: Das Nibelungenlied 3. Drittes Abenteuer. // Wie Siegfried nach Worms kam. Den Herrn beſchwerte ſelten · irgend ein Herzeleid. // Er hörte Kunde ſagen, · wie eine ſchöne Maid // Bei den Burgunden wäre, · nach Wünſchen wohlgethan, // Von der er bald viel Freuden · und auch viel Leides gewann. // Von ihrer hohen Schöne · vernahm man weit und breit, // Und auch ihr Hochgemüthe · ward zur ſelben Zeit // Bei der Jungfrauen · den Helden oft bekannt: // Das ladete der Gäſte · viel in König Gunthers Land. // So viel um ihre Minne · man Werbende ſah, // Kriemhild in ihrem Sinne · ſprach dazu nicht Ja, // Daß ſie einen wollte · zum geliebten Mann: // Er war ihr noch gar fremde, · dem ſie bald ward unterthan. // Dann ſann auf hohe Minne · Sieglindens Kind: // All der Andern Werben · war wider ihn ein Wind. // Er mochte wohl verdienen · ein Weib ſo auserwählt: // Bald ward die edle Kriemhild · dem kühnen Siegfried vermählt. // Ihm riethen ſeine Freunde · und Die in ſeinem Lehn, // Hab er ſtäte Minne · ſich zum Ziel erſehn, // So ſoll er werben, daß er ſich · der Wahl nicht dürfe ſchämen. // Da ſprach der edle Siegfried: · „So will ich Kriemhilden nehmen, // „Die edle Königstochter · von Burgundenland, // Um ihre große Schöne. · Das iſt mir wohl bekannt, // Kein Kaiſer ſei ſo mächtig, · hätt er zu frein im Sinn, // Dem nicht zum minnen ziemte · dieſe reiche Königin.“ // Solche Märe hörte · der König Siegmund. // Es ſprachen ſeine Leute: · alſo ward ihm kund // Seines Kindes Wille. · Es war ihm höchlich leid, // Daß er werben wolle · um dieſe herrliche Maid. // Es erfuhr es auch die Königin, · die edle Siegelind: // Die muſte große Sorge · tragen um ihr Kind, // Weil ſie wohl Gunthern kannte · und Die in ſeinem Heer // Die Werbung dem Degen · zu verleiden fliß man ſich ſehr. // Da ſprach der kühne Siegfried: · „Viel lieber Vater mein, // Ohn edler Frauen Minne · wollt ich immer ſein, // Wenn ich nicht werben dürfte · nach Herzensliebe frei.“ // Was Jemand reden mochte, · ſo blieb er immer dabei. // „Iſt dir nicht abzurathen,“ · der König ſprach da ſo, // „So bin ich deines Willens · von ganzem Herzen froh // Und will dirs fügen helfen, · ſo gut ich immer kann; // Doch hat der König Gunther · manchen hochfährtgen Mann. // „Und wär es anders Niemand · als Hagen der Degen, // Der kann im Uebermuthe · wohl der Hochfahrt pflegen, // So daß ich ſehr befürchte, · es mög uns werden leid, // Wenn wir werben wollen · um dieſe herrliche Maid.“ // „Wie mag uns das gefährden!“ · hub da Siegfried an: // „Was ich mir im Guten · da nicht erbitten kann, // Will ich ſchon ſonſt erwerben · mit meiner ſtarken Hand, // Ich will von ihm erzwingen · ſo die Leute wie das Land.“ // „Leid iſt mir deine Rede,“ · ſprach König Siegmund, // „Denn würde dieſe Märe · dort am Rheine kund, // Du dürfteſt nimmer reiten · in König Gunthers Land. // Gunther und Gernot · die ſind mir lange bekannt. // „Mit Gewalt erwerben · kann Niemand die Magd,“ // Sprach der König Siegmund, · „das iſt mir wohl geſagt; // Willſt du jedoch mit Recken · reiten in das Land, // Die Freunde, die wir haben, · die werden eilends beſandt.