Der urſprüngliche Verfaſſer des mittelhochdeutſchen Epos' aus dem 13. Jahrhundert iſt unbekannt. Dies iſt eine neuhochdeutſche Überſetzung von Karl Simrock (1827).
Hörbuch: https://archive.org/details/nibelungenlied_ak_librivox
Viel Wunderdinge melden · die Mären alter Zeit
Von preiswerthen Helden, · von großer Kühnheit,
Von Freud und Feſtlichkeiten, · von Weinen und von Klagen,
Von kühner Recken Streiten · mögt ihr nun Wunder hören ſagen.
Es wuchs in Burgunden · ſolch edel Mägdelein,
Daß in allen Landen · nichts Schönres mochte ſein.
Kriemhild war ſie geheißen, · und ward ein ſchönes Weib,
Um die viel Degen muſten · verlieren Leben und Leib.
Die Minnigliche lieben · brachte Keinem Scham;
Um die viel Recken warben, · Niemand war ihr gram.
Schön war ohne Maßen · die edle Maid zu ſchaun;
Der Jungfrau höfſche Sitte · wär eine Zier allen Fraun.
Es pflegten ſie drei Könige · edel und reich,
Gunther und Gernot, · die Recken ohne Gleich,
Und Geiſelher der junge, · ein auserwählter Degen;
Sie war ihre Schweſter, · die Fürſten hatten ſie zu pflegen.
Die Herren waren milde, · dazu von hohem Stamm,
Unmaßen kühn nach Kräften, · die Recken lobeſam.
Nach den Burgunden · war ihr Land genannt;
Sie ſchufen ſtarke Wunder · noch ſeitdem in Etzels Land.
In Worms am Rheine wohnten · die Herrn in ihrer Kraft.
Von ihren Landen diente · viel ſtolze Ritterſchaft
Mit rühmlichen Ehren · all ihres Lebens Zeit,
Bis jämmerlich ſie ſtarben · durch zweier edeln Frauen Streit.
Ute hieß ihre Mutter, · die reiche Königin,
Und Dankrat ihr Vater, · der ihnen zum Gewinn
Das Erbe ließ im Tode, · vordem ein ſtarker Mann,
Der auch in ſeiner Jugend · großer Ehren viel gewann.
Die drei Könge waren, · wie ich kund gethan,
Stark und hohen Muthes; · ihnen waren unterthan
Auch die beſten Recken, · davon man hat geſagt,
Von großer Kraft und Kühnheit, · in allen Streiten unverzagt.
Das war von Tronje Hagen, · und der Bruder ſein,
Dankwart der Schnelle, · von Metz Herr Ortewein,
Die beiden Markgrafen · Gere und Eckewart,
Volker von Alzei, · an allen Kräften wohlbewahrt,
Rumold der Küchenmeiſter, · ein theuerlicher Degen,
Sindold und Hunold: · die Herren muſten pflegen
Des Hofes und der Ehren, · den Köngen unterthan.
Noch hatten ſie viel Recken, · die ich nicht alle nennen kann.
Dankwart war Marſchall; · ſo war der Neffe ſein
Truchſeß des Königs, · von Metz Herr Ortewein.
Sindold war Schenke, · ein waidlicher Degen,
Und Kämmerer Hunold: · ſie konnten hoher Ehren pflegen.
Von des Hofes Ehre · von ihrer weiten Kraft,
Von ihrer hohen Würdigkeit · und von der Ritterſchaft,
Wie ſie die Herren übten · mit Freuden all ihr Leben,
Davon weiß wahrlich Niemand · euch volle Kunde zu geben.
In ihren hohen Ehren · träumte Kriemhilden,
Sie zög einen Falken, · ſtark-, ſchön- und wilden;
Den griffen ihr zwei Aare, · daß ſie es mochte ſehn:
Ihr konnt auf dieſer Erde · größer Leid nicht geſchehn.
Sie ſagt' ihrer Mutter · den Traum, Frau Uten:
Die wuſt ihn nicht zu deuten · als ſo der guten:
„Der Falke, den du zieheſt, · das iſt ein edler Mann:
Ihn wolle Gott behüten, · ſonſt iſt es bald um ihn gethan.“
„Was ſagt ihr mir vom Manne, · vielliebe Mutter mein?
Ohne Reckenminne · will ich immer ſein;
So ſchön will ich verbleiben · bis an meinen Tod,
Daß ich von Mannesminne · nie gewinnen möge Noth.“
„Verred es nicht ſo völlig,“ · die Mutter ſprach da ſo,
„Sollſt du je auf Erden · von Herzen werden froh,
Das geſchieht von Mannesminne: · du wirſt ein ſchönes Weib,
Will Gott dir noch vergönnen · eines guten Ritters Leib.“
„Die Rede laßt bleiben, · vielliebe Mutter mein.
Es hat an manchen Weiben · gelehrt der Augenſchein,
Wie Liebe mit Leide · am Ende gerne lohnt;
Ich will ſie meiden beide, · ſo bleib ich ſicher verſchont!“
Kriemhild in ihrem Muthe · hielt ſich von Minne frei.
So lief noch der guten · manch lieber Tag vorbei,
Daß ſie Niemand wuſte, · der ihr gefiel zum Mann,
Bis ſie doch mit Ehren · einen werthen Recken gewann.
Das war derſelbe Falke, · den jener Traum ihr bot,
Den ihr beſchied die Mutter. · Ob ſeinem frühen Tod
Den nächſten Anverwandten · wie gab ſie blutgen Lohn!
Durch dieſes Einen Sterben · ſtarb noch mancher Mutter Sohn.
Da wuchs im Niederlande · eines edeln Königs Kind,
Siegmund hieß ſein Vater, · die Mutter Siegelind,
In einer mächtgen Veſte, · weithin wohlbekannt,
Unten am Rheine, · Xanten war ſie genannt.
Ich ſag euch von dem Degen, · wie ſo ſchön er ward.
Er war vor allen Schanden · immer wohl bewahrt.
Stark und hohes Namens · ward bald der kühne Mann:
Hei! was er großer Ehren · auf dieſer Erde gewann!
Siegfried ward geheißen · der edle Degen gut.
Er erprobte viel der Recken · in hochbeherztem Muth.
Seine Stärke führt' ihn · in manches fremde Land:
Hei! was er ſchneller Degen · bei den Burgunden fand!
Bevor der kühne Degen · voll erwuchs zum Mann,
Da hatt er ſolche Wunder · mit ſeiner Hand gethan,
Davon man immer wieder · ſingen mag und ſagen;
Wir müßen viel verſchweigen · von ihm in heutigen Tagen.
In ſeinen beſten Zeiten, · bei ſeinen jungen Tagen
Mochte man viel Wunder · von Siegfrieden ſagen,
Wie Ehr an ihm erblühte · und wie ſchön er war zu ſchaun:
Drum dachten ſein in Minne · viel der waidlichen Fraun.
Man erzog ihn mit dem Fleiße, · wie ihm geziemend war;
Was ihm Zucht und Sitte · der eigne Sinn gebar!
Das ward noch eine Zierde · für ſeines Vaters Land,
Daß man zu allen Dingen · ihn ſo recht herrlich fand.
Er war nun ſo erwachſen, · mit an den Hof zu gehn.
Die Leute ſahn ihn gerne; · viel Fraun und Mädchen ſchön
Wünſchten wohl, er käme · dahin doch immerdar;
Hold waren ihm gar viele, · des ward der Degen wohl gewahr.
Selten ohne Hüter · man reiten ließ das Kind.
Mit Kleidern hieß ihn zieren · ſeine Mutter Siegelind;
Auch pflegten ſein die Weiſen, · denen Ehre war bekannt:
Drum möcht er wohl gewinnen · ſo die Leute wie das Land,
Nun war er in der Stärke, · daß er wohl Waffen trug:
Wes er dazu bedurfte, · des gab man ihm genug.
Schon ſann er zu werben · um manches ſchöne Kind;
Die hätten wohl mit Ehren · den ſchönen Siegfried geminnt.
Da ließ ſein Vater Siegmund · kund thun ſeinem Lehn,
Mit lieben Freunden woll er · ein Hofgelag begehn.
Da brachte man die Märe · in andrer Könge Land.
Den Heimiſchen und Gäſten · gab er Roſs und Gewand.
Wen man finden mochte, · der nach der Eltern Art
Ritter werden ſollte, · die edeln Knappen zart
Lud man nach dem Lande · zu der Luſtbarkeit,
Wo ſie das Schwert empfiengen · mit Siegfried zu gleicher Zeit.
Man mochte Wunder ſagen · von dem Hofgelag.
Siegmund und Siegelind · gewannen an dem Tag
Viel Ehre durch die Gaben, · die ſpendet' ihre Hand:
Drum ſah man viel der Fremden · zu ihnen reiten in das Land.
Vierhundert Schwertdegen · ſollten gekleidet ſein
Mit dem jungen Könige. · Manch ſchönes Mägdelein
Sah man am Werk geſchäftig: · ihm waren alle hold.
Viel edle Steine legten · die Frauen da in das Gold,
Die ſie mit Borten wollten · auf die Kleider nähn
Den jungen ſtolzen Recken; · das muſte ſo ergehn.
Der Wirth ließ Sitze bauen · für manchen kühnen Mann
Zu der Sonnenwende, · wo Siegfried Ritters Stand gewann.
Da gieng zu einem Münſter · mancher reiche Knecht
Und viel der edeln Ritter. · Die Alten thaten recht,
Daß ſie den Jungen dienten, · wie ihnen war geſchehn,
Sie hatten Kurzweile · und freuten ſich es zu ſehn.
Als man da Gott zu Ehren · eine Meſſe ſang,
Da hub ſich von den Leuten · ein gewaltiger Drang,
Da ſie zu Rittern wurden · dem Ritterbrauch gemäß
Mit alſo hohen Ehren, · ſo leicht nicht wieder geſchähs.
Sie eilten, wo ſie fanden · geſchirrter Roſſe viel.
Da ward in Siegmunds Hofe · ſo laut das Ritterſpiel,
Daß man ertoſen hörte · Pallas und Saal.
Die hochbeherzten Degen · begannen fröhlichen Schall.
Von Alten und von Jungen · mancher Stoß erklang,
Daß der Schäfte Brechen · in die Lüfte drang.
Die Splitter ſah man fliegen · bis zum Saal hinan.
Die Kurzweile ſahen · die Fraun und Männer mit an.
Der Wirth bat es zu laßen. · Man zog die Roſſe fort;
Wohl ſah man auch zerbrochen · viel ſtarke Schilde dort
Und viel der edeln Steine · auf das Gras gefällt
Von des lichten Schildes Spangen: · die hatten Stöße zerſchellt.
Da ſetzten ſich die Gäſte, · wohin man ihnen rieth,
zu Tiſch, wo von Ermüdung · viel edle Koſt ſie ſchied
Und Wein der allerbeſte, · des man die Fülle trug.
Den Heimiſchen und Fremden · bot man Ehren da genug.
So viel ſie Kurzweile · gefunden all den Tag,
Das fahrende Geſinde · doch keiner Ruhe pflag:
Sie dienten um die Gabe, · die man da reichlich fand;
Ihr Lob ward zur Zierde · König Siegmunds ganzem Land.
Da ließ der Fürſt verleihen · Siegfried, dem jungen Mann,
Das Land und die Burgen, · wie ſonſt er ſelbſt gethan.
Seinen Schwertgenoßen · gab er mit milder Hand:
So freute ſie die Reiſe, · die ſie geführt in das Land.
Das Hofgelage währte · bis an den ſiebten Tag.
Sieglind die reiche · der alten Sitte pflag,
Daß ſie dem Sohn zu Liebe · vertheilte rothes Gold:
Sie könnt es wohl verdienen, · daß ihm die Leute waren hold.
Da war zuletzt kein armer · Fahrender mehr im Land.
Ihnen ſtoben Kleider · und Roſſe von der Hand,
Als hätten ſie zu leben · nicht mehr denn einen Tag.
Man ſah nie Ingeſinde, · das ſo großer Milde pflag.
Mit preiswerthen Ehren · zergieng die Luſtbarkeit.
Man hörte wohl die Reichen · ſagen nach der Zeit,
Daß ſie dem Jungen gerne · wären unterthan;
Das begehrte nicht Siegfried, · dieſer waidliche Mann.
So lange ſie noch lebten, · Siegmund und Siegelind,
Wollte nicht Krone tragen · der beiden liebes Kind;
Doch wollt er herrlich wenden · alle die Gewalt,
Die in den Landen fürchtete · der Degen kühn und wohlgeſtalt.
Ihn durfte Niemand ſchelten: · ſeit er die Waffen nahm,
Pflag er der Ruh nur ſelten, · der Recke lobeſam.
Er ſuchte nur zu ſtreiten · und ſeine ſtarke Hand
Macht' ihn zu allen Zeiten · in fremden Reichen wohlbekannt.
Den Herrn beſchwerte ſelten · irgend ein Herzeleid.
Er hörte Kunde ſagen, · wie eine ſchöne Maid
Bei den Burgunden wäre, · nach Wünſchen wohlgethan,
Von der er bald viel Freuden · und auch viel Leides gewann.
Von ihrer hohen Schöne · vernahm man weit und breit,
Und auch ihr Hochgemüthe · ward zur ſelben Zeit
Bei der Jungfrauen · den Helden oft bekannt:
Das ladete der Gäſte · viel in König Gunthers Land.
So viel um ihre Minne · man Werbende ſah,
Kriemhild in ihrem Sinne · ſprach dazu nicht Ja,
Daß ſie einen wollte · zum geliebten Mann:
Er war ihr noch gar fremde, · dem ſie bald ward unterthan.
Dann ſann auf hohe Minne · Sieglindens Kind:
All der Andern Werben · war wider ihn ein Wind.
Er mochte wohl verdienen · ein Weib ſo auserwählt:
Bald ward die edle Kriemhild · dem kühnen Siegfried vermählt.
Ihm riethen ſeine Freunde · und Die in ſeinem Lehn,
Hab er ſtäte Minne · ſich zum Ziel erſehn,
So ſoll er werben, daß er ſich · der Wahl nicht dürfe ſchämen.
Da ſprach der edle Siegfried: · „So will ich Kriemhilden nehmen,
„Die edle Königstochter · von Burgundenland,
Um ihre große Schöne. · Das iſt mir wohl bekannt,
Kein Kaiſer ſei ſo mächtig, · hätt er zu frein im Sinn,
Dem nicht zum minnen ziemte · dieſe reiche Königin.“
Solche Märe hörte · der König Siegmund.
Es ſprachen ſeine Leute: · alſo ward ihm kund
Seines Kindes Wille. · Es war ihm höchlich leid,
Daß er werben wolle · um dieſe herrliche Maid.
Es erfuhr es auch die Königin, · die edle Siegelind:
Die muſte große Sorge · tragen um ihr Kind,
Weil ſie wohl Gunthern kannte · und Die in ſeinem Heer
Die Werbung dem Degen · zu verleiden fliß man ſich ſehr.
Da ſprach der kühne Siegfried: · „Viel lieber Vater mein,
Ohn edler Frauen Minne · wollt ich immer ſein,
Wenn ich nicht werben dürfte · nach Herzensliebe frei.“
Was Jemand reden mochte, · ſo blieb er immer dabei.
„Iſt dir nicht abzurathen,“ · der König ſprach da ſo,
„So bin ich deines Willens · von ganzem Herzen froh
Und will dirs fügen helfen, · ſo gut ich immer kann;
Doch hat der König Gunther · manchen hochfährtgen Mann.
„Und wär es anders Niemand · als Hagen der Degen,
Der kann im Uebermuthe · wohl der Hochfahrt pflegen,
So daß ich ſehr befürchte, · es mög uns werden leid,
Wenn wir werben wollen · um dieſe herrliche Maid.“
„Wie mag uns das gefährden!“ · hub da Siegfried an:
„Was ich mir im Guten · da nicht erbitten kann,
Will ich ſchon ſonſt erwerben · mit meiner ſtarken Hand,
Ich will von ihm erzwingen · ſo die Leute wie das Land.“
„Leid iſt mir deine Rede,“ · ſprach König Siegmund,
„Denn würde dieſe Märe · dort am Rheine kund,
Du dürfteſt nimmer reiten · in König Gunthers Land.
Gunther und Gernot · die ſind mir lange bekannt.
„Mit Gewalt erwerben · kann Niemand die Magd,“
Sprach der König Siegmund, · „das iſt mir wohl geſagt;
Willſt du jedoch mit Recken · reiten in das Land,
Die Freunde, die wir haben, · die werden eilends beſandt.“
„So iſt mir nicht zu Muthe,“ · fiel ihm Siegfried ein,
„Daß mir Recken ſollten · folgen an den Rhein
Einer Heerfahrt willen: · das wäre mir wohl leid,
Sollt ich damit erzwingen · dieſe herrliche Maid.
„Ich will ſie ſchon erwerben · allein mit meiner Hand.
Ich will mit zwölf Geſellen · in König Gunthers Land;
Dazu ſollt ihr mir helfen, · Vater Siegmund.“
Da gab man ſeinen Degen · zu Kleidern grau und auch bunt.
Da vernahm auch dieſe Märe · ſeine Mutter Siegelind;
Sie begann zu trauern · um ihr liebes Kind:,
Sie bangt' es zu verlieren · durch Die in Gunthers Heer.
Die edle Königstochter · weinte darüber ſehr.
Siegfried der Degen · gieng hin, wo er ſie ſah.
Wider ſeine Mutter · gütlich ſprach er da:
„Frau, ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein:
Wohl will ich ohne Sorgen · vor allen Weiganden ſein.
„Nun helft mir zu der Reiſe · nach Burgundenland,
Daß mich und meine Recken · ziere ſolch Gewand,
Wie ſo ſtolze Degen · mit Ehren mögen tragen:
Dafür will ich immer · den Dank von Herzen euch ſagen.“
„Iſt dir nicht abzurathen,“ · ſprach Frau Siegelind,
So helf ich dir zur Reiſe, · mein einziges Kind,
Mit den beſten Kleidern, · die je ein Ritter trug,
Dir und deinen Degen: · ihr ſollt der haben genug.“
Da neigte ſich ihr dankend · Siegfried der junge Mann.
Er ſprach: „Nicht mehr Geſellen · nehm ich zur Fahrt mir an
Als der Recken zwölfe: · verſeht die mit Gewand.
Ich möchte gern erfahren, · wie's um Kriemhild ſei bewandt.“
Da ſaßen ſchöne Frauen · über Nacht und Tag,
Daß ihrer ſelten Eine · der Muße eher pflag,
Bis ſie gefertigt hatten · Siegfriedens Staat.
Er wollte ſeiner Reiſe · nun mit nichten haben Rath.
Sein Vater hieß ihm zieren · ſein ritterlich Gewand,
Womit er räumen wollte · König Siegmunds Land.
Ihre lichten Panzer · die wurden auch bereit
Und ihre feſten Helme, · ihre Schilde ſchön und breit.
Nun ſahen ſie die Reiſe · zu den Burgunden nahn.
Um ſie begann zu ſorgen · beides, Weib und Mann,
Ob ſie je wiederkommen · ſollten in das Land.
Sie geboten aufzuſäumen · die Waffen und das Gewand.
Schön waren ihre Roſſe, · ihr Reitzeug goldesroth;
Wenn wer ſich höher dauchte, · ſo war es ohne Noth,
Als der Degen Siegfried · und Die ihm unterthan.
Nun hielt er um Urlaub · zu den Burgunden an.
Den gaben ihm mit Trauern · König und Königin.
Er tröſtete ſie beide · mit minniglichem Sinn
Und ſprach: „Ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein:
Immer ohne Sorgen · mögt ihr um mein Leben ſein.“
Es war leid den Recken, · auch weinte manche Maid;
Sie ahnten wohl im Herzen, · daß ſie es nach der Zeit
Noch ſchwer entgelten müſten · durch lieber Freunde Tod.
Sie hatten Grund zu klagen, · es that ihnen wahrlich Noth.
Am ſiebenten Morgen · zu Worms an den Strand
Ritten ſchon die Kühnen; · all ihr Gewand
War von rothem Golde, · ihr Reitzeug wohlbeſtellt;
Ihnen giengen ſanft die Roſſe, · die ſich da Siegfried geſellt.
Neu waren ihre Schilde, · licht dazu und breit,
Und ſchön ihre Helme, · als mit dem Geleit
Siegfried der kühne · ritt in Gunthers Land.
Man erſah an Helden · nie mehr ſo herrlich Gewand.
Der Schwerter Enden giengen · nieder auf die Sporen;
Scharfe Spere führten · die Ritter auserkoren.
Von zweier Spannen Breite · war, welchen Siegfried trug;
Der hatt an ſeinen Schneiden · grimmer Schärfe genug.
Goldfarbne Zäume · führten ſie an der Hand;
Der Bruſtriem war von Seide: · ſo kamen ſie ins Land.
Da gafften ſie die Leute · allenthalben an:
Gunthers Mannen liefen · ſie zu empfangen heran.
Die hochbeherzten Recken, · Ritter ſo wie Knecht,
Liefen den Herrn entgegen, · ſo war es Fug und Recht,
Und begrüßten dieſe Gäſte · in ihrer Herren Land;
Die Pferde nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand.
Da wollten ſie die Roſſe · ziehn zu ihrer Raſt;
Da ſprach aber Siegfried alsbald, · der kühne Gaſt:
„Laßt uns noch die Pferde · ſtehen kurze Zeit:
Wir reiten bald von hinnen; · dazu bin ich ganz bereit.
„Man ſoll uns auch die Schilde · nicht von dannen tragen;
Wo ich den König finde, · kann mir das Jemand ſagen,
Gunther den reichen · aus Burgundenland?“
Da ſagt' es ihm Einer, · dem es wohl war bekannt.
„Wollt ihr den König finden, · das mag gar leicht geſchehn:
In jenem weiten Saale · hab ich ihn geſehn
Unter ſeinen Helden; · da geht zu ihm hinan,
So mögt ihr bei ihm finden · manchen herrlichen Mann.“
Nun waren auch die Mären · dem König ſchon geſagt,
Daß auf dem Hofe wären · Ritter unverzagt:
Sie führten lichte Panzer · und herrlich Gewand;
Sie erkenne Niemand · in der Burgunden Land.
Den König nahm es Wunder, · woher gekommen ſei'n
Die herrlichen Recken · im Kleid von lichtem Schein
Und mit ſo guten Schilden, · ſo neu und ſo breit;
Das ihm das Niemand ſagte, · das war König Gunthern leid.
Zur Antwort gab dem König · von Metz Herr Ortewein;
Stark und kühnes Muthes · mocht er wohl ſein:
„Da wir ſie nicht erkennen, · ſo heißt Jemand gehn
Nach meinem Oheim Hagen: · dem ſollt ihr ſie laßen ſehn.
„Ihm ſind wohl kund die Reiche · und alles fremde Land;
Erkennt er die Herren, · das macht er uns bekannt.“
Der König ließ ihn holen · und Die in ſeinem Lehn:
Da ſah man ihn herrlich · mit Recken hin zu Hofe gehn.
Warum nach ihm der König, · frug Hagen da, geſchickt?
„Es werden fremde Degen · in meinem Haus erblickt,
Die Niemand mag erkennen: · habt ihr in fremdem Land
Sie wohl ſchon geſehen? · das macht mir, Hagen bekannt.“
„Das will ich,“ ſprach Hagen. · Zum Fenſter ſchritt er drauf,
Da ließ er nach den Gäſten · den Augen freien Lauf.
Wohl gefiel ihm ihr Geräthe · und all ihr Gewand;
Doch waren ſie ihm fremde · in der Burgunden Land.
Er ſprach, woher die Recken · auch kämen an den Rhein,
Es möchten ſelber Fürſten · oder Fürſtenboten ſein.
„Schön ſind ihre Roſſe · und ihr Gewand iſt gut;
Von wannen ſie auch ritten, · es ſind Helden hochgemuth.“
Alſo ſprach da Hagen: · „Soviel ich mag verſtehn,
Hab ich gleich im Leben · Siegfrieden nie geſehn,
So will ich doch wohl glauben, · wie es damit auch ſteht,
Daß er es ſei, der Degen, · der ſo herrlich dorten geht.
„Er bringt neue Mären · her in dieſes Land:
Die kühnen Nibelungen · ſchlug des Helden Hand,
Die reichen Königsſöhne · Schilbung und Nibelung;
Er wirkte große Wunder · mit des ſtarken Armes Schwung.
„Als der Held alleine · ritt aller Hülfe bar,
Fand er an einem Berge, · ſo hört ich immerdar,
Bei König Niblungs Horte · manchen kühnen Mann;
Sie waren ihm gar fremde, · bis er hier die Kunde gewann.
„Der Hort König Nibelungs · ward hervorgetragen
Aus einem hohlen Berge: · nun hört Wunder ſagen,
Wie ihn theilen wollten · Die Niblung unterthan.
Das ſah der Degen Siegfried, · den es zu wundern begann.
„So nah kam er ihnen, · daß er die Helden ſah
Und ihn die Degen wieder. · Der Eine ſagte da:
„Hier kommt der ſtarke Siegfried, · der Held aus Niederland.“
Seltſame Abenteuer · er bei den Nibelungen fand.
„Den Recken wohl empfiengen · Schilbung und Nibelung.
Einhellig baten · die edeln Fürſten jung,
Daß ihnen theilen möchte · den Schatz der kühne Mann:
Das begehrten ſie, bis endlich · ers zu geloben begann.
„Er ſah ſo viel Geſteines, · wie wir hören ſagen,
Hundert Leiterwagen · die möchten es nicht tragen,
Noch mehr des rothen Goldes · von Nibelungenland:
Das Alles ſollte theilen · des kühnen Siegfriedes Hand.
„Sie gaben ihm zum Lohne · König Niblungs Schwert:
Da wurden ſie des Dienſtes · gar übel gewährt,
Den ihnen leiſten ſollte · Siegfried der Degen gut.
Er könnt es nicht vollbringen: · ſie hatten zornigen Muth.
„So muſt er ungetheilet · die Schätze laßen ſtehn.
Da beſtanden ihn die Degen · in der zwei Könge Lehn:
Mit ihres Vaters Schwerte, · das Balmung war genannt,
Stritt ihnen ab der Kühne · den Hort und Nibelungenland
„Da hatten ſie zu Freunden · kühne zwölf Mann,
Die ſtarke Rieſen waren: · was konnt es ſie verfahn?
Die erſchlug im Zorne · Siegfriedens Hand
Und ſiebenhundert Recken · zwang er vom Nibelungenland.
„Mit dem guten Schwerte, · geheißen Balmung.
Vom Schrecken überwältigt · war mancher Degen jung
Zumal vor dem Schwerte · und vor dem kühnen Mann:
Das Land mit den Burgen · machten ſie ihm unterthan.
„Dazu die reichen Könige · die ſchlug er beide todt.
Er kam durch Albrichen · darauf in große Noth:
Der wollte ſeine Herren · rächen allzuhand,
Eh er die große Stärke · noch an Siegfrieden fand.
„Mit Streit beſtehen konnt ihn · da nicht der ſtarke Zwerg.
Wie die wilden Leuen · liefen ſie an den Berg,
Wo er die Tarnkappe · Albrichen abgewann:
Da war des Hortes Meiſter · Siegfried der ſchreckliche Mann.
„Die ſich getraut zu fechten, · die lagen all erſchlagen.
Den Schatz ließ er wieder · nach dem Berge tragen,
Dem ihn entnommen hatten · Die Niblung unterthan.
Alberich der ſtarke · das Amt des Kämmrers gewann.
„Er muſt ihm Eide ſchwören, · er dien ihm als ſein Knecht,
Zu aller Art Dienſten · ward er ihm gerecht.“
So ſprach von Tronje Hagen: · „Das hat der Held gethan;
Alſo große Kräfte · nie mehr ein Recke gewann.
„Noch ein Abenteuer · iſt mir von ihm bekannt:
Einen Linddrachen · ſchlug des Helden Hand;
Als er im Blut ſich badete, · ward hörnern ſeine Haut.
So verſehrt ihn keine Waffe: · das hat man oft an ihm geſchaut.
„Man ſoll ihn wohl empfangen, · der beſte Rath iſt das,
Damit wir nicht verdienen · des ſchnellen Recken Haß.
Er iſt ſo kühnes Sinnes, · man ſeh ihn freundlich an:
Er hat mit ſeinen Kräften · ſo manche Wunder gethan.“
Da ſprach der mächtge König: · „Gewiſs, du redeſt wahr:
Nun ſieh, wie ſtolz er daſteht · vor des Streits Gefahr,
Dieſer kühne Degen · und Die in ſeinem Lehn!
Wir wollen ihm entgegen · hinab zu dem Recken gehn.“
„Das mögt ihr,“ ſprach da Hagen, · „mit allen Ehren ſchon:
Er iſt von edelm Stamme · eines reichen Königs Sohn;
Auch hat er die Gebäre, · mich dünkt, beim Herren Chriſt,
Es ſei nicht kleine Märe, · um die er hergeritten iſt.“
Da ſprach der Herr des Landes: · „Nun ſei er uns willkommen.
Er iſt kühn und edel, · das hab ich wohl vernommen;
Des ſoll er auch genießen · im Burgundenland.“
Da gieng der König Gunther · hin, wo er Siegfrieden fand.
Der Wirth und ſeine Recken · empfiengen ſo den Mann,
Daß wenig an dem Gruße · gebrach, den er gewann;
Des neigte ſich vor ihnen · der Degen auserſehn
In großen Züchten ſah man · ihn mit ſeinen Recken ſtehn.
„Mich wundert dieſe Märe,“ · ſprach der Wirth zuhand,
„Von wannen, edler Siegfried, · ihr kamt in dieſes Land
Oder was ihr wollet ſuchen · zu Worms an dem Rhein?“
Da ſprach der Gaſt zum König: · „Das ſoll euch unverhohlen ſein.
„Ich habe ſagen hören · in meines Vaters Land,
An euerm Hofe wären, · das hätt ich gern erkannt,
Die allerkühnſten Recken, · ſo hab ich oft vernommen,
Die je gewann ein König: · darum bin ich hieher gekommen.
„So hör ich auch euch ſelber · viel Mannheit zugeſtehn,
Man habe keinen König · noch je ſo kühn geſehn.
Das rühmen viel der Leute · in all dieſem Land;
Nun kann ichs nicht verwinden, · bis ich die Wahrheit befand.
„Ich bin auch ein Recke · und ſoll die Krone tragen:
Ich möcht es gerne fügen, · daß ſie von mir ſagen,
Daß ich mit Recht beſäße · die Leute wie das Land.
Mein Haupt und meine Ehre · ſetz ich dawider zu Pfand.
Wenn ihr denn ſo kühn ſeid, · wie euch die Sage zeiht,
So frag ich nicht, iſts Jemand · lieb oder leid:
Ich will von euch erzwingen, · was euch angehört,
Das Land und die Burgen · unterwerf ich meinem Schwert.“
Der König war verwundert · und all ſein Volk umher,
Als ſie vernahmen · ſein ſeltſam Begehr,
Daß er ihm zu nehmen · gedächte Leut und Land.
Das hörten ſeine Degen, · die wurden zornig zuhand.
„Wie ſollt ich das verdienen,“ · ſprach Gunther der Degen,
Wes mein Vater lange · mit Ehren durfte pflegen,
Daß wir das verlören · durch Jemands Ueberkraft?
Das wäre ſchlecht bewieſen, · daß wir auch pflegen Ritterſchaft!“
„Ich will davon nicht laßen,“ · fiel ihm der Kühne drein,
„Von deinen Kräften möge · dein Land befriedet ſein,
Ich will es nun verwalten; · doch auch das Erbe mein,
Erwirbſt du es durch Stärke, · es ſoll dir unterthänig ſein.
„Dein Erbe wie das meine · wir ſchlagen gleich ſie an,
Und wer von uns den Andern · überwinden kann,
Dem ſoll es alles dienen, · die Leute wie das Land.“
Dem widerſprach da Hagen · und mit ihm Gernot zuhand.
„So ſtehn uns nicht die Sinne,“ · ſprach da Gernot,
„Nach neuen Lands Gewinne, · daß Jemand ſollte todt
Vor Heldeshänden liegen: · reich iſt unſer Land,
Das uns mit Recht gehorſamt, zu Niemand beßer bewandt.“
In grimmigem Muthe · ſtanden da die Freunde ſein.
Da war auch darunter · von Metz Herr Ortewein.
Der Sprach: „Die Sühne · iſt mir von Herzen leid:
Euch ruft der ſtarke Siegfried · ohn allen Grund in den Streit.
„Wenn ihr und eure Brüder · ihm auch nicht ſteht zur Wehr,
Und ob er bei ſich führte · ein ganzes Königsheer,
So wollt ichs doch erſtreiten, · daß der ſtarke Held
Alſo hohen Uebermuth, · wohl mit Recht bei Seite ſtellt.“
Darüber zürnte mächtig · der Held von Niederland:
„Nicht wider mich vermeßen · darf ſich deine Hand:
Ich bin ein reicher König, · du biſt in Königs Lehn;
Deiner zwölfe dürften · mich nicht im Streite beſtehn.“
Nach Schwertern rief da heftig · von Metz Herr Ortewein:
Er durfte Hagens Schweſterſohn · von Tronje wahrlich ſein;
Daß er ſo lang geſchwiegen, · das war dem König leid.
Da ſprach zum Frieden Gernot, · ein Ritter kühn und allbereit.
„Laßt euer Zürnen bleiben,“ · hub er zu Ortwein an,
„Uns hat der edle Siegfried · noch ſolches nicht gethan;
Wir ſcheiden es in Güte · wohl noch, das rath ich ſehr,
Und haben ihn zum Freunde; · es geziemt uns wahrlich mehr.“
Da ſprach der ſtarke Hagen · „Uns iſt billig leid
und all euern Degen, · daß er je zum Streit
an den Rhein geritten: · was ließ er das nicht ſein?
So übel nie begegnet · wären ihm die Herren mein.“
Da ſprach wieder Siegfried, · der kraftvolle Held:
„Wenn euch, was ich geſprochen, · Herr Hagen, miſsfällt,
So will ich ſchauen laßen, · wie noch die Hände mein
Gedenken ſo gewaltig · bei den Burgunden zu ſein.“
„Das hoff ich noch zu wenden,“ · ſprach da Gernot.
Allen ſeinen Degen · zu reden er verbot
In ihrem Uebermuthe, · was ihm wäre leid.
Da gedacht auch Siegfried · an die viel herrliche Maid.
„Wie geziemt' uns mit euch zu ſtreiten?“ · ſprach wieder Gernot
„Wie viel dabei der Helden · auch fielen in den Tod,
Wenig Ehre brächt uns · ſo ungleicher Streit.“
Die Antwort hielt da Siegfried, · König Siegmunds Sohn, bereit:
Warum zögert Hagen · und auch Ortewein,
Daß er nicht zum Streite · eilt mit den Freunden ſein,
Deren er ſo manchen · bei den Burgunden hat?“
Sie blieben Antwort ſchuldig, · das war Gernotens Rath.
„Ihr ſollt uns willkommen ſein,“ · ſprach Geiſelher das Kind,
„Und eure Heergeſellen, · die hier bei euch find:
Wir wollen gern euch dienen, · ich und die Freunde mein.“
Da hieß man den Gäſten · ſchenken König Gunthers Wein.
Da ſprach der Wirth des Landes: · „Alles, was uns gehört,
Verlangt ihr es in Ehren, · das ſei euch unverwehrt;
Wir wollen mit euch theilen · unſer Gut und Blut.“
Da ward dem Degen Siegfried · ein wenig ſanfter zu Muth.
Da ließ man ihnen wahren · all ihr Wehrgewand;
Man ſuchte Herbergen, · die beſten, die man fand:
Siegfriedens Knappen · ſchuf man gut Gemach.
Man ſah den Fremdling gerne · in Burgundenland hernach.
Man bot ihm große Ehre · darauf in manchen Tagen,
Mehr zu tauſend Malen, · als ich euch könnte ſagen;
Das hatte ſeine Kühnheit · verdient, das glaubt fürwahr.
Ihn ſah wohl ſelten Jemand, · der ihm nicht gewogen war.
Flißen ſich der Kurzweil · die Könge und ihr Lehn,
So war er ſtäts der Beſte, · was man auch ließ geſchehn.
