Den Herrn beſchwerte ſelten · irgend ein Herzeleid.
Er hörte Kunde ſagen, · wie eine ſchöne Maid
Bei den Burgunden wäre, · nach Wünſchen wohlgethan,
Von der er bald viel Freuden · und auch viel Leides gewann.
Von ihrer hohen Schöne · vernahm man weit und breit,
Und auch ihr Hochgemüthe · ward zur ſelben Zeit
Bei der Jungfrauen · den Helden oft bekannt:
Das ladete der Gäſte · viel in König Gunthers Land.
So viel um ihre Minne · man Werbende ſah,
Kriemhild in ihrem Sinne · ſprach dazu nicht Ja,
Daß ſie einen wollte · zum geliebten Mann:
Er war ihr noch gar fremde, · dem ſie bald ward unterthan.
Dann ſann auf hohe Minne · Sieglindens Kind:
All der Andern Werben · war wider ihn ein Wind.
Er mochte wohl verdienen · ein Weib ſo auserwählt:
Bald ward die edle Kriemhild · dem kühnen Siegfried vermählt.
Ihm riethen ſeine Freunde · und Die in ſeinem Lehn,
Hab er ſtäte Minne · ſich zum Ziel erſehn,
So ſoll er werben, daß er ſich · der Wahl nicht dürfe ſchämen.
Da ſprach der edle Siegfried: · „So will ich Kriemhilden nehmen,
„Die edle Königstochter · von Burgundenland,
Um ihre große Schöne. · Das iſt mir wohl bekannt,
Kein Kaiſer ſei ſo mächtig, · hätt er zu frein im Sinn,
Dem nicht zum minnen ziemte · dieſe reiche Königin.“
Solche Märe hörte · der König Siegmund.
Es ſprachen ſeine Leute: · alſo ward ihm kund
Seines Kindes Wille. · Es war ihm höchlich leid,
Daß er werben wolle · um dieſe herrliche Maid.
Es erfuhr es auch die Königin, · die edle Siegelind:
Die muſte große Sorge · tragen um ihr Kind,
Weil ſie wohl Gunthern kannte · und Die in ſeinem Heer
Die Werbung dem Degen · zu verleiden fliß man ſich ſehr.
Da ſprach der kühne Siegfried: · „Viel lieber Vater mein,
Ohn edler Frauen Minne · wollt ich immer ſein,
Wenn ich nicht werben dürfte · nach Herzensliebe frei.“
Was Jemand reden mochte, · ſo blieb er immer dabei.
„Iſt dir nicht abzurathen,“ · der König ſprach da ſo,
„So bin ich deines Willens · von ganzem Herzen froh
Und will dirs fügen helfen, · ſo gut ich immer kann;
Doch hat der König Gunther · manchen hochfährtgen Mann.
„Und wär es anders Niemand · als Hagen der Degen,
Der kann im Uebermuthe · wohl der Hochfahrt pflegen,
So daß ich ſehr befürchte, · es mög uns werden leid,
Wenn wir werben wollen · um dieſe herrliche Maid.“
„Wie mag uns das gefährden!“ · hub da Siegfried an:
„Was ich mir im Guten · da nicht erbitten kann,
Will ich ſchon ſonſt erwerben · mit meiner ſtarken Hand,
Ich will von ihm erzwingen · ſo die Leute wie das Land.“
„Leid iſt mir deine Rede,“ · ſprach König Siegmund,
„Denn würde dieſe Märe · dort am Rheine kund,
Du dürfteſt nimmer reiten · in König Gunthers Land.
Gunther und Gernot · die ſind mir lange bekannt.
„Mit Gewalt erwerben · kann Niemand die Magd,“
Sprach der König Siegmund, · „das iſt mir wohl geſagt;
Willſt du jedoch mit Recken · reiten in das Land,
Die Freunde, die wir haben, · die werden eilends beſandt.“
„So iſt mir nicht zu Muthe,“ · fiel ihm Siegfried ein,
„Daß mir Recken ſollten · folgen an den Rhein
Einer Heerfahrt willen: · das wäre mir wohl leid,
Sollt ich damit erzwingen · dieſe herrliche Maid.