“ // „So iſt mir nicht zu Muthe,“ · fiel ihm Siegfried ein, // „Daß mir Recken ſollten · folgen an den Rhein // Einer Heerfahrt willen: · das wäre mir wohl leid, // Sollt ich damit erzwingen · dieſe herrliche Maid. // „Ich will ſie ſchon erwerben · allein mit meiner Hand. // Ich will mit zwölf Geſellen · in König Gunthers Land; // Dazu ſollt ihr mir helfen, · Vater Siegmund.“ // Da gab man ſeinen Degen · zu Kleidern grau und auch bunt. // Da vernahm auch dieſe Märe · ſeine Mutter Siegelind; // Sie begann zu trauern · um ihr liebes Kind:, // Sie bangt' es zu verlieren · durch Die in Gunthers Heer. // Die edle Königstochter · weinte darüber ſehr. // Siegfried der Degen · gieng hin, wo er ſie ſah. // Wider ſeine Mutter · gütlich ſprach er da: // „Frau, ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein: // Wohl will ich ohne Sorgen · vor allen Weiganden ſein. // „Nun helft mir zu der Reiſe · nach Burgundenland, // Daß mich und meine Recken · ziere ſolch Gewand, // Wie ſo ſtolze Degen · mit Ehren mögen tragen: // Dafür will ich immer · den Dank von Herzen euch ſagen.“ // „Iſt dir nicht abzurathen,“ · ſprach Frau Siegelind, // So helf ich dir zur Reiſe, · mein einziges Kind, // Mit den beſten Kleidern, · die je ein Ritter trug, // Dir und deinen Degen: · ihr ſollt der haben genug.“ // Da neigte ſich ihr dankend · Siegfried der junge Mann. // Er ſprach: „Nicht mehr Geſellen · nehm ich zur Fahrt mir an // Als der Recken zwölfe: · verſeht die mit Gewand. // Ich möchte gern erfahren, · wie's um Kriemhild ſei bewandt.“ // Da ſaßen ſchöne Frauen · über Nacht und Tag, // Daß ihrer ſelten Eine · der Muße eher pflag, // Bis ſie gefertigt hatten · Siegfriedens Staat. // Er wollte ſeiner Reiſe · nun mit nichten haben Rath. // Sein Vater hieß ihm zieren · ſein ritterlich Gewand, // Womit er räumen wollte · König Siegmunds Land. // Ihre lichten Panzer · die wurden auch bereit // Und ihre feſten Helme, · ihre Schilde ſchön und breit. // Nun ſahen ſie die Reiſe · zu den Burgunden nahn. // Um ſie begann zu ſorgen · beides, Weib und Mann, // Ob ſie je wiederkommen · ſollten in das Land. // Sie geboten aufzuſäumen · die Waffen und das Gewand. // Schön waren ihre Roſſe, · ihr Reitzeug goldesroth; // Wenn wer ſich höher dauchte, · ſo war es ohne Noth, // Als der Degen Siegfried · und Die ihm unterthan. // Nun hielt er um Urlaub · zu den Burgunden an. // Den gaben ihm mit Trauern · König und Königin. // Er tröſtete ſie beide · mit minniglichem Sinn // Und ſprach: „Ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein: // Immer ohne Sorgen · mögt ihr um mein Leben ſein.