Es war vor einer Veſper, · als man den Schall vernahm,
Der von manchem Recken · auf dem Hofe kam:
Sie ſtellten Ritterſpiele · der Kurzweil willen an.
Da eilten es zu ſchauen · Frauen viel und mancher Mann.
Da ſaßen beiſammen · die Königinnen reich
Und gedachten zweier Recken, · die waren ohne Gleich.
Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „Ich hab einen Mann,
Dem wären dieſe Reiche · alle billig unterthan.“
Da ſprach zu ihr Frau Brunhild: · „Wie könnte das wohl ſein?
Wenn Anders Niemand lebte · als du und er allein,
So möchten ihm die Reiche · wohl zu Gebote ſtehn:
So lange Gunther lebte, · ſo könnt es nimmer geſchehn.“
Da ſprach Kriemhild wieder: · „Siehſt du, wie er ſteht,
Wie er da ſo herrlich · vor allen Recken geht,
Wie der lichte Vollmond · vor den Sternen thut!
Darob mag ich wohl immer · tragen fröhlichen Muth.“
Da ſprach wieder Brunhild: · „Wie waidlich ſei dein Mann,
Wie ſchön und wie bieder, · ſo ſteht ihm doch voran
Gunther der Recke, · der edle Bruder dein:
muß vor allen Königen, · das wiße du wahrlich, ſein.“
Da ſprach Kriemhild wieder: · „So werth iſt mein Mann,
Daß er ohne Grund nicht · ſolch Lob von mir gewann.
An gar manchen Dingen · iſt ſeine Ehre groß.
Glaubſt du das, Brunhild? · er iſt wohl Gunthers Genoß!“
„Das ſollſt du mir, Kriemhild, · im Argen nicht verſtehn;
Es iſt auch meine Rede · nicht ohne Grund geſchehn.
Ich hört' es Beide ſagen, · als ich zuerſt ſie ſah,
Und als des Königs Willen · in meinen Spielen geſchah.
„Und da er meine Minne · ſo ritterlich gewann,
Da ſagt' es Siegfried ſelber, · er ſei des Königs Mann:
Drum halt ich ihn für eigen: · ich hört' es ihn geſtehn.“
Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „So wär mir übel geſchehn.
„Wie hätten ſo geworben · die edeln Brüder mein,
Daß ich des Eigenmannes · Gemahl ſollte ſein?
Darum will ich, Brunhild, · gar freundlich dich bitten,
Laß mir zu Lieb die Rede · hinfort mit gütlichen Sitten.“
Die Königin verſetzte: · „Sie laßen mag ich nicht:
Wie thät ich auf ſo manchen · Ritter wohl Verzicht,
Der uns mit dem Degen · zu Dienſt iſt unterthan?“
Kriemhild die Schöne · hub da ſehr zu zürnen an.
„Dem muſt du wohl entſagen, · daß er in der Welt
Dir irgend Dienſte leiſte. · Werther iſt der Held
Als mein Bruder Gunther, · der Degen unverzagt.
Erlaß mich der Dinge, · die du mir jetzo geſagt.
„Auch muß mich immer wundern, · wenn er dein Dienſtmann iſt
Und du ob uns Beiden · So gewaltig biſt,
Warum er dir ſo lange · den Zins verſeßen hat;
Deines Uebermuthes · wär ich billig nun ſatt.“
„Du willſt dich überheben,“ · ſprach da die Königin.
„Wohlan, ich will doch ſchauen, · ob man dich fürderhin
So hoch in Ehren halte, · als man mich ſelber thut.“
Die Frauen waren beide · in ſehr zornigem Muth.
Da ſprach wieder Kriemhild: · „Das wird dir wohl bekannt:
Da du meinen Siegfried · dein eigen haſt genannt,
So ſollen heut die Degen · der beiden Könge ſehen,
Ob ich vor der Königin · wohl zur Kirche dürfe gehn.
„Ich laße dich wohl ſchauen, · daß ich edel bin und frei,
Und daß mein Mann viel werther · als der deine ſei.
Ich will damit auch ſelber · nicht beſcholten ſein:
Du ſollſt noch heute ſehen, · wie die Eigenholde dein
„Zu Hof geht vor den Helden · in Burgundenland.
Ich will höher gelten, · als man je gekannt
Eine Königstochter, · die noch die Krone trug.“
Unter den Frauen hob ſich · der Haß da grimm genug.
