über des Königsſaales Wand.
Wie ſie da Alle ritten, · das war doch eitel Schall.
Von Stößen auf die Schilde · das Haus und den Saal
Hörte man ertoſen · durch manchen Gunthers-Mann.
Das Lob ſich ſein Geſinde · mit großen Ehren gewann.
Da ward ihre Kurzweil · ſo ſtark und ſo groß,
Daß den Satteldecken · der blanke Schweiß entfloß
Von den guten Roſſen, · ſo die Helden ritten.
Sie verſuchten an den Heunen · ſich mit hochfährtgen Sitten.
Da ſprach der kühne Volker, · der edle Spielmann:
„Zu feig ſind dieſe Degen, · ſie greifen uns nicht an.
Ich hörte immer ſagen, · daß ſie uns abhold ſein:
Nun könnte die Gelegenheit · ihnen doch nicht günſtger ſein.“
„Zu den Ställen wieder,“ · ſprach der König hehr,
„Ziehe man die Roſſe; · wir reiten wohl noch mehr
In den Abendſtunden, · wenn die Zeit erſchien.
Ob dann den Burgunden · den Preis wohl giebt die Königin?“
Da ſahn ſie Einen reiten · ſo ſtattlich daher,
Es thats von allen Heunen · kein Anderer mehr.
Er hatt in den Fenſtern · wohl ein Liebchen traut:
Er ritt ſo wohl gekleidet · als eines werthen Ritters Braut.
Da ſprach wieder Volker: · „Wie blieb' es ungethan?
Jener Weiberliebling · muß einen Stoß empfahn.
Das mag hier Niemand wenden, · es geht ihm an den Leib:
Nicht frag ich, ob drum zürne · dem König Etzel ſein Weib.“
„Nicht doch,“ ſprach der König, · „wenn ichs erbitten kann:
Es ſchelten uns die Leute, · greifen wir ſie an:
Die Heunen laßt beginnen; · es kommt wohl bald dahin.“
Noch ſaß König Etzel · am Feſter bei der Königin.
„Ich will das Kampfſpiel mehren,“ · ſprach Hagen jedoch:
„Laßt dieſe Frauen · und die Degen noch
Sehn, wie wir reiten können: · das iſt wohlgethan;
Man läßt des Lobs doch wenig · die Recken Gunthers empfahn.“
Volker der ſchnelle · ritt wieder in den Streit.
Das ſchuf da viel der Frauen · großes Herzeleid.
Er ſtach dem reichen Heunen · den Sper durch den Leib:
Das ſah man noch beweinen · manche Maid und manches Weib.
Alsbald rückt' auch Hagen · mit ſeinen Helden an:
Mit ſechzig ſeiner Degen · zu reiten er begann
Dahin, wo von dem Fiedler · das Spiel war geſchehn.
Etzel und Kriemhild · konnten Alles deutlich ſehn.
Da wollten auch die Könige · den kühnen Fiedler gut
Unter den Feinden · nicht laßen ohne Hut.
Da ward von tauſend Helden · mit großer Kunſt geritten.
Sie thaten, was ſie lüſtete, · mit gar hochfährtgen Sitten.
Als der reiche Heune · zu Tode war geſchlagen,
Man hörte ſeiner Freunde · Wehruf und Klagen.
All das Geſinde fragte: · „Wer hat das gethan?“
„Das hat gethan der Fiedler, · Volker der kühne Spielmann.“
Nach Schwertern und Schilden · riefen gleich zur Hand
Des Markgrafen Freunde · von der Heunen Land:
Zu Tode ſchlagen wollten · ſie den Fiedelmann.
Der Wirth von ſeinem Fenſter · daher zu eilen begann.
Da hob ſich von den Heunen · allenthalben Schall.
Abſtiegen mit dem Volke · die Könge vor dem Saal;
Zurück die Roſſe ſtießen · Die Gunthern unterthan.
Da kam der König Etzel · den Streit zu ſchlichten heran.
Einem Vetter dieſes Heunen, · den er da bei ihm fand,
Eine ſcharfe Waffe · brach er ihm aus der Hand
Und ſchlug ſie all zurücke: · er war in großem Zorn.
„Wie hätt ich meine Dienſte · an dieſen Helden verlorn!
„Wenn ihr dieſen Spielmann · hättet drum erſchlagen,
Ich ließ' euch alle hängen! · das will ich euch ſagen.
Als er erſtach den Heunen, · ſein Reiten wohl ich ſah,
Daß es wider ſeinen Willen · nur durch Straucheln geſchah.