“ // Es war leid den Recken, · auch weinte manche Maid; // Sie ahnten wohl im Herzen, · daß ſie es nach der Zeit // Noch ſchwer entgelten müſten · durch lieber Freunde Tod. // Sie hatten Grund zu klagen, · es that ihnen wahrlich Noth. // Am ſiebenten Morgen · zu Worms an den Strand // Ritten ſchon die Kühnen; · all ihr Gewand // War von rothem Golde, · ihr Reitzeug wohlbeſtellt; // Ihnen giengen ſanft die Roſſe, · die ſich da Siegfried geſellt. // Neu waren ihre Schilde, · licht dazu und breit, // Und ſchön ihre Helme, · als mit dem Geleit // Siegfried der kühne · ritt in Gunthers Land. // Man erſah an Helden · nie mehr ſo herrlich Gewand. // Der Schwerter Enden giengen · nieder auf die Sporen; // Scharfe Spere führten · die Ritter auserkoren. // Von zweier Spannen Breite · war, welchen Siegfried trug; // Der hatt an ſeinen Schneiden · grimmer Schärfe genug. // Goldfarbne Zäume · führten ſie an der Hand; // Der Bruſtriem war von Seide: · ſo kamen ſie ins Land. // Da gafften ſie die Leute · allenthalben an: // Gunthers Mannen liefen · ſie zu empfangen heran. // Die hochbeherzten Recken, · Ritter ſo wie Knecht, // Liefen den Herrn entgegen, · ſo war es Fug und Recht, // Und begrüßten dieſe Gäſte · in ihrer Herren Land; // Die Pferde nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand. // Da wollten ſie die Roſſe · ziehn zu ihrer Raſt; // Da ſprach aber Siegfried alsbald, · der kühne Gaſt: // „Laßt uns noch die Pferde · ſtehen kurze Zeit: // Wir reiten bald von hinnen; · dazu bin ich ganz bereit. // „Man ſoll uns auch die Schilde · nicht von dannen tragen; // Wo ich den König finde, · kann mir das Jemand ſagen, // Gunther den reichen · aus Burgundenland?“ // Da ſagt' es ihm Einer, · dem es wohl war bekannt. // „Wollt ihr den König finden, · das mag gar leicht geſchehn: // In jenem weiten Saale · hab ich ihn geſehn // Unter ſeinen Helden; · da geht zu ihm hinan, // So mögt ihr bei ihm finden · manchen herrlichen Mann.“ // Nun waren auch die Mären · dem König ſchon geſagt, // Daß auf dem Hofe wären · Ritter unverzagt: // Sie führten lichte Panzer · und herrlich Gewand; // Sie erkenne Niemand · in der Burgunden Land. // Den König nahm es Wunder, · woher gekommen ſei'n // Die herrlichen Recken · im Kleid von lichtem Schein // Und mit ſo guten Schilden, · ſo neu und ſo breit; // Das ihm das Niemand ſagte, · das war König Gunthern leid. // Zur Antwort gab dem König · von Metz Herr Ortewein; // Stark und kühnes Muthes · mocht er wohl ſein: // „Da wir ſie nicht erkennen, · ſo heißt Jemand gehn // Nach meinem Oheim Hagen: · dem ſollt ihr ſie laßen ſehn. // „Ihm ſind wohl kund die Reiche · und alles fremde Land; // Erkennt er die Herren, · das macht er uns bekannt.“ // Der König ließ ihn holen · und Die in ſeinem Lehn: // Da ſah man ihn herrlich · mit Recken hin zu Hofe gehn. // Warum nach ihm der König, · frug Hagen da, geſchickt? // „Es werden fremde Degen · in meinem Haus erblickt, // Die Niemand mag erkennen: · habt ihr in fremdem Land // Sie wohl ſchon geſehen? · das macht mir, Hagen bekannt.“ // „Das will ich,“ ſprach Hagen. · Zum Fenſter ſchritt er drauf, // Da ließ er nach den Gäſten · den Augen freien Lauf. // Wohl gefiel ihm ihr Geräthe · und all ihr Gewand; // Doch waren ſie ihm fremde · in der Burgunden Land. // Er ſprach, woher die Recken · auch kämen an den Rhein, // Es möchten ſelber Fürſten · oder Fürſtenboten ſein. // „Schön ſind ihre Roſſe · und ihr Gewand iſt gut; // Von wannen ſie auch ritten, · es ſind Helden hochgemuth.