Es konnt ihm Niemand folgen, · ſo groß war ſeine Kraft,
Ob ſie den Stein warfen · oder ſchoßen den Schaft.
Nach höfſcher Sitte ließen · ſich auch vor den Fraun
Der Kurzweile pflegend · die kühnen Ritter ſchaun:
Da ſah man ſtäts den Helden · gern von Niederland;
Er hatt auf hohe Minne · ſeine Sinne gewandt.
Die ſchönen Fraun am Hofe · erfragten Märe,
Wer der ſtolze fremde · Recke wäre.
„Er iſt ſo ſchön gewachſen, · ſo reich iſt ſein Gewand!“
Da ſprachen ihrer Viele: · „Das iſt der Held von Niederland.“
Was man beginnen wollte, · er war dazu bereit;
Er trug in ſeinem Sinne · eine minnigliche Maid,
Und auch nur ihn die Schöne, · die er noch nie geſehn,
Und die ſich doch viel Gutes · von ihm ſchon heimlich verſehn.
Wenn man auf dem Hofe · das Waffenſpiel begann,
Ritter ſo wie Knappen, · immer ſah es an
Kriemhild aus den Fenſtern, · die Königstochter hehr;
Keiner andern Kurzweil · hinfort bedurfte ſie mehr.
Und wüſt er, daß ihn ſähe, · die er im Herzen trug,
Davon hätt er Kurzweil · immerdar genug.
Erſähn ſie ſeine Augen, · ich glaube ſicherlich,
Keine andre Freude · hier auf Erden wünſcht' er ſich.
Wenn er bei den Recken · auf dem Hofe ſtand,
Wie man noch zur Kurzweil · pflegt in allem Land,
Wie ſtand dann ſo minniglich · das Sieglindenkind,
Daß manche Frau ihm heimlich · war von Herzen hold geſinnt.
Er gedacht auch manchmal: · „Wie ſoll das geſchehn,
Daß ich das edle Mägdlein · mit Augen möge ſehn,
Die ich von Herzen minne, · wie ich ſchon längſt gethan?
Die iſt mir noch gar fremde; · mit Trauern denk ich daran.“
So oft die reichen Könige · ritten in ihr Land,
So muſten auch die Recken · mit ihnen all zur Hand.
Auch Siegfried ritt mit ihnen: · das war der Frauen leid;
Er litt von ihrer Minne · auch Beſchwer zu mancher Zeit.
So wohnt' er bei den Herren, · das iſt alles wahr,
In König Gunthers Lande · völliglich ein Jahr,
Daß er die Minnigliche · in all der Zeit nicht ſah,
Durch die ihm bald viel Liebes · und auch viel Leides geſchah.
Da kamen fremde Mären · in König Gunthers Land
Durch Boten aus der Ferne · ihnen zugeſandt
Von unbekannten Recken, · die ihnen trugen Haß
Als ſie die Rede hörten, · gar ſehr betrübte ſie das.
Die will ich euch nennen: · es war Lüdeger
Aus der Sachſen Lande, · ein mächtger König hehr;
Dazu vom Dänenlande · der König Lüdegaſt:
Die gewannen zu dem Kriege · gar manchen herrlichen Gaſt.
Ihre Boten kamen · in König Gunthers Land,
Die ſeine Widerſacher · hatten hingeſandt.
Da frug man um die Märe · die Unbekannten gleich
Und führte bald die Boten · zu Hofe vor den König reich.
Schön grüßte ſie der König und ſprach: · „Seid willkommen!
Wer euch hieher geſendet, · hab ich noch nicht vernommen:
Das ſollt ihr hören laßen,“ · ſprach der König gut.
Da bangten ſie gewaltig · vor des grimmen Gunther Muth.
„Wollt ihr uns, Herr, erlauben, · daß wir euch Bericht
Von unſrer Märe ſagen, · wir hehlen ſie euch nicht.
Wir nennen euch die Herren, · die uns hieher geſandt:
Lüdegaſt und Lüdeger · die ſuchen heim euer Land.
Ihren Zorn habt ihr verdienet: · wir vernahmen das
Gar wohl, die Herren tragen · euch beide großen Haß.
Sie wollen heerfahrten · gen Worms an den Rhein;
Ihnen helfen viel der Degen: · laßt euch das zur Warnung ſein.
„Binnen zwölf Wochen · muß ihre Fahrt geſchehn;
Habt ihr nun guter Freunde, · ſo laßt es bald erſehn,
Die euch befrieden helfen · die Burgen und das Land:
Hier werden ſie verhauen · manchen Helm und Schildesrand.
„Oder wollt ihr unterhandeln, · ſo macht es offenbar;
So reitet euch ſo nahe · nicht gar manche Schar
Eurer ſtarken Feinde · zu bitterm Herzeleid,
Davon verderben müßen · viel der Ritter kühn im Streit.“
„Nun harrt eine Weile · (ich künd euch meinen Muth),
Bis ich mich recht bedachte,“ · ſprach der König gut.
„Hab ich noch Getreue, · denen will ichs ſagen,
Dieſe ſchwere Botſchaft · muß ich meinen Freunden klagen.“
Dem mächtigen Gunther · war es leid genug;
Den Botenſpruch er heimlich · in ſeinem Herzen trug.
Er hieß berufen Hagen · und Andr' in ſeinem Lehn
Und hieß auch gar geſchwinde · zu Hof nach Gernoten gehn.
Da kamen ihm die Beſten, · ſo viel man deren fand.
Er ſprach: „Die Feinde wollen · heimſuchen unſer Land
Mit ſtarken Heerfahrten; · das ſei euch geklagt.
Es iſt gar unverſchuldet, · daß ſie uns haben widerſagt.“
„Dem wehren wir mit Schwertern,“ · ſprach da Gernot,
„Da ſterben nur, die müßen: · die laßet liegen todt.
Ich werde nicht vergeßen · darum der Ehre mein:
Unſre Widerſacher · ſollen uns willkommen ſein.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Das dünkt mich nicht gut;
Lüdegaſt und Lüdeger · ſind voll Uebermuth.
Wir können uns nicht ſammeln · in ſo kurzen Tagen,“
So ſprach der kühne Recke: · „ihr ſollt es Siegfrieden ſagen.“
Da gab man den Boten · Herbergen in der Stadt.
Wie feind ſie ihnen waren, · ſie gut zu pflegen bat
Gunther der reiche, · das war wohlgethan,
Bis er erprobt an Freunden, · wer ihm zu Hülfe zög heran.
Der König trug im Herzen · Sorge doch und Leid.
Da ſah ihn alſo trauern · ein Ritter allbereit,
Der nicht wißen konnte, · was ihm war geſchehn:
Da bat er König Gunthern, · ihm den Grund zu geſtehn.
„Mich nimmt höchlich Wunder,“ · ſprach da Siegfried,
„Wie die frohe Weiſe · ſo völlig von euch ſchied,
Deren ihr ſo lange · mit uns mochtet pflegen.“
Zur Antwort gab ihm Gunther, · dieſer zierliche Degen:
„Wohl mag ich allen Leuten · nicht von dem Leide ſagen,
Das ich muß verborgen · in meinem Herzen tragen:
Stäten Freunden klagen · ſoll man des Herzens Noth.“
Siegfriedens Farbe · ward da bleich und wieder roth.
Er ſprach zu dem Könige: · „Was blieb euch je verſagt?
Ich will euch wenden helfen · das Leid, das ihr klagt.
Wollt ihr Freunde ſuchen, · ſo will ich einer ſein
Und getrau es zu vollbringen · mit Ehren bis ans Ende mein.“
„Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried, · die Rede dünkt mich gut;
Und kann mir auch nicht helfen · eure Kraft und hoher Muth,
So freut mich doch die Märe, · daß ihr ſo hold mir ſeid:
Leb ich noch eine Weile, · ich vergelt es mit der Zeit.
Ich will euch hören laßen, · was mich traurig macht.
Von Boten meiner Feinde · ward mir hinterbracht,
Mit Heerfahrten kämen · ſie mich zu ſuchen hie:
Das geſchah uns von Degen · in dieſen Landen noch nie.“
„Das laßt euch nicht betrüben,“ · ſprach da Siegfried,
„Sänftet eur Gemüthe · und thut, wie ich euch rieth:
Laßt mich euch erwerben · Ehre ſo wie Frommen,
Bevor eure Feinde · her zu dieſen Landen kommen.
„Und hätten dreißigtauſend · Helfer ſich erſehn
Eure ſtarken Feinde, · doch wollt ich ſie beſtehn,
Hätt ich auch ſelbſt nur tauſend: · verlaßt euch auf mich.“
Da ſprach der König Gunther: · „Das verdien ich ſtäts um dich.“
„So heißt mir eurer Leute · gewinnen tauſend Mann,
Da ich von den Meinen · nicht mehr hier ſtellen kann
Als der Recken zwölfe; · ſo wehr ich euer Land.
Immer ſoll getreulich · euch dienen Siegfriedens Hand.
„Dazu ſoll Hagen helfen · und auch Ortewein,
Dankwart und Sindold, · die lieben Recken dein.
Auch ſoll da mit uns reiten · Volker der kühne Mann:
Der ſoll die Fahne führen: · keinen Beßern trefft ihr an.
„Und laßt die Boten reiten heim · in ihrer Herren Land;
Daß ſie uns bald da ſehen, · macht ihnen das bekannt,
So daß unſre Burgen · befriedet mögen ſein.“
Der König hieß beſenden · Freund und Mannen insgemein.
Zu Hofe giengen wieder · Die Lüdeger geſandt;
Sie freuten ſich der Reiſe · zurück ins Heimatland.
Ihnen bot da reiche Gabe · Gunther der König gut
Und ſicheres Geleite: · des waren ſie wohlgemuth.
„Nun ſagt,“ ſprach da Gunther, · „meinen ſtarken Feinden an,
Ihre Reiſe bliebe · beßer ungethan;
Doch wollten ſie mich ſuchen · hier in meinem Land,
Wir zerrännen denn die Freunde, · ihnen werde Noth bekannt.“
Den Boten reiche Gaben · man da zur Stelle trug:
Deren hatte Gunther · zu geben genug.
Das durften nicht verſchmähen · Die Lüdeger geſandt.
Sie baten um Urlaub · und räumten fröhlich das Land.
Als die Boten waren · gen Dänemark gekommen,
Und der König Lüdegaſt · den Bericht vernommen,
Was ſie am Rhein geredet, · als das ihm ward geſagt,
Seine übermüthge Botſchaft · ward da bereut und beklagt.
Sie ſagten ihm, ſie hätten · manch kühnen Mann im Lehn:
„Darunter ſah man Einen · vor König Gunthern ſtehn,
Der war geheißen Siegfried, · ein Held aus Niederland.“
Leid wars Lüdegaſten, · als er die Dinge ſo befand.
Als Die vom Dänenlande · hörten dieſe Mär,
Da eilten ſie, der Helfer · zu gewinnen deſto mehr,
Bis der König Lüdegaſt · zwanzigtauſend Mann
Seiner kühnen Degen · zu ſeiner Heerfahrt gewann.
Da beſandte ſich von Sachſen · auch König Lüdeger,
Bis ſie vierzigtauſend · hatten und wohl mehr,
Die mit ihnen ritten · gen Burgundenland.
Da hatt auch ſchon zu Hauſe · der König Gunther geſandt
Zu ſeinen nächſten Freunden · und ſeiner Brüder Heer,
Womit ſie fahren wollten · im Kriegszug einher,
Und auch mit Hagens Recken: · das that den Helden Noth.
Darum muſten Degen · bald erſchauen den Tod.
Sie ſchickten ſich zur Reiſe; · ſie wollten nun hindann.
Die Fahne muſte führen · Volker der kühne Mann,
Da ſie reiten wollten · von Worms über Rhein;
Hagen von Tronje · der muſte Scharmeiſter ſein.
Mit ihnen ritt auch Sindold · und der kühne Hunold,
Die wohl verdienen konnten · reicher Könge Gold.
Dankwart, Hagens Bruder, · und auch Ortewein
Die mochten wohl mit Ehren · bei dem Heerzuge ſein.
„Herr König,“ ſprach da Siegfried, · „bleibet ihr zu Haus:
Da mir eure Degen · folgen zu dem Strauß,
So weilt bei den Frauen · und tragt hohen Muth:
Ich will euch wohl behüten · die Ehre ſo wie das Gut.
„Die euch heimſuchen wollten · zu Worms an dem Rhein,
Will euch davor bewahren, · daß ſie euch ſchädlich ſei'n:
Wir wollen ihnen reiten · ſo nah ins eigne Land,
Daß ihnen bald in Sorge · der Uebermuth wird gewandt.“
Vom Rheine ſie durch Heſſen · mit ihren Helden ritten
Nach dem Sachſenlande: · da wurde bald geſtritten.
Mit Raub und mit Brande · verheerten ſie das Land,
Daß bald den Fürſten beiden · ward Noth und Sorge bekannt.
Sie kamen an die Marke; · die Knechte rückten an.
Siegfried der ſtarke · zu fragen da begann:
„Wer ſoll nun der Hüter · des Geſindes ſein?“
Wohl konnte nie den Sachſen · ein Heerzug übler gedeihn.
Sie ſprachen: „Laßt der Knappen · hüten auf den Wegen
Dankwart den kühnen, · das iſt ein ſchneller Degen:
Wir verlieren deſto minder · durch Die in Lüdgers Lehn;
Laßt ihn mit Ortweinen · hie die Nachhut verſehn.“
„So will ich ſelber reiten,“ · ſprach Siegfried der Degen,
„Den Feinden gegenüber · der Warte zu pflegen,
Bis ich recht erkunde, · wo die Recken ſind.“
Da ſtand bald in den Waffen · der ſchönen Siegelinde Kind.
Das Volk befahl er Hagen, · als er zog hindann,
Ihm und Gernoten, · dieſem kühnen Mann.
So ritt er hin alleine · in der Sachſen Land,
Wo er die rechte Märe · wohl bald mit Ehren befand.
Er ſah ein groß Geſchwader, · das auf dem Felde zog,
Und die Kraft der Seinen · gewaltig überwog:
Es waren vierzigtauſend · oder wohl noch mehr.
Siegfried in hohem Muthe · ſah gar fröhlich das Heer.
Da hatte ſich ein Recke · auch aus der Feinde Schar
Erhoben auf die Warte, · der wohl gewappnet war:
Den ſah der Degen Siegfried · und ihn der kühne Mann;
Jedweder auf den andern · mit Zorn zu blicken begann.
Ich ſag euch, wer der wäre, · der hier der Warte pflag;
Ein lichter Schild von Golde · ihm vor der Linken lag.
Es war der König Lüdegaſt, · der hütete ſein Heer.
Der edle Fremdling ſprengte · herrlich wider ihn einher.
Nun hatt auch ihn Herr Lüdegaſt · ſich feindlich erkoren:
Ihre Roſſe reizten Beide · zur Seite mit den Sporen;
Sie neigten auf die Schilde · mit aller Macht den Schaft:
Da kam der hehre König · darob in großer Sorgen Haft.
Dem Stich gehorſam trugen · die Roſſe pfeilgeſchwind
Die Könige zuſammen, · als wehte ſie der Wind;
Dann mit den Zäumen wandten · ſie ritterlich zurück:
Die grimmen Zwei verſuchten · da mit dem Schwerte das Glück.
Da ſchlug der Degen Siegfried, · das Feld erſcholl umher.
Aus dem Helme ſtoben, · als obs von Bränden wär,
Die feuerrothen Funken · von des Helden Hand;
Da ſtritt mit großen Kräften · der kühne Vogt von Niederland.
Auch ihm ſchlug Herr Lüdegaſt · manch grimmen Schlag;
Jedweder auf dem Schilde · mit ganzer Stärke lag.
Da hatten es wohl dreißig · erſpäht aus ſeiner Schar:
Eh die ihm Hülfe brachten, · der Sieg doch Siegfrieden war
Mit drei ſtarken Wunden, · die er dem König ſchlug
Durch einen lichten Harniſch; · der war doch feſt genug.
Das Schwert mit ſeiner Schärfe · entlockte Wunden Blut;
Da gewann König Lüdegaſt · einen traurigen Muth.
Er bat ihn um ſein Leben · und bot ihm all ſein Land
Und ſagt' ihm, er wäre · Lüdegaſt genannt.
Da kamen ſeine Recken: · die hatten wohl geſehn,
Was da von ihnen beiden · auf der Warte war geſchehn.
Er führt' ihn gern von dannen: · da ward er angerannt
Von dreißig ſeiner Mannen; · doch wehrte ſeine Hand
Seinen edeln Geiſel · mit ungeſtümen Schlägen.
Bald that noch größern Schaden · dieſer zierliche Degen.
Die Dreißig zu Tode · wehrlich er ſchlug;
Ihrer Einen ließ er leben: · der ritt da ſchnell genug
Und brachte hin die Märe · von dem, was hier geſchehn;
Auch konnte man die Wahrheit · an ſeinem rothen Helme ſehn.
Gar leid wars den Recken · aus dem Dänenland,
Als ihres Herrn Gefängniſs · ihnen ward bekannt.
Man ſagt' es ſeinem Bruder: · der fieng zu toben an
In ungeſtümem Zorne: · ihm war gar wehe gethan.
Lüdegaſt der König · war hinweggebracht
Zu Gunthers Ingeſinde · von Siegfrieds Uebermacht.
Er befahl ihn Hagen: · der kühne Recke gut,
Als er vernahm die Märe, · da gewann er fröhlichen Muth.
Man gebot den Burgunden: · „Die Fahne bindet an.“
„Wohlauf,“ ſprach da Siegfried, · „hier wird noch mehr gethan
Vor Abendzeit, verlier ich · Leben nicht und Leib:
Das betrübt im Sachſenlande · noch manches waidliche Weib.
„Ihr Helden vom Rheine, · ihr ſollt mein nehmen wahr:
Ich kann euch wohl geleiten · zu Lüdegers Schar.
Da ſeht ihr Helme hauen · von guter Helden Hand:
Eh wir uns wieder wenden, · wird ihnen Sorge bekannt.“
Zu den Roſſen ſprangen Gernot · und Die ihm unterthan.
Die Heerfahne faßte · der kühne Spielmann,
Volker der Degen, · und ritt der Schar vorauf.
Da war auch das Geſinde · zum Streite muthig und wohlauf.
Sie führten doch der Degen · nicht mehr denn tauſend Mann,
Darüber zwölf Recken. · Zu ſtieben da begann
Der Staub von den Straßen: · ſie ritten über Land;
Man ſah von ihnen ſcheinen · manchen ſchönen Schildesrand.
Nun waren auch die Sachſen · gekommen und ihr Heer
Mit Schwertern wohlgewachſen; · die Klingen ſchnitten ſehr,
Das hab ich wohl vernommen, · den Helden an der Hand:
Da wollten ſie die Gäſte · von Burgen wehren und Land.
Der Herren Scharmeiſter · führten das Volk heran.
Da war auch Siegfried kommen · mit den zwölf Mann,
Die er mit ſich führte · aus dem Niederland.
Des Tags ſah man im Sturme · manche blutige Hand.
Sindold und Hunold · und auch Gernot
Die ſchlugen in dem Streite · viel der Helden todt,
Eh ſie ihrer Kühnheit · noch ſelber mochten traun:
Das muſten bald beweinen · viel der waidlichen Fraun.
Volker und Hagen · und auch Ortwein
Leſchten in dem Streite · manches Helmes Schein
Mit fließendem Blute, · die Kühnen in der Schlacht.
Von Dankwarten wurden · viel große Wunder vollbracht.
Da verſuchten auch die Dänen · waidlich ihre Hand;
Von Stößen laut erſchallte · mancher Schildesrand
Und von den ſcharfen Schwertern, · womit man Wunden ſchlug.
Die ſtreitkühnen Sachſen · thaten Schadens auch genug.
Als die Burgunden · drangen in den Streit,
Von ihnen ward gehauen · manche Wunde weit:
Ueber die Sättel fließen · ſah man das Blut;
So warben um die Ehre · dieſe Ritter kühn und gut.
Man hörte laut erhallen · den Helden an der Hand
Ihre ſcharfen Waffen, · als Die von Niederland
Ihrem Herrn nachdrangen · in die dichten Reihn;
Die zwölfe kamen ritterlich · zugleich mit Siegfried hinein.
Deren vom Rheine · kam ihnen Niemand nach.
Man konnte fließen ſehen · den blutrothen Bach
Durch die lichten Helme · von Siegfriedens Hand,
Eh er Lüdegeren · vor ſeinen Heergeſellen fand.
Dreimal die Kehre · hat er nun genommen
Bis an des Heeres Ende; · da war auch Hagen kommen:
Der half ihm wohl vollbringen · im Kampfe ſeinen Muth.
Da muſte bald erſterben · vor ihnen mancher Ritter gut.
Als der ſtarke Lüdeger · Siegfrieden fand,
Wie er ſo erhaben · trug in ſeiner Hand
Balmung den guten · und da ſo Manchen ſchlug,
Darüber ward der Kühne · vor Zorn ingrimmig genug.
Da gab es ſtark Gedränge · und lauten Schwerterklang,
Wo ihr Ingeſinde · auf einander drang.
Da verſuchten deſto heftiger · die beiden Recken ſich;
Die Scharen wichen beide: · der Kämpen Haß ward fürchterlich.
Dem Vogt vom Sachſenlande · war es wohl bekannt,
Sein Bruder ſei gefangen: · drum war er zornentbrannt;
Nicht wuſt er, ders vollbrachte, · ſei der Sieglindenſohn.
Man zeihte des Gernoten; · hernach befand er es ſchon.
Da ſchlug ſo ſtarke Schläge · Lüdegers Schwert,
Siegfrieden unterm Sattel · niederſank das Pferd;
Doch bald erhob ſichs wieder: · der kühne Siegfried auch
Gewann jetzt im Sturme · einen furchtbaren Brauch.
Dabei half ihm Hagen · wohl und Gernot,
Dankwart und Volker: · da lagen Viele todt.
Sindold und Hunold · und Ortwein der Degen
Die konnten in dem Streite · zum Tode Manchen niederlegen.
Untrennbar im Kampfe · waren die Fürſten hehr.
Ueber die Helme fliegen · ſah man manchen Sper
Durch die lichten Schilde · von der Helden Hand;
Auch ward von Blut geröthet · mancher herrliche Rand.
In dem ſtarken Sturme · ſank da mancher Mann
Von den Roſſen nieder. · Einander rannten an
Siegfried der kühne · und König Lüdeger;
Man ſah da Schäfte fliegen · und manchen ſchneidigen Sper.
Der Schildbeſchlag des Königs · zerſtob vor Siegfrieds Hand.
Sieg zu erwerben dachte · der Held von Niederland
An den kühnen Sachſen; · die litten Ungemach.
Hei! was da lichte Panzer · der kühne Dankwart zerbrach!
Da hatte König Lüdeger · auf einem Schild erkannt
Eine gemalte Krone · vor Siegfriedens Hand:
Da ſah er wohl, es wäre · der kraftreiche Mann.
Laut auf zu ſeinen Freunden · der Held zu rufen begann:
„Begebt euch des Streites, · ihr all mir unterthan!
Den Sohn König Siegmunds · traf ich hier an,
Siegfried den ſtarken · hab ich hier erkannt;
Den hat der üble Teufel · her zu den Sachſen gefandt.“
Er gebot die Fahnen · zu ſenken in dem Streit.
Friedens er begehrte: · der ward ihm nach der Zeit;
Doch muſt er Geiſel werden · in König Gunthers Land:
Das hatt an ihm erzwungen · des kühnen Siegfriedes Hand.
Nach allgemeinem Rathe · ließ man ab vom Streit.
Viel zerſchlagner Helme · und der Schilde weit
Legten ſie aus Händen; · ſo viel man deren fand,
Die waren blutgeröthet · von der Burgunden Hand.
Sie fiengen, wen ſie wollten: · ſie hatten volle Macht.
Gernot und Hagen, · die ſchnellen, hatten Acht,
Daß man die Wunden bahrte; · da führten ſie hindann
Gefangen nach dem Rheine · der Kühnen fünfhundert Mann.
Die ſiegloſen Recken · zum Dänenlande ritten.
Da hatten auch die Sachſen · ſo tapfer nicht geſtritten,
Daß man ſie loben ſollte: · das war den Helden leid.
Da beklagten ihre Freunde · die Gefallnen in dem Streit.
Sie ließen ihre Waffen · aufſäumen nach dem Rhein.
Es hatte wohl geworben · mit den Gefährten ſein
Siegfried der ſtarke · und hatt es gut vollbracht:
Das muſt ihm zugeſtehen · König Gunthers ganze Macht.
Gen Worms ſandte Boten · der König Gernot:
Daheim in ſeinem Lande · den Freunden er entbot,
Wie ihm gelungen wäre · und all ſeinem Lehn:
Es war da von den Kühnen · nach allen Ehren geſchehn.
Die Botenknaben liefen; · ſo ward es angeſagt.
Da freuten ſich in Liebe, · die eben Leid geklagt,
Dieſer frohen Märe, · die ihnen war gekommen.
Da ward von edlen Frauen · großes Fragen vernommen,
Wie es den Herrn gelungen · wär in des Königs Heer.
Man rief der Boten Einen · zu Kriemhilden her.
Das geſchah verſtohlen, · ſie durfte es wohl nicht laut:
Denn Einer war darunter, · dem ſie längſt ihr Herz vertraut.
Als ſie in ihre Kammer · den Boten kommen ſah,
Kriemhild die ſchöne · gar gütlich ſprach ſie da:
„Nun ſag mir liebe Märe, · ſo geb ich dir mein Gold,
Und thuſt dus ohne Trügen, · will ich dir immer bleiben hold.
„Wie ſchied aus dem Streite · mein Bruder Gernot
Und meine andern Freunde? · Blieb uns nicht Mancher todt?
Wer that da das Beſte? · das ſollſt du mir ſagen“
Da ſprach der biedre Bote: · „Wir hatten nirgend einen Zagen.
„Zuvorderſt in dem Streite · ritt Niemand ſo wohl,
Hehre Königstochter, · wenn ich es ſagen ſoll,
Als der edle Fremdling · aus dem Niederland:
Da wirkte große Wunder · des kühnen Siegfriedes Hand.
„Was von den Recken allen · im Streit da geſchehn,
Dankwart und Hagen · und des Königs ganzem Lehn,
Wie wehrlich ſie auch ſtritten, · das war doch wie ein Wind
Nur gegen Siegfrieden, · König Siegmundens Kind.
„Sie haben in dem Sturme · der Helden viel erſchlagen;
Doch möcht euch dieſer Wunder · ein Ende Niemand ſagen,
Die da Siegfried wirkte, · ritt er in den Streit.
Den Fraun an ihren Freunden · that er mächtiges Leid.
„Auch muſte vor ihm fallen · der Friedel mancher Braut.
Seine Schläge ſchollen · auf Helmen alſo laut,
Daß ſie aus Wunden brachten · das fließende Blut:
Er iſt in allen Dingen · ein Ritter kühn und auch gut.
„Da hat auch viel begangen · von Metz Herr Ortewein:
Was er nur mocht erlangen · mit dem Schwerte ſein,
Das fiel vor ihm verwundet · oder meiſtens todt.
Da ſchuf euer Bruder · die allergrößeſte Noth,
„Die jemals in Stürmen · mochte ſein geſchehn;
Man muß dem Auserwählten · die Wahrheit zugeſtehn.
Die ſtolzen Burgunden · beſtanden ſo die Fahrt,
Daß ſie vor allen Schanden · die Ehre haben bewahrt.
„Man ſah von ihren Händen · der Sättel viel geleert,
Als ſo laut das Feld erhallte · von manchem lichten Schwert.
Die Recken vom Rheine · die ritten allezeit,
Daß ihre Feinde beßer · vermieden hätten den Streit.
„Auch die kühnen Tronjer · ſchufen großes Leid,
Als mit Volkskräften · das Heer ſich traf im Streit.
Da ſchlug ſo Manchen nieder des kühnen Hagen Hand,
Es wäre viel zu ſagen · davon in der Burgunden Land.
„Sindold und Hunold · in Gernotens Heer
Und Rumold der kühne · ſchufen ſo viel Beſchwer,
König Lüdger mag es · beklagen allezeit,
Daß er meine Herren · am Rhein berief in den Streit.
„Kampf, den allerhöchſten, · der irgend da geſchah,
Vom Erſten bis zum Letzten, · den Jemand nur ſah,
Hat Siegfried gefochten · mit wehrlicher Hand:
Er bringt reiche Geiſel · her in König Gunthers Land.
„Die zwang mit ſeinen Kräften · der ſtreitbare Held,
Wovon der König Lüdegaſt · den Schaden nun behält
Und vom Sachſenlande · ſein Bruder Lüdeger.
Nun hört meine Märe, · viel edle Königin hehr!
„Gefangen hat ſie beide · Siegfriedens Hand:
Nie ſo mancher Geiſel · kam in dieſes Land,
Als nun ſeine Kühnheit · bringt an den Rhein.“
Ihr konnten dieſe Mären · nicht willkommener ſein.
„Man führt der Geſunden · fünfhundert oder mehr
Und der zum Sterben Wunden, · wißt, Königin hehr,
Wohl achtzig blutge Bahren · her in unſer Land:
Die hat zumeiſt verhauen · des kühnen Siegfriedes Hand.
„Die uns im Uebermuthe · widerſagten hier am Rhein,
Die müßen nun Gefangene · König Gunthers ſein;
Die bringt man mit Freuden · her in dieſes Land.“
Ihre lichte Farb erblühte, · als ihr die Märe ward bekannt.
Ihr ſchönes Antlitz wurde · vor Freuden roſenroth,
Da lebend war geſchieden · aus ſo großer Noth
Der waidliche Recke, · Siegfried der junge Mann.
Sie war auch froh der Freunde · und that wohl weislich daran.
Die Schöne ſprach: „Du machteſt · mir frohe Mär bekannt:
Ich laße dir zum Lohne · geben reich Gewand,
Und zehn Mark von Golde · heiß ich dir tragen.“
Drum mag man ſolche Botſchaft · reichen Frauen gerne ſagen.
Man gab ihm zum Lohne · das Gold und auch das Kleid.
Da trat an die Fenſter · manche ſchöne Maid
Und ſchaute nach der Straße, · wo man reiten fand
Viel hochherzge Degen · in der Burgunden Land.
Da kamen die Geſunden, · der Wunden Schar auch kam:
Die mochten grüßen hören · von Freunden ohne Scham.
Der Wirth ritt ſeinen Gäſten · entgegen hocherfreut:
Mit Freuden war beendet · all ſein mächtiges Leid.
Da empfieng er wohl die Seinen, · die Fremden auch zugleich,
Wie es nicht anders ziemte · dem Könige reich,
Als denen gütlich danken, · die da waren kommen,
Daß ſie den Sieg mit Ehren · im Sturme hatten genommen.
Herr Gunther ließ ſich Kunde · von ſeinen Freunden ſagen,
Wer ihm auf der Reiſe · zu Tode wär erſchlagen,
Da hatt er nicht verloren · mehr als ſechzig Mann;
Die muſte man verſchmerzen, · wie man noch Manchen gethan.
Da brachten die Geſunden · zerhauen manchen Rand
Und viel zerſchlagener Helme · in König Gunthers Land.
Das Volk ſprang von den Roſſen · vor des Königs Saal;
Zu liebem Empfange · vernahm man fröhlichen Schall.
Da gab man Herbergen · den Recken in der Stadt.
Der König ſeine Gäſte · wohl zu verpflegen bat;
Die Wunden ließ er hüten · und warten fleißiglich.
Wohl zeigte ſeine Milde · auch an ſeinen Feinden ſich.
Er ſprach zu Lüdegeren: · „Nun ſeid mir willkommen!
Ich bin zu großem Schaden · durch eure Schuld gekommen:
Der wird mir nun vergolten, · wenn ich das ſchaffen kann.
Gott lohne meinen Freunden: · ſie haben wohl an mir gethan.“
„Wohl mögt ihr ihnen danken,“ · ſprach da Lüdeger,
„Solche hohe Geiſel · gewann kein König mehr.
Um ritterlich Gewahrſam · bieten wir großes Gut
Und bitten, daß ihr gnädiglich · an euern Widerſachern thut.“
„Ich will euch,“ ſprach er, „Beide · ledig laßen gehn;
Nur daß meine Feinde · hier bei mir beſtehn,
Dafür verlang ich Bürgſchaft, · damit ſie nicht mein Land
Räumen ohne Frieden.“ · Darauf boten ſie die Hand.
Man brachte ſie zur Ruhe, · wo man ſie wohl verpflag.
Und bald auf guten Betten · mancher Wunde lag.
Man ſchenkte den Geſunden · Meth und guten Wein;
Da konnte das Geſinde · nicht wohl fröhlicher ſein.
Die zerhaunen Schilde · man zum Verſchluße trug;
Blutgefärbter Sättel · ſah man da genug.
Die ließ man verbergen, · ſo weinten nicht die Fraun.
Da waren reiſemüde · viel gute Ritter zu ſchaun.
Seiner Gäſte pflegen · hieß der König wohl;
Von Heimiſchen und Fremden · lag das Land ihm voll;
Er ließ die Fährlichwunden · gütlich verpflegen:
Wie hart war darnieder · nun ihr Uebermuth gelegen!
Die Arzneikunſt wuſten, · denen bot man reichen Sold,
Silber ungewogen, · dazu das lichte Gold,
Wenn ſie die Helden heilten · nach des Streites Noth.
Dazu viel große Gaben · der König ſeinen Gäſten bot.
Wer wieder heimzureiſen · ſann in ſeinem Muth,
Den bat man noch zu bleiben, · wie man mit Freunden thut.
Der König gieng zu Rathe, · wie er lohne ſeinem Lehn:
Durch ſie war ſein Wille · nach allen Ehren geſchehn.
Da ſprach der König Gernot: · „Laßt ſie jetzt hindann;
Ueber ſechs Wochen, · das kündigt ihnen an,
Sollten ſie wiederkehren · zu einem Hofgelag:
Heil iſt dann wohl Mancher, · der jetzt ſchwer verwundet lag.“
Da bat auch um Urlaub · Siegfried von Niederland.
Als dem König Gunther · ſein Wille ward bekannt,
Bat er ihn gar minniglich, · noch bei ihm zu beſtehn;
Wenn nicht um ſeine Schweſter, · ſo wär es nimmer geſchehn.
Dazu war er zu mächtig, · daß man ihm böte Sold,
So ſehr er es verdiente. · Der König war ihm hold
Und all ſeine Freunde, · die das mit angeſehn,
Was da von ſeinen Händen · war im Streite geſchehn.
Er dachte noch zu bleiben · um die ſchöne Maid;
Vielleicht, daß er ſie ſähe. · Das geſchah auch nach der Zeit:
Wohl nach ſeinem Wunſche · ward ſie ihm bekannt.
Dann ritt er reich an Freuden · heim in ſeines Vaters Land.
Der Wirth bat alle Tage · des Ritterſpiels zu pflegen;
Das that mit gutem Willen · mancher junge Degen.
Auch ließ er Sitz' errichten · vor Worms an dem Strand
Für Die da kommen ſollten · in der Burgunden Land.
Nun hatt auch in den Tagen, · als ſie ſollten kommen,
Kriemhild die ſchöne · die Märe wohl vernommen,
Er ſtell ein Hofgelage · mit lieben Freunden an.
Da dachten ſchöne Frauen · mit großem Fleiße daran,
Gewand und Band zu ſuchen, das ſie wollten tragen.
Ute die reiche · vernahm die Märe ſagen
Von den ſtolzen Recken, · die da ſollten kommen:
Da wurden aus dem Einſchlag · viele reiche Kleider genommen.
Ihrer Kinder halb bereiten · ließ ſie Rock und Kleid,
Womit ſich da zierten · viel Fraun und manche Maid
Und viel der jungen Recken · aus Burgundenland.
Sie ließ auch manchem Fremden · bereiten herrlich Gewand.
Man ſah die Helden täglich · nun reiten an den Rhein,
Die bei dem Hofgelage · gerne wollten ſein
Und den Königen zu Liebe · kamen in das Land.
Man gab ihrer Vielen · beides, Roſs und Gewand.