Da ſprach Brunhild wieder: · „Willſt du nicht eigen ſein,
So muſt du dich ſcheiden · mit den Frauen dein
Von meinem Ingeſinde, · wenn wir zum Münſter gehn.“
„In Treuen,“ ſprach da Kriemhild, · „alſo ſoll es geſchehn.“
„Nun kleidet euch, ihr Maide,“ · hub da Kriemhild an:
„Ob ich frei von Schande · hier nicht verbleiben kann,
Laßt es heute ſchauen, · beſitzt ihr reichen Staat;
Sie ſoll es noch verläugnen, · was ihr Mund geſprochen hat.“
Ihnen war das leicht zu rathen; · ſie ſuchten reich Gewand.
Wie bald man da im Schmucke · viel Fraun und Maide fand!
Da gieng mit dem Geſinde · des edeln Wirths Gemahl;
Zu Wunſch gekleidet ward auch · die ſchöne Kriemhild zumal
Mit dreiundvierzig Maiden, · die ſie zum Rhein gebracht;
Die trugen lichte Zeuge, · in Arabien gemacht.
So kamen zu dem Münſter · die Mägdlein wohlgethan.
Ihrer harrten vor dem Hauſe · Die Siegfrieden unterthan.
Die Leute nahm es Wunder, · warum das geſchah,
Daß man die Königinnen · ſo geſchieden ſah,
Und daß ſie bei einander · nicht giengen ſo wie eh.
Das gerieth noch manchem Degen · zu Sorgen und großem Weh.
Nun ſtand vor dem Münſter · König Gunthers Weib.
Da fanden viel der Ritter · genehmen Zeitvertreib
Bei den ſchönen Frauen, · die ſie da nahmen wahr.
Da kam die edle Kriemhild · mit mancher herrlichen Schar.
Was Kleider je getragen · eines edeln Ritters Kind,
Gegen ihr Geſinde · war alles nur wie Wind.
Sie war ſo reich an Gute, · dreißig Königsfraun
Mochten die Pracht nicht zeigen, · die da an ihr war zu ſchaun.
Was man auch wünſchen mochte, · Niemand konnte ſagen,
Daß er ſo reiche Kleider · je geſehen tragen,
Als da zur Stunde trugen · ihre Mägdlein wohlgethan.
Brunhilden wars zu Leide, · ſonſt hätt es Kriemhild nicht gethan.
Nun kamen ſie zuſammen · vor dem Münſter weit.
Die Hausfrau des Königs · aus ingrimmem Neid
Hieß da Kriemhilden · unwirſch ſtille ſtehn:
„Es ſoll vor Königsweibe · die Eigenholde nicht gehn.“
Da ſprach die ſchöne Kriemhild, · zornig war ihr Muth:
„Hätteſt du noch geſchwiegen, · das wär dir wohl gut.
Du haſt geſchändet ſelber · deinen ſchönen Leib:
Mocht eines Mannes Kebſe · je werden Königesweib?“
„Wen willſt du hier verkebſen?“ · ſprach des Königs Weib.
„Das thu ich dich,“ ſprach Kriemhild: · „deinen ſchönen Leib
Hat Siegfried erſt geminnet, · mein geliebter Mann:
Wohl war es nicht mein Bruder, · der dein Magdthum gewann.
„Wo blieben deine Sinne? · Es war doch arge Liſt:
Was ließeſt du ihn minnen, · wenn er dein Dienſtmann iſt?
Ich höre dich,“ ſprach Kriemhild, · „ohn alle Urſach klagen.“
„In Wahrheit,“ ſprach da Brunhild, „das will ich doch Gunthern ſagen.“
„Wie mag mich das gefährden? · Dein Uebermuth hat dich betrogen:
Du haſt mich mit Reden · in deine Dienſte gezogen,
Daß wiße du in Treuen, · es iſt mir immer leid:
Zu trauter Freundſchaft bin ich · dir nimmer wieder bereit.“
Brunhild begann zu weinen; · Kriemhild es nicht verhieng,
Vor des Königs Weibe · ſie in das Münſter gieng
Mit ihrem Ingeſinde. · Da hub ſich großer Haß;
Es wurden lichte Augen · ſehr getrübt davon und naß.
Wie man da Gott auch diente · oder Jemand ſang,
Brunhilden währte · die Weile viel zu lang.
War allzutrübe · der Sinn und auch der Muth:
Des muſte bald entgelten · mancher Degen kühn und gut.
Brunhild mit ihren Frauen · gieng vor das Münſter ſtehn.