“ // Alſo ſprach da Hagen: · „Soviel ich mag verſtehn, // Hab ich gleich im Leben · Siegfrieden nie geſehn, // So will ich doch wohl glauben, · wie es damit auch ſteht, // Daß er es ſei, der Degen, · der ſo herrlich dorten geht. // „Er bringt neue Mären · her in dieſes Land: // Die kühnen Nibelungen · ſchlug des Helden Hand, // Die reichen Königsſöhne · Schilbung und Nibelung; // Er wirkte große Wunder · mit des ſtarken Armes Schwung. // „Als der Held alleine · ritt aller Hülfe bar, // Fand er an einem Berge, · ſo hört ich immerdar, // Bei König Niblungs Horte · manchen kühnen Mann; // Sie waren ihm gar fremde, · bis er hier die Kunde gewann. // „Der Hort König Nibelungs · ward hervorgetragen // Aus einem hohlen Berge: · nun hört Wunder ſagen, // Wie ihn theilen wollten · Die Niblung unterthan. // Das ſah der Degen Siegfried, · den es zu wundern begann. // „So nah kam er ihnen, · daß er die Helden ſah // Und ihn die Degen wieder. · Der Eine ſagte da: // „Hier kommt der ſtarke Siegfried, · der Held aus Niederland.“ // Seltſame Abenteuer · er bei den Nibelungen fand. // „Den Recken wohl empfiengen · Schilbung und Nibelung. // Einhellig baten · die edeln Fürſten jung, // Daß ihnen theilen möchte · den Schatz der kühne Mann: // Das begehrten ſie, bis endlich · ers zu geloben begann. // „Er ſah ſo viel Geſteines, · wie wir hören ſagen, // Hundert Leiterwagen · die möchten es nicht tragen, // Noch mehr des rothen Goldes · von Nibelungenland: // Das Alles ſollte theilen · des kühnen Siegfriedes Hand. // „Sie gaben ihm zum Lohne · König Niblungs Schwert: // Da wurden ſie des Dienſtes · gar übel gewährt, // Den ihnen leiſten ſollte · Siegfried der Degen gut. // Er könnt es nicht vollbringen: · ſie hatten zornigen Muth. // „So muſt er ungetheilet · die Schätze laßen ſtehn. // Da beſtanden ihn die Degen · in der zwei Könge Lehn: // Mit ihres Vaters Schwerte, · das Balmung war genannt, // Stritt ihnen ab der Kühne · den Hort und Nibelungenland // „Da hatten ſie zu Freunden · kühne zwölf Mann, // Die ſtarke Rieſen waren: · was konnt es ſie verfahn? // Die erſchlug im Zorne · Siegfriedens Hand // Und ſiebenhundert Recken · zwang er vom Nibelungenland. // „Mit dem guten Schwerte, · geheißen Balmung. // Vom Schrecken überwältigt · war mancher Degen jung // Zumal vor dem Schwerte · und vor dem kühnen Mann: // Das Land mit den Burgen · machten ſie ihm unterthan. // „Dazu die reichen Könige · die ſchlug er beide todt. // Er kam durch Albrichen · darauf in große Noth: // Der wollte ſeine Herren · rächen allzuhand, // Eh er die große Stärke · noch an Siegfrieden fand. // „Mit Streit beſtehen konnt ihn · da nicht der ſtarke Zwerg. // Wie die wilden Leuen · liefen ſie an den Berg, // Wo er die Tarnkappe · Albrichen abgewann: // Da war des Hortes Meiſter · Siegfried der ſchreckliche Mann. // „Die ſich getraut zu fechten, · die lagen all erſchlagen. // Den Schatz ließ er wieder · nach dem Berge tragen, // Dem ihn entnommen hatten · Die Niblung unterthan. // Alberich der ſtarke · das Amt des Kämmrers gewann. // „Er muſt ihm Eide ſchwören, · er dien ihm als ſein Knecht, // Zu aller Art Dienſten · ward er ihm gerecht.