„Ihr ſollt meine Gäſte · mit Frieden laßen ziehn.“
So ward er ihr Geleite. · Die Roſſe zog man hin
Zu den Herbergen. · Sie hatten manchen Knecht,
Der ihnen war zu Dienſten · mit allem Fleiße gerecht.
Der Wirth mit ſeinen Freunden · gieng zum Saal zurück:
Da regte ſich kein Zürnen · mehr vor ſeinem Blick.
Man richtete die Tiſche, · das Waſſer man auch trug.
Da hatten Die vom Rheine · der ſtarken Feinde genug.
Unlieb war es Etzeln, · doch folgte manche Schar
Den Fürſten, die mit Waffen · wohl verſehen war,
Im Unmuth auf die Gäſte, · als man zu Tiſche gieng,
Den Freund bedacht zu rächen, · wenn es günſtge Zeit verhieng.
„Daß ihr in Waffen lieber · zu Tiſche geht als bloß,“
Sprach der Wirth des Landes, · „die Unart iſt zu groß;
Wer aber an den Gäſten · den kleinſten Frevel wagt,
Der büßt es mit dem Haupte: · das ſei euch Heunen geſagt.“
Bevor da niederſaßen · die Herren, das währte lang,
Weil zu ſehr mit Sorgen · jetzt Frau Kriemhild rang.
Sie ſprach: „Fürſt von Berne, · heute muß ich flehn
Zu dir um Rath und Hülfe: · meine Sachen ängſtlich ſtehn.“
Zur Antwort gab ihr Hildebrand, · eine Recke tugendlich:
„Wer ſchlägt die Nibelungen, · der thut es ohne mich,
Wie viel man Schätze böte; · es wird ihm wahrlich leid.
Sie ſind noch unbezwungen, · die ſchnellen Ritter allbereit.“
„Es geht mir nur um Hagen, · der hat mir Leid gethan,
Der Siegfrieden mordete, · meinen lieben Mann.
Wer den von ihnen ſchiede, · dem wär mein Gold bereit:
Entgält es anders Jemand, · das wär mir inniglich leid.“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Wie möchte das geſchehn,
Den ihnen zu erſchlagen? · Ihr ſolltet ſelber ſehn:
Beſtünde man den Degen, · leicht gäb es eine Noth,
Daß Arme ſo wie Reiche · dabei erlägen im Tod.“
Da ſprach dazu Herr Dietrich · mit zuchtreichem Sinn:
„Die Rede laßt bleiben, · reiche Königin;
Mir iſt von euern Freunden · kein ſolches Leid geſchehn,
Daß ich ſollt im Streite · die kühnen Degen beſtehn.
„Die Bitte ehrt euch wenig, · edel Königsweib,
Daß ihr den Freunden rathet · an Leben und an Leib.
Sie kamen euch auf Gnade · hieher in dieſes Land;
Siegfried bleibt ungerochen · wohl von Dietrichens Hand.“
Als ſie keine Untreu · bei dem Berner fand,
Alſobald gelobte ſie · Blödeln in die Hand
Eine weite Landſchaft, · die Nudung einſt beſaß;
Hernach erſchlug ihn Dankwart, · daß er der Gabe gar vergaß.
Sie ſprach: „Du ſollſt mir helfen, · Bruder Blödelein.
Hier in dieſem Hauſe · ſind die Feinde mein,
Die Siegfrieden ſchlugen, · meinen lieben Mann:
Wer mir das rächen hülfe, · dem war ich immer unterthan.“
Zur Antwort gab ihr Blödel, · der ihr zur Seite ſaß:
„Ich darf euern Freunden · nicht zeigen ſolchen Haß,
Weil ſie mein Bruder Etzel · ſo gerne leiden mag:
Wenn ich ſie beſtünde, · der König ſäh es mir nicht nach.“
„Nicht alſo, Herr Blödel, · ich bin dir immer hold:
Ich gebe dir zum Lohne · mein Silber und mein Gold
Und eine ſchöne Witwe, · Nudungens Weib:
So magſt du immer koſen · ihren minniglichen Leib.
„Das Land zu den Burgen, · Alles geb ich dir,
So lebſt du, theurer Ritter, · in Freuden ſtäts mit ihr,
Wenn du die Mark gewinneſt, · die Nudung einſt beſaß.
Was ich dir hier gelobe, · mit Treuen leiſt ich dir das.“
Als Blödel bieten hörte · des Lohnes alſo viel
Und ihrer Schöne willen · die Frau ihm wohlgefiel,
Im Kampf verdienen wollt er · das minnigliche Weib.