„Ich will ſie ſchon erwerben · allein mit meiner Hand.
Ich will mit zwölf Geſellen · in König Gunthers Land;
Dazu ſollt ihr mir helfen, · Vater Siegmund.“
Da gab man ſeinen Degen · zu Kleidern grau und auch bunt.
Da vernahm auch dieſe Märe · ſeine Mutter Siegelind;
Sie begann zu trauern · um ihr liebes Kind:,
Sie bangt' es zu verlieren · durch Die in Gunthers Heer.
Die edle Königstochter · weinte darüber ſehr.
Siegfried der Degen · gieng hin, wo er ſie ſah.
Wider ſeine Mutter · gütlich ſprach er da:
„Frau, ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein:
Wohl will ich ohne Sorgen · vor allen Weiganden ſein.
„Nun helft mir zu der Reiſe · nach Burgundenland,
Daß mich und meine Recken · ziere ſolch Gewand,
Wie ſo ſtolze Degen · mit Ehren mögen tragen:
Dafür will ich immer · den Dank von Herzen euch ſagen.“
„Iſt dir nicht abzurathen,“ · ſprach Frau Siegelind,
So helf ich dir zur Reiſe, · mein einziges Kind,
Mit den beſten Kleidern, · die je ein Ritter trug,
Dir und deinen Degen: · ihr ſollt der haben genug.“
Da neigte ſich ihr dankend · Siegfried der junge Mann.
Er ſprach: „Nicht mehr Geſellen · nehm ich zur Fahrt mir an
Als der Recken zwölfe: · verſeht die mit Gewand.
Ich möchte gern erfahren, · wie's um Kriemhild ſei bewandt.“
Da ſaßen ſchöne Frauen · über Nacht und Tag,
Daß ihrer ſelten Eine · der Muße eher pflag,
Bis ſie gefertigt hatten · Siegfriedens Staat.
Er wollte ſeiner Reiſe · nun mit nichten haben Rath.
Sein Vater hieß ihm zieren · ſein ritterlich Gewand,
Womit er räumen wollte · König Siegmunds Land.
Ihre lichten Panzer · die wurden auch bereit
Und ihre feſten Helme, · ihre Schilde ſchön und breit.
Nun ſahen ſie die Reiſe · zu den Burgunden nahn.
Um ſie begann zu ſorgen · beides, Weib und Mann,
Ob ſie je wiederkommen · ſollten in das Land.
Sie geboten aufzuſäumen · die Waffen und das Gewand.
Schön waren ihre Roſſe, · ihr Reitzeug goldesroth;
Wenn wer ſich höher dauchte, · ſo war es ohne Noth,
Als der Degen Siegfried · und Die ihm unterthan.
Nun hielt er um Urlaub · zu den Burgunden an.
Den gaben ihm mit Trauern · König und Königin.
Er tröſtete ſie beide · mit minniglichem Sinn
Und ſprach: „Ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein:
Immer ohne Sorgen · mögt ihr um mein Leben ſein.“
Es war leid den Recken, · auch weinte manche Maid;
Sie ahnten wohl im Herzen, · daß ſie es nach der Zeit
Noch ſchwer entgelten müſten · durch lieber Freunde Tod.
Sie hatten Grund zu klagen, · es that ihnen wahrlich Noth.
Am ſiebenten Morgen · zu Worms an den Strand
Ritten ſchon die Kühnen; · all ihr Gewand
War von rothem Golde, · ihr Reitzeug wohlbeſtellt;
Ihnen giengen ſanft die Roſſe, · die ſich da Siegfried geſellt.