“ // So ſprach von Tronje Hagen: · „Das hat der Held gethan; // Alſo große Kräfte · nie mehr ein Recke gewann. // „Noch ein Abenteuer · iſt mir von ihm bekannt: // Einen Linddrachen · ſchlug des Helden Hand; // Als er im Blut ſich badete, · ward hörnern ſeine Haut. // So verſehrt ihn keine Waffe: · das hat man oft an ihm geſchaut. // „Man ſoll ihn wohl empfangen, · der beſte Rath iſt das, // Damit wir nicht verdienen · des ſchnellen Recken Haß. // Er iſt ſo kühnes Sinnes, · man ſeh ihn freundlich an: // Er hat mit ſeinen Kräften · ſo manche Wunder gethan.“ // Da ſprach der mächtge König: · „Gewiſs, du redeſt wahr: // Nun ſieh, wie ſtolz er daſteht · vor des Streits Gefahr, // Dieſer kühne Degen · und Die in ſeinem Lehn! // Wir wollen ihm entgegen · hinab zu dem Recken gehn.“ // „Das mögt ihr,“ ſprach da Hagen, · „mit allen Ehren ſchon: // Er iſt von edelm Stamme · eines reichen Königs Sohn; // Auch hat er die Gebäre, · mich dünkt, beim Herren Chriſt, // Es ſei nicht kleine Märe, · um die er hergeritten iſt.“ // Da ſprach der Herr des Landes: · „Nun ſei er uns willkommen. // Er iſt kühn und edel, · das hab ich wohl vernommen; // Des ſoll er auch genießen · im Burgundenland.“ // Da gieng der König Gunther · hin, wo er Siegfrieden fand. // Der Wirth und ſeine Recken · empfiengen ſo den Mann, // Daß wenig an dem Gruße · gebrach, den er gewann; // Des neigte ſich vor ihnen · der Degen auserſehn // In großen Züchten ſah man · ihn mit ſeinen Recken ſtehn. // „Mich wundert dieſe Märe,“ · ſprach der Wirth zuhand, // „Von wannen, edler Siegfried, · ihr kamt in dieſes Land // Oder was ihr wollet ſuchen · zu Worms an dem Rhein?“ // Da ſprach der Gaſt zum König: · „Das ſoll euch unverhohlen ſein. // „Ich habe ſagen hören · in meines Vaters Land, // An euerm Hofe wären, · das hätt ich gern erkannt, // Die allerkühnſten Recken, · ſo hab ich oft vernommen, // Die je gewann ein König: · darum bin ich hieher gekommen. // „So hör ich auch euch ſelber · viel Mannheit zugeſtehn, // Man habe keinen König · noch je ſo kühn geſehn. // Das rühmen viel der Leute · in all dieſem Land; // Nun kann ichs nicht verwinden, · bis ich die Wahrheit befand. // „Ich bin auch ein Recke · und ſoll die Krone tragen: // Ich möcht es gerne fügen, · daß ſie von mir ſagen, // Daß ich mit Recht beſäße · die Leute wie das Land. // Mein Haupt und meine Ehre · ſetz ich dawider zu Pfand. // Wenn ihr denn ſo kühn ſeid, · wie euch die Sage zeiht, // So frag ich nicht, iſts Jemand · lieb oder leid: // Ich will von euch erzwingen, · was euch angehört, // Das Land und die Burgen · unterwerf ich meinem Schwert.“ // Der König war verwundert · und all ſein Volk umher, // Als ſie vernahmen · ſein ſeltſam Begehr, // Daß er ihm zu nehmen · gedächte Leut und Land. // Das hörten ſeine Degen, · die wurden zornig zuhand. // „Wie ſollt ich das verdienen,“ · ſprach Gunther der Degen, // Wes mein Vater lange · mit Ehren durfte pflegen, // Daß wir das verlören · durch Jemands Ueberkraft? // Das wäre ſchlecht bewieſen, · daß wir auch pflegen Ritterſchaft!