Da muſte dieſer Recke · verlieren Leben und Leib.
Er ſprach zu der Königin: · „Geht wieder in den Saal.
Eh man es inne werde, · erheb ich großen Schall.
Hagen muß es büßen, · was er euch hat gethan:
Ich bring euch gebunden · König Gunthers Unterthan.“
„Nun waffnet euch,“ ſprach Blödel, · „ihr all in meinem Lehn,
Wir wollen zu den Feinden · in die Herberge gehn.
Mir will es nicht erlaßen · König Etzels Weib:
Wir Helden müßen alle · verwagen Leben und Leib.“
Als den Degen Blödel · entließ die Königin,
Daß er den Streit begänne, · zu Tiſche gieng ſie hin
Mit Etzeln dem Könige · und manchem Unterthan.
Sie hatte ſchlimme Räthe · wider die Gäſte gethan.
Wie ſie zu Tiſche giengen, · das will ich euch ſagen:
Man ſah reiche Könige · die Krone vor ihr tragen;
Manchen hohen Fürſten · und viel der werthen Degen
Sah man großer Demuth · vor der Königin pflegen.
Der König wies den Gäſten · die Sitze überall,
Den Höchſten und den Beſten · neben ſich im Saal.
Den Chriſten und den Heiden · die Koſt er unterſchied;
Man gab die Fülle beiden, · wie es der weiſe König rieth.
In der Herberge · aß ihr Ingeſind:
Von Truchſäßen ward es · da allein bedient;
Die hatten es zu ſpeiſen · großen Fleiß gepflogen.
Die Bewirtung und die Freude · ward bald mit Jammer aufgewogen.
Da nicht anders konnte · erhoben ſein der Streit,
Kriemhilden lag im Herzen · begraben altes Leid,
Da ließ ſie zu den Tiſchen · tragen Etzels Sohn:
Wie könnt ein Weib aus Rache · wohl entſetzlicher thun?
Da kamen vier gegangen · aus Etzels Ingeſind
Und brachten Ortlieben, · das junge Königskind,
Den Fürſten an die Tafel, · wo auch Hagen ſaß.
Das Kind muſt erſterben · durch ſeinen mordlichen Haß.
Als der reiche König · ſeinen Sohn erſah,
Zu ſeiner Frauen Brüdern · gütlich ſprach er da:
„Nun ſchaut, meine Freunde, · das iſt mein einzig Kind
Und das eurer Schweſter, · von dem ihr Frommen einſt gewinnt.
„Geräth er nach dem Stamme, · er wird ein ſtarker Mann,
Reich dazu und edel, · kühn und wohlgethan.
Erleb ich es, ich geb ihm · zwölf reicher Könge Land:
So thut euch wohl noch Dienſte · des jungen Ortliebens Hand.
„Darum bät ich gerne · euch, lieben Freunde mein,
Wenn ihr heimwärts reitet · wieder an den Rhein,
Daß ihr dann mit euch nehmet · eurer Schweſter Kind;
Und ſeid auch dem Knaben · immer gnädig geſinnt.
„Erzieht ihn nach Ehren, · bis er geräth zum Mann:
Hat euch in den Landen · Jemand ein Leid gethan,
So hilft er euch es rächen, · erwuchs ihm erſt der Leib.“
Die Rede hörte Kriemhild · mit an, König Etzels Weib.
„Ihm ſollten wohl vertrauen · alle dieſe Degen,
Wenn er zum Mann erwüchſe,“ · ſprach Hagen entgegen;
„Doch iſt der junge König · ſo ſchwächlich anzuſehn:
Man ſoll mich ſelten ſchauen · nach Hof zu Ortlieben gehn.“
Der König blickt' auf Hagen; · die Rede war ihm leid.
Wenn er auch nichts erwiederte, · der König allbereit,
Es betrübt' ihn in der Seele · und beſchwert' ihm den Muth.
Da waren Hagens Sinne · zu keiner Kurzweile gut.
Es ſchmerzte wie den König · ſein fürſtlich Ingeſind,
Was Hagen da geſprochen · hatte von dem Kind.
Daß ſie's vertragen ſollten, · gieng ihnen allen nah;
Noch konnten ſie nicht wißen, · was von dem Recken bald geſchah.
Gar Manche, die es hörten · und ihm trugen Groll,
Hätten ihn gern beſtanden; · der König ſelber wohl,
Wenn er mit Ehren dürfte: · ſo käm der Held in Noth.
Bald that ihm Hagen Aergeres, · er ſchlug ihn ihm vor Augen todt.