Als die Burgunden · kamen auf das Feld,
Auf ſchlug man drei Königen · gar herrlich Gezelt.
Sie ſtießen ein die Fahnen · von eitel Golde roth.
Da wuſten nicht die Herren, · wie ihnen nah war der Tod.
Da ſtieg zu den Zinnen · Frau Kriemhild hinan
Und ſah auf dem Felde · reiten manchen Mann.
Des freute ſich heimlich · das wunderſchöne Weib:
„Nun endlich wird gerochen · des kühnen Siegfriedes Leib,
„Der mir ſo mörderlich · zu Tode ward geſchlagen;
Ich kann bis an mein Ende · ihn nie genug beklagen.
O weh der großen Ehren, · die ich muß verloren ſchaun:
So tapfrer Mann lag nimmer · noch im Arm einer Fraun.
„Seine große Tugend · ſchafft mir Herzeleid:
Wenn ich daran gedenke, · wie er zu jener Zeit
Hin ritt mit ſo geſundem Leib, · ſo mehrt ſich meine Klage:
Mir darf Niemand rügen · das große Leid, das ich trage.
„Gott hatt ihn mir zu Manne · aus aller Welt erkoren.
Wär Einem Mann die Tugend · Tauſender angeboren,
Viel größere doch Siegfried · ganz alleine trug.“
Sehr klagt' um ihn die Königin, · zu dem Herzen ſie ſich ſchlug.
Alsbald ward dem Berner · die Märe kund gethan.
Da kam er geſchwinde · über den Hof heran;
Er hatte Hilbranden · der Sitte nach bei ſich.
„Viel edle Königstochter, · das ließet ihr billiglich,
„Daß man euch weinen ſähe · bei dieſer Luſtbarkeit.
Ihr habt hieher beſchieden · aus fremden Landen weit
Viel der werthen Recken · und manchen Biedermann:
Daß man euch nun weinen ſieht, · das ſteht euch gar übel an.“
„Ich mahne dich der Treue,“ · ſprach ſie, „Hildebrand,
Haſt du je Gab empfangen · aus meiner milden Hand,
So räche mich an Hagen: · ich gebe dir mein Gold
Und bin mit guten Treuen · bis an mein Ende dir hold.“
Da ſprach zu ihr der Berner: · „Ihr ſeid ein übel Weib,
Daß ihr den Freunden rathet · an Leben und Leib,
Und habt ſo manchen Boten · hin an den Rhein geſandt,
Bis ſie euch nun kamen · zu Haus mit wehrlicher Hand.
„Höret, Meiſter Hildebrand, · ſo lieb als ich euch ſei:
Empfangt mir vom Rheine · die Könige alle drei
Und heißt ſie hier zu Felde · liegen bis an den Tag,
So warn ich ſie mit Treue, · ſo gut ich immer vermag.“
Da ritt wohlgezogen · Meiſter Hildebrand,
Bis er die drei Könige · von dem Rheine fand.
Er ſprang vom Pferde ritterlich · und ließ ſich auf die Knie:
Die drei Könige vom Rheine · ſo empfing und grüßt' er ſie.
„Willkommen ſeid, Herr Gunther, · König an dem Rhein;
So ſei auch Herr Gernot, · der liebe Bruder dein,
Und Geiſelher der junge · und Hagen, ein ſtarker Mann,
Und noch manch ſchneller Recke, · die ich nicht alle nennen kann.
„Euch entbeut der Berner, · der liebe Herre mein,
Seine Huld und Freundſchaft · und will euch hülfreich ſein.
Er räth euch, hier im Felde · zu liegen bis zum Tag:
Dann warnt er euch mit Treuen, · ſo gut er immer vermag.
„Mög euch Gott behüten · hier vor aller Noth:
Schon vor vierthalb Jahren · war euch bereit der Tod.
Geſchworen hat Frau Kriemhild, · eure Schweſter, manchen Eid,
daß ſie an euch will rächen · all ihr großes Herzeleid.
„Er entbeut euch, daß ihr meidet, · ſo lieb euch ſei das Leben,
Den Neubau an der Donau, · wo euch Herberg iſt gegeben:
Das ſollt ihr mir glauben, · und käm darein ein Heer,
Ihr müſtet All erſterben · und Keiner käme zur Wehr.
„Wißt, in drei ſchönen Rohren, · die hohl von innen ſind,
Schwefel und Kohlen · miſchten ſie falſch geſinnt:
Das wird angezündet, · wenn ſie zu Tiſche gehn.