“ // „Ich will davon nicht laßen,“ · fiel ihm der Kühne drein, // „Von deinen Kräften möge · dein Land befriedet ſein, // Ich will es nun verwalten; · doch auch das Erbe mein, // Erwirbſt du es durch Stärke, · es ſoll dir unterthänig ſein. // „Dein Erbe wie das meine · wir ſchlagen gleich ſie an, // Und wer von uns den Andern · überwinden kann, // Dem ſoll es alles dienen, · die Leute wie das Land.“ // Dem widerſprach da Hagen · und mit ihm Gernot zuhand. // „So ſtehn uns nicht die Sinne,“ · ſprach da Gernot, // „Nach neuen Lands Gewinne, · daß Jemand ſollte todt // Vor Heldeshänden liegen: · reich iſt unſer Land, // Das uns mit Recht gehorſamt, zu Niemand beßer bewandt.“ // In grimmigem Muthe · ſtanden da die Freunde ſein. // Da war auch darunter · von Metz Herr Ortewein. // Der Sprach: „Die Sühne · iſt mir von Herzen leid: // Euch ruft der ſtarke Siegfried · ohn allen Grund in den Streit. // „Wenn ihr und eure Brüder · ihm auch nicht ſteht zur Wehr, // Und ob er bei ſich führte · ein ganzes Königsheer, // So wollt ichs doch erſtreiten, · daß der ſtarke Held // Alſo hohen Uebermuth, · wohl mit Recht bei Seite ſtellt.“ // Darüber zürnte mächtig · der Held von Niederland: // „Nicht wider mich vermeßen · darf ſich deine Hand: // Ich bin ein reicher König, · du biſt in Königs Lehn; // Deiner zwölfe dürften · mich nicht im Streite beſtehn.“ // Nach Schwertern rief da heftig · von Metz Herr Ortewein: // Er durfte Hagens Schweſterſohn · von Tronje wahrlich ſein; // Daß er ſo lang geſchwiegen, · das war dem König leid. // Da ſprach zum Frieden Gernot, · ein Ritter kühn und allbereit. // „Laßt euer Zürnen bleiben,“ · hub er zu Ortwein an, // „Uns hat der edle Siegfried · noch ſolches nicht gethan; // Wir ſcheiden es in Güte · wohl noch, das rath ich ſehr, // Und haben ihn zum Freunde; · es geziemt uns wahrlich mehr.“ // Da ſprach der ſtarke Hagen · „Uns iſt billig leid // und all euern Degen, · daß er je zum Streit // an den Rhein geritten: · was ließ er das nicht ſein? // So übel nie begegnet · wären ihm die Herren mein.“ // Da ſprach wieder Siegfried, · der kraftvolle Held: // „Wenn euch, was ich geſprochen, · Herr Hagen, miſsfällt, // So will ich ſchauen laßen, · wie noch die Hände mein // Gedenken ſo gewaltig · bei den Burgunden zu ſein.“ // „Das hoff ich noch zu wenden,“ · ſprach da Gernot. // Allen ſeinen Degen · zu reden er verbot // In ihrem Uebermuthe, · was ihm wäre leid. // Da gedacht auch Siegfried · an die viel herrliche Maid. // „Wie geziemt' uns mit euch zu ſtreiten?“ · ſprach wieder Gernot // „Wie viel dabei der Helden · auch fielen in den Tod, // Wenig Ehre brächt uns · ſo ungleicher Streit.“ // Die Antwort hielt da Siegfried, · König Siegmunds Sohn, bereit: // Warum zögert Hagen · und auch Ortewein, // Daß er nicht zum Streite · eilt mit den Freunden ſein, // Deren er ſo manchen · bei den Burgunden hat?“ // Sie blieben Antwort ſchuldig, · das war Gernotens Rath. // „Ihr ſollt uns willkommen ſein,“ · ſprach Geiſelher das Kind, // „Und eure Heergeſellen, · die hier bei euch find: // Wir wollen gern euch dienen, · ich und die Freunde mein.