Es war auch das Geſtühle · allen ſchon bereit,
Den Höchſten und den Beſten, · ſo hörten wir Beſcheid,
Zweiunddreißig Fürſten · zu dem Hofgelag:
Da zierten um die Wette · ſich die Frauen für den Tag.
Gar geſchäftig ſah man · Geiſelher das Kind.
Die Heimiſchen und Fremden · empfieng er holdgeſinnt
Mit Gernot ſeinem Bruder · und beider Mannen da.
Wohl grüßten ſie die Degen, · wie es nach Ehren geſchah.
Viel goldrother Sättel · führten ſie ins Land,
Zierliche Schilde · und herrlich Gewand
Brachten ſie zu Rheine · bei dem Hofgelag.
Mancher Ungeſunde · hieng der Freude wieder nach.
Die wund zu Bette liegend · vordem gelitten Noth,
Die durften nun vergeßen, · wie bitter ſei der Tod;
Die Siechen und die Kranken · vergaß man zu beklagen.
Es freute ſich ein Jeder · entgegen feſtlichen Tagen:
Wie ſie da leben wollten · in gaſtlichem Genuß!
Wonnen ohne Maßen, · der Freuden Ueberfluß
Hatten alle Leute, · ſo viel man immer fand:
Da hub ſich große Wonne · über Gunthers ganzes Land.
An einem Pfingſtmorgen · ſah man ſie alle gehn
Wonniglich gekleidet, · viel Degen auserſehn,
Fünftauſend oder drüber, · dem Hofgelag entgegen.
Da hub um die Wette · ſich viel Kurzweil allerwegen.
Der Wirth hatt im Sinne, · was er ſchon längſt erkannt,
Wie von ganzem Herzen · der Held von Niederland
Seine Schweſter liebe, · ſah er ſie gleich noch nie,
Der man das Lob der Schönheit · vor allen Jungfrauen lieh.
Er ſprach: „Nun rathet Alle, · Freund oder Unterthan,
Wie wir das Hofgelage · am beſten ſtellen an,
Daß man uns nicht ſchelte · darum nach dieſer Zeit;
Zuletzt doch an den Werken · liegt das Lob, das man uns beut.“
Da ſprach zu dem Könige · von Metz Herr Ortewein:
„Soll dieß Hofgelage · mit vollen Ehren ſein,
So laßt eure Gäſte · die ſchönen Kinder ſehn,
Denen ſo viel Ehren · in Burgundenland geſchehn.
„Was wäre Mannes Wonne, · was freut' er ſich zu ſchaun,
Wenn nicht ſchöne Mägdelein · und herrliche Fraun?
Drum laßt eure Schweſter · vor die Gäſte gehn.“
Der Rath war manchem Helden · zu hoher Freude geſchehn.
„Dem will ich gerne folgen,“ · der König ſprach da ſo.
Alle, die's erfuhren, · waren darüber froh.
Er entbot es Frauen Uten · und ihrer Tochter ſchön,
Daß ſie mit ihren Maiden · hin zu Hofe ſollten gehn.
Da ward aus den Schreinen · geſucht gut Gewand,
So viel man eingeſchlagen · der lichten Kleider fand,
Der Borten und der Spangen; · des lag genug bereit.
Da zierte ſich gar minniglich · manche waidliche Maid.
Mancher junge Recke · wünſchte heut ſo ſehr,
Daß er wohlgefallen · möchte den Frauen hehr,
Das er dafür nicht nähme · ein reiches Königsland:
Sie ſahen die gar gerne, · die ſie nie zuvor gekannt.
Da ließ der reiche König · mit ſeiner Schweſter gehn
Hundert ſeiner Recken, · zu ihrem Dienſt erſehn
Und dem ihrer Mutter, · die Schwerter in der Hand:
Das war das Hofgeſinde · in der Burgunden Land.
Ute die reiche · ſah man mit ihr kommen,
Die hatte ſchöner Frauen · ſich zum Geleit genommen
Hundert oder drüber, · geſchmückt mit reichem Kleid.
Auch folgte Kriemhilden · manche waidliche Maid.
Aus einer Kemenate · ſah man ſie alle gehn:
Da muſte heftig Drängen · von Helden bald geſchehn,
Die alle harrend ſtanden, · ob es möchte ſein,
Daß ſie da fröhlich ſähen · dieſes edle Mägdelein.
Da kam die Minnigliche, · wie das Morgenroth
Tritt aus trüben Wolken. · Da ſchied von mancher Noth,
Der ſie im Herzen hegte, · was lange war geſchehn.
Er ſah die Minnigliche · nun gar herrlich vor ſich ſtehn.
Von ihrem Kleide leuchtete · mancher edle Stein;
Ihre roſenrothe Farbe · gab wonniglichen Schein.
Was Jemand wünſchen mochte, · er muſte doch geſtehn,
Daß er hier auf Erden · noch nicht ſo Schönes geſehn.
Wie der lichte Vollmond · vor den Sternen ſchwebt,
Des Schein ſo hell und lauter · ſich aus den Wolken hebt,
So glänzte ſie in Wahrheit · vor andern Frauen gut:
Das mochte wohl erhöhen · den zieren Helden den Muth.
Die reichen Kämmerlinge · ſchritten vor ihr her;
Die hochgemuthen Degen · ließen es nicht mehr:
Sie drängten, daß ſie ſähen · die minnigliche Maid.
Siegfried dem Degen · war es lieb und wieder leid.
Er ſann in ſeinem Sinne: · „Wie dacht ich je daran,
Daß ich dich minnen ſollte? · das iſt ein eitler Wahn;
Soll ich dich aber meiden, · ſo wär ich ſanfter todt.“
Er ward von Gedanken · oft bleich und oft wieder roth.
Da ſah man den Sigelindenſohn · ſo minniglich da ſtehn,
Als wär er entworfen · auf einem Pergamen
Von guten Meiſters Händen: · gern man ihm zugeſtand,
Daß man nie im Leben · ſo ſchönen Helden noch fand.
Die mit Kriemhilden giengen, · die hießen aus den Wegen
Allenthalben weichen: · dem folgte mancher Degen.
Die hochgetragnen Herzen · freute man ſich zu ſchaun:
Man ſah in hohen Züchten · viel der herrlichen Fraun.
Da ſprach von Burgunden · der König Gernot:
„Dem Helden, der ſo gütlich · euch ſeine Dienſte bot,
Gunther, lieber Bruder, · dem bietet hier den Lohn
Vor allen dieſen Recken: · des Rathes ſpricht man mir nicht Hohn.
„Heißet Siegfrieden · zu meiner Schweſter kommen,
Daß ihn das Mägdlein grüße: · das bringt uns immer Frommen:
Die niemals Recken grüßte, · ſoll ſein mit Grüßen pflegen,
Daß wir uns ſo gewinnen · dieſen zierlichen Degen.“
Des Wirthes Freunde giengen dahin, · wo man ihn fand;
Sie ſprachen zu dem Recken · aus dem Niederland:
„Der König will erlauben, · ihr ſollt zu Hofe gehn,
Seine Schweſter ſoll euch grüßen: · die Ehre ſoll euch geſchehn.“
Der Rede ward der Degen · in ſeinem Muth erfreut:
Er trug in ſeinem Herzen · Freude ſonder Leid,
Daß er der ſchönen Ute · Tochter ſollte ſehn.
In minniglichen Züchten · empfieng ſie Siegfrieden ſchön.
Als ſie den Hochgemuthen · vor ſich ſtehen ſah,
Ihre Farbe ward entzündet; · die Schöne ſagte da:
„Willkommen, Herr Siegfried, · ein edler Ritter gut.“
Da ward ihm von dem Gruße · gar wohl erhoben der Muth.
Er neigte ſich ihr minniglich, · als er den Dank ihr bot.
Da zwang ſie zu einander · ſehnender Minne Noth;
Mit liebem Blick der Augen · ſahn einander an
Der Held und auch das Mägdelein; · das ward verſtohlen gethan.
Ward da mit ſanftem Drucke · geliebkoſt weiße Hand
In herzlicher Minne, · das iſt mir unbekannt.
Doch kann ich auch nicht glauben, · ſie hättens nicht gethan.
Liebebedürftige Herzen · thäten Unrecht daran.
Zu des Sommers Zeiten · und in des Maien Tagen
Durft er in ſeinem Herzen · nimmer wieder tragen
So viel hoher Wonne, · als er da gewann,
Da die ihm an der Hand gieng, · die der Held zu minnen ſann.
Da gedachte mancher Recke: · „Hei! wär mir ſo geſchehn,
Daß ich ſo bei ihr gienge, · wie ich ihn geſehn,
Oder bei ihr läge! · das nähm ich willig hin.“
Es diente nie ein Recke · ſo gut noch einer Königin.
Aus welchen Königs Landen · ein Gaſt gekommen war,
Er nahm im ganzen Saale · nur dieſer beiden wahr.
Ihr ward erlaubt zu küſſen · den waidlichen Mann:
Ihm ward in ſeinem Leben · nie ſo Liebes gethan.
Von Dänemark der König · hub an und ſprach zur Stund:
„Des hohen Grußes willen · liegt gar Mancher wund,
Wie ich wohl hier gewahre, · von Siegfriedens Hand:
Gott laß ihn nimmer wieder · kommen in der Dänen Land.“
Da hieß man allenthalben · weichen aus den Wegen
Kriemhild der Schönen; · manchen kühnen Degen
Sah man wohlgezogen · mit ihr zur Kirche gehn.
Bald ward von ihr geſchieden · dieſer Degen auserſehn.
Da gieng ſie zu dem Münſter · und mit ihr viel der Fraun.
Da war in ſolcher Zierde · die Königin zu ſchaun,
Daß da hoher Wünſche · mancher ward verloren;
Sie war zur Augenweide · viel der Recken auserkoren.
Kaum erharrte Siegfried, · bis ſchloß der Meſsgeſang;
Er mochte ſeinem Heile · des immer ſagen Dank,
Daß ihm ſo gewogen war, · die er im Herzen trug:
Auch war er der Schönen · nach Verdienſten hold genug.
Als ſie aus dem Münſter · nach der Meſſe kam,
Lud man wieder zu ihr · den Helden lobeſam.
Da begann ihm erſt zu danken · die minnigliche Maid,
Daß er vor allen Recken · ſo kühn gefochten im Streit.
„Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,“ · ſprach das ſchöne Kind,
„Daß ihr das verdientet, · daß euch die Recken ſind
So hold mit ganzer Treue, · wie ſie zumal geſtehn.“
Da begann er Frau Kriemhilden · minniglich anzuſehn.
„Stäts will ich ihnen dienen,“ · ſprach Stegfried der Degen,
„Und will mein Haupt nicht eher · zur Ruhe niederlegen,
Bis ihr Wunſch geſchehen, · ſo lang mein Leben währt:
Das thu ich, Frau Kriemhild, · daß ihr mir Minne gewährt.“
Innerhalb zwölf Tagen, · ſo oft es neu getagt,
Sah man bei dem Degen · die wonnigliche Magd,
So ſie zu Hofe durfte · vor ihren Freunden gehn.
Der Dienſt war dem Recken · aus großer Liebe geſchehn.
Freude und Wonne · und lauten Schwerterſchall
Vernahm man alle Tage · vor König Gunthers Saal,
Davor und darinnen · von manchem kühnen Mann.
Von Ortwein und Hagen · wurden Wunder viel gethan.
Was man zu üben wünſchte, · dazu ſah man bereit
In völligem Maße · die Degen kühn im Streit.
Da machten vor den Gäſten · die Recken ſich bekannt;
Es war eine Zierde · König Gunthers ganzem Land.
Die lange wund gelegen, · wagten ſich an den Wind:
Sie wollten kurzweilen · mit des Königs Ingeſind,
Schirmen mit den Schilden · und ſchießen manchen Schaft.
Des halfen ihnen Viele; · ſie hatten größliche Kraft.
Bei dem Hofgelage · ließ ſie der Wirth verpflegen
Mit der beſten Speiſe; · es durfte ſich nicht regen
Nur der kleinſte Tadel, · der Fürſten mag entſtehn;
Man ſah ihn jetzo freundlich · hin zu ſeinen Gäſten gehn.
Er ſprach: „Ihr guten Recken, · bevor ihr reitet hin,
So nehmt meine Gaben: · alſo fleht mein Sinn,
Ich will euch immer danken; · verſchmäht nicht mein Gut:
Es unter euch zu theilen · hab ich willigen Muth.“
Die vom Dänenlande · ſprachen gleich zur Hand:
„Bevor wir wieder reiten · heim in unſer Land,
Gewährt uns ſtäten Frieden: · das iſt uns Recken noth;
Uns ſind von euern Degen · viel der lieben Freunde todt.“
Geneſen von den Wunden · war Lüdegaſt derweil;
Der Vogt des Sachſenlandes · war bald vom Kampfe heil.
Etliche Todte · ließen ſie im Land.
Da gieng der König Gunther · hin, wo er Siegfrieden fand.
Er ſprach zu dem Recken: · „Nun rath mir, wie ich thu.
Unſre Gäſte wollen · reiten morgen fruh
Und gehn um ſtäte Sühne · mich und die Meinen an:
Nun rath, kühner Degen, · was dich dünke wohlgethan.
„Was mir die Herrn bieten, · das will ich dir ſagen:
Was fünfhundert Mähren · an Gold mögen tragen,
Das bieten ſie mir gerne · für ihre Freiheit an.“
Da ſprach aber Siegfried: · „Das wär übel gethan.
„Ihr ſollt ſie beide ledig · von hinnen laßen ziehn;
Nur daß die edeln Recken · ſich hüten fürderhin
Vor feindlichem Reiten · her in euer Land,
Laßt euch zu Pfande geben · der beiden Könige Hand.“
„Dem Rathe will ich folgen.“ · So giengen ſie hindann.
Seinen Widerſachern · ward es kundgethan,
Des Golds begehre Niemand, · das ſie geboten eh.
Daheim den lieben Freunden · war nach den heermüden weh.
Viel Schilde ſchatzbeladen · trug man da herbei:
Das theilt' er ungewogen · ſeinen Freunden frei,
An fünfhundert Marken · und Manchem wohl noch mehr;
Gernot rieth es Gunthern, · dieſer Degen kühn und hehr.
Um Urlaub baten alle, · ſie wollten nun hindann.
Da kamen die Gäſte · vor Kriemhild heran
Und dahin auch, wo Frau Ute · ſaß, die Königin.
Es zogen nie mehr Degen · ſo wohl beurlaubt dahin.
Die Herbergen leerten ſich, · als ſie von dannen ritten.
Doch verblieb im Lande · mit herrlichen Sitten
Der König mit den Seinen · und mancher edle Mann:
Die giengen alle Tage · zu Frau Kriemhild heran.
Da wollt auch Urlaub nehmen · Siegfried der gute Held,
Verzweifelnd zu erwerben, · worauf ſein Sinn geſtellt.
Der König hörte ſagen, · er wolle nun hindann:
Geiſelher der junge · ihn von der Reiſe gewann.
„Wohin, edler Siegfried, · wohin reitet ihr?
Hört meine Bitte, · bleibt bei den Recken hier,
Bei Gunther dem König · und bei ſeinem Lehn:
Hier ſind viel ſchöne Frauen, · die läßt man euch gerne ſehn.“
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „So laßt die Roſſe ſtehn.
Von hinnen wollt ich reiten, · das laß ich mir vergehn.
Tragt auch hinweg die Schilde: · wohl wollt ich in mein Land:
Davon hat mich Herr Geiſelher · mit großen Treuen gewandt.“
So verblieb der Kühne · dem Freund zu Liebe dort.
Auch wär ihm in den Landen · an keinem andern Ort
So wohl als hier geworden: · daher es nun geſchah,
Daß er alle Tage · die ſchöne Kriemhild erſah.
Ihrer hohen Schönheit willen · der Degen da verblieb.
Mit mancher Kurzweile · man nun die Zeit vertrieb;
Nur zwang ihn ihre Minne, · die ſchuf ihm oftmals Noth;
Darum hernach der Kühne · lag zu großem Jammer todt.
Wieder neue Märe · erhob ſich über Rhein:
Man ſagte ſich, da wäre · manch ſchönes Mägdelein.
Sich eins davon zu werben · ſann König Gunthers Muth.
Das dauchte ſeine Recken · und die Herren alle gut.
Es war eine Königin · geſeßen über Meer,
Ihr zu vergleichen · war keine andre mehr.
Schön war ſie aus der Maßen, · gar groß war ihre Kraft;
Sie ſchoß mit ſchnellen Degen · um ihre Minne den Schaft.
Den Stein warf ſie ferne, · nach dem ſie weithin ſprang;
Wer ihrer Minne gehrte, · der muſte ſonder Wank
Drei Spiel' ihr abgewinnen, · der Frauen wohlgeboren;
Gebrach es ihm an Einem, · ſo war das Haupt ihm verloren.
Die Königstochter hatte · das manchesmal gethan.
Das erfuhr am Rheine · ein Ritter wohlgethan.
Der ſeine Sinne wandte · auf das ſchöne Weib.
Drum muſten bald viel Degen · verlieren Leben und Leib.
Als einſt mit ſeinen Leuten · ſaß der König hehr,
Ward es von allen Seiten · berathen hin und her,
Welche ihr Herr ſich ſollte · zum Gemahl erſchaun,
Die er zum Weibe wollte · und dem Land geziemte zur Fraun.
Da ſprach der Vogt vom Rheine: „Ich will an die See
Hin zu Brunhilden, · wie es mir ergeh.
Um ihre Minne wag ich · Leben und Leib,
Die will ich verlieren, · gewinn ich nicht ſie zum Weib.“
„Das möcht ich widerrathen,“ · ſprach Siegfried wider ihn:
„So grimmiger Sitte · pflegt die Königin,
Um ihre Minne werben, · das kommt hoch zu ſtehn:
Drum mögt ihrs wohl entrathen, · auf dieſe Reiſe zu gehn.“
Da ſprach der König Gunther: · „Ein Weib ward noch nie
So ſtark und kühn geboren, · im Streit wollt ich ſie
Leichtlich überwinden · allein mit meiner Hand.“
„Schweigt,“ ſprach da Siegfried, · „ſie iſt euch noch unbekannt.
„Und wären eurer viere, · die könnten nicht gedeihn
Vor ihrem grimmen Zorne: · drum laßt den Willen ſein,
Das rath ich euch in Treuen: · entgeht ihr gern dem Tod,
So macht um ihre Minne · euch nicht vergebliche Noth.“
„Sei ſie ſo ſtark ſie wolle, · die Reiſe muß ergehn
Hin zu Brunhilden, · mag mir was will geſchehn.
Ihrer hohen Schönheit willen · gewagt muß es ſein:
Vielleicht daß Gott mir füget, · daß ſie uns folgt an den Rhein.“
„So will ich euch rathen,“ · begann da Hagen,
„Bittet Siegfrieden, · mit euch zu tragen
Die Laſt dieſer Sorge; · das iſt der beſte Rath,
Weil er von Brunhilden · ſo gute Kunde doch hat.“
Er ſprach: „Viel edler Siegfried, · willſt du mir Helfer ſein
Zu werben um die Schöne? · Thu nach der Bitte mein;
Und gewinn ich mir zur Trauten · das herrliche Weib,
So verwag ich deinetwillen · Ehre, Leben und Leib.“
Zur Antwort gab ihm Siegfried, · König Siegmunds Sohn:
„Ich will es thun, verſprichſt du · die Schweſter mir zum Lohn,
Kriemhild die ſchöne, · eine Königin hehr:
So begehr ich keines Dankes · nach meinen Arbeiten mehr.“
„Das gelob ich,“ ſprach Gunther, · „Siegfried, dir an die Hand.
Und kommt die ſchöne Brunhild · hieher in dieſes Land,
So will ich dir zum Weibe · meine Schweſter geben:
So magſt du mit der Schönen · immer in Freuden leben.“
Des ſchwuren ſich Eide · dieſe Recken hehr.
Da ſchuf es ihnen beiden · viel Müh und Beſchwer,
Eh ſie die Wohlgethane · brachten an den Rhein.
Es muſten die Kühnen · darum in großen Sorgen ſein.
Von wilden Gezwergen · hab ich hören ſagen,
Daß ſie in hohlen Bergen · wohnen und Schirme tragen,
Die heißen Tarnkappen, · von wunderbarer Art;
Wer ſie am Leibe trage, · der ſei gar wohl darin bewahrt
Vor Schlägen und vor Stichen; · ihn mög auch Niemand ſehn,
So lang er drin verweile; · hören doch und ſpähn
Mag er nach feinem Willen, · daß Niemand ihn erſchaut;
Ihm wachſen auch die Kräfte, · wie uns die Märe vertraut.
Die Tarnkappe führte · Siegfried mit hindann,
Die der kühne Degen · mit Sorgen einſt gewann
Von einem Gezwerge · mit Namen Alberich.
Da ſchickten ſich zur Reiſe · Recken kühn und ritterlich.
Wenn der ſtarke Siegfried · die Tarnkappe trug,
So gewann er drinnen · der Kräfte genug,
Zwölf Männer Stärke, · ſo wird uns geſagt.
Er erwarb mit großen Liſten · dieſe herrliche Magd.
Auch war ſo beſchaffen · die Nebelkappe gut,
Ein Jeder mochte drinnen · thun nach ſeinem Muth,
Was er immer wollte, · daß ihn doch Niemand ſah.
Damit gewann er Brunhild, · durch die ihm bald viel Leid geſchah.
„Nun ſage mir, Siegfried, · eh unſre Fahrt geſcheh,
Wie wir mit vollen Ehren · kommen über See?
Sollen wir Ritter führen · in Brunhildens Land?
Dreißigtauſend Degen · die werden eilends beſandt.“
„Wie viel wir Volkes führten,“ · ſprach Siegfried wider ihn,
„So grimmiger Sitte · pflegt die Königin,
Das müſte doch erſterben · vor ihrem Uebermuth.
Ich will euch beßer rathen, · Degen ihr kühn und gut.
„In Reckenweiſe fahren · laßt uns zu Thal den Rhein.
Die will ich euch nennen, · die das ſollen ſein:
Zu uns zwein noch zweie · und Niemand anders mehr,
Daß wir die Frau erwerben, · was auch geſchehe nachher.
„Der Geſellen bin ich einer, · du ſollſt der andre ſein,
Und Hagen ſei der dritte: · wir mögen wohl gedeihn;
Der vierte das ſei Dankwart, · dieſer kühne Mann.
Es dürfen Andrer tauſend · zum Streite nimmer uns nahn.“
„Die Märe wüſt ich gerne,“ · der König ſprach da ſo,
„Eh wir von hinnen führen, · des wär ich herzlich froh,
Was wir für Kleider ſollten · vor Brunhilden tragen,
Die uns geziemen möchten: · Siegfried, das ſollſt du mir ſagen.“
„Gewand das allerbeſte, · das man irgend fand,
Trägt man zu allen Zeiten · in Brunhildens Land:
Drum laß uns reiche Kleider · vor der Frauen tragen,
Daß wirs nicht Schande haben, · hört man künftig von uns ſagen.“
Da ſprach der gute Degen: · „So will ich ſelber gehn
Zu meiner lieben Mutter, · ob es nicht mag geſchehn,
Daß ihre ſchönen Mägde · uns ſchaffen ſolch Gewand,
Das wir mit Ehren tragen · in der hehren Jungfrau Land.“
Da Sprach von Tronje Hagen · mit herrlichen Sitten:
„Was wollt ihr eure Mutter · um ſolche Dienſte bitten?
Laßt eure Schweſter hören · euern Sinn und Muth:
Die iſt ſo kunſtreich, · unſre Kleider werden gut.“
Da entbot er ſeiner Schweſter, · er wünſche ſie zu ſehn
Und auch der Degen Siegfried. · Eh ſie das ließ geſchehn,
Da hatte ſich die Schöne · geſchmückt mit reichem Kleid.
Daß die Herren kamen, · ſchuf ihr wenig Herzeleid.
Da war auch ihr Geſinde · geziert nach ſeinem Stand.
Die Fürſten kamen beide; · als ſie das befand,
Erhob ſie ſich vom Sitze: · wie höfiſch ſie da gieng,
Als ſie den edeln Fremdling · und ihren Bruder empfieng!
„Willkommen ſei mein Bruder · und der Geſelle ſein.
Nun möcht ich gerne wiſſen,“ · Sprach das Mägdelein,
„Was euch Herrn geliebe, · daß ihr zu Hofe kommt:
Laßt mich doch hören, · was euch edeln Recken frommt.“
Da ſprach König Gunther: · „Frau, ich wills euch ſagen.
Wir müßen große Sorge · bei hohem Muthe tragen:
Wir wollen werben reiten · fern in fremdes Land
Und hätten zu der Reiſe · gerne zierlich Gewand.“
„Nun ſitzt, lieber Bruder,“ · ſprach das Königskind,
„Und laßt mich erſt erfahren, · Wer die Frauen ſind,
Die ihr begehrt zu minnen · in fremder Könge Land.“
Die Auserwählten beide · nahm das Mägdlein bei der Hand:
Hin gieng ſie mit den Beiden, · wo ſie geſeßen war
Auf prächtgen Ruhebetten, · das glaubt mir fürwahr,
Mit eingewirkten Bildern, · in Gold wohl erhaben.
Sie mochten bei der Frauen · gute Kurzweile haben.
Freundliche Blicke · und gütliches Sehn,
Des mochte von den Beiden · da wohl viel geſchehn.
Er trug ſie in dem Herzen, · ſie war ihm wie ſein Leben.
Er erwarb mit großem Dienſte, · daß ſie ihm ward zu Weib gegeben.
Da ſprach der edle König: · „Viel liebe Schweſter mein,
Ohne deine Hülfe · kann es nimmer ſein.
Wir wollen abenteuern · in Brunhildens Land;
Da müßen wir vor Frauen · tragen herrlich Gewand.“
Da ſprach die Königstochter: · „Viel lieber Bruder mein,
Kann euch an meiner Hülfe · dabei gelegen ſein,
So ſollt ihr inne werden, · ich bin dazu bereit;
Verſagte ſie ein Andrer euch, · das wäre Kriemhilden leid.
„Ihr ſollt mich, edler Ritter, · nicht in Sorgen bitten,
Ihr ſollt nur gebieten · mit herrlichen Sitten:
Was euch gefallen möge, · dazu bin ich bereit
Und thus mit gutem Willen,“ · ſprach die wonnigliche Maid.
„Wir wollen, liebe Schweſter, · tragen gut Gewand:
Das ſoll bereiten helfen · eure weiße Hand.
Laßt eure Mägdlein ſorgen, · daß es uns herrlich ſteht,
Da man uns dieſe Reiſe · doch vergebens widerräth.“
Da begann die Jungfrau: · „Nun hört, was ich ſage,
Wir haben ſelber Seide: · befehlt, daß man uns trage
Geſtein auf den Schilden, · ſo ſchaffen wir das Kleid,
Das ihr mit Ehren traget · vor der herrlichen Maid.“
„Wer ſind die Geſellen,“ · ſprach die Königin,
„Die mit euch gekleidet · zu Hofe ſollen ziehn?“
„Das bin ich ſelbvierter; · noch Zwei aus meinem Lehn,
Dankwart und Hagen, · ſollen mit uns zu Hofe gehn.
„Nun merkt, liebe Schweſter, · wohl, was wir euch ſagen:
Sorgt, daß wir vier Geſellen · zu vier Tagen tragen
Je der Kleider dreierlei · und alſo gut Gewand,
Daß wir ohne Schande · räumen Brunhildens Land.“
Das gelobte ſie den Recken; · die Herren ſchieden hin.
Da berief der Jungfraun · Kriemhild die Königin
Aus ihrer Kemenate · dreißig Mägdelein,
Die gar ſinnreich mochten · zu ſolcher Kunſtübung ſein.
In arabiſche Seide, · ſo weiß als der Schnee,
Und gute Zazamanker, · ſo grün als der Klee,
Legten ſie Geſteine: · das gab ein gut Gewand;
Kriemhild die ſchöne · ſchnitts mit eigener Hand.
Von ſeltner Fiſche Häuten · Bezüge wohlgethan,
Zu ſchauen fremd den Leuten, · ſo viel man nur gewann,
Bedeckten ſie mit Seide: · darein ward Gold getragen:
Man mochte große Wunder · von den lichten Kleidern ſagen.
Aus dem Land Marocco · und auch von Libya
Der allerbeſten Seide, · die man jemals ſah
Königskinder tragen, · der hatten ſie genug.
Wohl ließ ſie Kriemhild ſchauen, · wie ſie Liebe für ſie trug.
Da ſie ſo theure Kleider · begehrt zu ihrer Fahrt,
Hermelinfelle · wurden nicht geſpart,
Darauf von Kohlenſchwärze · mancher Flecken lag:
Das trügen ſchnelle Helden · noch gern bei einem Hofgelag.
Aus arabiſchem Golde · glänzte mancher Stein;
Der Frauen Unmuße · war nicht zu klein.
Sie ſchufen die Gewände · in ſieben Wochen Zeit;
Da war auch ihr Gewaffen · den guten Degen bereit.
Als ſie gerüſtet ſtanden, · ſah man auf dem Rhein
Fleißiglich gezimmert · ein ſtarkes Schiffelein,
Das ſie da tragen ſollte · hernieder an die See.
Den edeln Jungfrauen · war von Arbeiten weh.
Da ſagte man den Recken, · es ſei für ſie zur Hand,
Das ſie tragen ſollten, · das zierliche Gewand.
Was ſie erbeten hatten, · das war nun geſchehn;
Da wollten ſie nicht länger · mehr am Rheine beſtehn.
Zu den Heergeſellen · ein Bote ward geſandt,
Ob ſie ſchauen wollten · ihr neues Gewand,
Ob es den Helden wäre · zu kurz oder lang.
Es war von rechtem Maße; · des ſagten ſie den Frauen Dank.
Vor wen ſie immer kamen, · die muſten all geſtehn,
Sie hätten nie auf Erden · ſchöner Gewand geſehn.
Drum mochten ſie es gerne · da zu Hofe tragen;
Von beßerm Ritterſtaate · wuſte Niemand mehr zu ſagen.
Den edeln Maiden wurde · höchlich Dank geſagt.
Da baten um Urlaub · die Recken unverzagt;
In ritterlichen Züchten · thaten die Herren das.
Da wurden lichte Augen · getrübt von Weinen und naß.
Sie ſprach: „Viel lieber Bruder, · ihr bliebet beßer hier
Und würbt andre Frauen: · klüger ſchien' es mir,
Wo ihr nicht wagen müſtet · Leben und Leib.
Ihr fändet in der Nähe · wohl ein ſo hochgeboren Weib.“
Sie ahnten wohl im Herzen · ihr künftig Ungemach.
Sie muſten alle weinen, · was da auch Einer ſprach.
Das Gold vor ihren Brüſten · ward von Thränen fahl;
Die fielen ihnen dichte · von den Augen zuthal.
Da ſprach ſie: „Herr Siegfried, · laßt euch befohlen ſein
Auf Treu und auf Gnade · den lieben Bruder mein,
Daß ihn nichts gefährde · in Brunhildens Land.“
Das verſprach der Kühne · Frau Kriemhilden in die Hand.
Da ſprach der edle Degen: · „So lang mein Leben währt,
So bleibt von allen Sorgen, · Herrin, unbeſchwert;
Ich bring ihn euch geborgen · wieder an den Rhein.
Das glaubt bei Leib und Leben.“ · Da dankt' ihm ſchön das Mägdelein.
Die goldrothen Schilde · trug man an den Strand
Und ſchaffte zu dem Schiffe · all ihr Rüſtgewand;
Ihre Roſſe ließ man bringen: · ſie wollten nun hindann.
Wie da von ſchönen Frauen · ſo großes Weinen begann!
Da ſtellte ſich ins Fenſter · manch minnigliches Kind.
Das Schiff mit ſeinem Segel · ergriff ein hoher Wind.
Die ſtolzen Heergeſellen · ſaßen auf dem Rhein;
Da ſprach der König Gunther: · „Wer ſoll nun Schiffmeiſter ſein?“
„Das will ich,“ ſprach Siegfried: · „ich kann euch auf der Flut
Wohl von hinnen führen, · das wißt, Helden gut;
Die rechten Waſſerſtraßen · ſind mir wohl bekannt.“
So ſchieden ſie mit Freuden · aus der Burgunden Land.
Eine Ruderſtange · Siegfried ergriff;
Vom Geſtade ſchob er · kräftig das Schiff.
Gunther der kühne · ein Ruder ſelber nahm.
Da huben ſich vom Lande · die ſchnellen Ritter lobeſam.
Sie führten reichlich Speiſe, · dazu guten Wein,
Den beſten, den ſie finden · mochten um den Rhein.
Ihre Roſſe ſtanden · ſtill in guter Ruh;
Das Schiff gieng ſo eben, · kein Ungemach ſtieß ihnen zu.
Ihre ſtarken Segelſeile · ſtreckte die Luft mit Macht;
Sie fuhren zwanzig Meilen, · eh niederſank die Nacht,
Mit günſtigem Winde · nieder nach der See;
Ihr ſtarkes Arbeiten · that noch ſchönen Frauen weh.
An dem zwölften Morgen, · wie wir hören ſagen,
Da hatten ſie die Winde · weit hinweggetragen
Nach Iſenſtein der Veſte · in Brunhildens Land,
Das ihrer Keinem · außer Siegfried bekannt.
Als der König Gunther · ſo viel der Burgen ſah
Und auch der weiten Marken, · wie bald ſprach er da:
„Nun ſagt mir, Freund Siegfried, · iſt euch das bekannt?
Wem ſind dieſe Burgen · und wem das herrliche Land?
„Ich hab all mein Leben, · das muß ich wohl geſtehn,
So wohlgebauter Burgen · nie ſo viel geſehn
Irgend in den Landen, · als wir hier erſahn;
Der ſie erbauen konnte, · war wohl ein mächtiger Mann.“
Zur Antwort gab ihm Siegfried: · „Das iſt mir wohlbekannt;
Brunhilden ſind ſie, · die Burgen wie das Land
Und Iſenſtein die Veſte, · glaubt mir fürwahr:
Da mögt ihr heute ſchauen · ſchöner Frauen große Schar.
„Ich will euch Helden rathen: · ſeid all von einem Muth
Und ſprecht in gleichem Sinne, · ſo dünkt es mich gut.
Denn wenn wir heute · vor Brunhilden gehn,
So müßen wir in Sorgen · vor der Königstochter ſtehn.
„Wenn wir die Minnigliche · bei ihren Leuten ſehn,
Sollt ihr erlauchte Helden · nur Einer Rede ſtehn:
Gunther ſei mein Lehnsherr · und ich ihm unterthan;
So wird ihm ſein Verlangen · nach ſeinem Wunſche gethan.“
Sie waren all willfährig · zu thun, wie er ſie hieß:
In ſeinem Uebermuthe · es auch nicht Einer ließ.
Sie ſprachen, wie er wollte; · wohl frommt' es ihnen da,
Als der König Gunther · die ſchöne Brunhild erſah.
„Wohl thu ichs nicht ſo gerne · dir zu lieb allein,
Als um deine Schweſter, · das ſchöne Mägdelein.
Die iſt mir wie die Seele · und wie mein eigner Leib;
Ich will es gern verdienen, · daß ſie werde mein Weib.“
Ihr Schifflein unterdeſſen · war auf dem Meer
Zur Burg heran gefloßen: · da ſah der König hehr
Oben in den Fenſtern · manche ſchöne Maid.
Daß er ſie nicht erkannte, · das war in Wahrheit ihm leid.
Er fragte Siegfrieden, · den Geſellen ſein:
„Hättet ihr wohl Kunde · um dieſe Mägdelein,
Die dort hernieder ſchauen · nach uns auf die Flut?
Wie ihr Herr auch heiße, · ſo tragen ſie hohen Muth.“
Da ſprach der kühne Siegfried: · „Nun ſollt ihr heimlich ſpähn
Nach den Jungfrauen · und ſollt mir dann geſtehn,
Welche ihr nehmen wolltet, · wär euch die Wahl verliehn.“
„Das will ich,“ ſprach Gunther, · dieſer Ritter ſchnell und kühn.
„So ſchau ich ihrer Eine · in jenem Fenſter an,
Im ſchneeweißen Kleide, · die iſt ſo wohlgethan:
Die wählen meine Augen, · ſo ſchön iſt ſie von Leib.