Davor ſollt ihr euch hüten · ihr ſtolzen Degen auserſehn.“
Des erſchrak der König, · die Rede war ihm leid.
„Nun lohne Gott dir, Hildebrand, · daß du uns gabſt Beſcheid
Und daß du haſt gewarnet · manch heimatloſen Mann.
Ich ſeh, wir treffen Treue · bei den Heunen wenig an.“
Des erlachten die Jungen · und hielten es für Spott.
Da ſprachen die Weiſen: · „Davor behüt uns Gott.
Wir ſind in großer Treue · geritten in das Land;
Sie hat uns manchen Boten · hin nach dem Rheine geſandt.“
Da ſprach wohlgezogen · der König Gernot:
„Meine Schweſter Kriemhild hat uns · geladen in den Tod.
Zu großer Treue ritten · wir her in dieſe Statt,
Da meine ſchöne Schweſter · uns vom Rhein geladen hat.“
Da ſprach der Fiedelſpieler, · der kühne Volker:
„Ich kam der Gabe willen · vom Rhein geritten her.
Nun will ich drauf verzichten,“ · ſo ſprach der Fiedelmann:
„Ich fiedle mit dem Schwerte · das allerbeſte, das ich kann.
„Erklingen meine Töne, · ſo weichen ſie zurück,
Und wollen ſie's nicht laßen, · ſo fügt es leicht das Glück,
Ich ſchlag Einem ritterlich · einen ſchnellen Geigenſchlag,
Hat er einen treuen Freund, · daß es der beweinen mag.“
Als Hildebrand der alte · von dannen wollte gehn,
Geiſelher der junge · hieß ihn noch ſtille ſtehn.
Er gab ihm einen Mantel, · den er ihm zu Ehren trug;
Für dreißig Mark Goldes · hatt er Pfands daran genug.
An ſich nahm den Mantel · Meiſter Hildebrand
Und ritt hin wohlgezogen, · wo er den Berner fand.
„Schaut den reichen Mantel, · der hier an mir zu ſehn:
Den gab mir Geiſelher das Kind, · als ich von ihm wollte gehn.“
Als die Burgunden · kamen in das Land,
Da erfuhr es von Berne · der alte Hildebrand.
Er ſagt' es ſeinem Herren. · Dietrichen war es leid;
Er hieß ihn wohl empfangen · der kühnen Ritter Geleit.
Da ließ der ſtarke Wolfhart · die Pferde führen her;
Dann ritt mit dem Berner · mancher Degen hehr,
Sie zu begrüßen, · zu ihnen auf das Feld.
Sie hatten aufgeſchlagen · da manches herrliche Zelt.
Als ſie von Tronje Hagen · aus der Ferne ſah,
Wohlgezogen ſprach er · zu ſeinen Herren da:
„Nun hebt euch von den Sitzen, · ihr Recken wohlgethan,
Und geht entgegen denen, · die euch hier wollen empfahn.
„Dort kommt ein Heergeſinde, · das iſt mir wohl bekannt;
Es ſind viel ſchnelle Degen · von Amelungenland.
Sie führt Der von Berne, · ſie tragen hoch den Muth:
Laßt euch nicht verſchmähen · die Dienſte, die man euch thut.“
Da ſprang von den Roſſen · wohl nach Fug und Recht
Mit Dietrichen nieder · mancher Herr und Knecht.
Sie giengen zu den Gäſten, · wo man die Helden fand,
Und begrüßten freundlich · Die von der Burgunden Land.
Als ſie der edle Dietrich · ihm entgegen kommen ſah,
Liebes und Leides · zumal ihm dran geſchah.
Er wuſte wohl die Märe; · leid war ihm ihre Fahrt:
Er wähnte, Rüdger wüſt es · und hätt es ihnen offenbart.
„Willkommen mir, ihr Herren, · Gunther und Geiſelher,
Gernot und Hagen, · Herr Volker auch ſo ſehr,
Und Dankwart der ſchnelle: · iſt euch das nicht bekannt?
Schwer beweint noch Kriemhild · Den von Nibelungenland.“
„Sie mag noch lange weinen,“ · ſo ſprach da Hagen:
„Er liegt ſeit manchem Jahr · ſchon zu Tod erſchlagen.
Den König der Heunen · mag ſie nun lieber haben:
Siegfried kommt nicht wieder, · er iſt nun lange begraben.“
„Siegfriedens Wunden · laßen wir nun ſtehn:
So lange lebt Frau Kriemhild, · mag Schade wohl geſchehn.“
So redete von Berne · der edle Dieterich:
„Troſt der Nibelungen, · davor behüte du dich!“
„Wie ſoll ich mich behüten?“ · ſprach der König hehr.