Neu waren ihre Schilde, · licht dazu und breit,
Und ſchön ihre Helme, · als mit dem Geleit
Siegfried der kühne · ritt in Gunthers Land.
Man erſah an Helden · nie mehr ſo herrlich Gewand.
Der Schwerter Enden giengen · nieder auf die Sporen;
Scharfe Spere führten · die Ritter auserkoren.
Von zweier Spannen Breite · war, welchen Siegfried trug;
Der hatt an ſeinen Schneiden · grimmer Schärfe genug.
Goldfarbne Zäume · führten ſie an der Hand;
Der Bruſtriem war von Seide: · ſo kamen ſie ins Land.
Da gafften ſie die Leute · allenthalben an:
Gunthers Mannen liefen · ſie zu empfangen heran.
Die hochbeherzten Recken, · Ritter ſo wie Knecht,
Liefen den Herrn entgegen, · ſo war es Fug und Recht,
Und begrüßten dieſe Gäſte · in ihrer Herren Land;
Die Pferde nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand.
Da wollten ſie die Roſſe · ziehn zu ihrer Raſt;
Da ſprach aber Siegfried alsbald, · der kühne Gaſt:
„Laßt uns noch die Pferde · ſtehen kurze Zeit:
Wir reiten bald von hinnen; · dazu bin ich ganz bereit.
„Man ſoll uns auch die Schilde · nicht von dannen tragen;
Wo ich den König finde, · kann mir das Jemand ſagen,
Gunther den reichen · aus Burgundenland?“
Da ſagt' es ihm Einer, · dem es wohl war bekannt.
„Wollt ihr den König finden, · das mag gar leicht geſchehn:
In jenem weiten Saale · hab ich ihn geſehn
Unter ſeinen Helden; · da geht zu ihm hinan,
So mögt ihr bei ihm finden · manchen herrlichen Mann.“
Nun waren auch die Mären · dem König ſchon geſagt,
Daß auf dem Hofe wären · Ritter unverzagt:
Sie führten lichte Panzer · und herrlich Gewand;
Sie erkenne Niemand · in der Burgunden Land.
Den König nahm es Wunder, · woher gekommen ſei'n
Die herrlichen Recken · im Kleid von lichtem Schein
Und mit ſo guten Schilden, · ſo neu und ſo breit;
Das ihm das Niemand ſagte, · das war König Gunthern leid.
Zur Antwort gab dem König · von Metz Herr Ortewein;
Stark und kühnes Muthes · mocht er wohl ſein:
„Da wir ſie nicht erkennen, · ſo heißt Jemand gehn
Nach meinem Oheim Hagen: · dem ſollt ihr ſie laßen ſehn.
„Ihm ſind wohl kund die Reiche · und alles fremde Land;
Erkennt er die Herren, · das macht er uns bekannt.“
Der König ließ ihn holen · und Die in ſeinem Lehn:
Da ſah man ihn herrlich · mit Recken hin zu Hofe gehn.
Warum nach ihm der König, · frug Hagen da, geſchickt?
„Es werden fremde Degen · in meinem Haus erblickt,
Die Niemand mag erkennen: · habt ihr in fremdem Land
Sie wohl ſchon geſehen? · das macht mir, Hagen bekannt.“
„Das will ich,“ ſprach Hagen. · Zum Fenſter ſchritt er drauf,
Da ließ er nach den Gäſten · den Augen freien Lauf.
Wohl gefiel ihm ihr Geräthe · und all ihr Gewand;
Doch waren ſie ihm fremde · in der Burgunden Land.
Er ſprach, woher die Recken · auch kämen an den Rhein,
Es möchten ſelber Fürſten · oder Fürſtenboten ſein.
„Schön ſind ihre Roſſe · und ihr Gewand iſt gut;
Von wannen ſie auch ritten, · es ſind Helden hochgemuth.“
Alſo ſprach da Hagen: · „Soviel ich mag verſtehn,
Hab ich gleich im Leben · Siegfrieden nie geſehn,
So will ich doch wohl glauben, · wie es damit auch ſteht,
Daß er es ſei, der Degen, · der ſo herrlich dorten geht.