Wenn ich gebieten dürfte, · ſie müſte werden mein Weib.“
„Dir hat recht erkoren · deiner Augen Schein:
Es iſt die edle Brunhild, · das ſchöne Mägdelein,
Nach der das Herz dir ringet, · der Sinn und auch der Muth.“
All ihr Gebaren dauchte · König Gunthern gut.
Da hieß die Königstochter · von den Fenſtern gehn
Die minniglichen Maide: · ſie ſollten da nicht ſtehn
Zum Anblick für die Fremden; · ſie folgten unverwandt.
Was da die Frauen thaten, · das iſt uns auch wohl bekannt.
Sie zierten ſich entgegen · den unkunden Herrn,
Wie es immer thaten · ſchöne Frauen gern.
Dann an die engen Fenſter · traten ſie heran,
Wo ſie die Helden ſahen: · das ward aus Neugier gethan.
Nur ihrer Viere waren, · die kamen in das Land.
Siegfried der kühne · ein Roſs zog auf den Strand.
Das ſahen durch die Fenſter · die ſchönen Frauen an:
Große Ehre dauchte · ſich König Gunther gethan.
Er hielt ihm bei dem Zaume · das zierliche Roſs,
Das war gut und ſtattlich, · ſtark dazu und groß,
Bis der König Gunther · feſt im Sattel ſaß.
Alſo dient' ihm Siegfried, · was er hernach doch ganz vergaß.
Dann zog er auch das ſeine · aus dem Schiff heran:
Er hatte ſolche Dienſte · gar ſelten ſonſt gethan,
Daß er am Steigreif · Helden geſtanden wär.
Das ſahen durch die Fenſter · die ſchönen Frauen hehr.
Es war in gleicher Weiſe · den Helden allbereit
Von ſchneeblanker Farbe · das Roſs und auch das Kleid,
Dem einen wie dem andern, · und ſchön der Schilde Rand:
Die warfen hellen Schimmer · an der edeln Recken Hand.
Ihre Sättel wohlgeſteinet, · die Bruſtriemen ſchmal:
So ritten ſie herrlich · vor Brunhildens Saal;
Daran hiengen Schellen · von lichtem Golde roth.
Sie kamen zu dem Lande, · wie ihr Hochſinn gebot,
Mit Speren neu geſchliffen, · mit wohlgeſchaffnem Schwert,
Das bis auf die Sporen gieng · den Helden werth.
Die Wohlgemuthen führten · es ſcharf genug und breit.
Das alles ſah Brunhild, · dieſe herrliche Maid.
Mit ihnen kam auch Dankwart · und ſein Bruder Hagen:
Dieſe beide trugen, · wie wir hören ſagen,
Von rabenſchwarzer Farbe · reichgewirktes Kleid;
Neu waren ihre Schilde, · gut, dazu auch lang und breit.
Von India dem Lande · trugen ſie Geſtein,
Das warf an ihrem Kleide · auf und ab den Schein.
Sie ließen unbehütet · das Schifflein bei der Flut;
So ritten nach der Veſte · dieſe Helden kühn und gut.
Sechsundachtzig Thürme · ſahn ſie darin zumal,
Drei weite Pfalzen · und einen ſchönen Saal
Von edelm Marmelſteine, · ſo grün wie das Gras,
Darin die Königstochter · mit ihrem Ingefinde ſaß.
Die Burg war erſchloßen · und weithin aufgethan,
Brunhildes Mannen · liefen alsbald heran
Und empfiengen die Gäſte · in ihrer Herrin Land.
Die Roſſe nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand.
Da ſprach der Kämmrer Einer: · „Gebt uns euer Schwert
Und die lichten Panzer.“ · „Das wird euch nicht gewährt,“
Sprach Hagen von Tronje, · „wir wollens ſelber tragen.“
Da begann ihm Siegfried · von des Hofs Gebrauch zu ſagen:
„In dieſer Burg iſt Sitte, · das will ich euch ſagen,
Keine Waffen dürfen · da die Gäſte tragen:
Laßt ſie von hinnen bringen, · das iſt wohlgethan.“
Ihm folgte wider Willen · Hagen, König Gunthers Mann.
Man ließ den Gäſten ſchenken · und ſchaffen gute Ruh.
Manchen ſchnellen Recken · ſah man dem Hofe zu
Allenthalben eilen · in fürſtlichem Gewand;
Doch wurden nach den Kühnen · ringsher die Blicke geſandt.
Nun wurden auch Brunhilden · geſagt die Mären,
Daß unbekannte Recken · gekommen wären
In herrlichem Gewande · gefloßen auf der Flut.
Da begann zu fragen · dieſe Jungfrau ſchön und gut:
„Ihr ſollt mich hören laßen,“ · ſprach das Mägdelein,
„Wer die unbekannten · Recken mögen ſein,
Die ich dort ſtehen ſehe · in meiner Burg ſo hehr,
Und wem zu Lieb die Helden · wohl gefahren ſind hieher.“
Des Geſindes ſprach da Einer: · „Frau, ich muß geſtehn,
Daß ich ihrer Keinen · je zuvor geſehn;
Doch Einer ſteht darunter, · der Siegfrieds Weiſe hat:
Den ſollt ihr wohl empfangen, · das iſt in Treuen mein Rath.
„Der andre der Geſellen, · gar löblich dünkt er mich;
Wenn er die Macht beſäße, · zum König ziemt' er ſich
Ob weiten Fürſtenlanden, · ſollt er die verſehn.
Man ſieht ihn bei den Andern · ſo recht herrlich da ſtehn.
„Der dritte der Geſellen, · der hat gar herben Sinn,
Doch ſchönen Wuchs nicht minder, · reiche Königin.
Die Blicke ſind gewaltig, · deren ſo viel er thut:
Er trägt in ſeinem Sinne, · wähn ich, grimmigen Muth.
„Der jüngſte darunter, · gar löblich dünkt er mich:
Man ſieht den reichen Degen · ſo recht minniglich
In jungfräulicher Sitte · und edler Haltung ſtehn:
Wir müſtens alle fürchten, · wär ihm ein Leid hier geſchehn.
„So freundlich er gebahre, · ſo wohlgethan ſein Leib,
Er brächte doch zum Weinen · manch waidliches Weib,
Wenn er zürnen ſollte; · ſein Wuchs iſt wohl ſo gut,
Er iſt an allen Tugenden · ein Degen kühn und wohlgemuth.“
Da ſprach die Königstochter: · „Nun bringt mir mein Gewand:
Und iſt der ſtarke Siegfried · gekommen in mein Land
Um meiner Minne willen, · es geht ihm an den Leib:
Ich fürcht ihn nicht ſo heftig, · daß ich würde ſein Weib.“
Brunhild die ſchöne · trug bald erleſen Kleid.
Auch gab ihr Geleite · manche ſchöne Maid,
Wohl hundert oder drüber, · ſie all in reicher Zier.
Die Gäſte kam zu ſchauen · manches edle Weib mit ihr.
Mit ihnen giengen · Degen aus Iſenland,
Brunhildens Recken, · die Schwerter in der Hand,
Fünfhundert oder drüber; · das war den Gäſten leid.
Aufſtanden von den Sitzen · die kühnen Helden allbereit.
Als die Königstochter · Siegfrieden ſah,
Wohlgezogen ſprach ſie · zu dem Gaſte da:
„Seid willkommen, Siegfried, · hier in dieſem Land.
Was meint eure Reiſe? · das macht mir, bitt ich, bekannt.“
„Viel Dank muß ich euch ſagen, · Frau Brunhild,
Daß ihr mich geruht zu grüßen, · Fürſtentochter mild,
Vor dieſem edeln Recken, · der hier vor mir ſteht:
Denn der iſt mein Lehnsherr; · der Ehre Siegfried wohl enträth.
„Er iſt am Rheine König: · was ſoll ich ſagen mehr?
Dir nur zu Liebe · fuhren wir hierher.
Er will dich gerne minnen, · was ihm geſchehen mag.
Nun bedenke dich bei Zeiten: · mein Herr läßt nimmermehr nach.
„Er iſt geheißen Gunther, · ein König reich und hehr.
Erwirbt er deine Minne, · nicht mehr iſt ſein Begehr.
Deinthalb mit ihm · that ich dieſe Fahrt;
Wenn er mein Herr nicht wäre, · ich hätt es ſicher geſpart.“
Sie ſprach: „Wenn er dein Herr iſt · und du in ſeinem Lehn,
Will er, die ich ertheile, · meine Spiele dann beſtehn
Und bleibt darin der Meiſter, · ſo werd ich ſein Weib;
Doch iſts, daß ich gewinne, · es geht euch allen an den Leib.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „So zeig uns, Königin,
Was ihr für Spiel' ertheilet. · Eh euch den Gewinn
Mein Herr Gunther ließe, · ſo müſt es übel ſein:
Er mag wohl noch erwerben · ein ſo ſchönes Mägdelein.“
„Den Stein ſoll er werfen · und ſpringen darnach,
Den Sper mit mir ſchießen: · drum ſei euch nicht zu jach.
Ihr verliert hier mit der Ehre · Leben leicht und Leib:
Drum mögt ihr euch bedenken,“ · ſprach das minnigliche Weib.
Siegfried der ſchnelle · gieng zu dem König hin
Und bat ihn, frei zu reden · mit der Königin
Ganz nach ſeinem Willen; · angſtlos ſoll er ſein:
„Ich will dich wohl behüten · vor ihr mit den Liſten mein.“
Da ſprach der König Gunther: · „Königstochter hehr,
Ertheilt mir, was ihr wollet, · und wär es auch noch mehr,
Eurer Schönheit willen · beſtünd ich Alles gern.
Mein Haupt will ich verlieren, · gewinnt ihr mich nicht zum Herrn.“
Als da ſeine Rede · vernahm die Königin,
Bat ſie, wie ihr ziemte, · das Spiel nicht zu verziehn.
Sie ließ ſich zum Streite · bringen ihr Gewand,
Einen goldnen Panzer · und einen guten Schildesrand.
Ein ſeiden Waffenhemde · zog ſich an die Maid,
Das ihr keine Waffe · verletzen konnt im Streit,
Von Zeugen wohlgeſchaffen · aus Libya dem Land:
Lichtgewirkte Borten · erglänzten rings an dem Rand.
Derweil hatt ihr Uebermuth · den Gäſten ſchwer gedräut.
Dankwart und Hagen · die ſtanden unerfreut.
Wie es dem Herrn ergienge, · ſorgte ſehr ihr Muth.
Sie dachten: „Unſre Reiſe · bekommt uns Recken nicht gut.“
Derweilen gieng Siegfried, · der liſtige Mann,
Eh es wer bemerkte, · an das Schiff heran,
Wo er die Tarnkappe · verborgen liegen fand,
In die er hurtig ſchlüpfte: · da war er Niemand bekannt.
Er eilte bald zurücke · und fand hier Recken viel:
Die Königin ertheilte · da ihr hohes Spiel.
Da gieng er hin verſtohlen · und daß ihn Niemand ſah
Von Allen, die da waren, · was durch Zauber geſchah.
Es war ein Kreis gezogen, · wo das Spiel geſchehn
Vor kühnen Recken ſollte, · die es wollten ſehn.
Wohl ſiebenhundert · ſah man Waffen tragen:
Wer das Spiel gewänne, · das ſollten ſie nach Wahrheit ſagen.
Da war gekommen Brunhild, · die man gewaffnet fand,
Als ob ſie ſtreiten wolle · um aller Könge Land.
Wohl trug ſie auf der Seide · viel Golddrähte fein;
Ihre minnigliche Farbe · gab darunter holden Schein.
Nun kam ihr Geſinde, · das trug herbei zuhand
Aus allrothem Golde · einen Schildesrand
Mit hartem Stahlbeſchlage, · mächtig groß und breit,
Worunter ſpielen wollte · dieſe minnigliche Maid.
An einer edeln Borte · ward der Schild getragen,
Auf der Edelſteine, · grasgrüne, lagen;
Die tauſchten mannigfaltig · Gefunkel mit dem Gold.
Er bedurfte großer Kühnheit, · dem die Jungfrau wurde hold.
Der Schild war untern Buckeln, · ſo ward uns geſagt,
Von dreier Spannen Dicke; · den trug hernach die Magd.
An Stahl und auch an Golde · war er reich genug,
Den ihrer Kämmrer Einer · mit Mühe ſelbvierter trug.
Als der ſtarke Hagen · den Schild hertragen ſah,
In großem Unmuthe · ſprach der Tronjer da:
„Wie nun, König Gunther? · An Leben gehts und Leib:
Die ihr begehrt zu minnen, · die iſt ein teufliſches Weib.“
Hört noch von ihren Kleidern: · deren hatte ſie genug.
Von Azagauger Seide · einen Wappenrock ſie trug,
Der koſtbar war und edel: · daran warf hellen Schein
Von der Königstochter · gar mancher herrliche Stein.
Da brachten ſie der Frauen · mächtig und breit
Einen ſcharfen Wurfſpieß; · den verſchoß ſie allezeit,
Stark und ungefüge, · groß dazu und ſchwer.
An ſeinen beiden Seiten · ſchnitt gar grimmig der Sper.
Von des Spießes Schwere · höret Wunder ſagen:
Wohl hundert Pfund Eiſen · war dazu verſchlagen.
Ihn trugen mühſam Dreie · von Brunhildens Heer:
Gunther der edle · rang mit Sorgen da ſchwer.
Er dacht in ſeinem Sinne: · „Was ſoll das ſein hier?
Der Teufel aus der Hölle, · wie ſchützt' er ſich vor ihr?
War ich mit meinem Leben · wieder an dem Rhein,
Sie dürfte hier wohl lange · meiner Minne ledig ſein.“
Er trug in ſeinen Sorgen, · das wißet, Leid genug.
All ſeine Rüſtung · man ihm zur Stelle trug.
Gewappnet Stand der reiche · König bald darin.
Vor Leid hätte Hagen · ſchier gar verwandelt den Sinn.
Da ſprach Hagens Bruder, · der kühne Dankwart:
„Mich reut in der Seele · her zu Hof die Fahrt.
Nun hießen wir einſt Recken! · wie verlieren wir den Leib!
Soll uns in dieſem Lande · nun verderben ein Weib?
„Des muß mich ſehr verdrießen, · daß ich kam in dieſes Land.
Hätte mein Bruder Hagen · ſein Schwert an der Hand
Und auch ich das meine, · ſo ſollten ſachte gehn
Mit ihrem Uebermuthe · Die in Brunhildens Lehn.
Sie ſollten ſich beſcheiden, · das glaubet mir nur.
Hätt ich den Frieden tauſendmal · beſtärkt mit einem Schwur,
Bevor ich ſterben ſähe · den lieben Herren mein,
Das Leben müſte laßen · dieſes ſchöne Mägdelein.“
„Wir möchten ungefangen · wohl räumen dieſes Land,“
Sprach ſein Bruder Hagen, · „hätten wir das Gewand,
Des wir zum Streit bedürfen, · und die Schwerter gut,
So ſollte ſich wohl ſänften · der ſchönen Fraue Uebermuth.“
Wohl hörte, was er ſagte, · die Fraue wohlgethan;
Ueber die Achſel · ſah ſie ihn lächelnd an.
„Nun er ſo kühn ſich dünket, · ſo bringt doch ihr Gewand,
Ihre ſcharfen Waffen · gebt den Helden an die Hand.
„Es kümmert mich ſo wenig, · ob ſie gewaffnet ſind,
Als ob ſie bloß da ſtünden,“ · ſo ſprach das Königskind.
„Ich fürchte Niemands Stärke, · den ich noch je gekannt:
Ich mag auch wohl geneſen · im Streit vor des Königs Hand.“
Als man die Waffen brachte, · wie die Maid gebot,
Dankwart der kühne · ward vor Freuden roth.
„Nun ſpielt, was ihr wollet,“ · ſprach der Degen werth,
„Gunther iſt unbezwungen: · wir haben wieder unſer Schwert.“
Brunhildens Stärke · zeigte ſich nicht klein:
Man trug ihr zu dem Kreiſe · einen ſchweren Stein,
Groß und ungefüge, · rund dabei und breit.
Ihn trugen kaum zwölfe · dieſer Degen kühn im Streit.
Den warf ſie allerwegen, · wie ſie den Sper verſchoß.
Darüber war die Sorge · der Burgunden groß.
„Wen will der König werben?“ · ſprach da Hagen laut:
„Wär ſie in der Hölle · doch des übeln Teufels Braut!“
An ihre weißen Arme · ſie die Ärmel wand,
Sie ſchickte ſich und faßte · den Schild an die Hand,
Sie ſchwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe Beginn.
Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens grimmem Sinn.
Und wär ihm da Siegfried · zu Hülfe nicht gekommen,
So hätte ſie dem König · das Leben wohl benommen.
Er trat hinzu verſtohlen · und rührte ſeine Hand;
Gunther ſeine Künſte · mit großen Sorgen befand.
„Wer wars, der mich berührte?“ · dachte der kühne Mann,
Und wie er um ſich blickte, · da traf er Niemand an.
Er ſprach: „Ich bin es, Siegfried, · der Geſelle dein:
Du ſollſt ganz ohne Sorge · vor der Königin ſein.“
(Er ſprach:) „Gieb aus den Händen den Schild, laß mich ihn tragen
Und behalt im Sinne, · was du mich höreſt ſagen:
Du habe die Gebärde, · ich will das Werk begehn.“
Als er ihn erkannte, · da war ihm Liebes geſchehn.
„Verhehl auch meine Künſte, · das iſt uns beiden gut:
So mag die Königstochter · den hohen Uebermuth
Nicht an dir vollbringen, · wie ſie geſonnen iſt:
Nun ſieh doch, welcher Kühnheit · ſie wider dich ſich vermißt.“
Da ſchoß mit ganzen Kräften · die herrliche Maid
Den Sper nach einem neuen Schild, · mächtig und breit;
Den trug an der Linken · Sieglindens Kind.
Das Feuer ſprang vom Stahle, · als ob es wehte der Wind.
Des ſtarken Spießes Schneide · den Schild ganz durchdrang,
Daß das Feuer lohend · aus den Ringen ſprang.
Von dem Schuße fielen · die kraftvollen Degen:
War nicht die Tarnkappe, · ſie wären beide da erlegen.
Siegfried dem kühnen · vom Munde brach das Blut.
Bald ſprang er auf die Füße: · da nahm der Degen gut
Den Sper, den ſie geſchoßen · ihm hatte durch den Rand:
Den warf ihr jetzt zurücke · Siegfried mit kraftvoller Hand.
Er dacht: „Ich will nicht ſchießen · das Mägdlein wonniglich.“
Des Spießes Schneide kehrt' er · hinter den Rücken ſich;
Mit der Sperſtange · ſchoß er auf ihr Gewand,
Daß es laut erhallte · von ſeiner kraftreichen Hand.
Das Feuer ſtob vom Panzer, · als trieb' es der Wind.
Es hatte wohl geſchoßen · der Sieglinde Kind:
Sie vermochte mit den Kräften · dem Schuße nicht zu ſtehn;
Das war von König Gunthern · in Wahrheit nimmer geſchehn.
Brunhild die ſchöne · bald auf die Füße ſprang:
„Gunther, edler Ritter, · des Schußes habe Dank!“
Sie wähnt', er hätt es ſelber · mit ſeiner Kraft gethan
Nein, zu Boden warf ſie · ein viel ſtärkerer Mann.
Da gieng ſie hin geſchwinde, · zornig war ihr Muth,
Den Stein hoch erhub ſie, · die edle Jungfrau gut;
Sie ſchwang ihn mit Kräften · weithin von der Hand,
Dann ſprang ſie nach dem Wurfe, · daß laut erklang ihr Gewand.
Der Stein fiel zu Boden · von ihr zwölf Klafter weit:
Den Wurf überholte · im Sprung die edle Maid.
Hin gieng der ſchnelle Siegfried, · wo der Stein nun lag:
Gunther muſt ihn wägen, · des Wurfs der Verholne pflag.
Siegfried war kräftig, · kühn und auch lang;
Den Stein warf er ferner, · dazu er weiter ſprang.
Ein großes Wunder war es · und künſtlich genug,
Daß er in dem Sprunge · den König Gunther noch trug.
Der Sprung war ergangen, · am Boden lag der Stein:
Gunther wars, der Degen, · den man ſah allein.
Brunhild die ſchöne · ward vor Zorne roth;
Gewendet hatte Siegfried · dem König Gunther den Tod.
Zu ihrem Ingeſinde · ſprach die Königin da,
Als ſie geſund den Helden · an des Kreiſes Ende ſah:
„Ihr, meine Freund und Mannen, · tretet gleich heran:
Ihr ſollt dem König Gunther · alle werden unterthan.“
Da legten die Kühnen · die Waffen von der Hand
Und boten ſich zu Füßen · von Burgundenland
Gunther dem reichen, · ſo mancher kühne Mann:
Sie wähnten, die Spiele · hätt er mit eigner Kraft gethan.
Er grüßte ſie gar minniglich; · wohl trug er höfſchen Sinn.
Da nahm ihn bei der Rechten · die ſchöne Königin:
Sie erlaubt' ihm, zu gebieten · in ihrem ganzen Land.
Des freute ſich da Hagen, · der Degen kühn und gewandt.
Sie bat den edeln Ritter · mit ihr zurück zu gehn
Zu dem weiten Saale, · wo mancher Mann zu ſehn,
Und mans aus Furcht dem Degen · nun deſto beßer bot.
Siegfrieds Kräfte hatten · ſie erledigt aller Noth.
Siegfried der ſchnelle · war wohl ſchlau genug,
Daß er die Tarnkappe · aufzubewahren trug.
Dann gieng er zu dem Saale, · wo manche Fraue ſaß:
Er ſprach zu dem König, · gar liſtiglich that er das:
„Was ſäumt ihr, Herr König, · und beginnt die Spiele nicht,
Die euch aufzugeben · die Königin verſpricht?
Laßt uns doch bald erſchauen, · wie es damit beſtellt.“
Als wüſt er nichts von allem, · ſo that der liſtige Held.
Da ſprach die Königstochter: · „Wie konnte das geſchehn,
Daß ihr nicht die Spiele, · Herr Siegfried, habt geſehn,
Worin hier Sieg errungen hat · König Gunthers Hand?“
Zur Antwort gab ihr Hagen · aus der Burgunden Land:
Er ſprach: „Da habt ihr, Königin, · uns betrübt den Muth:
Da war bei dem Schiffe · Siegfried der Degen gut,
Als der Vogt vom Rheine · das Spiel euch abgewann;
Drum iſt es ihm unkundig,“ · ſprach da Gunthers Unterthan,
„Nun wohl mir dieſer Märe,“ · ſprach Siegfried der Held,
„Daß hier eure Hochfahrt · alſo ward gefällt,
Und Jemand lebt, der euer · Meiſter möge ſein.
Nun ſollt ihr, edle Jungfrau, · uns hinnen folgen an den Rhein.“
Da ſprach die Wohlgethane: · „Das mag noch nicht geſchehn.
Erſt frag ich meine Vettern · und Die in meinem Lehn.
Ich darf ja nicht ſo leichthin · räumen dieß mein Land:
Meine höchſten Freunde · die werden erſt noch beſandt.“
Da ließ ſie ihre Boten · nach allen Seiten gehn:
Sie beſandte ihre Freunde · und Die in ihrem Lehn,
Daß ſie zum Iſenſteine · kämen unverwandt;
Einem jeden ließ ſie geben · reiches, herrliches Gewand.
Da ritten alle Tage · Beides, ſpat und fruh,
Der Veſte Brunhildens · die Recken ſcharweis zu.
„Nun ja doch,“ ſprach da Hagen, · „was haben wir gethan!
Wir erwarten uns zum Schaden hier · Die Brunhild unterthan.“
„Wenn ſie mit ihren Kräften · kommen in dieß Land,
Der Königin Gedanken · die ſind uns unbekannt:
Wie, wenn ſie uns zürnte? · ſo wären wir verloren,
Und wär das edle Mägdlein uns · zu großen Sorgen geboren!“
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Dem will ich widerſtehn.
Was euch da Sorge ſchaffet, · das laß ich nicht geſchehn.
Ich will euch Hülfe bringen · her in dieſes Land
Durch auserwählte Degen: · die ſind euch noch unbekannt.
„Ihr ſollt nach mir nicht fragen, · ich will von hinnen fahren;
Gott möge eure Ehre · derweil wohl bewahren.
Ich komme bald zurücke · und bring euch tauſend Mann
Der allerbeſten Degen, · deren Jemand Kunde gewann.“
„So bleibt nur nicht zu lange,“ · der König ſprach da ſo,
„Wir ſind eurer Hülfe · nicht unbillig froh.“
Er ſprach: „Ich komme wieder · gewiſs in wenig Tagen.
Ihr hättet mich verſendet, · ſollt ihr der Königin ſagen.“
Von dannen gieng da Siegfried · zum Hafen an den Strand
In ſeiner Tarnkappe, · wo er ein Schifflein fand.
Darin ſtand verborgen · König Siegmunds Kind:
Er führt' es bald von dannen, · als ob es wehte der Wind.
Den Steuermann ſah Niemand, · wie ſchnell das Schifflein floß
Von Siegfriedens Kräften, · die waren alſo groß.
Da wähnten ſie, es trieb es · ein eigner ſtarker Wind:
Nein, es führt' es Siegfried, · der ſchönen Sieglinde Kind.
Nach des Tags Verlaufe · und in der einen Nacht
Kam er zu einem Lande · von gewaltger Macht:
Es war wohl hundert Raſten · und noch darüber lang,
Das Land der Nibelungen, · wo er den großen Schatz errang.
Der Held fuhr alleine · nach einem Werder breit:
Sein Schiff band er feſte, · der Ritter allbereit.
Er fand auf einem Berge · eine Burg gelegen
Und ſuchte Herberge, · wie die Wegemüden pflegen.
Da kam er vor die Pforte, · die ihm verſchloßen ſtand:
Sie bewachten ihre Ehre, · wie Sitte noch im Land.
Ans Thor begann zu klopfen · der unbekannte Mann:
Das wurde wohl behütet; · da traf er innerhalben an
Einen Ungefügen, · der da der Wache pflag,
Bei dem zu allen Zeiten · ſein Gewaffen lag.
Der ſprach: „Wer pocht ſo heftig · da draußen an das Thor?“
Da wandelte die Stimme · der kühne Siegfried davor
Und ſprach: „Ich bin ein Recke: · thut mir auf alsbald,
Sonſt erzürn ich Etlichen · hier außen mit Gewalt,
Der gern in Ruhe läge · und hätte ſein Gemach.“
Das verdroß den Pförtner, · als da Siegfried alſo ſprach.
Der kühne Rieſe hatte · die Rüſtung angethan,
Den Helm aufs Haupt gehoben, · der gewaltge Mann:
Den Schild alsbald ergriffen · und ſchwang nun auf das Thor.
Wie lief er Siegfrieden · da ſo grimmig an davor!
Wie er zu wecken wage · ſo manchen kühnen Mann?
Da wurden ſchnelle Schläge · von ſeiner Hand gethan.
Der edle Fremdling ſchirmte · ſich vor manchem Schlag;
Da hieb ihm der Pförtner in Stücke · ſeines Schilds Beſchlag
Mit einer Eiſenſtange: · ſo litt der Degen Noth.
Schier begann zu fürchten · der Held den grimmen Tod,
Als der Thürhüter · ſo mächtig auf ihn ſchlug.
Dafür war ihm gewogen · ſein Herre Siegfried genug.
Sie ſtritten ſo gewaltig, · die Burg gab Widerhall:
Man hörte fern das Toſen · in König Niblungs Saal.
Doch zwang er den Pförtner · zuletzt, daß er ihn band;
Kund ward dieſe Märe · in allem Nibelungenland.
Das Streiten hatte ferne · gehört durch den Berg
Alberich der kühne, · ein wildes Gezwerg.
Er waffnete ſich balde · und lief hin, wo er fand
Dieſen edeln Fremdling, · als er den Rieſen eben band.
Alberich war muthig, · dazu auch ſtark genug.
Helm und Panzerringe · er am Leibe trug
Und eine ſchwere Geiſel · von Gold an ſeiner Hand.
Da lief er hin geſchwinde, · wo er Siegfrieden fand.
Sieben ſchwere Knöpfe · hiengen vorn daran,
Womit er vor der Linken · den Schild dem kühnen Mann
So bitterlich zergerbte, · in Splitter gieng er faſt.
In Sorgen um ſein Leben · gerieth der herrliche Gaſt.
Den Schild er ganz zerbrochen · ſeiner Hand entſchwang:
Da ſtieß er in die Scheide · eine Waffe, die war lang.
Seinen Kammerwärter · wollt er nicht ſchlagen todt:
Er ſchonte ſeiner Leute, · wie ihm die Treue gebot.
Mit den ſtarken Händen · Albrichen lief er an,
Und erfaßte bei dem Barte · den altgreiſen Mann.
Den zuckt' er ungefüge: · der Zwerg ſchrie auf vor Schmerz.
Des jungen Helden Züchtigung · gieng Alberichen ans Herz.
Laut rief der Kühne: · „Nun laßt mir das Leben:
Und hätt ich einem Helden · mich nicht ſchon ergeben,
Dem ich ſchwören muſte, · ich war ihm unterthan,
Ich dient euch, bis ich ſtürbe,“ · ſo ſprach der liſtige Mann.
Er band auch Alberichen · wie den Rieſen eh:
Siegfriedens Kräfte · thaten ihm gar weh.
Der Zwerg begann zu fragen: · „Wie ſeid ihr genannt?“
Er ſprach: „Ich heiße Siegfried: · ich wähnt, ich wär euch bekannt.“
„So wohl mir dieſe Kunde,“ · ſprach da Alberich,
„An euern Heldenwerken · ſpürt ich nun ſicherlich,
Daß ihrs wohl verdientet, · des Landes Herr zu ſein.
Ich thu, was ihr gebietet, · laßt ihr nur mich gedeihn.“
Da ſprach der Degen Siegfried: · „So macht euch auf geſchwind
Und bringt mir her der Beſten, · die in der Veſte ſind,
Tauſend Nibelungen; · die will ich vor mir ſehn.
So laß ich euch kein Leides · an euerm Leben geſchehn.“
Albrichen und den Rieſen · löſt' er von dem Band.
Hin lief der Zwerg geſchwinde, · wo er die Recken fand.
Sorglich erweckt' er · Die in Niblungs Lehn
Und ſprach: „Wohlauf, ihr Helden, · ihr ſollt zu Siegfrieden gehn.“
Sie ſprangen von den Betten · und waren gleich bereit:
Tauſend ſchnelle Ritter · ſtanden im Eiſenkleid.
Er brachte ſie zur Stelle, · wo er Siegfried fand:
Der grüßte ſchön die Degen · und gab Manchem die Hand.
Viel Kerzen ließ man zünden; · man ſchenkt' ihm lautern Trank.
Daß ſie ſo bald gekommen, · des ſagt' er Allen Dank.
Er ſprach: „Ihr ſollt von hinnen · mir folgen über Flut.“
Dazu fand er willig · dieſe Helden kühn und gut.
Wohl dreißig hundert Recken · kamen ungezählt:
Von denen wurden tauſend · der beſten auserwählt,
Man brachte ihre Helme · und ander Rüſtgewand,
Da er ſie führen wollte · hin zu Brunhildens Land.
Er ſprach: „Ihr guten Ritter, · Eins laßt euch ſagen:
Ihr ſollt reiche Kleider · dort am Hofe tragen,
Denn uns wird da ſchauen · manch minnigliches Weib:
Darum ſollt ihr zieren · mit guten Kleidern den Leib.“
Nun möchten mich die Thoren · vielleicht der Lüge zeihn:
Wie konnten ſo viel Ritter · wohl beiſammen ſein?
Wo nähmen ſie die Speiſe? · Wo nähmen ſie Gewand?
Und beſäß er dreißig Lande, · er brächt es nimmer zu Stand.
Ihr habt doch wol vernommen, · Siegfried war gar reich.
Sein war der Nibelungenhort, · dazu das Königreich.
Drum gab er ſeinen Degen · völliglich genug;
Es ward ja doch nicht minder, · wie viel man von dem Schatze trug.
Eines frühen Morgens · begannen ſie die Fahrt:
Was ſchneller Mannen hatte · da Siegfried ſich geſchart!
Sie führten gute Roſſe · und herrlich Gewand:
Sie kamen ſtolz gezogen · hin zu Brunhildens Land.
Da ſtand in den Zinnen · manch minnigliches Kind.
Da ſprach die Königstochter: · „Weiß Jemand, wer die ſind,
Die ich dort fließen ſehe · ſo fern auf der See?
Sie führen reiche Segel, · die ſind noch weißer als der Schnee.“
Da ſprach der Vogt vom Rheine: · „Es iſt mein Heergeleit,
Das ich auf der Reiſe · verließ von hier nicht weit:
Ich habe ſie beſendet: · nun ſind ſie, Frau, gekommen.“
Der herrlichen Gäſte · ward mit Züchten wahrgenommen.
Da ſah man Siegfrieden · im Schiffe ſtehn voran
In herrlichem Gewande · mit manchem andern Mann.
Da ſprach die Königstochter: · „Herr König, wollt mir ſagen:
Soll ich die Gäſte grüßen · oder ihnen Gruß verſagen?“
Er ſprach: „Ihr ſollt entgegen · ihnen vor den Pallas gehn,
Ob ihr ſie gerne ſehet, · daß ſie das wohl verſtehn.“
Da that die Königstochter, · wie ihr der König rieth;
Siegfrieden mit dem Gruße · ſie von den Andern unterſchied.
Herberge gab man ihnen · und wahrt' ihr Gewand.
Da waren ſo viel Gäſte · gekommen in das Land,
Daß ſie ſich allenthalben · drängten mit den Scharen:
Da wollten heim die Kühnen · zu den Burgunden fahren.
Da ſprach die Königstochter: · „Dem blieb ich immer hold,
Der zu vertheilen wüſte · mein Silber und mein Gold
Meinen Gäſten und des Königs, · des ich ſo viel gewann.“
Zur Antwort gab ihr Dankwart, · des kühnen Geiſelher Mann:
„Viel edle Königstochter, · laßt mich der Schlüßel pflegen;
Ich will es ſo vertheilen,“ · ſprach der kühne Degen,
„Wenn ich mir Schand erwerbe, · die treffe mich allein.“
Daß er milde wäre, · das leuchtete da wohl ein.
Als ſich Hagens Bruder · der Schlüßel unterwand,
So manche reiche Gabe · bot des Helden Hand:
Wer Einer Mark begehrte, · dem ward ſo viel gegeben,
Daß die Armen alle · da in Freuden mochten leben.
Wohl mit hundert Pfunden · gab er ohne Wahl.
Da gieng in reichem Kleide · Mancher aus dem Saal,
Der nie zuvor im Leben · ſo hehr Gewand noch trug.
Die Königin erfuhr es: · da war es ihr leid genug.
Sie ſprach zu dem König: · „Des hätt ich gerne Rath,
Daß nichts mir ſoll verbleiben · von meinem Kleiderſtaat
Vor euerm Kämmerlinge: · er verſchwendet all mein Gold.
Wer dem noch widerſtände, · dem wollt ich immer bleiben hold.
„Er giebt ſo reiche Gaben: · der Degen wähnet eben,
Ich habe nach dem Tode · geſandt: ich will noch leben
Und kann wol ſelbſt verſchwenden · meines Vaters Gut.“
Nie hatt einer Königin · Kämmerer ſo milden Muth.
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Frau, euch ſei bekannt:
Der König vom Rheine · hat Gold und Gewand
Zu geben ſolche Fülle, · daß es nicht Noth ihm thut,
Von hier hinweg zu führen · einen Theil von Brunhilds Gut.“
„Nein, wenn ihr mich liebet,“ · ſprach ſie zu den Herrn,
„Zwanzig Reiſeſchreine · füllt ich mir gern
Mit Gold und mit Seide: · das ſoll meine Hand
Vertheilen, ſo wir kommen · heim in der Burgunden Land.“
Da lud man ihr die Kiſten · mit edelm Geſtein.