„Etzel ſandt uns Boten, · was ſollt ich fragen mehr?
Daß wir zu ihm ritten · her in dieſes Land.
Auch hat uns manche Botſchaft · meine Schweſter Kriemhild geſandt.“
„So will ich euch rathen,“ · ſprach wieder Hagen,
„Laßt euch dieſe Märe · doch zu Ende ſagen
Dieterich den Herren · und ſeine Helden gut,
Daß ſie euch wißen laßen · der Frau Kriemhilde Muth.“
Da giengen die drei Könige · und ſprachen unter ſich,
Herr Gunther und Gernot · und Herr Dieterich:
„Nun ſag uns, von Berne · du edler Ritter gut,
Was du wißen mögeſt · von der Königin Muth.“
Da ſprach der Vogt von Berne: · „Was ſoll ich weiter ſagen?
Als daß ich alle Morgen · weinen hör und klagen
Etzels Weib Frau Kriemhild · in jämmerlicher Noth
Zum reichen Gott vom Himmel · um des ſtarken Siegfried Tod.“
„Es iſt halt nicht zu wenden,“ · ſprach der kühne Mann,
Volker der Fiedler, · „was ihr uns kund gethan.
Laßt uns zu Hofe reiten · und einmal da beſehn,
Was uns ſchnellen Degen · bei den Heunen möge geſchehn.“
Die kühnen Burgunden · hin zu Hofe ritten:
Sie kamen ſtolz gezogen · nach ihres Landes Sitten.
Da wollte bei den Heunen · gar mancher kühne Mann
Von Tronje Hagen ſchauen, · wie der wohl wäre gethan.
Es war durch die Sage · dem Volk bekannt genug,
Daß er von Niederlanden · Siegfrieden ſchlug,
Aller Recken ſtärkſten, · Frau Kriemhildens Mann:
Drum ward ſo großes Fragen · bei Hof nach Hagen gethan.
Der Held war wohlgewachſen, · das iſt gewiſslich wahr.
Von Schultern breit und Brüſten; · gemiſcht war ſein Haar
Mit einer greiſen Farbe; · von Beinen war er lang
Und ſchrecklich von Antlitz; · er hatte herrlichen Gang.
Da ſchuf man Herberge · den Burgundendegen;
Gunthers Ingeſinde · ließ man geſondert legen.
Das rieth die Königstochter, · die ihm viel Haßes trug:
Daher man bald die Knechte · in der Herberg erſchlug.
Dankwart, Hagens Bruder, · war da Marſchall;
Der König ſein Geſinde · ihm fleißig anbefahl,
Daß er es die Fülle · mit Speiſe ſollte pflegen.
Das that auch gar willig · und gern dieſer kühne Degen.
Kriemhild die ſchöne · mit dem Geſinde gieng,
Wo ſie die Nibelungen · mit falſchem Muth empfieng:
Sie küſſte Geiſelheren · und nahm ihn bei der Hand.
Als das Hagen ſah von Tronje, · den Helm er feſter ſich band.
„Nach ſolchem Empfange,“ · ſo ſprach da Hagen,
„Mögen wohl Bedenken · die ſchnellen Degen tragen;
Man grüßt die Fürſten ungleich · und den Unterthan:
Keine gute Reiſe haben wir · zu dieſer Hochzeit gethan.“
Sie ſprach: „Seid willkommen · dem, der euch gerne ſieht:
Eurer Freundſchaft willen · kein Gruß euch hier geſchieht.
Sagt, was ihr mir bringet · von Worms überrhein,
Daß ihr mir ſo höchlich · ſolltet willkommen ſein?“
„Was ſind das für Sachen,“ · ſprach Hagen entgegen,
„Daß euch Gaben bringen · ſollten dieſe Degen?
So reich wär ich geweſen, · hätt ich das gedacht,
Daß ich euch meine Gabe · zu den Heunen hätt gebracht.“
„Nun frag ich um die Märe · weiter bei euch an,
Der Hort der Nibelungen, · wohin ward der gethan?
Der war doch mein eigen, · das iſt euch wohl bekannt:
Den ſolltet ihr mir haben · gebracht in König Etzels Land.“
„In Treuen, Frau Kriemhild, · ſchon mancher Tag iſt hin,
Den Hort der Nibelungen, · ſeit ich des ledig bin,
Ihn ließen meine Herren · ſenken in den Rhein:
Da muß er auch in Wahrheit · bis zum jüngſten Tage ſein.“
Die Königin verſetzte: · „Ich dacht es wohl vorher.