“ // Da hieß man den Gäſten · ſchenken König Gunthers Wein. // Da ſprach der Wirth des Landes: · „Alles, was uns gehört, // Verlangt ihr es in Ehren, · das ſei euch unverwehrt; // Wir wollen mit euch theilen · unſer Gut und Blut.“ // Da ward dem Degen Siegfried · ein wenig ſanfter zu Muth. // Da ließ man ihnen wahren · all ihr Wehrgewand; // Man ſuchte Herbergen, · die beſten, die man fand: // Siegfriedens Knappen · ſchuf man gut Gemach. // Man ſah den Fremdling gerne · in Burgundenland hernach. // Man bot ihm große Ehre · darauf in manchen Tagen, // Mehr zu tauſend Malen, · als ich euch könnte ſagen; // Das hatte ſeine Kühnheit · verdient, das glaubt fürwahr. // Ihn ſah wohl ſelten Jemand, · der ihm nicht gewogen war. // Flißen ſich der Kurzweil · die Könge und ihr Lehn, // So war er ſtäts der Beſte, · was man auch ließ geſchehn. // Es konnt ihm Niemand folgen, · ſo groß war ſeine Kraft, // Ob ſie den Stein warfen · oder ſchoßen den Schaft. // Nach höfſcher Sitte ließen · ſich auch vor den Fraun // Der Kurzweile pflegend · die kühnen Ritter ſchaun: // Da ſah man ſtäts den Helden · gern von Niederland; // Er hatt auf hohe Minne · ſeine Sinne gewandt. // Die ſchönen Fraun am Hofe · erfragten Märe, // Wer der ſtolze fremde · Recke wäre. // „Er iſt ſo ſchön gewachſen, · ſo reich iſt ſein Gewand!“ // Da ſprachen ihrer Viele: · „Das iſt der Held von Niederland.“ // Was man beginnen wollte, · er war dazu bereit; // Er trug in ſeinem Sinne · eine minnigliche Maid, // Und auch nur ihn die Schöne, · die er noch nie geſehn, // Und die ſich doch viel Gutes · von ihm ſchon heimlich verſehn. // Wenn man auf dem Hofe · das Waffenſpiel begann, // Ritter ſo wie Knappen, · immer ſah es an // Kriemhild aus den Fenſtern, · die Königstochter hehr; // Keiner andern Kurzweil · hinfort bedurfte ſie mehr. // Und wüſt er, daß ihn ſähe, · die er im Herzen trug, // Davon hätt er Kurzweil · immerdar genug. // Erſähn ſie ſeine Augen, · ich glaube ſicherlich, // Keine andre Freude · hier auf Erden wünſcht' er ſich. // Wenn er bei den Recken · auf dem Hofe ſtand, // Wie man noch zur Kurzweil · pflegt in allem Land, // Wie ſtand dann ſo minniglich · das Sieglindenkind, // Daß manche Frau ihm heimlich · war von Herzen hold geſinnt. // Er gedacht auch manchmal: · „Wie ſoll das geſchehn, // Daß ich das edle Mägdlein · mit Augen möge ſehn, // Die ich von Herzen minne, · wie ich ſchon längſt gethan? // Die iſt mir noch gar fremde; · mit Trauern denk ich daran.“ // So oft die reichen Könige · ritten in ihr Land, // So muſten auch die Recken · mit ihnen all zur Hand. // Auch Siegfried ritt mit ihnen: · das war der Frauen leid; // Er litt von ihrer Minne · auch Beſchwer zu mancher Zeit. // So wohnt' er bei den Herren, · das iſt alles wahr, // In König Gunthers Lande · völliglich ein Jahr, // Daß er die Minnigliche · in all der Zeit nicht ſah, // Durch die ihm bald viel Liebes · und auch viel Leides geſchah. // 4. Viertes Abenteuer. // Wie Siegfried mit den Sachſen ſtritt.