Der Frauen Kämmerlinge · muſten zugegen ſein:
Sie wollt es nicht vertrauen · Geiſelhers Unterthan.
Gunther und Hagen · darob zu lachen begann.
Da ſprach die Königstochter: · „Wem laß ich nun mein Land?
Das ſoll hier erſt beſtimmen · mein und eure Hand.“
Da ſprach der edle König: · „So rufet wen herbei,
Der euch dazu gefalle, · daß er zum Vogt geordnet ſei.“
Ihrer nächſten Freunde Einen · die Jungfrau bei ſich ſah;
Es war ihr Mutterbruder, · zu dem begann ſie da:
„Nun laßt euch ſein befohlen · die Burgen und das Land,
Bis ſeine Amtleute · der König Gunther geſandt.“
Aus dem Geſinde wählte ſie · zweitauſend Mann,
Die mit ihr fahren ſollten · gen Burgund hindann
Mit jenen tauſend Recken · aus Nibelungenland.
Sie ſchickten ſich zur Reiſe: · man ſah ſie reiten nach dem Strand.
Sie führte mit von dannen · ſechsundachtzig Fraun,
Dazu wol hundert Mägdelein, · die waren ſchön zu ſchaun.
Sie ſäumten ſich nicht länger, · ſie eilten nun hindann:
Die ſie zu Hauſe ließen, · wie Manche hub zu weinen an!
In höfiſchen Züchten · räumte die Frau ihr Land,
Die nächſten Freunde küſſend, · die ſie bei ſich fand.
Mit gutem Urlaube · kamen ſie aufs Meer;
Ihres Vaters Lande · ſah die Jungfrau nimmermehr.
Auf ihrer Fahrt ertönte · vielfaches Freudenſpiel;
Aller Kurzweile · hatten ſie da viel.
Auch hob ſich zu der Reiſe · der rechte Waſſerwind.
Sie fuhren ab vom Lande: · das beweinte mancher Mutter Kind.
Doch wollte ſie den König · nicht minnen auf der Fahrt:
Ihre Kurzweil wurde · bis in ſein Haus geſpart
Zu Worms in der Veſte · zu einem Hofgelag,
Dahin mit ihren Helden · ſie fröhlich kamen hernach.
Da ſie gefahren waren · voll neun Tage,
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Nun hört, was ich ſage.
Wir ſäumen mit der Kunde · nach Worms an den Rhein:
Nun ſollten eure Boten · ſchon bei den Burgunden ſein.“
Da ſprach König Gunther: · „Ihr redet recht daran;
Auch hätt uns wohl Niemand · die Fahrt ſo gern gethan
Als ihr ſelbſt, Freund Hagen: · nun reitet in mein Land,
Unſre Hofreiſe · macht Niemand beßer da bekannt.“
„Nun wißt, lieber Herre, · ich bin kein Bote gut:
Laßt mich der Kammer pflegen · und bleiben auf der Flut.
Ich will hier bei den Frauen · behüten ihr Gewand,
Bis daß wir ſie bringen · in der Burgunden Land.
„Nein, bittet Siegfrieden · um die Botſchaft dahin:
Der mag ſie wohl verrichten · mit zuchtreichem Sinn.
Verſagt er euch die Reiſe, · ihr ſollt mit guten Sitten
Bei eurer Schweſter Liebe · um die Fahrt ihn freundlich bitten.“
Er ſandte nach dem Recken: · der kam, als man ihn fand.
Er ſprach zu ihm: „Wir nahen · uns ſchon meinem Land;
Da ſollt ich Boten ſenden · der lieben Schweſter mein
Und auch meiner Mutter, · daß wir kommen an den Rhein.
„So bitt ich euch, Herr Siegfried, · daß ihr die Reiſe thut,
Ich wills euch immer danken,“ · ſo ſprach der Degen gut.
Da weigerte ſich Siegfried, · dieſer kühne Mann,
Bis ihn König Gunther · ſehr zu flehen begann.
Er ſprach: „Ihr ſollt reiten · um den Willen mein,
Dazu auch um Kriemhild, · das ſchöne Mägdelein,
Daß es mit mir vergelte · die herrliche Maid.“
Als Siegfried das hörte, · da war der Recke bald bereit.
„Entbietet, was ihr wollet, · es ſoll gemeldet ſein:
Ich will es gern beſtellen · um das ſchöne Mägdelein.
Die ich im Herzen trage, · verzichtet' ich auf die?
Leiſten will ich Alles, · was ihr gebietet, um ſie.“
„So ſagt meiner Mutter, · Ute der Königin,
Daß ich auf dieſer Reiſe · hohes Muthes bin.
Wie wir geworben haben, · ſagt meinen Brüdern an;
Auch unſern Freunden werde · dieſe Märe kund gethan.
Ihr ſollt auch nichts verſchweigen · der ſchönen Schweſter mein,
Ich woll ihr mit Brunhild · ſtäts zu Dienſten ſein;
So ſagt auch dem Geſinde · und wer mir unterthan,
Was je mein Herz ſich wünſchte, · daß ich das Alles gewann.
„Und ſaget Ortweinen, · dem lieben Neffen mein,
Daß er Geſtühl errichten · laße bei dem Rhein;
Den Mannen auch und Freunden · ſei es kund gethan,
Ich ſtelle mit Brunhilden · eine große Hochzeit an.
„Und bittet meine Schweſter, · werd ihr das bekannt,
Daß ich mit meinen Gäſten · gekommen ſei ins Land,
Daß ſie dann wohl empfange · die liebe Traute mein:
So woll ich Kriemhilden · ſtäts zu Dienſt erbötig ſein.“
Da bat bei Brunhilden · und ihrem Ingeſind
Alsbald um den Urlaub · Siegfried, Sigmunds Kind,
Wie es ihm geziemte: · da ritt er an den Rhein.
Es könnt in allen Landen · ein beßrer Bote nicht ſein.
Mit vierundzwanzig Recken · zu Worms kam er an;
Ohne den König kam er, · das wurde kund gethan.
Da mühten all die Degen · in Jammer ſich und Noth,
Beſorgt, daß dort der König · gefunden habe den Tod.
Sie ſtiegen von den Roſſen · und trugen hohen Muth;
Da kam alsbald Herr Geiſelher, · der junge König gut,
Und Gernot, ſein Bruder, · wie hurtig ſprach er da,
Als er den König Gunther · nicht bei Siegfrieden ſah:
„Willkommen, Herr Siegfried, · ich bitte, ſagt mir an:
Wo habt ihr meinen Bruder, · den König, hingethan?
Brunhildens Stärke · hat ihn uns wol benommen;
So wär uns ſehr zu Schaden · ihre hohe Minne gekommen.“
„Die Sorge laßt fahren: · euch und den Freunden ſein
Entbietet ſeine Dienſte · der Heergeſelle mein.
Ich verließ ihn wohlgeborgen: · er hat mich euch geſandt,
Daß ich ſein Bote würde, · mit Mären her in euer Land.
„Nun helft mir es fügen, · wie es auch geſcheh,
Daß ich die Königin Ute · und eure Schweſter ſeh;
Die ſoll ich hören laßen, · was ihr zu wißen thut
Gunther und Frau Brunhild; · um ſie beide ſteht es gut.“
Da ſprach der junge Geiſelher: · „So ſprecht bei ihnen an;
Da habt ihr meiner Schweſter · einen Liebesdienſt gethan.
Sie trägt noch große Sorge · um den Bruder mein:
Die Maid ſieht euch gerne: · dafür will ich euch Bürge ſein.“
Da ſprach der Degen Siegfried: · „Wo ich ihr dienen kann,
Das ſoll immer treulich · und willig ſein gethan.
Wer ſagt nun, daß ich komme, · den beiden Frauen an?“
Da warb die Botſchaft Geiſelher, · dieſer waidliche Mann.
Geiſelher der junge · ſprach zu der Mutter da
Und auch zu ſeiner Schweſter, · als er die beiden ſah:
„Uns iſt gekommen Siegfried, · der Held aus Niederland;
Ihn hat mein Bruder Gunther · her zum Rheine geſandt.
„Er bringt uns die Kunde, · wie's um den König ſteht;
Nun ſollt ihr ihm erlauben, · daß er zu Hofe geht:
Er bringt die rechten Mären · uns her von Iſenland.“
Noch war den edeln Frauen · große Sorge nicht gewandt.
Sie ſprangen nach dem Staate · und kleideten ſich drein
Und luden Siegfrieden · nach Hof zu kommen ein.
Das that der Degen williglich, · weil er ſie gerne ſah.
Kriemhild die edle · ſprach zu ihm in Güte da:
„Willkommen, Herr Siegfried, · ein Ritter ohne Gleich.
Wo blieb mein Bruder Gunther, · der edle König reich?
Durch Brunhilds Stärke, fürcht' ich, · gieng er uns verloren:
O weh mir armen Mägdelein, · daß ich je ward geboren!“
Da ſprach der kühne Ritter: · „Nun gebt mir Botenbrot,
Ihr zwei ſchönen Frauen · weinet ohne Noth.
Ich verließ ihn wohlgeborgen, · das thu ich euch bekannt:
Sie haben mich euch beiden · mit der Märe hergeſandt.
„Mit freundlicher Liebe, · viel edle Herrin mein,
Entbeut euch ſeine Dienſte · er und die Traute ſein.
Nun laßt euer Weinen: · ſie wollen balde kommen.“
Sie hatte lange Tage · ſo liebe Märe nicht vernommen.
Mit ſchneeweißem Kleide · aus Augen wohlgethan
Wiſchte ſie die Thränen; · zu danken hub ſie an
Dem Boten dieſer Märe, · die ihr war gekommen.
Ihr war die große Trauer · und auch ihr Weinen benommen.
Sie hieß den Boten ſitzen: · des war er gern bereit.
Da ſprach die Minnigliche: · „Es wäre mir nicht leid,
Wenn ich euch geben dürfte · zum Botenlohn mein Gold.
Dazu ſeid ihr zu vornehm: · ſo bleib ich ſonſt denn euch hold.
„Und würden dreißig Lande,“ · ſprach er, „mein genannt,
So empfieng' ich Gabe · doch gern aus eurer Hand.“
Da ſprach die Wohlgezogne: · „Wohlan, es ſoll geſchehn.“
Da hieß ſie ihren Kämmerer · nach dem Botenlohne gehn.
Vierundzwanzig Spangen · mit Edelſteinen gut
Gab ſie ihm zum Lohne. · So ſtund des Helden Muth:
Er wollt es nicht behalten: · er gab es unverwandt
Ihren ſchönen Maiden, · die er in der Kammer fand.
Ihre Dienſte bot ihm · die Mutter gütlich an.
„Ich ſoll euch ferner ſagen,“ · ſprach der kühne Mann,
„Um was der König bittet, · gelangt er an den Rhein:
Wenn ihr das, Fraue, leiſtet, · er will euch ſtäts gewogen ſein.
„Seine reichen Gäſte, · das iſt ſein Begehr,
Sollt ihr wohl empfangen; · auch bittet er euch ſehr,
Entgegen ihm zu reiten · vor Worms ans Geſtad.
Das iſts, warum der König · euch in Treun gebeten hat.“
„Das will ich gern vollbringen,“ · ſprach die ſchöne Magd:
„Worin ich ihm kann dienen, · das iſt ihm unverſagt.
Mit freundlicher Treue · wird all ſein Wunſch gethan.“
Da mehrte ſich die Farbe, · die ſie vor Freude gewann.
Nie ſah man Fürſtenboten · beßer wohl empfahn:
Wenn ſie ihn küſſen durfte, · ſie hätt es gern gethan;
Minniglich er anders · doch von der Frauen ſchied.
Da thaten die Burgunden, · wie da Siegfried ihnen rieth.
Sindold und Hunold · und Rumold der Degen
Großer Unmuße · muſten ſie da pflegen,
Als ſie die Sitze richteten · vor Worms an dem Strand:
Die Schaffner des Königs · man ſehr beflißen da fand.
Ortwein und Gere · ſäumten auch nicht mehr,
Sie ſandten nach den Freunden · allwärts umher,
Die Hochzeit anzuſagen, · die da ſollte ſein;
Der zierten ſich entgegen · viel der ſchönen Mägdelein.
Der Pallas und die Wände · waren allzumal
Verziert der Gäſte wegen; · König Gunthers Saal
Ward herrlich ausgerüſtet · für manchen fremden Mann;
Das große Hofgelage · mit hohen Freuden begann.
Da ritten allenthalben · die Wege durch das Land
Der drei Könge Freunde; · die hatte man beſandt,
Die Gäſte zu empfangen, · die da ſollten kommen.
Da wurden aus dem Einſchlag · viel reicher Kleider genommen.
Bald brachte man die Kunde, · daß man ſchon reiten ſah
Brunhilds Gefolge: · Gedränge gab es da
Von des Volkes Menge · in Burgundenland.
Hei! was man kühner Degen · da zu beiden Seiten fand!
Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „Ihr, meine Mägdelein,
Die bei dem Empfange · mit mir wollen ſein,
Die ſuchen aus den Kiſten · ihr allerbeſt Gewand:
So wird uns Lob und Ehre · von den Gäſten zuerkannt.“
Da kamen auch die Recken · und ließen vor ſich her
Schöne Sättel tragen · von rothem Golde ſchwer,
Daß drauf die Frauen ritten · von Worms an den Rhein.
Beßer Pferdgeräthe · konnte wohl nimmer ſein.
Wie warf da von den Mähren · den Schein das lichte Gold!
Viel Edelſteine glänzten · von den Zäumen hold;
Die goldenen Schemel · auf lichtem Teppich gut
Brachte man den Frauen: · ſie hatten fröhlichen Muth.
Die Frauenpferde ſtanden · auf dem Hof bereit,
Wie gemeldet wurde, · für manche edle Maid.
Die ſchmalen Bruſtriemen · ſah man die Mähren tragen
Von der beſten Seide, · davon man je hörte ſagen.
Sechsundachtzig Frauen · traten da heraus,
Die Kopfgebinde trugen; · zu Kriemhild vor das Haus
Zogen die Schönen · jetzt in reichem Kleid;
Da kam in vollem Schmucke · auch manche waidliche Maid,
Fünfzig und viere · aus Burgundenland:
Es waren auch die beſten, · die man irgend fand.
Man ſah ſie gelblockig · unter lichten Borten gehn.
Was ſich bedingt der König, · das ſah er fleißig geſchehn.
Von koſtbaren Zeugen, · den beſten, die man fand,
Trugen ſie vor den Gäſten · manch herrlich Gewand.
Zu ihrer ſchönen Farbe · ſtand es ihnen gut:
Wer Einer abhold wäre, · litte wohl an ſchwachem Muth.
Von Hermelin und Zobel · viel Kleider man da fand.
Da ſchmückte ſich gar Manche · den Arm und auch die Hand
Mit Spangen auf der Seide, · die ſie ſollten tragen.
Es könnt euch dieß Befleißen · Niemand wohl zu Ende ſagen.
Viel Gürtel kunſtgeſchaffen, · koſtbar und lang,
Ueber lichte Kleider · die Hand der Frauen ſchwang
Um edle Ferransröcke · von Zeug aus Arabia,
Wie man ſie beſſer · in aller Welt nicht erſah.
Man ſah in Bruſtgeſchmeide · manch ſchöne Maid
Minniglich ſich ſchnüren. · Die mochte tragen Leid,
Deren lichte Farbe · das Kleid nicht überſchien.
So ſchönes Ingeſinde · hat nun keine Königin.
Als die Minniglichen · nun trugen ihr Gewand,
Die ſie da führen ſollten, · die kamen unverwandt,
Die hochgemuthen Recken · in großer Zahl daher;
Man bracht auch hin viel Schilde · und manchen eſchenen Sper.
Jenſeits des Rheins · ſah man dem Geſtad
Mit allen ſeinen Gäſten · den König ſchon genaht.
Da ſah man auch am Zaume · leiten manche Maid:
Die ſie empfangen ſollten, · die waren alle bereit.
Als bei den Schiffen ankam · von Iſenland die Schar
Und die der Nibelungen, · die Siegfried eigen war,
Sie eilten an das Ufer; · wohl fliß ſich ihre Hand,
Als man des Königs Freunde · jenſeits am Geſtade fand.
Nun hört auch die Märe · von der Königin,
Ute der reichen, · wie ſie die Mägdlein hin
Brachte von der Veſte · und ſelber ritt zum Strand.
Da wurden mit einander · viel Maid' und Ritter bekannt.
Der Markgraf Gere führte · am Zaum Kriemhildens Pferd
Bis vor das Thor der Veſte; · Siegfried der Degen werth
Durft ihr weiter dienen; · ſie war ſo ſchön und hehr.
Das ward ihm wohl vergolten · von der Jungfrau nachher.
Ortwein der kühne führte · Ute die Königin,
Und ſo ritt mancher Ritter · neben den Frauen hin.
Zu feſtlichem Empfange, · das mag man wohl geſtehn,
Wurden nie der Frauen · ſo viel beiſammen geſehn.
Viel hohe Ritterſpiele · wurden da getrieben
Von preiswerthen Helden · (wie wär es unterblieben?)
Vor Kriemhild der ſchönen, · die zu den Schiffen kam.
Da hub man von den Mähren · viel der Frauen lobeſam.
Der König war gelandet · mit fremder Ritterſchaft.
Wie brach da vor den Frauen · mancher ſtarke Schaft!
Man hört' auf den Schilden · erklingen Stoß auf Stoß.
Hei! reicher Buckeln Schallen · ward im Gedränge da groß!
Vor dem Hafen ſtanden · die Frauen minniglich;
Gunther mit ſeinen Gäſten · hub von den Schiffen ſich:
Er führte Brunhilden · ſelber an der Hand.
Wider einander leuchtete · ſchön Geſtein und licht Gewand.
In höfiſchen Züchten · hin Frau Kriemhild gieng,
Wo ſie Frau Brunhilden · und ihr Geſind empfieng.
Man konnte lichte Hände · am Kränzlein rücken ſehn,
Da ſich die Beiden küſſten: · das war aus Liebe geſchehn.
Da ſprach wohlgezogen · Kriemhild das Mägdelein:
„Ihr ſollt uns willkommen · in dieſem Lande ſein,
Mir und meiner Mutter, · und Allen, die uns treu
Von Mannen und von Freunden.“ · Da verneigten ſich die Zwei.
Oftmals mit den Armen · umfiengen ſich die Fraun.
So minniglich Empfangen · war nimmer noch zu ſchaun,
Als die Frauen beide · der Braut da thaten kund,
Frau Ute mit der Tochter: · ſie küſſten oft den ſüßen Mund.
Da Brunhilds Frauen alle · nun ſtanden auf dem Strand,
Von waidlichen Recken · wurden bei der Hand
Freundlich genommen · viel Frauen auserſehn.
Man ſah die edeln Maide · vor Frau Brunhilden ſtehn.
Bis der Empfang vorüber war, · das währte lange Zeit,
Manch roſigem Munde war · da ein Kuß bereit.
Noch ſtanden bei einander · die Königinnen reich:
Das freuten ſich zu ſchauen · viel der Recken ohne Gleich.
Da ſpähten mit den Augen, · die oft gehört vorher,
Man hab alſo Schönes · geſehen nimmermehr
Als die Frauen beide: · das fand man ohne Lug.
Man ſah an ihrer Schöne · auch nicht den mindeſten Trug.
Wer Frauen ſchätzen konnte · und minniglichen Leib,
Der pries um ihre Schöne · König Gunthers Weib;
Doch ſprachen da die Kenner, · die es recht beſehn,
Man müße vor Brunhilden · den Preis Kriemhilden zugeſtehn.
Nun giengen zu einander · Mägdelein und Fraun;
Es war in hoher Zierde · manch ſchönes Weib zu ſchaun.
Da ſtanden ſeidne Hütten · und manches reiche Zelt,
Womit man erfüllt ſah · hier vor Worms das ganze Feld.
Des Könige Freunde drängten · ſich, um ſie zu ſehn.
Da hieß man Brunhilden · und Kriemhilden gehn
Und all die Fraun mit ihnen · hin, wo ſich Schatten fand;
Es führten ſie die Degen · aus der Burgunden Land.
Nun waren auch die Gäſte · zu Roſs geſeßen all;
Da gabs beim Lanzenbrechen · durch Schilde lauten Schall.
Das Feld begann zu ſtäuben, · als ob das ganze Land
Entbrannt wär in der Lohe: · da machten Helden ſich bekannt.
Was da die Recken thaten, · ſah manche Maid mit an.
Wohl ritt mit ſeinen Degen · Siegfried der kühne Mann
In mancher Wiederkehre · vorbei an dem Gezelt;
Der Nibelungen führte · tauſend Degen der Held.
Da kam von Tronje Hagen, · wie ihm der König rieth;
Der Held mit guter Sitte · die Ritterſpiele ſchied,
Daß ſie nicht beſtaubten · die ſchönen Mägdelein:
Da mochten ihm die Gäſte · gerne wohl gehorſam ſein.
Da ſprach der edle Gernot: · „Die Roſſe laßt ſtehn,
Bis es beginnt zu kühlen, · daß wir die Frauen ſchön
Mit unſerm Dank geleiten · bis vor den weiten Saal;
Will dann der König reiten, · find er euch bereit zumal.“
Das Kampfſpiel war vergangen · über all dem Feld:
Da giengen kurzweilen · in manches hohe Zelt
Die Ritter zu den Frauen · um hoher Luſt Gewinn:
Da vertrieben ſie die Stunden, · bis ſie weiter ſollten ziehn.
Vor des Abends Nahen, · als ſank der Sonne Licht
Und es begann zu kühlen, · ließ man es länger nicht:
Zu der Veſte huben · Fraun und Ritter ſich;
Mit Augen ward geliebkoſt · mancher Schönen minniglich.
Von guten Knechten wurden · viel Pferde müd geritten
Vor den Hochgemuthen · nach des Landes Sitten,
Bis vor dem Saale · abſtieg der König werth.
Da diente man den Frauen · und hob ſie nieder vom Pferd.
Da wurden auch geſchieden · die Königinnen reich.
Hin gieng Frau Ute · und Kriemhild zugleich
Mit ihrem Ingeſinde · in ein weites Haus:
Da vernahm man allenthalben · der Freude rauſchenden Braus.
Man richtete die Stühle: · der König wollte gehn
Zu Tiſch mit den Gäſten. · Da ſah man bei ihm ſtehn
Brunhild die ſchöne, · die da die Krone trug
In des Königs Lande: · ſie erſchien wohl reich genug.
Da ſah man ſchöne Sitze · und gute Tafeln breit
Mit Speiſen beladen, · ſo hörten wir Beſcheid.
Was ſie da haben ſollten, · wie wenig fehlte dran!
Da ſah man bei dem König · gar manchen herrlichen Mann.
Des Wirthes Kämmerlinge · im Becken goldesroth
Reichten ihnen Waſſer. · Das wär vergebne Noth,
Sagte wer, man hätte · je fleißgern Dienſt gethan
Bei eines Fürſten Hochzeit: · ich glaubte ſchwerlich daran.
Eh der Vogt am Rheine · hier das Waſſer nahm,
Zu Gunthern trat da Siegfried, · er durft es ohne Scham,
Und mahnt' ihn ſeiner Treue, · die er ihm gab zu Pfand,
Bevor er Brunhilden · daheim geſehn in Iſenland.
Er ſprach zu ihm: „Gedenket, · mir ſchwur eure Hand,
Wenn wir Frau Brunhild · brächten in dieß Land,
Ihr gäbt mir eure Schweſter: · wo blieb nun der Eid?
Ihr wißt, bei eurer Reiſe · war keine Mühe mir leid.“
Da ſprach der Wirth zum Gaſte: · „Recht, daß ihr mich mahnt.
Ich will den Eid nicht brechen, · den ich ſchwur mit Mund und Hand,
Ich helf es euch fügen, · ſo gut es mag geſchehn.“
Da hieß man Kriemhilden · zu Hof vor den König gehn.
Mit ihren ſchönen Maiden · kam ſie vor den Saal.
Da ſprang von einer Stiege · Geiſelher zu Thal:
„Nun heißt wiederkehren · dieſe Mägdelein:
Meine Schweſter ſoll alleine · hier bei dem Könige ſein.“
Hin brachten ſie Kriemhilden, · wo man den König fand:
Da ſtanden edle Ritter · von mancher Fürſten Land.
In dem weiten Saale · hieß man ſie ſtille ſtehn;
Frau Brunhilden ſah man · eben auch zu Tiſche gehn.
Sie hatte keine Kunde, · was da im Werke war.
Da ſprach König Dankrats Sohn · zu ſeiner Mannen Schar:
„Helft mir, daß meine Schweſter · Siegfrieden nimmt zum Mann.“
Sie ſprachen einhellig: · „Das wäre gar wohl gethan.“
Da ſprach der König Gunther: · „Schweſter, edle Maid,
Bei deiner Zucht und Güte · löſe meinen Eid.
Ich ſchwur dich einem Recken, · und nimmſt du ihn zum Mann,
So haſt du meinen Willen · mit großen Treuen gethan.“
Die edle Maid verſetzte: · „Lieber Bruder mein,
Ihr ſollt mich nicht flehen, · ich will gehorſam ſein.
Wie ihr mir gebietet, · ſo ſoll es ſein gethan:
Dem will ich mich verloben, · den ihr, Herr, mir gebt zum Mann.“
Von lieber Augenweide · Ward Siegfrieds Farbe roth:
Zu Dienſten ſich der Recke · Frau Kriemhilden bot.
Man ließ ſie mit einander · in einem Kreiſe ſtehn,
Und frug ſie, ob ſie wolle · dieſen Recken auserſehn?
Scheu, wie Mädchen pflegen, · ſchämte ſie ſich ein Theil;
Jedoch war Siegfrieden · ſo günſtig Glück und Heil,
Daß ſie nicht verſchmähen · wollte ſeine Hand.
Auch verſprach ſich ihr zum Manne · der edle Held von Niederland.
Da er ſich ihr verlobte · und ſich ihm die Maid,
Ein gütlich Umfangen · war da alsbald bereit
Von Siegfriedens Armen · dem ſchönen Mägdlein zart:
Die edle Königin küſſt' er · in der Helden Gegenwart.
Sich ſchied das Geſinde. · Als das geſchah,
Auf dem Ehrenplatze · man Siegfrieden ſah,
Mit Kriemhilden ſitzen; · da dient' ihm mancher Mann.
Man ſah die Nibelungen · mit ihm den Sitzen ſich nahm.
Der König ſaß zu Tiſche · bei Brunhild der Maid.
Da ſah ſie Kriemhilden · (nichts war ihr je ſo leid)
Bei Siegfrieden ſitzen: · zu weinen hub ſie an,
Daß ihr manch heiße Thräne · über lichte Wangen rann.
Da ſprach der Wirth des Landes: · „Was iſt euch, Fraue mein,
Daß ihr ſo trüben laßet · lichter Augen Schein?
Ihr ſolltet recht euch freuen: · euch iſt unterthan
Mein Land und reiche Burgen · und mancher waidliche Mann.“
„Recht weinen ſollt ich eher,“ · ſprach die ſchöne Maid.
„Deiner Schweſter wegen · trag ich Herzeleid.
Ich ſeh ſie ſitzen neben · dem Eigenholden dein:
Wohl muß ich immer weinen, · ſoll ſie ſo erniedrigt ſein.“
Da ſprach der König Gunther: · „Schweigt davon jetzt ſtill,
Da ich euch ein andermal · die Kunde ſagen will,
Warum meine Schweſter · Siegfrieden ward gegeben.
Wohl mag ſie mit dem Recken · allezeit in Freuden leben.“
Sie ſprach: „Mich jammern immer · ihre Schönheit, ihre Zucht;
Wüſt ich, wohin ich ſollte, · ich nähme gern die Flucht
Und wollt euch nimmer eher · nahe liegen bei,
Bis ich wüſte, weshalb Kriemhild · die Braut von Siegfrieden ſei.“
Da ſprach König Gunther: · „Ich mach es euch bekannt:
Er hat ſelber Burgen · wie ich und weites Land.
Das dürft ihr ſicher glauben, · er iſt ein König reich:
Drum gönn ich ihm zum Weibe · die ſchöne Magd ohne Gleich.“
Was ihr der König ſagte, · traurig blieb ihr Muth.
Da eilte von den Tiſchen · mancher Ritter gut:
Das Kampfſpiel ward ſo heftig, · daß rings die Burg erklang.
Dem Wirth bei ſeinen Gäſten · ward die Weile viel zu lang.
Er dacht: „Ich läge ſanfter · der ſchönen Frauen bei.“
Er wurde des Gedankens · nicht mehr im Herzen frei,
Von ihrer Minne müße · ihm Liebes viel geſchehn.
Da begann er freundlich · Frau Brunhilden anzuſehn.
Vom Ritterſpiel die Gäſte · bat man abzuſtehn:
Mit ſeinem Weibe wollte · zu Bett der König gehn.
Vor des Saales Stiege · begegneten da
Sich Kriemhild und Brunhild; · noch in Güte das geſchah.
Da kam ihr Ingeſinde; · ſie ſäumten länger nicht:
Ihre reichen Kämmerlinge · brachten ihnen Licht.
Es theilten ſich die Recken · in beider Könge Lehn.
Da ſah man viel der Degen · hinweg mit Siegfrieden gehn.
Die Helden kamen beide · hin, wo ſie ſollten liegen.
Da dachte Jedweder · mit Minnen obzuſiegen
Den minniglichen Frauen: · des freute ſich ihr Muth.
Siegfriedens Kurzweil · die wurde herrlich und gut.
Als Siegfried der Degen · bei Kriemhilden lag
Und er da der Jungfrau · ſo minniglich pflag
Mit ſeinem edeln Minnen, · ſie ward ihm wie ſein Leben:
Er hätte nicht die eine · für tauſend andre gegeben.
Ich ſag euch nicht weiter, · wie er der Frauen pflag.
Nun hört dieſe Märe, · wie König Gunther lag
Bei Brunhild der Frauen; · der zierliche Degen
Hätte leichtlich ſanfter · bei andern Frauen gelegen.
Das Volk hatt ihn verlaßen · zumal, ſo Frau als Mann:
Da ward die Kemenate · balde zugethan.
Er wähnt', er ſolle koſen · ihren minniglichen Leib:
Da währt' es noch gar lange, · bevor ſie wurde ſein Weib.
Im weißen Linnenhemde · gieng ſie ins Bett hinein.
Der edle Ritter dachte: · „Nun iſt das alles mein,
Wes mich je verlangte · in allen meinen Tagen.“
Sie muſt ob ihrer Schöne · mit großem Recht ihm behagen.
Das Licht begann zu bergen · des edeln Königs Hand.
Hin gieng der kühne Degen, · wo er die Jungfrau fand.
Er legte ſich ihr nahe: · ſeine Freude die war groß,
Als die Minnigliche · der Held mit Armen umſchloß.
Minnigliches Koſen · möcht er da viel begehn,
Ließe das willig · die edle Frau geſchehn.
Doch zürnte ſie gewaltig: · den Herrn betrübte das.
Er wähnt, er fände Freude, · da fand er feindlichen Haß.
Sie ſprach: „Edler Ritter, · laßt euch das vergehn:
Was ihr da habt im Sinne, · das kann nicht geſchehn.
Ich will noch Jungfrau bleiben, · Herr König, merkt euch das,
Bis ich die Mär erfahre.“ · Da faßte Gunther ihr Haß.
Er rang nach ihrer Minne · und zerrauft' ihr Kleid.
Da griff nach einem Gürtel · die herrliche Maid,
Einer ſtarken Borte, · die ſie um ſich trug:
Da that ſie dem König · großen Leides genug.
Die Füß und die Hände · ſie ihm zuſammenband,
Zu einem Nagel trug ſie ihn · und hieng ihn an die Wand.
Als er im Schlaf ſie ſtörte, · ſein Minnen ſie verbot.
Von ihrer Stärke hätt er · beinah gewonnen den Tod.
Da begann zu flehen, · der Meiſter ſollte ſein:
„Nun löſt mir die Bande, · viel edle Fraue mein.
Ich getrau euch, ſchöne Herrin, · doch nimmer obzuſiegen
Und will auch wahrlich ſelten · mehr ſo nahe bei euch liegen.“
Sie frug nicht, wie ihm wäre, · da ſie in Ruhe lag.
Dort muſt er hangen bleiben · die Nacht bis an den Tag,
Bis der lichte Morgen · durchs Fenſter warf den Schein:
Hatt er je Kraft beſeßen, · die ward an ſeinem Leibe klein.
„Nun ſagt mir, Herr Gunther, · iſt euch das etwa leid,
Wenn euch gebunden finden,“ · ſprach die ſchöne Maid,
„Eure Kämmerlinge · von einer Frauen Hand?“
Da ſprach der edle Ritter: · „Das würd euch übel gewandt.
„Auch wär mirs wenig Ehre,“ · ſprach der edle Mann:
„Bei eurer Zucht und Güte · nehmt mich nun bei euch an.
Und iſt euch meine Minne · denn ſo mächtig leid,
So will ich nie berühren · mit meiner Hand euer Kleid.“
Da löſte ſie den König, · daß er nicht länger hieng;
Wieder an das Bette · er zu der Frauen gieng.
Er legte ſich ſo ferne, · daß er ihr Hemde fein
Nicht oft darnach berührte: · auch wollte ſie des ledig ſein.
Da kam auch ihr Geſinde, · das brachte neu Gewand:
Des war heute Morgen · genug für ſie zur Hand.
Wie froh man da gebahrte, · traurig war genug
Der edle Wirth des Landes, · wie er des Tags die Krone trug.
Nach des Landes Sitte, · die zu begehen Pflicht,
Unterließ es Gunther · mit Brunhild länger nicht:
Sie giengen nach dem Münſter, · wo man die Meſſe ſang.
Dahin auch kam Herr Siegfried; · da hob ſich mächtiger Drang.
Nach königlichen Ehren · war da für ſie bereit,
Was ſie haben ſollten, · die Krone wie das Kleid.
Da ließen ſie ſich weihen: · als das war geſchehn,
Da ſah man unter Krone · alle Viere herrlich ſtehn.
Das Schwert empfiengen Knappen, · ſechshundert oder mehr,
Den Königen zu Ehren · auf meines Worts Gewähr.
Da hob ſich große Freude · in Burgundenland:
Man hörte Schäfte brechen · an der Schwertdegen Hand.
Da ſaßen in den Fenſtern · die ſchönen Mägdelein.
Sie ſahen vor ſich leuchten · manches Schildes Schein.
Nun hatte ſich der König · getrennt von ſeinem Lehn:
Was man beginnen mochte, · er ließ es trauernd geſchehn.
Ihm und Siegfrieden · ungleich ſtand der Muth:
Wohl wuſte, was ihm fehlte, · der edle Ritter gut.
Da gieng er zu dem König, · zu fragen er begann:
„Wie iſts euch gelungen · die Nacht, das ſaget mir an.“
Da ſprach der Wirth zum Gaſte: · „Den Schimpf und den Schaden
Hab ich an meiner Frauen · in mein Haus geladen.
Ich wähnte ſie zu minnen, · wie ſchnell ſie mich da band!
Zu einem Nagel trug ſie mich · und hieng mich hoch an die Wand.
„Da hieng ich ſehr in Aengſten · die Nacht bis an den Tag.
Eh ſie mich wieder löſte, · wie ſanft ſie da lag!
Das ſei dir in der Stille · geklagt in Freundlichkeit.“
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Das iſt in Wahrheit mir leid.
„Das will ich euch beweiſen, · verſchmerzt ihr den Verdruß.
Ich ſchaffe, daß ſie heute Nacht · ſo nah euch liegen muß,
Daß ſie euch ihre Minne · nicht länger vorenthält.“
Die Rede hörte gerne · nach ſeinem Leide der Held.
„Nun ſchau meine Hände, · wie die geſchwollen ſind:
Die drückte ſie ſo mächtig, · als wär ich ein Kind,
Daß Blut mir allenthalben · aus den Nägeln drang.
Ich hegte keinen Zweifel, · mein Leben währe nicht lang.“
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Es wird noch Alles gut.
Uns Beiden war wohl ungleich · heute Nacht zu Muth.
Mir iſt deine Schweſter · wie Leben lieb und Leib!
So muß nun auch Frau Brunhild · noch heute werden dein Weib.