Ihr habt mir noch wenig · davon gebracht hieher,
Wiewohl er war mein eigen · und ich ſein weiland pflag;
Nach ihm und ſeinem Herren · hab ich manchen leiden Tag.“
„Ich bring euch den Teufel!“ · ſprach wieder Hagen,
„Ich hab an meinem Schilde · ſo viel zu tragen
Und an meinem Harniſch; · mein Helm der iſt licht,
Das Schwert an meiner Seite: · drum bring ich ihn euch nicht.“
„Es war auch nicht die Meinung, · als verlangte mich nach Gold:
So viel hab ich zu geben, · ich entbehre leicht den Sold.
Eines Mords und Doppelraubes, · die man an mir genommen,
Dafür möcht ich Arme · zu lieber Entgeltung kommen.“
Da ſprach die Königstochter · zu den Recken allzumal:
„Man ſoll keine Waffen · tragen hier im Saal;
Vertraut ſie mir, · ihr Helden, zur Verwahrung an.“
„In Treuen,“ ſprach da Hagen, · „das wird nimmer gethan.
„Ich begehre nicht der Ehre, · Fürſtentochter mild,
Daß ihr zur Herberge · tragt meinen Schild
Und ander Streitgeräthe; · ihr ſeid hier Königin.
So lehrte mich mein Vater, · daß ich ſelbſt ihr Hüter bin.“
„O Weh dieſes Leides!“ · ſprach da Kriemhild:
„Warum will mein Bruder · und Hagen ſeinen Schild
Nicht verwahren laßen? · Gewiſs, ſie ſind gewarnt:
Und wüſt ich, wer es hat gethan, · der Tod der hielt' ihn umgarnt.“
Im Zorn gab ihr Antwort · Dietrich ſogleich:
„Ich bin es, der gewarnt hat · die edeln Fürſten reich
Und Hagen den kühnen, · der Burgunden Mann:
Nur zu, du Braut des Teufels, · du thuſt kein Leid mir drum an.“
Da ſchämte ſich gewaltig · die edle Königin:
Sie fürchtete ſich bitter · vor Dietrichs Heldenſinn.
Sie gieng alsdann von dannen, · kein Wort mehr ſprach ſie da,
Nur daß ſie nach den Feinden · mit geſchwinden Blicken ſah.
Da nahmen bei den Händen · zwei der Degen ſich,
Der Eine war Hagen, · der Andere Dietrich.
Da ſprach wohlgezogen · der Degen allbereit:
„Eure Reiſe zu den Heunen · die iſt in Wahrheit mir leid,
„Da die Königstochter · ſo geſprochen hat.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Zu Allem wird ſchon Rath.“
So ſprachen zu einander · die Recken wohlgethan.
Das ſah der König Etzel, · der gleich zu fragen begann:
„Die Märe wuſt ich gerne,“ · befrug der König ſich,
„Wer der Recke wäre, · den dort Herr Dietrich
So freundlich hat empfangen; · er trägt gar hoch den Muth:
Wie auch ſein Vater heiße, · er mag wohl ſein ein Recke gut.“
Antwort gab dem König · ein Kriemhildens-Mann:
„Von Tronje iſt er geboren, · ſein Vater hieß Aldrian;
Wie zahm er hier gebare, · er iſt ein grimmer Mann:
Ich laß euch das noch ſchauen, · daß ich keine Lüge gethan.“
„Wie ſoll ich das erkennen, · daß er ſo grimmig iſt?“
Noch hatt er nicht Kunde · von mancher argen Liſt,
Die wider ihre Freunde · die Königin ſpann,
Daß aus dem Heunenlande · ihr auch nicht Einer entrann.
„Wohl kannt ich Hagen, · er war mein Unterthan:
Lob und große Ehre · er hier bei mir gewann.
Ich macht' ihn zum Ritter · und gab ihm mein Gold;
Weil er ſich getreu erwies, · war ich immer ihm hold.
„Daher iſt mir von Hagen · Alles wohlbekannt.
Zwei edle Kinder bracht ich · als Geiſel in dieß Land,
Ihn und von Spanien Walther: · die wuchſen hier heran.
Hagen ſandt ich wieder heim; · Walther mit Hildegund entrann.“
So bedacht er alter Zeiten · und was vordem geſchehn.
Seinen Freund von Tronje · hatt er hier geſehn,
Der ihm in ſeiner Jugend · oft große Dienſte bot;
Jetzt ſchlug er ihm im Alter · viel lieber Freunde zu Tod.