Sie gedachte: „Ich muß von Kriemhild · mehr zu hören ſehn,
Wes mich ſo laut hier zeihte · das wortſcharfe Weib:
Und wenn er ſichs gerühmt hat, gehts ihm an Leben und Leib!“
Nun kam die edle Kriemhild · mit manchem kühnen Mann.
Da begann Frau Brunhild: · „Haltet hier noch an.
Ihr wolltet mich verkebſen: · laßt uns Beweiſe ſehn,
Mir iſt von euern Reden, · das wißet, übel geſchehn.“
Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „Was laßt ihr mich nicht gehn?
Ich bezeug es mit dem Golde, · an meiner Hand zu ſehn.
Das brachte mir Siegfried, · nachdem er bei euch lag.“
Nie erlebte Brunhild · wohl einen leidigen Tag.
Sie ſprach: „Dieß Gold das edle, · das ward mir geſtohlen
Und blieb mir lange · Jahre übel verhohlen:
Ich komme nun dahinter, · wer mir es hat genommen.“
Die Frauen waren beide · in großen Unmuth gekommen.
Da ſprach wieder Kriemhild: · „Ich will nicht ſein der Dieb.
Du hätteſt ſchweigen ſollen, · wär dir Ehre lieb.
Ich bezeug es mit dem Gürtel, · den ich umgethan,
Ich habe nicht gelogen: · wohl wurde Siegfried dein Mann.“
Von Niniveer Seide · ſie eine Borte trug
Mit edelm Geſteine, · die war wohl ſchön genug.
Als Brunhild ſie erblickte, · zu weinen hub ſie an.
Das muſte Gunther wißen · und alle Die ihm unterthan.
Da ſprach des Landes Königin: · „Sendet her zu mir
Den König vom Rheine: · hören ſoll er hier,
Wie ſehr ſeine Schweſter · ſchändet meinen Leib:
Sie ſagt vor allen Leuten, · ich ſei Siegfriedens Weib.“
Der König kam mit Recken: · als er weinen ſah
Brunhild ſeine Traute, · gütlich ſprach er da:
„Von wem, liebe Fraue, · iſt euch ein Leid geſchehn?“
Sie ſprach zu dem König: · „Unfröhlich muß ich hier ſtehn.
Aller meiner Ehren · hat die Schweſter dein
Mich berauben wollen. · Geklagt ſoll dir ſein,
Sie ſagt: ich ſei die Kebſe · von Siegfried ihrem Mann.“
Da ſprach König Gunther: · „So hat ſie übel gethan.“
„Sie trägt hier meinen Gürtel, · den ich längſt verloren,
Und mein Gold das rothe. · Daß ich je ward geboren,
Des muß mich ſehr gereuen: · befreiſt du, Herr, mich nicht
Solcher großen Schande, · ich minne nie wieder dich.“
Da ſprach König Gunther: · „So ruft ihn herbei:
Hat er ſichs gerühmet, · das geſteh er frei,
Er woll es denn läugnen, · der Held von Niederland.“
Da ward der kühne Siegfried · bald hin zu ihnen geſandt.
Als Siegfried der Degen · die Unmuthvollen ſah
Und den Grund nicht wuſte, · balde ſprach er da:
„Was weinen dieſe Frauen? · das macht mir bekannt:
Oder weſſentwegen · wurde hier nach mir geſandt“
Da ſprach König Gunther: · „Groß Herzleid fand ich hier.
Eine Märe ſagte · mein Weib Frau Brunhild mir:
Du habeſt dich gerühmet, · du wärſt ihr erſter Mann.
So ſpricht dein Weib Frau Kriemhild: · haſt du, Degen, das gethan?“
„Niemals,“ ſprach da Siegfried; · „und hat ſie das geſagt,
Nicht eher will ich ruhen, · bis ſie es beklagt,
Und will davon mich reinigen · vor deinem ganzen Heer
Mit meinen hohen Eiden, · ich ſagte Solches nimmermehr.“
Da ſprach der Fürſt vom Rheine: · „Wohlan, das zeige mir.
Der Eid, den du geboten, · geſchieht der allhier,
Aller falſchen Dinge · laß ich dich ledig gehn.“
Man ließ in einem Ringe · die ſtolzen Burgunden ſtehn.
Da bot der kühne Siegfried · zum Eide hin die Hand.