„Ich komme heut Abend · zu deinem Kämmerlein
Alſo wohl verborgen · in der Tarnkappe mein,
Daß ſich meiner Künſte · Niemand mag verſehn.
Laß dann die Kämmerlinge · zu ihren Herbergen gehn:
„So leſch ich den Knappen · die Lichter an der Hand:
Bei dieſem Wahrzeichen · ſei dir bekannt,
Daß ich hereingetreten. · Wohl zwing ich dir dein Weib,
Daß du ſie heute minneſt, · ich verlör' denn Leben und Leib.“
„Wenn du ſie nicht minneſt,“ · der König ſprach da ſo,
„Meine liebe Fraue: · des Andern bin ich froh;
Was du auch thuſt und nähmſt du · Leben ihr und Leib,
Das wollt ich wohl verſchmerzen: · ſie iſt ein ſchreckliches Weib.“
„Das nehm ich,“ ſprach da Siegfried, · „auf die Treue mein,
Daß ich ſie nicht berühre; · die liebe Schweſter dein
Geht mir über alle, · die ich jemals ſah.“
Wohl glaubte König Gunther · der Rede Siegfriedens da.
Da gabs von Ritterſpielen · Freude ſo wie Noth.
Den Buhurd und das Lärmen · man allzumal verbot.
Als die Frauen ſollten · nach dem Saale gehn,
Geboten Kämmerlinge · den Leuten, nicht im Weg zu ſtehn.
Von Roſſen und von Leuten · räumte man den Hof.
Der Frauen Jedwede · führt' ein Biſchof,
Als ſie vor den Königen · zu Tiſche ſollten gehn.
Ihnen folgten zu den Stühlen · viel der Degen auserſehn.
Bei ſeinem Weib der König · in froher Hoffnung ſaß:
Was Siegfried ihm verheißen, · im Sinne lag ihm das.
Der eine Tag ihn dauchte · wohl dreißig Tage lang:
Nach Brunhildens Minne · all ſein Denken ihm rang.
Er konnt es kaum erwarten, · bis vorbei das Mahl.
Brunhild die ſchöne · rief man aus dem Saal
Und auch Kriemhilden: · ſie ſollten ſchlafen gehn:
Hei! was man kühner Degen · ſah vor den Königinnen ſtehn!
Siegfried der Herre · gar minniglich ſaß
Bei ſeinem ſchönen Weibe · mit Freuden ohne Haß.
Sie kos'te ſeine Hände · mit ihrer weißen Hand,
Bis er ihr vor den Augen, · ſie wuſte nicht wie, verſchwand.
Da ſie mit ihm ſpielte · und ſie ihn nicht mehr ſah,
Zu ſeinem Ingeſinde · ſprach die Königin da:
„Mich wundert ſehr, wo iſt doch · der König hingekommen?
Wer hat ſeine Hände · mir aus den meinen genommen?“
Sie ließ die Rede bleiben. · Da eilt' er hinzugehn,
Wo er die Kämmerlinge · fand mit Lichtern ſtehn:
Die leſcht' er unverſehens · den Knappen an der Hand:
Daß es Siegfried wäre, · das war da Gunthern bekannt.
Wohl wuſt er, was er wolle: · er ließ von dannen gehn
Mägdelein und Frauen. · Als das war geſchehn,
Der edle König ſelber · verſchloß der Kammer Thür:
Starker Riegel zweie · die warf er eilends dafür.
Hinterm Bettvorhange · barg er der Kerzen Licht.
Ein Spiel ſogleich begannen, · vermeiden ließ ſichs nicht,
Siegfried der ſtarke · und die ſchöne Maid:
Das war dem König Gunther · beides lieb und auch leid.
Da legte ſich Siegfried · der Königin bei.
Sie ſprach: „Nun laßt es, Gunther, · wie lieb es euch auch ſei,
Daß ihr nicht Noth erleidet · heute ſo wie eh:
Oder euch geſchieht hier · von meinen Händen wieder Weh.“
Er hehlte ſeine Stimme, · kein Wörtlein ſprach er da.
Wohl hörte König Gunther, · obgleich er ſie nicht ſah,
Daß Heimliches von Beiden · wenig geſchehen ſei;
Nicht viel bequeme Ruhe · im Bette fanden die Zwei.
Er ſtellte ſich, als wär er · Gunther der König reich;
Er umſchloß mit Armen · das Mägdlein ohne Gleich.
Sie warf ihn aus dem Bette · dabei auf eine Bank,
Daß laut an einem Schemel · ihm das Haupt davon erklang.
Wieder auf mit Kräften · ſprang der kühne Mann,
Es beßer zu verſuchen: · wie er das begann,
Daß er ſie zwingen wollte, · da widerfuhr ihm Weh.
Ich glaube nicht, daß ſolche Wehr · von Frauen je wieder geſcheh.
Da ers nicht laßen wollte, · das Mägdlein aufſprang:
„Euch ziemt nicht zu zerraufen · mein Hemd alſo blank.
Ihr ſeid ungezogen: · das wird euch noch leid.
Des bring ich euch wohl inne,“ · ſprach die waidliche Maid.
Sie umſchloß mit den Armen · den theuerlichen Degen
Und wollt ihn auch in Bande · wie den König legen,
Daß ſie im Bette läge · mit Gemächlichkeit.
Wie grimmig ſie das rächte, · daß er zerzerret ihr Kleid!
Was half ihm da die Stärke, · was ſeine große Kraft?
Sie erwies dem Degen · ihres Leibes Meiſterſchaft.
Sie trug ihn übermächtig, · das muſte nur ſo ſein,
Und drückt ihn ungefüge · bei dem Bett an einen Schrein.
„O weh,“ gedacht er, „ſoll ich · Leben nun und Leib
Von einer Maid verlieren, · ſo mag jedes Weib
In allen künftgen Zeiten · tragen Frevelmuth
Dem Mann gegenüber, · die es ſonſt wohl nimmer thut.“
Der König hörte Alles; · er bangte für den Mann.
Da ſchämte ſich Siegfried, · zu zürnen fieng er an.
Mit ungefügen Kräften · ihr widerſetzt' er ſich
Und verſuchte ſeine Stärke · an Brunhilden ängſtiglich.
Wie ſie ihn niederdrückte, · ſein Zorn erzwang es noch
Und ſeine ſtarken Kräfte, · daß ihr zum Trotz er doch
Sich aufrichten konnte; · ſeine Angſt war groß.
Sie gaben in der Kammer · ſich her und hin manchen Stoß.
Auch litt König Gunther · Sorgen und Beſchwer:
Er muſte manchmal flüchten · vor ihnen hin und her.
Sie rangen ſo gewaltig, · daß es Wunder nahm,
Wie Eins vor dem Andern · mit dem Leben noch entkam.
Den König Gunther ängſtigte · beiderſeits die Noth;
Doch fürchtet' er am meiſten · Siegfriedens Tod.
Wohl hätte ſie dem Degen · das Leben ſchier benommen:
Dürft er nur, er wär ihm · gern zu Hülfe gekommen.
Gar lange zwiſchen Beiden · dauerte der Streit;
Da bracht er an das Bette · zuletzt zurück die Maid:
Wie ſehr ſie ſich auch wehrte, · die Wehr ward endlich ſchwach.
Gunther in ſeinen Sorgen · hieng mancherlei Gedanken nach.
Es währte lang dem König, · bis Siegfried ſie bezwang.
Sie drückte ſeine Hände, · daß aus den Nägeln ſprung
Das Blut von ihren Kräften; · das war dem Helden leid.
Da zwang er zu verläugnen · dieſe herrliche Maid
Den ungeſtümen Willen, · den ſie erſt dargethan.
Alles vernahm der König, · doch hört ers ſchweigend an.
Er drückte ſie ans Bette, · daß ſie aufſchrie laut:
Des ſtarken Siegfrieds Kräfte · ſchmerzten übel die Braut.
Da griff ſie nach der Hüfte, · wo ſie die Borte fand,
Und dacht' ihn zu binden: · doch wehrt' es ſeine Hand,
Daß ihr die Glieder krachten, · dazu der ganze Leib.
Da war der Streit zu Ende: · da wurde ſie Gunthers Weib.
Sie ſprach: „Edler König, · nimm mir das Leben nicht:
Was ich dir that zu Leide, · vergüt ich dir nach Pflicht.
Ich wehre mich nicht wieder · der edeln Minne dein:
Ich hab es wohl erfahren, · daß du magſt Frauen Meiſter ſein.“
Aufſtand da Siegfried, · liegen blieb die Maid,
Als dächt er abzuwerfen · eben nur das Kleid.
Er zog ihr vom Finger · ein Ringlein von Gold,
Daß es nicht gewahrte · die edle Königin hold,
Auch nahm er ihren Gürtel, · eine Borte gut.
Ich weiß nicht, geſchah es · aus hohem Uebermuth.
Er gab ihn ſeinem Weibe: · das ward ihm ſpäter leid.
Da lagen bei einander · der König und die ſchöne Maid.
Er pflag der Frauen minniglich, · wie es geziemend war:
Scham und Zorn verſchmerzen · muſte ſie da gar.
Von ſeinen Heimlichkeiten · ihre lichte Farb erblich.
Hei! wie von der Minne · die große Kraft ihr entwich!
Da war auch ſie nicht ſtärker · als ein ander Weib.
Minniglich umfieng er · ihren ſchönen Leib;
Wenn ſie noch widerſtände, · was könnt es ſie verfahn?
Das hatt ihr Alles Gunther · mit ſeinem Minnen gethan.
Wie minniglich der Degen · da bei der Frauen lag
In freundlicher Liebe · bis an den lichten Tag!
Inzwiſchen war Herr Siegfried · längſt ſchon hindann:
Da ward er wohl empfangen · von einer Frauen wohlgethan.
Er wich allen Fragen aus, · die ſie erdacht,
Und hehlt' ihr noch lang, · was er mitgebracht,
Bis er daheim das Kleinod · ihr doch am Ende gab:
Das brachte viel der Degen · mit ihm ſelber ins Grab.
Dem Wirth am andern Morgen · viel höher ſtand der Muth,
Als am erſten Tage: · da ward die Freude gut
In allen ſeinen Landen · bei manchem edeln Mann.
Die er zu Hof geladen, · denen ward viel Dienſt gethan.
Vierzehn Tage währte · dieſe Luſtbarkeit,
Daß ſich der Schall nicht legte · in ſo langer Zeit
Von aller Luſt und Kurzweil, · die man erdenken mag.
Wohl verwandte hohe Koſten · der König bei dem Hofgelag.
Des edeln Wirthes Freunde, · wie es der Herr gewollt,
Verſchenkten ihm zu Ehren · Kleider und rothes Gold,
Silber auch und Roſſe · an manchen fremden Mann.
Die gerne Gaben nahmen, · die ſchieden fröhlich hindann.
Auch der kühne Siegfried · aus dem Niederland
Mit ſeinen tauſend Mannen · — all das Gewand,
Das ſie gebracht zum Rheine, · ward ganz dahin gegeben,
Schöne Roſs' und Sättel: · ſie wuſten herrlich zu leben.
Bevor die reiche Gabe · noch alle war verwandt,
Schon daucht es die zu lange, · die wollten in ihr Land.
Nie ſah man ein Geſinde · mehr ſo wohl verpflegen.
So endete die Hochzeit: · da ſchied von dannen mancher Degen.
Als die Gäſte waren · gefahren all davon,
Da ſprach zu dem Geſinde · König Siegmunds Sohn:
„Wir wollen auch uns rüſten · zur Fahrt in unſer Land.“
Lieb ward es ſeinem Weibe, · als ihr die Märe ward bekannt.
Sie ſprach zu ihrem Manne: · „Wann ſollen wir nun fahren?
So ſehr damit zu eilen · will ich mich bewahren:
Erſt ſollen mit mir theilen · meine Brüder dieſes Land.“
Leid war es Siegfrieden, · als ers an Kriemhilden fand.
Die Fürſten giengen zu ihm · und ſprachen alle drei:
„Wißt nun, Herr Siegfried, · daß euch immer ſei
Unſer Dienſt mit Treue · bereit bis in den Tod.“
Er neigte ſich den Herren, · da mans ſo wohl ihm erbot.
„Wir wolln auch mit euch theilen,“ · ſprach Geiſelher das Kind,
„Das Land und die Burgen, · die unſer eigen ſind,
Und was der weiten Reiche · uns iſt unterthan;
Ihr empfangt mit Kriemhild · euer volles Theil daran.“
Der Sohn König Siegmunds · ſprach zu den Fürſten da,
Als er den guten Willen · der Herren hört und ſah:
„Gott laß euch euer Erbe · geſegnet immer ſein
Und auch die Leute drinnen: · es mag die liebe Fraue mein
„Des Theils wohl entrathen, · den ihr ihr wolltet geben:
Wo ſie ſoll Krone tragen, · mögen wirs erleben,
Da muß ſie reicher werden, · als wer iſt auf der Welt.
Was ihr ſonſt gebietet, · ich bin euch dienſtlich geſellt.“
Da ſprach aber Kriemhild: · „Wenn ihr mein Land verſchmäht,
Um die Burgundendegen · es ſo gering nicht fleht;
Die mag ein König gerne · führen in ſein Land:
Wohl ſoll ſie mit mir theilen · meiner lieben Brüder Hand.“
Da ſprach König Gernot: · „Nimm, die du willſt, mit dir.
Die gerne mit dir reiten, · du findeſt Viele hier.
Von dreißighundert Recken · nimm dir tauſend Mann
Zu deinem Hausgeſinde.“ · Kriemhild zu ſenden begann
Nach Hagen von Tronje · und nach Ortwein,
Ob ſie und ihre Freunde · Kriemhildens wollten ſein.
Da gewann darüber Hagen · ein zorniges Leben:
Er ſprach: „Uns kann Gunther · in der Welt an Niemand vergeben.
„Ander Ingeſinde · nehmt zu eurer Fahrt;
Ihr werdet ja wohl kennen · der Tronejer Art.
Wir müßen bei den Königen · bleiben ſo fortan
Und denen ferner dienen, · deren Dienſt wir ſtäts verſahn.“
Sie ließen es bewenden · und machten ſich bereit.
Ihres edeln Ingeſindes · nahm Kriemhild zum Geleit
Zweiunddreißig Mägdelein · und fünfhundert Mann;
Eckewart der Markgraf · zog mit Kriemhild hindann.
Da nahmen alle Urlaub, · Ritter ſo wie Knecht,
Mägdelein und Frauen: · ſo war es Fug und Recht.
Unter Küſſen ſcheiden · ſah man ſie unverwandt,
Und jene räumten fröhlich · dem König Gunther das Land.
Da geleiteten die Freunde · ſie fern auf ihren Wegen.
Allenthalben ließ man · ihnen Nachtherberge legen,
Wo ſie die nehmen wollten · in der Könge Land.
Da wurden bald auch Boten · dem König Siegmund geſandt,
Damit er wißen ſollte · und auch Frau Siegelind,
Sein Sohn ſolle kommen · mit Frau Utens Kind,
Kriemhild der ſchönen, · von Worms über Rhein.
Dieſe Mären konnten · ihnen nimmer lieber ſein.
„Wohl mir,“ ſprach da Siegmund, · „daß ich den Tag ſoll ſehn,
Da hier die ſchöne Kriemhild · ſoll unter Krone gehn!
Das erhöht im Werthe · mir all das Erbe mein:
Mein Sohn Siegfried · ſoll nun ſelbſt hier König ſein.“
Da gab ihnen Siegelind · zu Kleidern Sammet roth
Und ſchweres Gold und Silber: · das war ihr Botenbrot.
Sie freute ſich der Märe, · die ſie da vernahm.
All ihr Ingeſinde · ſich mit Fleiß zu kleiden begann.
Man ſagt' ihr, wer da käme · mit Siegfried in das Land.
Da hieß ſie Geſtühle · errichten gleich zur Hand,
Wo er vor den Freunden · ſollt unter Krone gehn.
Entgegen ritten ihnen · Die in König Siegmunds Lehn.
Wer beßer wäre empfangen, · mir iſt es unbekannt,
Als die Helden wurden · in Siegmundens Land.
Kriemhilden ſeine Mutter · Sieglind entgegenritt
Mit viel der ſchönen Frauen; · kühne Ritter zogen mit
Wohl eine Tagereiſe, · bis man die Gäſte ſah.
Die Heimiſchen und Fremden · litten Beſchwerde da,
Bis ſie endlich kamen · zu einer Veſte weit,
Die Santen war geheißen, · wo ſie Krone trugen nach der Zeit.
Mit lachendem Munde · Siegmund und Siegelind
Manche liebe Weile · küſſten ſie Utens Kind
Und Siegfried den Degen; · ihnen war ihr Leid benommen.
All ihr Ingeſinde · hieß man fröhlich willkommen.
Da brachten ſie die Gäſte · vor König Siegmunds Saal.
Die ſchönen Jungfrauen · hub man allzumal
Von den Mähren nieder; · da war mancher Mann,
Der den ſchönen Frauen · mit Fleiß zu dienen begann.
So prächtig ihre Hochzeit · am Rhein war bekannt,
Doch gab man hier den Helden · köſtlicher Gewand,
Als ſie all ihr Leben · je zuvor getragen.
Man mochte große Wunder · von ihrem Reichthume ſagen.
So ſaßen ſie in Ehren · und hatten genug.
Was goldrothe Kleider · ihr Ingeſinde trug!
Edel Geſtein und Borten · ſah man gewirkt darin.
So verpflag ſie fleißig · Sieglind die edle Königin.
Da ſprach vor ſeinen Freunden · der König Siegmund:
„Allen meinen Freunden · thu ichs heute kund,
Daß Siegfried meine Krone · hier hinfort ſoll tragen.“
Die Märe hörten gerne · Die von Niederlanden ſagen.
Er befahl ihm ſeine Krone · mit Gericht und Land:
Da war er Herr und König. · Wem er den Rechtsſpruch fand
Und wen er ſtrafen ſollte, · das wurde ſo gethan,
Daß man wohl fürchten durfte · der ſchönen Kriemhilde Mann.
In dieſen hohen Ehren · lebt' er, das iſt wahr,
Und richtet' unter Krone · bis an das zehnte Jahr,
Da die ſchöne Königin · einen Sohn gewann,
An dem des Königs Freunde · ihren Wunſch und Willen ſahn.
Alsbald ließ man ihn taufen · und einen Namen nehmen:
Gunther, nach ſeinem Oheim, · des dürft er ſich nicht ſchämen.
Gerieth' er nach den Freunden, · er würd ein kühner Mann.
Man erzog ihn ſorgſam: · ſie thaten auch recht daran.
In denſelben Zeiten · ſtarb Frau Siegelind:
Da nahm die volle Herrſchaft · der edeln Ute Kind,
Wie ſo reicher Frauen · geziemte wohl im Land.
Es ward genug betrauert, · daß der Tod ſie hatt entwandt.
Nun hatt auch dort am Rheine, · wie wir hören ſagen,
Gunther dem reichen · einen Sohn getragen
Brunhild die ſchöne · in Burgundenland.
Dem Helden zu Liebe · ward er Siegfried genannt.
Mit welchen Sorgen immer · man ſein hüten hieß!
Von Hofmeiſtern Gunther · ihn Alles lehren ließ,
Was er bedürfen möchte, · erwüchs' er einſt zum Mann.
Hei, was ihm bald das Unglück · der Verwandten abgewann!
Zu allen Zeiten Märe · war ſo viel geſagt,
Wie doch ſo herrlich · die Degen unverzagt
Zu allen Stunden lebten · in Siegmundens Land:
So lebt' auch König Gunther · mit ſeinen Freunden auserkannt.
Das Land der Nibelungen · war Siegfried unterthan
(Keiner ſeiner Freunde · je größern Schatz gewann)
Mit Schilbungens Recken · und der Beiden Gut.
Darüber trug der Kühne · deſto höher den Muth.
Hort den allermeiſten, · den je ein Held gewann,
Nach den erſten Herren, · beſaß der kühne Mann,
Den vor einem Berge · ſeine Hand erwarb im Streit:
Er ſchlug darum zu Tode · manchen Ritter allbereit.
Vollauf beſaß er Ehre, · und hätt ers halb entbehrt,
Doch müſte man geſtehen · dem edeln Recken werth,
Daß er der Beſte wäre, · der je auf Roſſen ſaß.
Man ſcheute ſeine Stärke, · mit allem Grunde that man das.
Da dacht auch alle Tage · Brunhild die Königin:
„Wie trägt nur Frau Kriemhild · ſo übermüthgen Sinn!
Nun iſt doch unſer Eigen · Siegfried ihr Mann:
Der hat uns nun ſchon lange · wenig Dienſte gethan.“
Das trug ſie im Herzen · in großer Heimlichkeit;
Daß ſie ihr fremde blieben, · das war der Frauen leid.
Daß man ihr nicht zinſte · von des Fürſten Land,
Woher das wohl käme, · das hätte ſie gern erkannt.
Sie verſucht' es bei dem König, · ob es nicht geſchehn
Möchte, daß ſie Kriemhild · noch ſollte wiederſehn.
Sie vertraut' ihm heimlich, · worauf ihr ſann der Muth;
Da dauchte den König · der Frauen Rede nicht gut.
„Wie könnten wir ſie bringen,“ · ſprach der König hehr,
„Her zu dieſem Lande? · das fügt ſich nimmermehr.
Sie wohnen uns zu ferne: · ich darf ſie nicht drum bitten.“
Da gab ihm Brunhild Antwort · mit gar hochfährtgen Sitten:
„Und wäre noch ſo mächtig · eines Königs Mann,
Was ihm ſein Herr gebietet, · das muß doch ſein gethan.“
Lächeln muſte Gunther · ihrer Rede da:
Er nahm es nicht als Dienſt an, · wenn er Siegfrieden ſah.
Sie ſprach: „Lieber Herre, · bei der Liebe mein,
Hilf mir, daß Siegfried · und die Schweſter dein
Zu dieſem Lande kommen · und wir ſie hier erſehn:
So könnte mir auf Erden · nimmer lieber geſchehn.
„Deiner Schweſter Güte, · ihr wohlgezogner Muth,
Wenn ich daran gedenke, · wie wohl mirs immer thut;
Wie wir beiſammen ſaßen, · als ich dir ward vermählt!
Sie hat ſich mit Ehren · den kühnen Siegfried erwählt.“
Da bat ſie ihn ſo lange, · bis der König ſprach:
„Nun wißt, daß ich Gäſte · nicht lieber ſehen mag.
Ihr mögt mich leicht erbitten: · ich will die Boten mein
Zu ihnen beiden ſenden, · daß ſie kommen an den Rhein.“
Da ſprach die Königstochter: · „So ſollt ihr mir ſagen,
Wann ihr ſie wollt beſenden, · oder zu welchen Tagen
Die lieben Freunde ſollen · kommen in dieß Land;
Die ihr dahin wollt ſenden, · die macht zuvor mir bekannt.“
„Das will ich,“ ſprach der König: · „dreißig aus meinem Lehn
Laß ich zu ihnen reiten.“ · Die hieß er vor ſich gehn:
Durch ſie entbot er Märe · in Siegfriedens Land.
Da beſchenkte ſie Frau Brunhild · mit manchem reichen Gewand.
Der König ſprach: „Ihr Recken · ſollt von mir ſagen
Und nichts von dem verſchweigen, · was ich euch aufgetragen,
Siegfried dem ſtarken · und der Schweſter mein,
Ihnen dürf auf Erden · nimmer Jemand holder ſein.
„Und bittet, daß ſie beide · uns kommen an den Rhein:
Dafür will ich und Brunhild · ihnen ſtäts gewogen ſein.
Vor dieſer Sonnenwende · ſoll er hier Manchen ſehn,
Er und ſeine Mannen, · die ihm Ehre laßen geſchehn.
„Vermeldet auch dem König · Siegmund die Dienſte mein,
Daß ich und meine Freunde · ihm ſtäts gewogen ſei'n.
Und bittet meine Schweſter, · daß ſie's nicht unterläßt
Und zu den Freunden reitet: · nie ziemt' ihr ſo ein Freudenfeſt.“
Brunhild und Ute · und was man Frauen fand,
Die entboten ihre Dienſte · in Siegfriedens Land
Den minniglichen Frauen · und manchem kühnen Mann.
Nach Wunſch des Königs hoben · ſich bald die Boten hindann.
Sie ſtanden reiſefertig; · ihr Roſs und ihr Gewand
War ihnen angekommen: · da räumten ſie das Land.
Sie eilten zu dem Ziele, · dahin ſie wollten fahren.
Der König hieß die Boten · durch Geleite wohl bewahren.
Innerhalb zwölf Tagen · kamen ſie in das Land,
Zu Nibelungens Veſte, · wohin man ſie geſandt,
In der Mark zu Norweg · fanden ſie den Degen:
Roſs und Leute waren · müde von den langen Wegen.
Siegfried und Kriemhilden · war eilends hinterbracht,
Daß Ritter kommen waren, · die trügen ſolche Tracht,
Wie bei den Burgunden · man trug der Sitte nach.
Sie ſprang von einem Bette, · darauf die Ruhende lag.
Zu einem Fenſter ließ ſie · eins ihrer Mägdlein gehn;
Die ſah den kühnen Gere · auf dem Hofe ſtehn,
Ihn und die Gefährten, · die man dahin geſandt.
Ihr Herzeleid zu ſtillen, · wie liebe Kunde ſie fand!
Sie ſprach zu dem Könige: · „Seht ihr, wie ſie ſtehn,
Die mit dem ſtarken Gere · auf dem Hofe gehn,
Die uns mein Bruder Gunther · nieder ſchickt den Rhein.“
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Die ſollen uns willkommen ſein.“
All ihr Ingeſinde · lief hin, wo man ſie ſah.
Jeder an ſeinem Theile · gütlich ſprach er da
Das Beſte, was er konnte, · zu den Boten hehr.
Ihres Kommens freute · der König Siegmund ſich ſehr.
Herbergen ließ man Geren · und Die ihm unterthan
Und ihrer Roſſe warten. · Die Boten brachte man
Dahin, wo Herr Siegfried · bei Kriemhilden ſaß.
Sie ſahn den Boten gerne · ſicherlich ohne allen Haß.
Der Wirth mit ſeinem Weibe · erhob ſich gleich zur Hand.
Wohl ward empfangen Gere · aus Burgundenland
Mit ſeinen Fahrtgenoſſen · in König Gunthers Lehn.
Den Markgrafen Gere · bat man nicht länger zu ſtehn.
„Erlaubt uns die Botſchaft, · eh wir uns ſetzen gehn;
Uns wegemüde Gäſte, · laßt uns ſo lange ſtehn,
So melden wir die Märe, · die euch zu wißen thut
Gunther mit Brunhilden: · es geht ihnen beiden gut.
„Und was euch Frau Ute, · eure Mutter, her entbot,
Geiſelher der junge · und auch Herr Gernot
Und eure nächſten Freunde: · die haben uns geſandt
Und entbieten euch viele Dienſte · aus der Burgunden Land.“
„Lohn ihnen Gott,“ ſprach Siegfried; · „ich verſah zu ihnen wohl
Mich aller Lieb und Treue, · wie man zu Freunden ſoll.
So thut auch ihre Schweſter; · ihr ſollt uns ferner ſagen,
Ob unſre lieben Freunde · hohen Muth daheim noch tragen.
„Hat ihnen, ſeit wir ſchieden, · Jemand ein Leid gethan
Meiner Fraue Brüdern? · Das ſaget mir an.
Ich wollt es ihnen immer · mit Treue helfen tragen,
Bis ihre Widerſacher · meine Dienſte müſten beklagen.“
Antwort gab der Markgraf · Gere, ein Ritter gut:
„Sie ſind in allen Züchten · mit Freuden wohlgemuth.
Sie laden euch zum Rheine · zu einer Luſtbarkeit
Sie ſähn euch gar gerne, · daß ihr des außer Zweifel ſeid.
„Sie bitten meine Fraue · auch mit euch zu kommen.
Wenn nun der Winter · ein Ende hat genommen,
Vor dieſer Sonnenwende · da möchten ſie euch ſehn.“
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Das könnte ſchwerlich geſchehn.“
Da ſprach wieder Gere · von Burgundenland:
„Eure Mutter Ute · hat euch ſehr gemahnt
Mit Gernot und Geiſelher, · ihr ſollt es nicht verſagen.
Daß ihr ſo ferne wohnet, · hör ich ſie täglich beklagen.
„Brunhild meine Herrin · und ihre Mägdelein
Freuen ſich der Kunde, · und könnt es jemals ſein,
Daß ſie euch wiederſähen, · ihnen ſchuf es hohen Muth.“
Da dauchten dieſe Mären · die ſchöne Kriemhilde gut.
Gere war ihr Vetter: · der Wirth ihn ſitzen hieß;
Den Gäſten hieß er ſchenken, · nicht länger man das ließ.
Da kam dazu auch Siegmund: · als der die Boten ſah,
Freundlich ſprach der König · zu den Burgunden da:
„Willkommen uns, ihr Recken · in König Gunthers Lehn.
Da ſich Kriemhilden · zum Weibe hat erſehn
Mein Sohn Siegfried, · man ſollt euch öfter ſchaun
In dieſem Lande, dürften wir · bei euch auf Freundſchaft vertraun.
Sie ſprachen: Wenn er wolle, · ſie würden gerne kommen.
Ihnen ward mit Freuden · die Müdigkeit benommen.
Man hieß die Boten ſitzen; · Speiſe man ihnen trug:
Deren ſchuf da Siegfried · den lieben Gäſten genug.
Sie muſten da verweilen · volle neun Tage.
Darob erhoben endlich · die ſchnellen Ritter Klage,
Daß ſie nicht wieder reiten · durften in ihr Land.
Da hatt auch König Siegfried · zu ſeinen Freunden geſandt:
Er fragte, was ſie riethen: · er ſolle nach dem Rhein.
„Es ließ mich entbieten · Gunther der Schwager mein,
Er und ſeine Brüder, · zu einer Luſtbarkeit:
Ich möcht ihm gerne kommen, · liegt gleich ſein Land mir ſo weit.
„Sie bitten Kriemhilden, · mit mir zu ziehn.
Nun rathet, liebe Freunde, · wie kommen wir dahin?
Und ſollt ich Heerfahrten · durch dreißig Herren Land,
Gern dienſtbereit erwieſe · ſich ihnen Siegfriedens Hand.“
Da ſprachen ſeine Recken: · „Steht euch zur Fahrt der Muth
Nach dem Hofgelage, · wir rathen, was ihr thut:
Ihr ſollt mit tauſend Recken · reiten an den Rhein:
So mögt ihr wohl mit Ehren · bei den Burgunden ſein.“
Da ſprach von Niederlanden · der König Siegmund:
„Wollt ihr zum Hofgelage, · was thut ihr mirs nicht kund?
Ich will mit euch reiten, · wenn ihrs zufrieden ſeid;
Hundert Degen führ ich, · damit mehr ich eur Geleit.“
„Wollt ihr mit uns reiten, · lieber Vater mein,“
Sprach der kühne Siegfried, · „des will ich fröhlich ſein.
Binnen zwölf Tagen · räum ich unſer Land.“
Die ſie begleiten ſollten, · denen gab man Roſs' und Gewand.
Als dem edeln König · zur Reiſe ſtand der Muth,
Da ließ man wieder reiten · die ſchnellen Degen gut.
Seiner Frauen Brüdern · entbot er an den Rhein,
Daß er gerne wolle · bei ihrem Hofgelage ſein.
Siegfried und Kriemhild, · ſo hörten wir ſagen,
Beſchenkten ſo die Boten, · es mochten es nicht tragen
Die Pferde nach der Heimat: · er war ein reicher Mann.
Ihre ſtarken Säumer · trieb man zur Reiſe fröhlich an.
Da ſchuf dem Volke Kleider · Siegfried und Siegemund.
Eckewart der Markgraf · ließ da gleich zur Stund
Frauenkleider ſuchen, · die beſten, die man fand
Und irgend mocht erwerben · in Siegfriedens ganzem Land.
Die Sättel und die Schilde · man da bereiten ließ.
Den Rittern und den Frauen, · die er ſich folgen hieß,
Gab man, was ſie wollten; · nichts gebrach daran.
Er brachte ſeinen Freunden · manchen herrlichen Mann.
Nun wandten ſich die Boten · zurück und eilten ſehr.
Da kam zu den Burgunden · Gere, der Degen hehr,
Und wurde ſchön empfangen: · ſie ſchwangen ſich zu Thal
Von Roſſen und von Mähren · dort vor König Gunthers Saal.
Die Jungen und die Alten · kamen, wie man thut,
Und fragten nach der Märe. · Da ſprach der Ritter gut:
„Wenn ichs dem König ſage, · wird es auch euch bekannt.“
Er gieng mit den Geſellen · dahin, wo er Gunthern fand.
Der König vor Freude · von dem Seßel ſprang;
Daß ſie ſo bald gekommen, · ſagt' ihnen Dank
Brunhild die Schöne. · Zu den Boten ſprach er da:
„Wie gehabt ſich Siegfried, · von dem mir Liebe viel geſchah?“
Da ſprach der kühne Gere: · „Er ward vor Freuden roth,
Er und eure Schweſter. · So holde Mär entbot
Seinen Freunden nimmer · noch zuvor ein Mann,
Als euch der edle Siegfried · und ſein Vater hat gethan.“
Da ſprach zum Markgrafen · des reichen Königs Weib:
„Nun ſagt mir, kommt uns Kriemhild? · Hat noch ihr ſchöner Leib
Die hohe Zier behalten, · deren ſie mochte pflegen?“
Er ſprach: „Sie kommen beide; · mit ihnen mancher kühne Degen.“
Ute ließ die Boten · alsbald vor ſich gehn.
Da wars an ihrem Fragen · leichtlich zu verſtehn,
Was ſie zu wißen wünſche: · „War Kriemhild noch wohlauf?“
Er gab Beſcheid, ſie kam auch · nach kurzer Tage Verlauf.
Da blieb auch nicht verhohlen · am Hof der Botenſold,
Den ihnen Siegfried ſchenkte, · die Kleider und das Gold:
Die ließ man alle ſchaun · in der drei Fürſten Lehn.
Da muſten ſie ihm Ehre · wohl für Milde zugeſtehn.
„Er mag,“ ſprach da Hagen, · „mit vollen Händen geben:
Er könnt es nicht verſchwenden, · und ſollt er ewig leben.
Den Hort der Nibelungen · beſchließt des Königs Hand;
Hei! daß er jemals käme · her in der Burgunden Land!“
Da freuten ſich die Degen · am Hof im Voraus,
Daß ſie kommen ſollten. · Beflißen überaus
Sah man ſpät und frühe · Die in der Könge Lehn.
Welch herrlich Geſtühle · ließ man vor der Burg erſtehn!
Hunold der kühne · und Sindold der Degen
Hatten wenig Muße: · des Amtes muſte pflegen
Truchſeß auch und Schenke · und richten manche Bank;
Auch Ortwein war behülflich: · des ſagt' ihnen Gunther Dank.
Rumold der Küchenmeiſter, · wie herrſcht' er in der Zeit
Ob ſeinen Unterthanen, · gar manchem Keßel weit,
Häfen und Pfannen; · hei! was man deren fand!
Denen ward da Koſt bereitet, · die da kamen in das Land.
Der Frauen Arbeiten · waren auch nicht klein:
Sie bereiteten die Kleider, · darauf manch edler Stein,
Des Stralen ferne glänzten, · gewirkt war in das Gold;
Wenn ſie die anlegten, · ward ihnen Männiglich hold.
All ihr Bemühen · laßen wir nun ſein
Und ſagen, wie Frau Kriemhild · und ihre Mägdelein
Hin zum Rheine fuhren · von Nibelungenland.
Niemals trugen Roſſe · ſo viel herrlich Gewand.
Viel Saumſchreine wurden · verſendet auf den Wegen.
Da ritt mit ſeinen Freunden · Siegfried der Degen
Und die Königstochter · in hoher Freuden Wahn;
Da war es ihnen Allen · zu großem Leide gethan.
Sie ließen in der Heimat · Siegfrieds Kindelein
Und Kriemhildens bleiben; · das muſte wohl ſo ſein.
Aus ihrer Hofreiſe · erwuchs ihm viel Beſchwer:
Seinen Vater, ſeine Mutter · erſah das Kindlein nimmermehr.