„Er bringt neue Mären · her in dieſes Land:
Die kühnen Nibelungen · ſchlug des Helden Hand,
Die reichen Königsſöhne · Schilbung und Nibelung;
Er wirkte große Wunder · mit des ſtarken Armes Schwung.
„Als der Held alleine · ritt aller Hülfe bar,
Fand er an einem Berge, · ſo hört ich immerdar,
Bei König Niblungs Horte · manchen kühnen Mann;
Sie waren ihm gar fremde, · bis er hier die Kunde gewann.
„Der Hort König Nibelungs · ward hervorgetragen
Aus einem hohlen Berge: · nun hört Wunder ſagen,
Wie ihn theilen wollten · Die Niblung unterthan.
Das ſah der Degen Siegfried, · den es zu wundern begann.
„So nah kam er ihnen, · daß er die Helden ſah
Und ihn die Degen wieder. · Der Eine ſagte da:
„Hier kommt der ſtarke Siegfried, · der Held aus Niederland.“
Seltſame Abenteuer · er bei den Nibelungen fand.
„Den Recken wohl empfiengen · Schilbung und Nibelung.
Einhellig baten · die edeln Fürſten jung,
Daß ihnen theilen möchte · den Schatz der kühne Mann:
Das begehrten ſie, bis endlich · ers zu geloben begann.
„Er ſah ſo viel Geſteines, · wie wir hören ſagen,
Hundert Leiterwagen · die möchten es nicht tragen,
Noch mehr des rothen Goldes · von Nibelungenland:
Das Alles ſollte theilen · des kühnen Siegfriedes Hand.
„Sie gaben ihm zum Lohne · König Niblungs Schwert:
Da wurden ſie des Dienſtes · gar übel gewährt,
Den ihnen leiſten ſollte · Siegfried der Degen gut.
Er könnt es nicht vollbringen: · ſie hatten zornigen Muth.
„So muſt er ungetheilet · die Schätze laßen ſtehn.
Da beſtanden ihn die Degen · in der zwei Könge Lehn:
Mit ihres Vaters Schwerte, · das Balmung war genannt,
Stritt ihnen ab der Kühne · den Hort und Nibelungenland
„Da hatten ſie zu Freunden · kühne zwölf Mann,
Die ſtarke Rieſen waren: · was konnt es ſie verfahn?
Die erſchlug im Zorne · Siegfriedens Hand
Und ſiebenhundert Recken · zwang er vom Nibelungenland.
„Mit dem guten Schwerte, · geheißen Balmung.
Vom Schrecken überwältigt · war mancher Degen jung
Zumal vor dem Schwerte · und vor dem kühnen Mann:
Das Land mit den Burgen · machten ſie ihm unterthan.
„Dazu die reichen Könige · die ſchlug er beide todt.
Er kam durch Albrichen · darauf in große Noth:
Der wollte ſeine Herren · rächen allzuhand,
Eh er die große Stärke · noch an Siegfrieden fand.
„Mit Streit beſtehen konnt ihn · da nicht der ſtarke Zwerg.
Wie die wilden Leuen · liefen ſie an den Berg,
Wo er die Tarnkappe · Albrichen abgewann:
Da war des Hortes Meiſter · Siegfried der ſchreckliche Mann.
„Die ſich getraut zu fechten, · die lagen all erſchlagen.
Den Schatz ließ er wieder · nach dem Berge tragen,
Dem ihn entnommen hatten · Die Niblung unterthan.
Alberich der ſtarke · das Amt des Kämmrers gewann.
„Er muſt ihm Eide ſchwören, · er dien ihm als ſein Knecht,
Zu aller Art Dienſten · ward er ihm gerecht.“
So ſprach von Tronje Hagen: · „Das hat der Held gethan;
Alſo große Kräfte · nie mehr ein Recke gewann.