Da ſprach der reiche König: · „Jetzt hab ich wohl erkannt,
Ihr ſeid hieran unſchuldig · und ſollt des ledig gehn:
Des euch Kriemhild zeihte, · das iſt nicht von euch geſchehn.“
Da ſprach wieder Siegfried: · „Und kommt es ihr zu Gut,
Daß deinem ſchönen Weibe · ſie ſo betrübt den Muth,
Das wäre mir wahrlich · aus der Maßen leid.“
Da blickten zu einander · die Ritter kühn und allbereit.
„Man ſoll ſo Frauen ziehen,“ · ſprach Siegfried der Degen,
„Daß ſie üppge Reden · laßen unterwegen;
Verbiet es deinem Weibe, · ich will es meinem thun.
Solchen Uebermuthes · in Wahrheit ſchäm ich mich nun.“
Viel ſchöne Frauen wurden · durch Reden ſchon entzweit.
Da erzeigte Brunhild · ſolche Traurigkeit,
Daß es erbarmen muſte · Die in Gunthers Lehn.
Von Tronje Hagen ſah man · zu der Königin gehn.
Er fragte, was ihr wäre, · da er ſie weinend fand.
Sie ſagt' ihm die Märe. · Er gelobt' ihr gleich zur Hand,
Daß es büßen ſollte · der Kriemhilde Mann,
Oder man treff ihn nimmer · unter Fröhlichen an.
Ueber die Rede kamen · Ortwein und Gernot,
Allda die Helden riethen · zu Siegfriedens Tod.
Dazu kam auch Geiſelher, · der ſchönen Ute Kind;
Als er die Rede hörte, · ſprach der Getreue geſchwind:
„O weh, ihr guten Knechte, · warum thut ihr das?
Siegfried verdiente · ja niemals ſolchen Haß,
Daß er darum verlieren · Leben ſollt und Leib:
Auch ſind es viel Dinge, · um die wohl zürnet ein Weib.“
„Sollen wir Gäuche ziehen?“ · ſprach Hagen entgegen:
„Das brächte wenig Ehre · ſolchen guten Degen.
Daß er ſich rühmen durfte · der lieben Frauen mein,
Ich will des Todes ſterben · oder es muß gerochen ſein.“
Da ſprach der König ſelber: · „Er hat uns nichts gethan
Als Liebes und Gutes: · leb er denn fortan.
Was ſollt ich dem Recken · hegen ſolchen Haß?
Er bewies uns immer Treue, · gar williglich that er das.“
Da begann der Degen · von Metz Herr Ortewein:
„Wohl kann ihm nicht mehr helfen · die große Stärke ſein.
Will es mein Herr erlauben, · ich thu ihm alles Leid.“
Da waren ihm die Helden · ohne Grund zu ſchaden bereit.
Dem folgte doch Niemand, · außer daß Hagen
Alle Tage pflegte · zu Gunthern zu ſagen:
Wenn Siegfried nicht mehr lebte, · ihm würden unterthan
Manches Königs Lande. · Da hub der Held zu trauern an.
Man ließ es bewenden · und gieng dem Kampfſpiel nach.
Hei! was man ſtarker Schäfte · vor dem Münſter brach
Vor Siegfriedens Weibe · bis hinan zum Saal!
Mit Unmuth ſah es Mancher, · dem König Gunther befahl.
Der König ſprach: „Laßt fahren · den mordlichen Zorn.
Er iſt uns zu Ehren · und zum Heil geborn;
Auch iſt ſo grimmer Stärke · der wunderkühne Mann,
Wenn ers inne würde, · ſo dürfte Niemand ihm nahn.“
„Nicht doch,“ ſprach da Hagen, · „da dürft ihr ruhig ſein:
Wir leiten in der Stille · alles ſorglich ein.
Brunhildens Weinen · ſoll ihm werden leid.
Immer ſei ihm Hagen · zu Haß und Schaden bereit.“
Da ſprach der König Gunther: · „Wie möcht es geſchehn?“
Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Das ſollt ihr bald verſtehn:
Wir laßen Boten reiten · her in dieſes Land,
Uns offnen Krieg zu künden, · die hier Niemand ſind bekannt.
„Dann ſagt ihr vor den Gäſten, · ihr wollt mit euerm Lehn
Euch zur Heerfahrt rüſten. · Sieht er das geſchehn,
So verſpricht er euch zu helfen; · dann gehts ihm an den Leib,
Erfahr ich nur die Märe · von des kühnen Recken Weib.“
Der König folgte leider · ſeines Dienſtmanns Rath.
So huben an zu ſinnen · auf Untreu und Verrath,
Eh es wer erkannte, · die Ritter auserkoren:
Durch zweier Frauen Zanken · gieng da mancher Held verloren.