Mit ihnen ritt von dannen · Siegmund der König hehr.
Hätt er ahnen können, · wie es ihm nachher
Beim Hofgelag ergienge, · er hätt es nicht geſehn:
Ihm konnt an lieben Freunden · größer Leid nicht geſchehn.
Vorausgeſandte Boten · verhießen ſie bei Zeit.
Entgegen ritten ihnen · in herrlichem Geleit
Von Utens Freunden viele · und König Gunthers Lehn.
Der Wirth ließ großen Eifer · für die lieben Gäſte ſehn.
Er gieng zu Brunhilden, · wo er ſie ſitzen fand:
„Wie empfieng euch meine Schweſter, da ihr kamet in dieß Land?
So will ich, daß ihr Siegfrieds · Gemahl empfangen ſollt.“
„Das thu ich“, ſprach ſie, „gerne: ich bin ihr billiglich hold.“
Da ſprach der mächtige König: · „Sie kommen morgen fruh;
Wollt ihr ſie empfangen, · ſo greift nur bald dazu,
Daß ſie uns in der Veſte · nicht überraſchen hie:
Mir ſind ſo liebe Gäſte · nicht oft gekommen wie ſie.“
Ihre Mägdelein und Frauen · ließ ſie da zur Hand
Gute Kleider ſuchen, · die beſten, die man fand,
Die ihr Ingeſinde · vor Gäſten mochte tragen.
Das thaten ſie doch gerne: · das mag man für Wahrheit ſagen.
Sie zu empfangen eilten · auch Die in Gunthers Lehn;
All ſeine Recken · hieß er mit ſich gehn.
Da ritt die Königstochter · hinweg in ſtolzem Zug.
Die lieben Gäſte grüßte · ſie alle freudig genug.
Mit wie hohen Ehren · da empfieng man ſie!
Sie dauchte, daß Frau Kriemhild · Brunhilden nie
So wohl empfangen habe · in Burgundenland.
Allen, die es ſahen, · war hohe Wonne bekannt.
Nun war auch Siegfried kommen · mit ſeiner Leute Heer.
Da ſah man die Helden · ſich wenden hin und her
Im Feld allenthalben · mit ungezählten Scharen.
Vor Staub und Drängen konnte · ſich da Niemand bewahren.
Als der Wirth des Landes · Siegfrieden ſah
Und Siegmund den König, · wie gütlich ſprach er da:
„Nun ſeid mir hochwillkommen · und all den Freunden mein;
Wir wollen hohen Muthes · ob eurer Hofreiſe ſein.“
„Nun lohn euch Gott,“ ſprach Siegmund, · der ehrbegierge Mann.
„Seit mein Sohn Siegfried · euch zum Freund gewann,
Rieth mir all mein Sinnen, · wie ich euch möchte ſehn.“
Da ſprach König Gunther: · „Nun freut mich, daß es geſchehn.“
Siegfried ward empfangen, · wie man das wohl geſollt,
Mit viel großen Ehren; · ein Jeder ward ihm hold.
Des half mit Ritterſitten · Gernot und Geiſelher;
Man bot es lieben Gäſten · ſo gütlich wohl nimmermehr.
Nun konnten ſich einander · die Königinnen ſchaun.
Da ſah man Sättel leeren · und viel der ſchönen Fraun
Von der Helden Händen · gehoben auf das Gras:
Wer gerne Frauen diente, · wie ſelten der da müßig ſaß!
Da giengen zu einander · die Frauen minniglich.
Darüber höchlich freuten · viel der Ritter ſich,
Daß der Beiden Grüßen · ſo minniglich ergieng.
Man ſah da manchen Recken, · der Frauendienſte begieng.
Das herrliche Geſinde · nahm ſich bei der Hand;
Züchtiglich ſich neigen · man allerorten fand
Und minniglich ſich küſſen · viel Frauen wohlgethan.
Das ſahen gerne Gunthers und · Siegfrieds Mannen mit an.
Sie ſäumten da nicht länger · und ritten nach der Stadt.
Der Wirth ſeinen Gäſten · zu erweiſen hat,
Daß man ſie gerne ſähe · in der Burgunden Land.
Manches ſchöne Kampfſpiel · man vor den Jungfrauen fand.
Da ließ von Tronje Hagen · und auch Ortewein,
Wie ſie gewaltig waren, · wohl offenkundig ſein.
Was ſie gebieten mochten, · das ward alsbald gethan.
Man ſah die lieben Gäſte · viel Dienſt von ihnen empfahn.
Man hörte Schilde hallen · vor der Veſte Thor
Von Stichen und von Stößen. · Lange hielt davor
Der Wirth mit ſeinen Gäſten, · bis alle waren drin,
In mancher Kurzweil giengen · ihnen ſchnell die Stunden hin.
Vor den weiten Gäſteſaal · ſie nun in Freuden ritten.
Viel kunſtvolle Decken, · reich und wohlgeſchnitten,
Sah man von den Sätteln · den Frauen wohlgethan
Allenthalben hangen; · da kamen Diener heran.
Zu Gemache wieſen · ſie die Gäſte da.
Hin und wieder blicken · man Brunhilden ſah
Nach Kriemhild der Frauen; · ſchön war ſie genug:
Den Glanz noch vor dem Golde · ihre hehre Farbe trug.
Da vernahm man allenthalben · zu Worms in der Stadt
Den Jubel des Geſindes. · König Gunther bat
Dankwart, ſeinen Marſchall, · es wohl zu verpflegen:
Da ließ er die Gäſte · in gute Herbergen legen.
Draußen und darinnen · beköſtigte man ſie:
So wohl gewartet wurde · fremder Gäſte nie.
Was Einer wünſchen mochte, · das war ihm gern gewährt:
So reich war der König, · es blieb Keinem was verwehrt.
Man dient' ihnen freundlich · und ohn allen Haß.
Der König zu Tiſche · mit ſeinen Gäſten ſaß;
Siegfrieden ließ man ſitzen, · wie er ſonſt gethan.
Mit ihm gieng zu Tiſche · gar mancher waidliche Mann.
Zwölfhundert Recken · ſetzten ſich dahin
Mit ihm an der Tafel. · Brunhild die Königin
Gedachte, wie ein Dienſtmann · nicht reicher möge ſein.
Noch war ſie ihm günſtig, · ſie ließ ihn gerne gedeihn.
Es war an einem Abend, · da ſo der König ſaß,
Viel reiche Kleider wurden · da vom Weine naß,
Als die Schenken ſollten · zu den Tiſchen gehn:
Da ſah man volle Dienſte · mit großem Fleiße geſchehn.
Wie bei Hofgelagen · Sitte mochte ſein,
Ließ man zur Ruh geleiten · Fraun und Mägdelein.
Von wannen wer gekommen, · der Wirth ihm Sorge trug;
In gütlichen Ehren · gab man Allen genug.
Die Nacht war zu Ende, · ſich hob des Tages Schein,
Aus den Saumſchreinen · mancher Edelſtein
Erglänzt' auf gutem Kleide; · das ſchuf der Frauen Hand.
Aus der Lade ſuchten ſie · manches herrliche Gewand.
Eh es noch völlig tagte, · kamen vor den Saal
Ritter viel und Knechte: · da hob ſich wieder Schall
Vor einer Frühmeſſe, · die man dem König ſang.
So ritten junge Helden, · der König ſagt' ihnen Dank.
Da klangen die Poſaunen · von manchem kräftgen Stoß;
Von Flöten und Drommeten · ward der Schall ſo groß,
Worms die weite Veſte · gab lauten Widerhall.
Auf die Roſſe ſprangen · die kühnen Helden überall.
Da hob ſich in dem Lande · ein hohes Ritterſpiel
Von manchem guten Recken: · man fand ihrer viel,
Deren junge Herzen · füllte froher Muth.
Unter Schilden ſah man · manchen zieren Ritter gut.
Da ließen in den Fenſtern · die herrlichen Fraun
Und viel der ſchönen Maide · ſich im Schmucke ſchaun.
Sie ſahen kurzweilen · manchen kühnen Mann:
Der Wirth mit ſeinen Freunden · zu reiten ſelber begann.
So vertrieben ſie die Weile, · die dauchte ſie nicht lang.
Da lud zu dem Dome · mancher Glocke Klang:
Den Frauen kamen Roſſe, · da ritten ſie hindann;
Den edeln Königinnen · folgte mancher kühne Mann.
Sie ſtiegen vor dem Münſter · nieder auf das Gras.
Noch hegte zu den Gäſten · Brunhild keinen Haß.
Sie giengen unter Krone · in das Münſter weit.
Bald ſchied ſich dieſe Liebe: · das wirkte grimmiger Neid.
Als die Meſſe war geſungen, · ſah man ſie weiter ziehn
Unter hohen Ehren. · Sie giengen heiter hin
Zu des Königs Tiſchen. · Ihre Freude nicht erlag
Bei dieſen Luſtbarkeiten · bis gegen den eilften Tag.
Die Königin gedachte: · „Ich wills nicht länger tragen.
Wie ich es fügen möge, · Kriemhild muß mir ſagen,
Warum uns ſo lange · den Zins verſaß ihr Mann:
Der iſt doch unſer Eigen: · der Frag ich nicht entrathen kann.“
So harrte ſie der Stunde, · bis es der Teufel rieth,
Daß ſie das Hofgelage · und die Luſt mit Leide ſchied.
Was ihr lag am Herzen, · zu Lichte muſt es kommen:
Drum ward in manchen Landen · durch ſie viel Jammer vernommen.
Es war vor einer Veſper, · als man den Schall vernahm,
Der von manchem Recken · auf dem Hofe kam:
Sie ſtellten Ritterſpiele · der Kurzweil willen an.
Da eilten es zu ſchauen · Frauen viel und mancher Mann.
Da ſaßen beiſammen · die Königinnen reich
Und gedachten zweier Recken, · die waren ohne Gleich.
Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „Ich hab einen Mann,
Dem wären dieſe Reiche · alle billig unterthan.“
Da ſprach zu ihr Frau Brunhild: · „Wie könnte das wohl ſein?
Wenn Anders Niemand lebte · als du und er allein,
So möchten ihm die Reiche · wohl zu Gebote ſtehn:
So lange Gunther lebte, · ſo könnt es nimmer geſchehn.“
Da ſprach Kriemhild wieder: · „Siehſt du, wie er ſteht,
Wie er da ſo herrlich · vor allen Recken geht,
Wie der lichte Vollmond · vor den Sternen thut!
Darob mag ich wohl immer · tragen fröhlichen Muth.“
Da ſprach wieder Brunhild: · „Wie waidlich ſei dein Mann,
Wie ſchön und wie bieder, · ſo ſteht ihm doch voran
Gunther der Recke, · der edle Bruder dein:
muß vor allen Königen, · das wiße du wahrlich, ſein.“
Da ſprach Kriemhild wieder: · „So werth iſt mein Mann,
Daß er ohne Grund nicht · ſolch Lob von mir gewann.
An gar manchen Dingen · iſt ſeine Ehre groß.
Glaubſt du das, Brunhild? · er iſt wohl Gunthers Genoß!“
„Das ſollſt du mir, Kriemhild, · im Argen nicht verſtehn;
Es iſt auch meine Rede · nicht ohne Grund geſchehn.
Ich hört' es Beide ſagen, · als ich zuerſt ſie ſah,
Und als des Königs Willen · in meinen Spielen geſchah.
„Und da er meine Minne · ſo ritterlich gewann,
Da ſagt' es Siegfried ſelber, · er ſei des Königs Mann:
Drum halt ich ihn für eigen: · ich hört' es ihn geſtehn.“
Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „So wär mir übel geſchehn.
„Wie hätten ſo geworben · die edeln Brüder mein,
Daß ich des Eigenmannes · Gemahl ſollte ſein?
Darum will ich, Brunhild, · gar freundlich dich bitten,
Laß mir zu Lieb die Rede · hinfort mit gütlichen Sitten.“
Die Königin verſetzte: · „Sie laßen mag ich nicht:
Wie thät ich auf ſo manchen · Ritter wohl Verzicht,
Der uns mit dem Degen · zu Dienſt iſt unterthan?“
Kriemhild die Schöne · hub da ſehr zu zürnen an.
„Dem muſt du wohl entſagen, · daß er in der Welt
Dir irgend Dienſte leiſte. · Werther iſt der Held
Als mein Bruder Gunther, · der Degen unverzagt.
Erlaß mich der Dinge, · die du mir jetzo geſagt.
„Auch muß mich immer wundern, · wenn er dein Dienſtmann iſt
Und du ob uns Beiden · So gewaltig biſt,
Warum er dir ſo lange · den Zins verſeßen hat;
Deines Uebermuthes · wär ich billig nun ſatt.“
„Du willſt dich überheben,“ · ſprach da die Königin.
„Wohlan, ich will doch ſchauen, · ob man dich fürderhin
So hoch in Ehren halte, · als man mich ſelber thut.“
Die Frauen waren beide · in ſehr zornigem Muth.
Da ſprach wieder Kriemhild: · „Das wird dir wohl bekannt:
Da du meinen Siegfried · dein eigen haſt genannt,
So ſollen heut die Degen · der beiden Könge ſehen,
Ob ich vor der Königin · wohl zur Kirche dürfe gehn.
„Ich laße dich wohl ſchauen, · daß ich edel bin und frei,
Und daß mein Mann viel werther · als der deine ſei.
Ich will damit auch ſelber · nicht beſcholten ſein:
Du ſollſt noch heute ſehen, · wie die Eigenholde dein
„Zu Hof geht vor den Helden · in Burgundenland.
Ich will höher gelten, · als man je gekannt
Eine Königstochter, · die noch die Krone trug.“
Unter den Frauen hob ſich · der Haß da grimm genug.
Da ſprach Brunhild wieder: · „Willſt du nicht eigen ſein,
So muſt du dich ſcheiden · mit den Frauen dein
Von meinem Ingeſinde, · wenn wir zum Münſter gehn.“
„In Treuen,“ ſprach da Kriemhild, · „alſo ſoll es geſchehn.“
„Nun kleidet euch, ihr Maide,“ · hub da Kriemhild an:
„Ob ich frei von Schande · hier nicht verbleiben kann,
Laßt es heute ſchauen, · beſitzt ihr reichen Staat;
Sie ſoll es noch verläugnen, · was ihr Mund geſprochen hat.“
Ihnen war das leicht zu rathen; · ſie ſuchten reich Gewand.
Wie bald man da im Schmucke · viel Fraun und Maide fand!
Da gieng mit dem Geſinde · des edeln Wirths Gemahl;
Zu Wunſch gekleidet ward auch · die ſchöne Kriemhild zumal
Mit dreiundvierzig Maiden, · die ſie zum Rhein gebracht;
Die trugen lichte Zeuge, · in Arabien gemacht.
So kamen zu dem Münſter · die Mägdlein wohlgethan.
Ihrer harrten vor dem Hauſe · Die Siegfrieden unterthan.
Die Leute nahm es Wunder, · warum das geſchah,
Daß man die Königinnen · ſo geſchieden ſah,
Und daß ſie bei einander · nicht giengen ſo wie eh.
Das gerieth noch manchem Degen · zu Sorgen und großem Weh.
Nun ſtand vor dem Münſter · König Gunthers Weib.
Da fanden viel der Ritter · genehmen Zeitvertreib
Bei den ſchönen Frauen, · die ſie da nahmen wahr.
Da kam die edle Kriemhild · mit mancher herrlichen Schar.
Was Kleider je getragen · eines edeln Ritters Kind,
Gegen ihr Geſinde · war alles nur wie Wind.
Sie war ſo reich an Gute, · dreißig Königsfraun
Mochten die Pracht nicht zeigen, · die da an ihr war zu ſchaun.
Was man auch wünſchen mochte, · Niemand konnte ſagen,
Daß er ſo reiche Kleider · je geſehen tragen,
Als da zur Stunde trugen · ihre Mägdlein wohlgethan.
Brunhilden wars zu Leide, · ſonſt hätt es Kriemhild nicht gethan.
Nun kamen ſie zuſammen · vor dem Münſter weit.
Die Hausfrau des Königs · aus ingrimmem Neid
Hieß da Kriemhilden · unwirſch ſtille ſtehn:
„Es ſoll vor Königsweibe · die Eigenholde nicht gehn.“
Da ſprach die ſchöne Kriemhild, · zornig war ihr Muth:
„Hätteſt du noch geſchwiegen, · das wär dir wohl gut.
Du haſt geſchändet ſelber · deinen ſchönen Leib:
Mocht eines Mannes Kebſe · je werden Königesweib?“
„Wen willſt du hier verkebſen?“ · ſprach des Königs Weib.
„Das thu ich dich,“ ſprach Kriemhild: · „deinen ſchönen Leib
Hat Siegfried erſt geminnet, · mein geliebter Mann:
Wohl war es nicht mein Bruder, · der dein Magdthum gewann.
„Wo blieben deine Sinne? · Es war doch arge Liſt:
Was ließeſt du ihn minnen, · wenn er dein Dienſtmann iſt?
Ich höre dich,“ ſprach Kriemhild, · „ohn alle Urſach klagen.“
„In Wahrheit,“ ſprach da Brunhild, „das will ich doch Gunthern ſagen.“
„Wie mag mich das gefährden? · Dein Uebermuth hat dich betrogen:
Du haſt mich mit Reden · in deine Dienſte gezogen,
Daß wiße du in Treuen, · es iſt mir immer leid:
Zu trauter Freundſchaft bin ich · dir nimmer wieder bereit.“
Brunhild begann zu weinen; · Kriemhild es nicht verhieng,
Vor des Königs Weibe · ſie in das Münſter gieng
Mit ihrem Ingeſinde. · Da hub ſich großer Haß;
Es wurden lichte Augen · ſehr getrübt davon und naß.
Wie man da Gott auch diente · oder Jemand ſang,
Brunhilden währte · die Weile viel zu lang.
War allzutrübe · der Sinn und auch der Muth:
Des muſte bald entgelten · mancher Degen kühn und gut.
Brunhild mit ihren Frauen · gieng vor das Münſter ſtehn.
Sie gedachte: „Ich muß von Kriemhild · mehr zu hören ſehn,
Wes mich ſo laut hier zeihte · das wortſcharfe Weib:
Und wenn er ſichs gerühmt hat, gehts ihm an Leben und Leib!“
Nun kam die edle Kriemhild · mit manchem kühnen Mann.
Da begann Frau Brunhild: · „Haltet hier noch an.
Ihr wolltet mich verkebſen: · laßt uns Beweiſe ſehn,
Mir iſt von euern Reden, · das wißet, übel geſchehn.“
Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „Was laßt ihr mich nicht gehn?
Ich bezeug es mit dem Golde, · an meiner Hand zu ſehn.
Das brachte mir Siegfried, · nachdem er bei euch lag.“
Nie erlebte Brunhild · wohl einen leidigen Tag.
Sie ſprach: „Dieß Gold das edle, · das ward mir geſtohlen
Und blieb mir lange · Jahre übel verhohlen:
Ich komme nun dahinter, · wer mir es hat genommen.“
Die Frauen waren beide · in großen Unmuth gekommen.
Da ſprach wieder Kriemhild: · „Ich will nicht ſein der Dieb.
Du hätteſt ſchweigen ſollen, · wär dir Ehre lieb.
Ich bezeug es mit dem Gürtel, · den ich umgethan,
Ich habe nicht gelogen: · wohl wurde Siegfried dein Mann.“
Von Niniveer Seide · ſie eine Borte trug
Mit edelm Geſteine, · die war wohl ſchön genug.
Als Brunhild ſie erblickte, · zu weinen hub ſie an.
Das muſte Gunther wißen · und alle Die ihm unterthan.
Da ſprach des Landes Königin: · „Sendet her zu mir
Den König vom Rheine: · hören ſoll er hier,
Wie ſehr ſeine Schweſter · ſchändet meinen Leib:
Sie ſagt vor allen Leuten, · ich ſei Siegfriedens Weib.“
Der König kam mit Recken: · als er weinen ſah
Brunhild ſeine Traute, · gütlich ſprach er da:
„Von wem, liebe Fraue, · iſt euch ein Leid geſchehn?“
Sie ſprach zu dem König: · „Unfröhlich muß ich hier ſtehn.
Aller meiner Ehren · hat die Schweſter dein
Mich berauben wollen. · Geklagt ſoll dir ſein,
Sie ſagt: ich ſei die Kebſe · von Siegfried ihrem Mann.“
Da ſprach König Gunther: · „So hat ſie übel gethan.“
„Sie trägt hier meinen Gürtel, · den ich längſt verloren,
Und mein Gold das rothe. · Daß ich je ward geboren,
Des muß mich ſehr gereuen: · befreiſt du, Herr, mich nicht
Solcher großen Schande, · ich minne nie wieder dich.“
Da ſprach König Gunther: · „So ruft ihn herbei:
Hat er ſichs gerühmet, · das geſteh er frei,
Er woll es denn läugnen, · der Held von Niederland.“
Da ward der kühne Siegfried · bald hin zu ihnen geſandt.
Als Siegfried der Degen · die Unmuthvollen ſah
Und den Grund nicht wuſte, · balde ſprach er da:
„Was weinen dieſe Frauen? · das macht mir bekannt:
Oder weſſentwegen · wurde hier nach mir geſandt“
Da ſprach König Gunther: · „Groß Herzleid fand ich hier.
Eine Märe ſagte · mein Weib Frau Brunhild mir:
Du habeſt dich gerühmet, · du wärſt ihr erſter Mann.
So ſpricht dein Weib Frau Kriemhild: · haſt du, Degen, das gethan?“
„Niemals,“ ſprach da Siegfried; · „und hat ſie das geſagt,
Nicht eher will ich ruhen, · bis ſie es beklagt,
Und will davon mich reinigen · vor deinem ganzen Heer
Mit meinen hohen Eiden, · ich ſagte Solches nimmermehr.“
Da ſprach der Fürſt vom Rheine: · „Wohlan, das zeige mir.
Der Eid, den du geboten, · geſchieht der allhier,
Aller falſchen Dinge · laß ich dich ledig gehn.“
Man ließ in einem Ringe · die ſtolzen Burgunden ſtehn.
Da bot der kühne Siegfried · zum Eide hin die Hand.
Da ſprach der reiche König: · „Jetzt hab ich wohl erkannt,
Ihr ſeid hieran unſchuldig · und ſollt des ledig gehn:
Des euch Kriemhild zeihte, · das iſt nicht von euch geſchehn.“
Da ſprach wieder Siegfried: · „Und kommt es ihr zu Gut,
Daß deinem ſchönen Weibe · ſie ſo betrübt den Muth,
Das wäre mir wahrlich · aus der Maßen leid.“
Da blickten zu einander · die Ritter kühn und allbereit.
„Man ſoll ſo Frauen ziehen,“ · ſprach Siegfried der Degen,
„Daß ſie üppge Reden · laßen unterwegen;
Verbiet es deinem Weibe, · ich will es meinem thun.
Solchen Uebermuthes · in Wahrheit ſchäm ich mich nun.“
Viel ſchöne Frauen wurden · durch Reden ſchon entzweit.
Da erzeigte Brunhild · ſolche Traurigkeit,
Daß es erbarmen muſte · Die in Gunthers Lehn.
Von Tronje Hagen ſah man · zu der Königin gehn.
Er fragte, was ihr wäre, · da er ſie weinend fand.
Sie ſagt' ihm die Märe. · Er gelobt' ihr gleich zur Hand,
Daß es büßen ſollte · der Kriemhilde Mann,
Oder man treff ihn nimmer · unter Fröhlichen an.
Ueber die Rede kamen · Ortwein und Gernot,
Allda die Helden riethen · zu Siegfriedens Tod.
Dazu kam auch Geiſelher, · der ſchönen Ute Kind;
Als er die Rede hörte, · ſprach der Getreue geſchwind:
„O weh, ihr guten Knechte, · warum thut ihr das?
Siegfried verdiente · ja niemals ſolchen Haß,
Daß er darum verlieren · Leben ſollt und Leib:
Auch ſind es viel Dinge, · um die wohl zürnet ein Weib.“
„Sollen wir Gäuche ziehen?“ · ſprach Hagen entgegen:
„Das brächte wenig Ehre · ſolchen guten Degen.
Daß er ſich rühmen durfte · der lieben Frauen mein,
Ich will des Todes ſterben · oder es muß gerochen ſein.“
Da ſprach der König ſelber: · „Er hat uns nichts gethan
Als Liebes und Gutes: · leb er denn fortan.
Was ſollt ich dem Recken · hegen ſolchen Haß?
Er bewies uns immer Treue, · gar williglich that er das.“
Da begann der Degen · von Metz Herr Ortewein:
„Wohl kann ihm nicht mehr helfen · die große Stärke ſein.
Will es mein Herr erlauben, · ich thu ihm alles Leid.“
Da waren ihm die Helden · ohne Grund zu ſchaden bereit.
Dem folgte doch Niemand, · außer daß Hagen
Alle Tage pflegte · zu Gunthern zu ſagen:
Wenn Siegfried nicht mehr lebte, · ihm würden unterthan
Manches Königs Lande. · Da hub der Held zu trauern an.
Man ließ es bewenden · und gieng dem Kampfſpiel nach.
Hei! was man ſtarker Schäfte · vor dem Münſter brach
Vor Siegfriedens Weibe · bis hinan zum Saal!
Mit Unmuth ſah es Mancher, · dem König Gunther befahl.
Der König ſprach: „Laßt fahren · den mordlichen Zorn.
Er iſt uns zu Ehren · und zum Heil geborn;
Auch iſt ſo grimmer Stärke · der wunderkühne Mann,
Wenn ers inne würde, · ſo dürfte Niemand ihm nahn.“
„Nicht doch,“ ſprach da Hagen, · „da dürft ihr ruhig ſein:
Wir leiten in der Stille · alles ſorglich ein.
Brunhildens Weinen · ſoll ihm werden leid.
Immer ſei ihm Hagen · zu Haß und Schaden bereit.“
Da ſprach der König Gunther: · „Wie möcht es geſchehn?“
Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Das ſollt ihr bald verſtehn:
Wir laßen Boten reiten · her in dieſes Land,
Uns offnen Krieg zu künden, · die hier Niemand ſind bekannt.
„Dann ſagt ihr vor den Gäſten, · ihr wollt mit euerm Lehn
Euch zur Heerfahrt rüſten. · Sieht er das geſchehn,
So verſpricht er euch zu helfen; · dann gehts ihm an den Leib,
Erfahr ich nur die Märe · von des kühnen Recken Weib.“
Der König folgte leider · ſeines Dienſtmanns Rath.
So huben an zu ſinnen · auf Untreu und Verrath,
Eh es wer erkannte, · die Ritter auserkoren:
Durch zweier Frauen Zanken · gieng da mancher Held verloren.
Man ſah am vierten Morgen · zweiunddreißig Mann
Hin zu Hofe reiten: · da ward es kund gethan
Gunther dem reichen, · es droh ihm neuer Streit.
Die Lüge ſchuf den Frauen · das allergrößeſte Leid.
Sie gewannen Urlaub, · an den Hof zu gehn.
Da ſagten ſie, ſie ſtänden · in Lüdegers Lehn,
Den einſt bezwungen hatte · Siegfriedens Hand
Und ihn als Geiſel brachte · König Gunthern in das Land.
Die Boten grüßte Gunther · und hieß ſie ſitzen gehn.
Einer ſprach darunter: · „Herr König, laßt uns ſtehn,
Daß wir die Mären ſagen, · die euch entboten ſind.
Wohl habt ihr zu Feinden, · das wißt, mancher Mutter Kind.
„Euch wiederſagen Lüdegaſt · und König Lüdeger:
Denen ſchuft ihr weiland · grimmige Beſchwer;
Nun wollen ſie mit Heereskraft · reiten in dieß Land.“
Gunther begann zu zürnen, · als wär es ihm unbekannt.
Man ließ die falſchen Boten · zu den Herbergen gehn.
Wie mochte da Siegfried · der Tücke ſich verſehn,
Er oder anders Jemand, · die man ſo liſtig ſpann?
Doch war es ihnen ſelber · zu großem Leide gethan.
Der König mit den Freunden · gieng raunend ab und zu:
Hagen von Tronje · ließ ihm keine Ruh,
Noch wollt es Mancher wenden · in des Königs Lehn;
Doch nicht vermocht er Hagen · von ſeinen Räthen abzuſtehn.
Eines Tages Siegfried · die Degen raunend fand.
Da begann zu fragen · der Held der Niederland:
„Wie traurig geht der König · und Die ihm unterthan?
Das helf ich immer rächen, · hat ihnen wer ein Leid gethan.“
Da ſprach König Gunther: · „Wohl hab ich Herzeleid:
Lüdegaſt und Lüdeger · drohn mir wieder Streit.
Mit Heerfahrten wollen ſie · reiten in mein Land.“
Da ſprach der kühne Degen: · „Dem ſoll Siegfriedens Hand
„Nach allen euern Ehren · mit Kräften widerſtehn;
Von mir geſchieht den Degen, · was ihnen einſt geſchehn.
Ihre Burgen leg ich wüſte · und dazu ihr Land,
Eh ich ablaße: · des ſei mein Haupt euer Pfand.
„Ihr mit euern Mannen · nehmt der Heimat wahr;
Laßt mich zu ihnen reiten · mit meiner Leute Schar.
Daß ich euch gerne diene, · laß ich euch wohl ſehn:
Von mir ſoll euern Feinden, · das wißet, übel geſchehn.“
„Nun wohl mir dieſer Märe,“ · der König ſprach da ſo,
Als wär er ſeiner Hülfe · alles Ernſtes froh.
Tief neigte ſich in Falſchheit · der ungetreue Mann.
Da ſprach der edle Siegfried: · „Laßt euch keine Sorge nahn.“
Sie ſchickten mit den Knechten · zu der Fahrt ſich an:
Siegfrieden und den Seinen · ward es zum Schein gethan.
Da hieß er ſich rüſten · Die von Niederland:
Siegfriedens Recken · ſuchten ihr Streitgewand.
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Mein Vater Siegmund,
Bleibt ihr hier im Lande: · wir kehren bald geſund,
Will Gott uns Glück verleihen, · wieder an den Rhein.
Ihr ſollt bei dem König · unterdeſſen fröhlich ſein.“
Da wollten ſie von dannen: · die Fähnlein band man an.
Umher ſtanden Viele, · die Gunthern unterthan
Und hatten nicht erfahren, · wie es damit bewandt.
Groß Heergeſinde war es, · das da bei Siegfrieden ſtand.
Die Panzer und die Helme · man auf die Roſſe lud;
Aus dem Lande wollten · viel ſtarke Recken gut.
Da gieng von Tronje Hagen · hin, wo er Kriemhild fand;
Er bat ſie um Urlaub: · ſie wollten räumen das Land.
„Nun wohl mir,“ ſprach Kriemhild, · „daß ich den Mann gewann.“
Der meine lieben Freunde · ſo wohl beſchützen kann,
Wie hier mein Herr Siegfried · an meinen Brüdern thut:
Darum trag ich,“ ſprach die Königin, · „immer fröhlichen Muth.
„Lieber Freund Hagen, · nun hoff ich, ihr gedenkt,
Daß ich euch gerne diene; · ich hab euch nie gekränkt.
Das komme mir zu Gute · an meinem lieben Mann:
Laßt es ihn nicht entgelten, · was ich Brunhilden gethan.
„Des hat mich ſchon gereuet,“ · ſprach das edle Weib,
„Auch hat er ſo zerbleuet · zur Strafe mir den Leib,
Daß ich je beſchwerte · mit Reden ihr den Muth,
Er hat es wohl gerochen, · dieſer Degen kühn und gut.“
Da ſprach er: „Ihr verſöhnt euch · wohl nach wenig Tagen.
Kriemhild, liebe Herrin, · nun ſollt ihr mir ſagen,
Wie ich euch dienen möge · an Siegfried euerm Herrn.
Ich gönn es niemand beßer · und thu es, Königin, gern.“
„Ich wär ohn alle Sorge,“ · ſprach da das edle Weib,
„Daß man ihm im Kampfe · Leben nähm und Leib,
Wenn er nicht folgen wollte · ſeinem Uebermuth;
So wär immer ſicher · dieſer Degen kühn und gut.“
„Fürchtet ihr, Herrin,“ · Hagen da begann,
„Daß er verwundet werde, · ſo vertraut mir an,
Wie ſoll ichs beginnen, · dem zu widerſtehn?
Ihn zu ſchirmen will ich immer · bei ihm reiten und gehn.“
Sie ſprach: „Du biſt mir Sippe, · ſo will ich dir es ſein:
Ich befehle dir auf Treue · den holden Gatten mein.
Daß du mir behüteſt · den geliebten Mann.“
Was beßer wär verſchwiegen, · vertraute da ſie ihm an.
Sie ſprach: „Mein Mann iſt tapfer, · dazu auch ſtark genug.
Als er den Linddrachen · an dem Berge ſchlug,
Da badet' in dem Blute · der Degen allbereit,
Daher ihn keine Waffe · je verſehren mocht im Streit.
„Jedoch bin ich in Sorgen, · wenn er im Kampfe ſteht
Und aus der Helden Hände · mancher Sperwurf geht,
Daß ich da verliere · meinen lieben Mann.
Hei! was ich Sorgen · oft um Siegfried gewann!
„Mein lieber Freund, ich meld es · nun auf Gnade dir,
Daß du deine Treue · bewähren mögſt an mir,
Wo man mag verwunden · meinen lieben Mann.
Das ſollſt du nun vernehmen: · es iſt auf Gnade gethan.
„Als von des Drachen Wunden · floß das heiße Blut,
Und ſich darinne badete · der kühne Recke gut,
Da fiel ihm auf die Achſeln · ein Lindenblatt ſo breit:
Da kann man ihn verwunden; · das ſchafft mir Sorgen und Leid.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „So näht auf ſein Gewand
Mir ein kleines Zeichen · mit eigener Hand,
Wo ich ihn ſchirmen müße, · mag ich daran verſtehn.“
Sie wähnt' ihn ſo zu friſten; · auf ſeinen Tod wars abgeſehn.
Sie ſprach: „Mit feiner Seide · näh ich auf ſein Gewand
Insgeheim ein Kreuzchen: · da ſoll, Held, deine Hand
Mir den Mann behüten, · wenns ins Gedränge geht,
Und er vor ſeinen Feinden · in den ſtarken Stürmen ſteht.“
„Das thu ich,“ ſprach da Hagen, · „viel liebe Herrin mein.“
Wohl wähnte da die Gute, · ſein Frommen ſollt es ſein:
Da war hiemit verrathen · der Kriemhilde Mann.
Urtaub nahm da Hagen: · da gieng er fröhlich hindann.
Was er erfahren hatte, · bat ihn ſein Herr zu ſagen.
„Mögt ihr die Reiſe wenden, · ſo laßt uns reiten jagen.
Ich weiß nun wohl die Kunde, · wie ich ihn tödten ſoll.
Wollt ihr die Jagd beſtellen?“ · „Das thu ich,“ ſprach der König, „wohl.“
Der Dienſtmann des Königs · war froh und wohlgemuth.
Gewiſs, daß ſolche Bosheit · kein Recke wieder thut
Bis zum jüngſten Tage, · als da von ihm geſchah,
Da ſich ſeiner Treue · die ſchöne Königin verſah.
Früh des andern Morgens · mit wohl tauſend Mann
Ritt Siegfried der Degen · mit frohem Muth hindann:
Er wähnt', er ſolle rächen · ſeiner Freunde Leid.
So nah ritt ihm Hagen, · daß er beſchaute ſein Kleid.
Als er erſah das Zeichen, · da ſchickt' er ungeſehn,
Andre Mär zu bringen, · zwei aus ſeinem Lehn:
In Frieden ſollte bleiben · König Gunthers Land;
Es habe ſie Herr Lüdeger · zu dem König geſandt.
Wie ungerne Siegfried · abließ vom Streit,
Eh er gerochen hatte · ſeiner Freunde Leid!
Kaum hielten ihn zurücke · Die Gunthern unterthan.
Da ritt er zu dem König, · der ihm zu danken begann:
„Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, · den willigen Sinn,
Daß ihr ſo gerne thatet, · was mir vonnöthen ſchien:
Das will ich euch vergelten, · wie ich billig ſoll.