„Noch ein Abenteuer · iſt mir von ihm bekannt:
Einen Linddrachen · ſchlug des Helden Hand;
Als er im Blut ſich badete, · ward hörnern ſeine Haut.
So verſehrt ihn keine Waffe: · das hat man oft an ihm geſchaut.
„Man ſoll ihn wohl empfangen, · der beſte Rath iſt das,
Damit wir nicht verdienen · des ſchnellen Recken Haß.
Er iſt ſo kühnes Sinnes, · man ſeh ihn freundlich an:
Er hat mit ſeinen Kräften · ſo manche Wunder gethan.“
Da ſprach der mächtge König: · „Gewiſs, du redeſt wahr:
Nun ſieh, wie ſtolz er daſteht · vor des Streits Gefahr,
Dieſer kühne Degen · und Die in ſeinem Lehn!
Wir wollen ihm entgegen · hinab zu dem Recken gehn.“
„Das mögt ihr,“ ſprach da Hagen, · „mit allen Ehren ſchon:
Er iſt von edelm Stamme · eines reichen Königs Sohn;
Auch hat er die Gebäre, · mich dünkt, beim Herren Chriſt,
Es ſei nicht kleine Märe, · um die er hergeritten iſt.“
Da ſprach der Herr des Landes: · „Nun ſei er uns willkommen.
Er iſt kühn und edel, · das hab ich wohl vernommen;
Des ſoll er auch genießen · im Burgundenland.“
Da gieng der König Gunther · hin, wo er Siegfrieden fand.
Der Wirth und ſeine Recken · empfiengen ſo den Mann,
Daß wenig an dem Gruße · gebrach, den er gewann;
Des neigte ſich vor ihnen · der Degen auserſehn
In großen Züchten ſah man · ihn mit ſeinen Recken ſtehn.
„Mich wundert dieſe Märe,“ · ſprach der Wirth zuhand,
„Von wannen, edler Siegfried, · ihr kamt in dieſes Land
Oder was ihr wollet ſuchen · zu Worms an dem Rhein?“
Da ſprach der Gaſt zum König: · „Das ſoll euch unverhohlen ſein.
„Ich habe ſagen hören · in meines Vaters Land,
An euerm Hofe wären, · das hätt ich gern erkannt,
Die allerkühnſten Recken, · ſo hab ich oft vernommen,
Die je gewann ein König: · darum bin ich hieher gekommen.
„So hör ich auch euch ſelber · viel Mannheit zugeſtehn,
Man habe keinen König · noch je ſo kühn geſehn.
Das rühmen viel der Leute · in all dieſem Land;
Nun kann ichs nicht verwinden, · bis ich die Wahrheit befand.
„Ich bin auch ein Recke · und ſoll die Krone tragen:
Ich möcht es gerne fügen, · daß ſie von mir ſagen,
Daß ich mit Recht beſäße · die Leute wie das Land.
Mein Haupt und meine Ehre · ſetz ich dawider zu Pfand.
Wenn ihr denn ſo kühn ſeid, · wie euch die Sage zeiht,
So frag ich nicht, iſts Jemand · lieb oder leid:
Ich will von euch erzwingen, · was euch angehört,
Das Land und die Burgen · unterwerf ich meinem Schwert.“
Der König war verwundert · und all ſein Volk umher,
Als ſie vernahmen · ſein ſeltſam Begehr,
Daß er ihm zu nehmen · gedächte Leut und Land.
Das hörten ſeine Degen, · die wurden zornig zuhand.
„Wie ſollt ich das verdienen,“ · ſprach Gunther der Degen,
Wes mein Vater lange · mit Ehren durfte pflegen,
Daß wir das verlören · durch Jemands Ueberkraft?
Das wäre ſchlecht bewieſen, · daß wir auch pflegen Ritterſchaft!“
„Ich will davon nicht laßen,“ · fiel ihm der Kühne drein,
„Von deinen Kräften möge · dein Land befriedet ſein,
Ich will es nun verwalten; · doch auch das Erbe mein,
Erwirbſt du es durch Stärke, · es ſoll dir unterthänig ſein.
„Dein Erbe wie das meine · wir ſchlagen gleich ſie an,
Und wer von uns den Andern · überwinden kann,
Dem ſoll es alles dienen, · die Leute wie das Land.“
Dem widerſprach da Hagen · und mit ihm Gernot zuhand.
„So ſtehn uns nicht die Sinne,“ · ſprach da Gernot,
„Nach neuen Lands Gewinne, · daß Jemand ſollte todt
Vor Heldeshänden liegen: · reich iſt unſer Land,
Das uns mit Recht gehorſamt, zu Niemand beßer bewandt.“
In grimmigem Muthe · ſtanden da die Freunde ſein.
Da war auch darunter · von Metz Herr Ortewein.
Der Sprach: „Die Sühne · iſt mir von Herzen leid:
Euch ruft der ſtarke Siegfried · ohn allen Grund in den Streit.
„Wenn ihr und eure Brüder · ihm auch nicht ſteht zur Wehr,
Und ob er bei ſich führte · ein ganzes Königsheer,
So wollt ichs doch erſtreiten, · daß der ſtarke Held
Alſo hohen Uebermuth, · wohl mit Recht bei Seite ſtellt.“
Darüber zürnte mächtig · der Held von Niederland:
„Nicht wider mich vermeßen · darf ſich deine Hand:
Ich bin ein reicher König, · du biſt in Königs Lehn;
Deiner zwölfe dürften · mich nicht im Streite beſtehn.“
Nach Schwertern rief da heftig · von Metz Herr Ortewein:
Er durfte Hagens Schweſterſohn · von Tronje wahrlich ſein;
Daß er ſo lang geſchwiegen, · das war dem König leid.
Da ſprach zum Frieden Gernot, · ein Ritter kühn und allbereit.
„Laßt euer Zürnen bleiben,“ · hub er zu Ortwein an,
„Uns hat der edle Siegfried · noch ſolches nicht gethan;
Wir ſcheiden es in Güte · wohl noch, das rath ich ſehr,
Und haben ihn zum Freunde; · es geziemt uns wahrlich mehr.“
Da ſprach der ſtarke Hagen · „Uns iſt billig leid
und all euern Degen, · daß er je zum Streit
an den Rhein geritten: · was ließ er das nicht ſein?
So übel nie begegnet · wären ihm die Herren mein.“
Da ſprach wieder Siegfried, · der kraftvolle Held:
„Wenn euch, was ich geſprochen, · Herr Hagen, miſsfällt,
So will ich ſchauen laßen, · wie noch die Hände mein
Gedenken ſo gewaltig · bei den Burgunden zu ſein.“
„Das hoff ich noch zu wenden,“ · ſprach da Gernot.
Allen ſeinen Degen · zu reden er verbot
In ihrem Uebermuthe, · was ihm wäre leid.
Da gedacht auch Siegfried · an die viel herrliche Maid.
„Wie geziemt' uns mit euch zu ſtreiten?“ · ſprach wieder Gernot
„Wie viel dabei der Helden · auch fielen in den Tod,
Wenig Ehre brächt uns · ſo ungleicher Streit.“
Die Antwort hielt da Siegfried, · König Siegmunds Sohn, bereit:
Warum zögert Hagen · und auch Ortewein,
Daß er nicht zum Streite · eilt mit den Freunden ſein,
Deren er ſo manchen · bei den Burgunden hat?“
Sie blieben Antwort ſchuldig, · das war Gernotens Rath.
„Ihr ſollt uns willkommen ſein,“ · ſprach Geiſelher das Kind,
„Und eure Heergeſellen, · die hier bei euch find:
Wir wollen gern euch dienen, · ich und die Freunde mein.“
Da hieß man den Gäſten · ſchenken König Gunthers Wein.
Da ſprach der Wirth des Landes: · „Alles, was uns gehört,
Verlangt ihr es in Ehren, · das ſei euch unverwehrt;
Wir wollen mit euch theilen · unſer Gut und Blut.“
Da ward dem Degen Siegfried · ein wenig ſanfter zu Muth.
Da ließ man ihnen wahren · all ihr Wehrgewand;
Man ſuchte Herbergen, · die beſten, die man fand:
Siegfriedens Knappen · ſchuf man gut Gemach.
Man ſah den Fremdling gerne · in Burgundenland hernach.
Man bot ihm große Ehre · darauf in manchen Tagen,
Mehr zu tauſend Malen, · als ich euch könnte ſagen;
Das hatte ſeine Kühnheit · verdient, das glaubt fürwahr.
Ihn ſah wohl ſelten Jemand, · der ihm nicht gewogen war.
Flißen ſich der Kurzweil · die Könge und ihr Lehn,
So war er ſtäts der Beſte, · was man auch ließ geſchehn.
Es konnt ihm Niemand folgen, · ſo groß war ſeine Kraft,
Ob ſie den Stein warfen · oder ſchoßen den Schaft.
Nach höfſcher Sitte ließen · ſich auch vor den Fraun
Der Kurzweile pflegend · die kühnen Ritter ſchaun:
Da ſah man ſtäts den Helden · gern von Niederland;
Er hatt auf hohe Minne · ſeine Sinne gewandt.
Die ſchönen Fraun am Hofe · erfragten Märe,
Wer der ſtolze fremde · Recke wäre.
„Er iſt ſo ſchön gewachſen, · ſo reich iſt ſein Gewand!“
Da ſprachen ihrer Viele: · „Das iſt der Held von Niederland.“
Was man beginnen wollte, · er war dazu bereit;
Er trug in ſeinem Sinne · eine minnigliche Maid,
Und auch nur ihn die Schöne, · die er noch nie geſehn,
Und die ſich doch viel Gutes · von ihm ſchon heimlich verſehn.
Wenn man auf dem Hofe · das Waffenſpiel begann,
Ritter ſo wie Knappen, · immer ſah es an
Kriemhild aus den Fenſtern, · die Königstochter hehr;
Keiner andern Kurzweil · hinfort bedurfte ſie mehr.
Und wüſt er, daß ihn ſähe, · die er im Herzen trug,
Davon hätt er Kurzweil · immerdar genug.
Erſähn ſie ſeine Augen, · ich glaube ſicherlich,
Keine andre Freude · hier auf Erden wünſcht' er ſich.
Wenn er bei den Recken · auf dem Hofe ſtand,
Wie man noch zur Kurzweil · pflegt in allem Land,
Wie ſtand dann ſo minniglich · das Sieglindenkind,
Daß manche Frau ihm heimlich · war von Herzen hold geſinnt.
Er gedacht auch manchmal: · „Wie ſoll das geſchehn,
Daß ich das edle Mägdlein · mit Augen möge ſehn,
Die ich von Herzen minne, · wie ich ſchon längſt gethan?
Die iſt mir noch gar fremde; · mit Trauern denk ich daran.“
So oft die reichen Könige · ritten in ihr Land,
So muſten auch die Recken · mit ihnen all zur Hand.
Auch Siegfried ritt mit ihnen: · das war der Frauen leid;
Er litt von ihrer Minne · auch Beſchwer zu mancher Zeit.
So wohnt' er bei den Herren, · das iſt alles wahr,
In König Gunthers Lande · völliglich ein Jahr,
Daß er die Minnigliche · in all der Zeit nicht ſah,
Durch die ihm bald viel Liebes · und auch viel Leides geſchah.