Vor allen meinen Freunden · vertrau ich euch immer wohl.
„Da wir uns der Heerfahrt · ſo entledigt ſehn,
So laßt uns nun Bären · und Schweine jagen gehn
Nach dem Odenwalde, · wie ich oft gethan.“
Gerathen hatte Hagen das, · dieſer ungetreue Mann.
„Allen meinen Gäſten · ſoll man das nun ſagen,
Ich denke früh zu reiten: · die mit mir wollen jagen,
Die laßt ſich fertig halten; · die aber hier beſtehn,
Kurzweilen mit den Frauen: · ſo ſei mir Liebes geſchehn.“
Mit herrlichen Sitten · ſprach da Siegfried:
„Wenn ihr jagen reitet, · da will ich gerne mit.
So ſollt ihr mir leihen · einen Jägersmann
Mit etlichen Bracken: · So reit ich mit euch in den Tann.“
„Wollt ihr nur Einen?“ · frug Gunther zuhand;
„Ich leih euch, wollt ihr, viere, · denen wohl bekannt
Der Wald iſt und die Steige, · wo viel Wildes iſt,
Daß ihr des Wegs unkundig · nicht ledig wieder heimwärts müßt.“
Da ritt zu ſeinem Weibe · der Degen unverzagt.
Derweil hatte Hagen · dem König geſagt,
Wie er verderben wolle · den herrlichen Degen.
So großer Untreue · ſollt ein Mann nimmer pflegen.
Als die Ungetreuen · beſchloßen ſeinen Tod,
Da wuſten ſie es Alle. · Geiſelher und Gernot
Wollten nicht mit jagen. · Weiß nicht, aus welchem Groll
Sie ihn nicht verwarnten; · doch des entgalten ſie voll.
Gunther und Hagen, · die Recken wohlgethan
Gelobten mit Untreuen · ein Birſchen in den Tann.
Mit ihren ſcharfen Spießen · wollten ſie jagen Schwein'
Und Bären und Wiſende: · was mochte Kühneres ſein?
Da ritt auch mit ihnen · Siegfried mit ſtolzem Sinn.
Man bracht ihnen Speiſe · aller Art dahin.
An einem kühlen Brunnen · ließ er da das Leben:
Den Rath hatte Brunhild, · König Gunthers Weib, gegeben.
Da gieng der kühne Degen · hin, wo er Kriemhild fand.
Schon war aufgeladen · das edle Birſchgewand
Ihm und den Gefährten: · ſie wollten über Rhein.
Da konnte Kriemhilden · nicht leider zu Muthe ſein.
Seine liebe Traute · küſſt' er auf den Mund:
„Gott laße mich dich, Liebe, · noch wiederſehn geſund
Und deine Augen mich auch; · mit holden Freunden dein
Kürze dir die Stunden: · ich kann nun nicht bei dir ſein.“
Da gedachte ſie der Märe, · ſie durft es ihm nicht ſagen,
Nach der ſie Hagen fragte: · da begann zu klagen
Die edle Königstochter, · daß ihr das Leben ward:
Ohne Maßen weinte · die wunderſchöne Fraue zart.
Sie ſprach zu dem Recken: · „Laßt euer Jagen ſein:
Mir träumte heunt von Leide, · wie euch zwei wilde Schwein
Ueber die Haide jagten: · da wurden Blumen roth.
Daß ich ſo bitter weine, · das thut mir armem Weibe Noth.
„Wohl muß ich fürchten · Etlicher Verrath,
Wenn man den und jenen · vielleicht beleidigt hat,
Die uns verfolgen könnten · mit feindlichem Haß.
Bleibt hier, lieber Herre, · mit Treuen rath ich euch das.“
Er ſprach: „Liebe Traute, · ich kehr in kurzer Zeit;
Ich weiß nicht, daß hier Jemand · mir Haß trüg oder Neid.
Alle deine Freunde · ſind insgemein mir hold;
Auch verdient' ich von den Degen · wohl nicht anderlei Sold.“
„Ach nein, lieber Siegfried: · wohl fürcht ich deinen Fall.
Mir träumte heunt von Leide, · wie über dir zu Thal
Fielen zwei Berge, · daß ich dich nie mehr ſah:
Und willſt du von mir ſcheiden, · das geht mir inniglich nah.“
Er umfieng mit Armen · das zuchtreiche Weib,
Mit holden Küſſen herzt' er · ihr den ſchönen Leib.
Da nahm er Urlaub · und ſchied in kurzer Stund:
Sie erſah ihn leider · darnach nicht wieder geſund.
Da ritten ſie von dannen · in einen tiefen Tann
Der Kurzweile willen; · manch kühner Rittersmann
Ritt mit dem König; · hinaus geſendet ward
Auch viel der edeln Speiſe, · die ſie brauchten zu der Fahrt.
Manch Saumroſs zog beladen · vor ihnen überrhein,
Das den Jagdgeſellen · das Brot trug und den Wein,
Das Fleiſch mit den Fiſchen · und Vorrath aller Art,
Wie ſie ein reicher König · wohl haben mag auf der Fahrt.
Da ließ man herbergen · bei dem Walde grün
Vor des Wildes Wechſel · die ſtolzen Jäger kühn,
Wo ſie da jagen wollten, · auf breitem Angergrund.
Auch Siegfried war gekommen: · das ward dem Könige kund.
Von den Jagdgeſellen · ward umhergeſtellt
Die Wart an allen Enden: · da ſprach der kühne Held,
Siegfried der ſtarke: · „Wer ſoll uns in den Wald
Nach dem Wilde weiſen, · ihr Degen kühn und wohlgeſtalt?“
„Wollen wir uns ſcheiden,“ · hub da Hagen an,
„Eh wir beginnen · zu jagen hier im Tann:
So mögen wir erkennen, · ich und der Herre mein,
Wer die beſten Jäger · bei dieſer Waldreiſe ſei'n.
„Leute ſo wie Hunde, · wir theilen uns darein:
Dann fährt, wohin ihm lüſtet, · Jeglicher allein“
Und wer das Beſte jagte, · dem ſagen wir den Dank.“
Da weilten die Jäger · bei einander nicht mehr lang.
Da ſprach der edle Siegfried: · „Der Hunde hab ich Rath
Bis auf einen Bracken, · der ſo genoßen hat,
Daß er die Fährte ſpüre · der Thiere durch den Tann.
Wir kommen wohl zum Jagen!“ · ſprach der Kriemhilde Mann.
Da nahm ein alter Jäger · einen Spürhund hinter ſich
Und brachte den Herren, · eh lange Zeit verſtrich,
Wo ſie viel Wildes fanden: · was des erſtöbert ward,
Das erjagten die Geſellen, · wie heut noch guter Jäger Art.
Was da der Brack erſprengte, · das ſchlug mit ſeiner Hand
Siegfried der kühne, · der Held von Niederland.
Sein Roſs lief ſo geſchwinde, · daß ihm nicht viel entrann:
Das Lob er bei dem Jagen · vor ihnen allen gewann.
Er war in allen Dingen · mannhaft genug.
Das erſte der Thiere, · die er zu Tode ſchlug,
War ein ſtarker Büffel, · den traf des Helden Hand:
Nicht lang darauf der Degen · einen grimmen Leuen fand.
Als den der Hund erſprengte, · ſchoß er ihn mit dem Bogen
Und dem ſcharfen Pfeile, · den er darauf gezogen;
Der Leu lief nach dem Schuße · nur dreier Sprünge lang.
Seine Jagdgeſellen, · die ſagten Siegfrieden Dank.
Einen Wiſend ſchlug er wieder · darnach und einen Elk,
Vier ſtarker Auer nieder · und einen grimmen Schelk,
So ſchnell trug ihn die Mähre, · daß ihm nichts entſprang:
Hinden und Hirſche · wurden viele ſein Fang.
Einen großen Eber · trieb der Spürhund auf.
Als der flüchtig wurde, · da kam in ſchnellem Lauf
Alles Jagens Meiſter · und nahm zum Ziel ihn gleich.
Anlief das Schwein im Zorne · dieſen Helden tugendreich.
Da ſchlug es mit dem Schwerte · der Kriemhilde Mann:
Das hätt ein andrer Jäger · nicht ſo leicht gethan.
Als er nun gefällt lag, · fieng man den Spürhund.
Seine reiche Beute wurde · den Burgunden allen kund.
Da ſprachen ſeine Jäger: · „Kann es füglich ſein,
So laßt uns, Herr Siegfried, · des Wilds ein Theil gedeihn:
Ihr wollt uns heute leeren · den Berg und auch den Tann.“
Darob begann zu lächeln · der Degen kühn und wohlgethan.
Da vernahm man allenthalben · Lärmen und Getos.
Von Leuten und von Hunden · ward der Schall ſo groß,
Man hörte widerhallen · den Berg und auch den Tann.
Vierundzwanzig Meuten · hatten die Jäger losgethan.
Da wurde viel des Wildes · vom grimmen Tod ereilt.
Sie wähnten es zu fügen, · daß ihnen zugetheilt
Der Preis des Jagens würde: · das konnte nicht geſchehn,
Als bei der Feuerſtätte · der ſtarke Siegfried ward geſehn.
Die Jagd war zu Ende, · doch nicht ſo ganz und gar,
Zu der Feuerſtelle · brachte der Jäger Schar
Häute mancher Thiere · und des Wilds genug.
Hei! was des zur Küche · des Königs Ingeſinde trug!
Da ließ der König künden · den Jägern wohlgeborn,
Daß er zum Imbiß wolle; · da wurde laut ins Horn
Einmal geſtoßen: · ſo machten ſie bekannt,
Daß man den edeln Fürſten · nun bei den Herbergen fand.
Da ſprach ein Jäger Siegfrieds: · „Mit eines Hornes Schall
Ward uns kund gegeben, · Herr, daß wir nun all
Zur Herberge ſollen: · erwiedre ichs, das behagt.“
Da ward nach den Geſellen · mit Blaſen lange gefragt.
Da ſprach der edle Siegfried: · „Nun räumen wir den Wald.“
Sein Roſs trug ihn eben; · die Andern folgten bald.
Sie erſprengten mit dem Schalle · ein Waldthier fürchterlich,
Einen wilden Bären; · da ſprach der Degen hinter ſich:
„Ich ſchaff uns Jagdgeſellen · eine Kurzweil.
Da ſeh ich einen Bären: · den Bracken löſt vom Seil.
Zu den Herbergen · ſoll mit uns der Bär:
Er kann uns nicht entrinnen, · und flöh er auch noch ſo ſehr.“
Da lös'ten ſie den Bracken: · der Bär ſprang hindann.
Da wollt ihn erreiten · der Kriemhilde Mann.
Er kam in eine Bergſchlucht: · da konnt er ihm nicht bei:
Das ſtarke Thier wähnte · von den Jägern ſchon ſich frei.
Da ſprang von ſeinem Roſſe · der ſtolze Ritter gut
Und begann ihm nachzulaufen. · Das Thier war ohne Hut,
ES konnt ihm nicht entrinnen: · er fieng es allzuhand;
Ohn es zu verwunden, · der Degen eilig es band.
Kratzen oder beißen · konnt es nicht den Mann.
Er band es an den Sattel; · auf ſaß der Schnelle dann
Und bracht es an die Feuerſtatt · in ſeinem hohen Muth
Zu einer Kurzweile, · dieſer Degen kühn und gut.
Er ritt zur Herberge · in welcher Herrlichkeit!
Sein Sper war gewaltig, · ſtark dazu und breit;
Eine ſchmucke Waffe hieng ihm · herab bis auf den Sporn;
Von rothem Golde führte · der Held ein herrliches Horn.
Von beßerm Birſchgewande · hört ich niemals ſagen.
Einen Rock von ſchwarzem Zeuge · ſah man ihn tragen
Und einen Hut von Zobel, · der reich war genug.
Hei! was edler Borten · an ſeinem Köcher er trug!
Ein Vlies von einem Panther · war darauf gezogen
Des Wohlgeruches wegen. · Auch trug er einen Bogen:
Mit einer Winde · muſt ihn ziehen an,
Wer ihn ſpannen wollte, · er hätt es ſelbſt denn gethan.
Von fremden Tierhäuten · war all ſein Gewand,
Das man von Kopf zu Füßen · bunt überhangen fand.
Aus dem lichten Rauchwerk · zu beiden Seiten hold
An dem kühnen Jägermeiſter · ſchien manche Flitter von Gold.
Auch führt' er Balmungen, · das breite ſchmucke Schwert:
Das war ſolcher Schärfe, · nichts blieb unverſehrt,
Wenn man es ſchlug auf Helme: · ſeine Schneiden waren gut.
Der herrliche Jäger · trug gar hoch ſeinen Muth.
Wenn ich euch der Märe · ganz beſcheiden ſoll,
So war ſein edler Köcher · guter Pfeile voll,
Mit goldenen Röhren, · die Eiſen händebreit.
Was er traf mit Schießen, · dem war das Ende nicht weit.
Da ritt der edle Ritter · ſtattlich aus dem Tann.
Gunthers Leute ſahen, · wie er ritt heran.
Sie liefen ihm entgegen · und hielten ihm das Roſs:
Da trug er an dem Sattel · einen Bären ſtark und groß.
Als er vom Roſs geſtiegen, · löſt' er ihm das Band
Vom Mund und von den Füßen: · die Hunde gleich zur Hand
Begannen laut zu heulen, · als ſie den Bären ſahn.
Das Thier zu Walde wollte: · das erſchreckte manchen Mann.
Der Bär durch die Küche · von dem Lärm gerieth:
Hei! was er Küchenknechte · da vom Feuer ſchied!
Geſtürzt ward mancher Keßel, · verſchleudert mancher Brand;
Hei! was man guter Speiſen · in der Aſche liegen fand!
Da ſprang von den Sitzen · Herr und Knecht zumal.
Der Bär begann zu zürnen; · der König gleich befahl
Der Hunde Schar zu löſen, · die an den Seilen lag;
Und war es Wohl geendet, · ſie hätten fröhlichen Tag.
Mit Bogen und mit Spießen, · man ſäumte ſich nicht mehr,
Liefen hin die Schnellen, · wo da gieng der Bär;
Doch wollte Niemand ſchießen, · von Hunden wars zu voll.
So laut war das Getöſe, · daß rings der Bergwald erſcholl.
Der Bär begann zu fliehen · vor der Hunde Zahl;
Ihm konnte Niemand folgen · als Kriemhilds Gemahl.
Er erlief ihn mit dem Schwerte, · zu Tod er ihn da ſchlug.
Wieder zu dem Feuer · das Geſind den Bären trug.
Da ſprachen, die es ſahen, · er wär ein ſtarker Mann.
Die ſtolzen Jagdgeſellen · rief man zu Tiſch heran.
Auf ſchönem Anger ſaßen · der Helden da genug.
Hei! was man Ritterſpeiſe · vor die ſtolzen Jäger trug!
Die Schenken waren ſäumig, · ſie brachten nicht den Wein;
So gut bewirthet mochten · ſonſt Helden nimmer ſein.
Wären manche drunter · nicht ſo falſch dabei,
So wären wohl die Degen · aller Schanden los und frei.
Des wurde da nicht inne · der verrathne kühne Mann,
Daß man ſolche Tücke · wider ſein Leben ſpann.
Er war in höfſchen Züchten · alles Truges bar;
Seines Todes muſt entgelten, · dem es nie ein Frommen war.
Da ſprach der edle Siegfried: · „Mich verwundert ſehr,
Man trägt uns aus der Küche · doch ſo viel daher,
Was bringen uns die Schenken · nicht dazu den Wein?
Pflegt man ſo der Jäger, · will ich nicht Jagdgeſelle ſein.
„Ich möcht es doch verdienen, · bedächte man mich gut.“
Von ſeinem Tiſch der König · ſprach mit falſchem Muth:
„Wir büßen euch ein andermal, · was heut uns muß entgehn;
Die Schuld liegt an Hagen, · der will uns verdurſten ſehn.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Lieber Herre mein,
Ich wähnte, das Birſchen · ſollte heute ſein
Fern im Spechtsharte: · den Wein hin ſandt ich dort.
Heute giebt es nichts zu trinken, · doch vermeid ich es hinfort.“
Da ſprach der edle Siegfried: · „Dem weiß ich wenig Dank:
Man ſollte ſieben Laſten · mit Meth und Lautertrank
Mir hergeſendet haben; · konnte das nicht ſein,
So ſollte man uns näher · geſiedelt haben dem Rhein.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Ihr edeln Ritter ſchnell,
Ich weiß hier in der Nähe · einen kühlen Quell:
Daß ihr mir nicht zürnet, · da rath, ich hinzugehn.“
Der Rath war manchem Degen · zu großem Leide geſchehn.
Siegfried den Recken · zwang des Durſtes Noth;
Den Tiſch hinwegzurücken · der Held alsbald gebot:
Er wollte vor die Berge · zu dem Brunnen gehn.
Da war der Rath aus Argliſt · von den Degen geſchehn.
Man hieß das Wild auf Wagen · führen in das Land,
Das da verhauen hatte · Siegfriedens Hand.
Wer es auch ſehen mochte, · ſprach großen Ruhm ihm nach.
Hagen ſeine Treue · ſehr an Siegfrieden brach.
Als ſie von dannen wollten · zu der Linde breit,
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Ich hörte jederzeit,
Es könne Niemand folgen · Kriemhilds Gemahl,
Wenn er rennen wolle; · hei! ſchauten wir das einmal!“
Da ſprach von Niederlanden · der Degen kühn und gut:
„Das mögt ihr wohl verſuchen: · wenn ihr mit mir thut
Einen Wettlauf nach dem Brunnen? · Soll das geſchehn,
So habe der gewonnen, · den wir den vorderſten ſehn.“
„Wohl, laßt es uns verſuchen,“ · ſprach Hagen der Degen.
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „So will ich mich legen,
Verlier ich, euch zu Füßen · nieder in das Gras.“
Als er das erhörte, · wie lieb war König Gunthern das!
Da ſprach der kühne Degen: · „Noch mehr will ich euch ſagen:
Gewand und Gewaffen · will ich bei mir tragen,
Den Wurfſpieß ſamt dem Schilde · und all mein Birſchgewand.“
Das Schwert und den Köcher · um die Glieder ſchnell er band.
Die Kleider vom Leibe · zogen die Andern da:
In zwei weißen Hemden · man beide ſtehen ſah.
Wie zwei wilde Panther · liefen ſie durch den Klee;
Man ſah bei dem Brunnen · den ſchnellen Siegfried doch eh.
Den Preis in allen Dingen · vor Manchem man ihm gab.
Da löſt' er ſchnell die Waffe, · den Köcher legt' er ab,
Den ſtarken Spieß lehnt' er · an den Lindenaſt.
Bei des Brunnens Fluße · ſtand der herrliche Gaſt.
Die höfſche Zucht erwies da · Siegfried daran;
Den Schild legt' er nieder, · wo der Brunnen rann;
Wie ſehr ihn auch dürſtete, · der Held nicht eher trank
Bis der König getrunken; · dafür gewann er übeln Dank.
Der Brunnen war lauter, · kühl und auch gut;
Da neigte ſich Gunther · hernieder zu der Flut.
Als er getrunken hatte, · erhob er ſich hindann:
Alſo hätt auch gerne · der kühne Siegfried gethan.
Da entgalt er ſeiner höfſchen Zucht; · den Bogen und das Schwert
Trug beiſeite Hagen · von dem Degen werth.
Dann ſprang er zurücke, · wo er den Wurfſpieß fand,
Und ſah nach einem Zeichen · an des Kühnen Gewand.
Als der edle Siegfried · aus dem Brunnen trank,
Er ſchoß ihn durch das Kreuze, · daß aus der Wunde ſprang
Das Blut von ſeinem Herzen · an Hagens Gewand.
Kein Held begeht wohl wieder · ſolche Unthat nach der Hand.
Den Gerſchaft im Herzen · ließ er ihm ſtecken tief.
Wie im Fliehen Hagen · da ſo grimmig lief,
So lief er wohl auf Erden · nie vor einem Mann!
Als da Siegfried Kunde · der ſchweren Wunde gewann,
Der Degen mit Toben · von dem Brunnen ſprang;
Ihm ragte von der Achſel · eine Gerſtange lang.
Nun wähnt' er da zu finden · Bogen oder Schwert,
Gewiß, ſo hätt er Hagnen · den verdienten Lohn gewährt.
Als der Todwunde · da ſein Schwert nicht fand,
Da blieb ihm nichts weiter · als der Schildesrand.
Den rafft' er von dem Brunnen · und rannte Hagen an:
Da konnt ihm nicht entrinnen · König Gunthers Unterthan.
Wie wund er war zum Tode, · ſo kräftig doch er ſchlug,
Daß von dem Schilde nieder · wirbelte genug
Des edeln Geſteines; · der Schild zerbrach auch faſt:
So gern gerochen hätte · ſich der herrliche Gaſt.
Da muſte Hagen fallen · von ſeiner Hand zu Thal;
Der Anger von den Schlägen · erſcholl im Wiederhall.
Hätt er ſein Schwert in Händen, · ſo wär er Hagens Tod.
Sehr zürnte der Wunde, · es zwang ihn wahrhafte Noth.
Seine Farbe war erblichen; · er konnte nicht mehr ſtehn.
Seines Leibes Stärke · muſte ganz zergehn,
Da er des Todes Zeichen · in lichter Farbe trug.
Er ward hernach betrauert · von ſchönen Frauen genug.
Da fiel in die Blumen · der Kriemhilde Mann.
Das Blut von ſeiner Wunde · ſtromweis nieder rann.
Da begann er die zu ſchelten, · ihn zwang die große Noth
Die da gerathen hatten · mit Untreue ſeinen Tod.
Da ſprach der Todwunde: · „Weh, ihr böſen Zagen,
Was helfen meine Dienſte, · da ihr mich habt erſchlagen?
Ich war euch ſtäts gewogen · und ſterbe nun daran.
Ihr habt an euern Freunden · leider übel gethan.
„Die ſind davon beſcholten, · ſo viele noch geborn
Werden nach dieſem Tage: · ihr habt euern Zorn
Allzuſehr gerochen · an dem Leben mein.
Mit Schanden geſchieden · ſollt ihr von guten Recken ſein.“
Hinliefen all die Ritter, · wo er erſchlagen lag.
Es war ihrer Vielen · ein freudeloſer Tag.
Wer Treue kannt und Ehre, · der hat ihn beklagt:
Das verdient' auch wohl um Alle · dieſer Degen unverzagt.
Der König der Burgunden · klagt' auch ſeinen Tod.
Da ſprach der Todwunde: · „Das thut nimmer Noth,
Daß der um Schaden weine, · von dem man ihn gewann:
Er verdient groß Schelten, · er hätt es beßer nicht gethan.“
Da ſprach der grimme Hagen: · „Ich weiß nicht, was euch reut:
Nun hat doch gar ein Ende, · was uns je gedräut.
Es gibt nun nicht manchen, · der uns darf beſtehn;
Wohl mir, daß ſeiner Herrſchaft · durch mich ein End iſt geſchehn.“
„Ihr mögt euch leichtlich rühmen,“ · ſprach Der von Niederland.
„Hätt ich die mörderiſche · Weis an euch erkannt,
Vor euch behütet hätt ich · Leben wohl und Leib.
Mich dauert nichts auf Erden · als Frau Kriemhild mein Weib.
„Nun mög es Gott erbarmen, · daß ich gewann den Sohn,
Der jetzt auf alle Zeiten · den Vorwurf hat davon,
Daß ſeine Freunde Jemand · meuchleriſch erſchlagen:
Hätt ich Zeit und Weile, · das müſt ich billig beklagen.
„Wohl nimmer hat begangen · ſo großen Mord ein Mann,“
Sprach er zu dem König, · „als ihr an mir gethan.
Ich erhielt euch unbeſcholten · in großer Angſt und Noth;
Ihr habt mir ſchlimm vergolten, · daß ich ſo wohl es euch bot.“
Da ſprach im Jammer weiter · der todwunde Held:
„Wollt ihr, edler König, · noch auf dieſer Welt
An Jemand Treue pflegen, · ſo laßt befohlen ſein
Doch auf eure Gnade · euch die liebe Traute mein.
„Es komm ihr zu Gute, · daß ſie eure Schweſter iſt:
Sei aller Fürſten Tugend · helft ihr zu jeder Friſt.
Mein mögen lange harren · mein Vater und mein Lehn:
Nie iſt an liebem Freunde · einem Weibe ſo leid geſchehn.“
Er krümmte ſich in Schmerzen, · wie ihm die Noth gebot,
Und ſprach aus jammerndem Herzen: · „Mein mordlicher Tod
Mag euch noch gereuen · in der Zukunft Tagen:
Glaubt mir in rechten Treuen, · daß ihr euch ſelber habt erſchlagen.
Die Blumen allenthalben · waren vom Blute naß.
Da rang er mit dem Tode, · nicht lange that er das,
Denn des Todes Waffe · ſchnitt ihn allzuſehr.
Da konnte nicht mehr reden · dieſer Degen kühn und hehr.
Als die Herren ſahen · den edlen Helden todt,
Sie legten ihn auf einen Schild, · der war von Golde roth.
Da giengen ſie zu Rathe, · wie ſie es ſtellten an,
Daß es verhohlen bliebe, · Hagen hab es gethan.
Da ſprachen ihrer Viele: · „Ein Unfall iſt geſchehn;
Ihr ſollt es alle hehlen · und Einer Rede ſtehn:
Als er allein ritt jagen, · der Kriemhilde Mann,
Erſchlugen ihn Schächer, · als er fuhr durch den Tann.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Ich bring ihn in das Land.
Mich ſoll es nicht kümmern, · wird es ihr auch bekannt,
Die ſo betrüben konnte · der Königin hohen Muth;
Ich werde wenig fragen, · wie ſie nun weinet und thut.“
Von denſelben Brunnen, · wo Siegfried ward erſchlagen,
Sollt ihr die rechte Wahrheit · von mir hören ſagen.
Vor dem Odenwalde · ein Dorf liegt Odenheim.
Da fließt noch der Brunnen, · kein Zweifel kann daran ſein.
Da harrten ſie des Abends · und fuhren über Rhein;
Es mochte nie von Helden · ein ſchlimmer Jagen ſein.
Ihr Beutewild beweinte · noch manches edle Weib:
Sein muſte bald entgelten · viel guter Weigande Leib.
Von großem Uebermuthe · mögt ihr nun hören ſagen
Und ſchrecklicher Rache. · Bringen ließ Hagen
Den erſchlagen Siegfried · von Nibelungenland
Vor eine Kemenate, · darin ſich Kriemhild befand.
Er ließ ihn ihr verſtohlen · legen vor die Thür,
Daß ſie ihn finden müße, · wenn morgen ſie herfür
Zu der Mette gienge · frühe vor dem Tag,
Deren Frau Kriemhild · wohl ſelten eine verlag.
Da hörte man wie immer · zum Münſter das Geläut:
Kriemhild die ſchöne · weckte manche Maid.
Ein Licht ließ ſie ſich bringen, · dazu auch ihr Gewand;
Da kam der Kämmrer Einer · hin, wo er Siegfrieden fand.
Er ſah ihn roth von Blute, · all ſein Gewand war naß:
Daß ſein Herr es wäre, · mit Nichten wuſt er das.
Da trug er in die Kammer · das Licht in ſeiner Hand,
Bei dem da Frau Kriemhild · viel leide Märe befand.
Als ſie mit den Frauen · zum Münſter wollte gehn,
„Frau,“ ſprach der Kämmerer, · „wollt noch ſtille ſtehn:
Es liegt vor dem Gemache · ein Ritter todtgeſchlagen.“
„O weh,“ ſprach da Kriemhild, · „was willſt du ſolche Botſchaft ſagen?“
Eh ſie noch ſelbſt geſehen, · es ſei ihr lieber Mann,
An die Frage Hagens · hub ſie zu denken an,
Wie er ihn ſchützen möchte: · da ahnte ſie ihr Leid.
Mit ſeinem Tod entſagte · ſie nun aller Fröhlichkeit.
Da ſank ſie zur Erden, · kein Wort mehr ſprach ſie da;
Die ſchöne Freudenloſe · man da liegen ſah.
Kriemhildens Jammer · wurde groß und voll;
Sie ſchrie nach der Ohnmacht, · daß all die Kammer erſcholl.
Da ſprach ihr Geſinde: · „Es kann ein Fremder ſein.“
Das Blut ihr aus dem Munde · brach vor Herzenspein.
„Nein, es iſt Siegfried, · mein geliebter Mann:
Brunhild hats gerathen · und Hagen hat es gethan.“
Sie ließ ſich hingeleiten, · wo ſie den Helden fand;
Sein ſchönes Haupt erhob ſie · mit ihrer weißen Hand.
So roth er war von Blute, · ſie hat ihn gleich erkannt:
Da lag zu großem Jammer · der Held von Nibelungenland.
Da rief in Jammerlauten · die Königin mild:
„O weh mir dieſes Leides! · Nun iſt dir doch dein Schild
Mit Schwertern nicht verhauen! · dich fällte Meuchelmord.
Und wüſt ich, wer der Thäter wär, ich wollt es rächen immerfort.“
All ihr Ingeſinde · klagte laut und ſchrie
Mit ſeiner lieben Frauen; · heftig ſchmerzte ſie
Ihr edler Herr und König, · den ſie da ſahn verlorn.
Gar übel hatte Hagen · gerochen Brunhildens Zorn.
Da ſprach die Jammerhafte: · „Nun ſoll Einer gehn
Und mir in Eile wecken · Die in Siegfrieds Lehn
Und ſoll auch Siegmunden · meinen Jammer ſagen,
Ob er mir helfen wolle · den kühnen Siegfried beklagen.“
Da lief dahin ein Bote, · wo er ſie liegen fand,
Siegfriedens Helden · von Nibelungenland.
Mit den leiden Mären · die Freud er ihnen nahm;
Sie wollten es nicht glauben, · bis man das Weinen vernahm.
Auch kam dahin der Bote, · wo der König lag.
Siegmund der Herre · keines Schlafes pflag,
Als ob das Herz ihm ſagte, · was ihm wär geſchehn,
Er ſollte ſeinen lieben Sohn · lebend nimmer wiederſehn.
„Wacht auf, König Siegmund, · mich hieß nach euch gehn
Kriemhild, meine Herrin; · der iſt ein Leid geſchehn,
Das ihr vor allem Leide · wohl das Herz verſehrt;
Das ſollt ihr klagen helfen, · da es auch euch widerfährt.“
Auf richtete ſich Siegmund · und ſprach: „Was beklagt
Denn die ſchöne Kriemhild, · wie du mir haſt geſagt?“
Der Bote ſprach mit Weinen: · „Sie hat wohl Grund zu klagen
Es liegt von Niederlanden · der kühne Siegfried erſchlagen.“
Da ſprach König Siegmund: · „Laßt das Scherzen ſein
Mit ſo böſer Märe · von dem Sohne mein
Und ſagt es Niemand wieder, · daß er ſei erſchlagen,
Denn ich könnt ihn nie genug · bis an mein Ende beklagen.“
„Und wollt ihr nicht glauben, · was ihr mich höret ſagen,
So vernehmet ſelber · Kriemhilden klagen
Und all ihr Ingeſinde · um Siegfriedens Tod.“
Wie erſchrak da Siegmund: · es ſchuf ihm wahrhafte Noth.
Mit hundert ſeiner Mannen · er von dem Bette ſprang.
Sie zuckten zu den Händen · die ſcharfen Waffen lang
Und liefen zu dem Wehruf · jammersvoll heran.
Da kamen tauſend Recken, · dem kühnen Siegfried unterthan.
Als ſie ſo jämmerlich · die Frauen hörten klagen,
Da kam Vielen erſt in Sinn, · ſie müſten Kleider tragen.
Wohl mochten ſie vor Schmerzen · des Sinnes Macht nicht haben:
Es lag in ihrem Herzen · große Schwere begraben.
Da kam der König Siegmund · hin, wo er Kriemhild fand.
Er ſprach: „O weh der Reiſe · hierher in dieſes Land!
Wer hat euch euern Gatten, · wer hat mir mein Kind
So mordlich entrißen, · da wir bei guten Freunden ſind?“
„Ja, kennt ich Den,“ · verſetzte die edle Königin,
„Hold würd ihm nimmer · mein Herz noch mein Sinn:
Ich rieth' ihm ſo zum Leide, · daß all die Freunde ſein
Mit Jammer weinen müſten, · glaubt mir, von wegen mein.“
Siegmund mit Armen · den Fürſten umſchloß;
Da ward von ſeinen Freunden · der Jammer alſo groß,
Daß von dem lauten Wehruf · Palas und Saal
Und Worms die weite Veſte · rings erſcholl im Widerhall.
Da konnte Niemand tröſten · Siegfriedens Weib,
Man zog aus den Kleidern · ſeinen ſchönen Leib,
Wuſch ihm ſeine Wunde · und legt' ihn auf die Bahr;
Allen ſeinen Leuten · wie weh vor Jammer da war!
Es ſprachen ſeine Recken · aus Nibelungenland:
„Immer ihn zu rächen · bereit iſt unſre Hand.
Er iſt in dieſem Hauſe, · von dem es iſt geſchehn.“
Da eilten ſich zu waffnen · die Degen in Siegfrieds Lehn.
Die Auserwählten kamen · in ihrer Schilde Wehr,
Elfhundert Recken; · die hatt in ſeinem Heer
Siegmund der König: · ſeines Sohnes Tod
Hätt er gern gerochen, · wie ihm die Treue gebot.
Sie wuſten nicht, wen ſollten · ſie im Streit beſtehn,
Wenn es nicht Gunther wäre · und Die in ſeinem Lehn,
Die zur Jagd mit Siegfried · geritten jenen Tag.
Kriemhild ſah ſie gewaffnet: · das ſchuf ihr großes Ungemach.
Wie ſtark auch ihr Jammer, · wie groß war ihre Noth,
Sie beſorgte doch ſo heftig · der Nibelungen Tod
Von ihrer Brüder Mannen, · daß ſie dawider ſprach:
Sie warnte ſie in Liebe, wie immer Freund mit Freunden pflag.
Da ſprach die Jammerreiche: · „Herr König Siegmund,
Was wollt ihr beginnen? · Euch iſt wohl nicht kund,
Es hat der König Gunther · ſo manchen kühnen Mann:
Ihr wollt euch all verderben, · greift ihr ſolche Recken an.“
Mit auferhobnen Schilden · that ihnen Streiten Noth.
Die edle Königstochter · bat und gebot,
Daß es meiden ſollten · die Recken allbereit.
Daß ſie's nicht laßen wollten, · das war ein grimmiges Leid.
Sie ſprach: „Herr König Siegmund, · ſteht damit noch an,
Bis es ſich beßer fügte: · ſo will ich meinen Mann
Euch immer rächen helfen. · Der mir ihn hat benommen,
Wird es mir bewieſen, · es muß ihm noch zu Schaden kommen.
„Es ſind der Uebermüthigen · hier am Rhein ſo viel,
Daß ich euch zum Streite · jetzt nicht rathen will:
Sie haben wider Einen · immer dreißig Mann;
Laß ihnen Gott gelingen, · wie ſie uns haben gethan.
„Bleibt hier im Hauſe · und tragt mit mir das Leid,
Bis es beginnt zu tagen, · ihr Helden allbereit:
Dann helft ihr mir beſargen · meinen lieben Mann.“
Da ſprachen die Degen: · „Liebe Frau, das ſei gethan.“
Es könnt euch des Wunders · ein Ende Niemand ſagen,
Die Ritter und die Frauen, · wie man ſie hörte klagen,
Bis man des Wehrufs · ward in der Stadt gewahr.
Die edeln Bürger kamen · daher in eilender Schar.
Sie klagten mit den Gäſten: · ſie ſchmerzte der Verluſt.
Was Siegfried verſchulde, · war ihnen unbewuſt,
Weshalb der edle Recke · Leben ließ und Leib.
Da weinte mit den Frauen · manchen guten Bürgers Weib.
Schmiede hieß man eilen · und würken einen Sarg
Von Silber und von Golde, · mächtig und ſtark,
Und ließ ihn wohl beſchlagen · mit Stahl, der war gut.
Da war allen Leuten · das Herz beſchwert und der Muth.
Die Nacht war vergangen: · man ſagt', es wolle tagen.
Da ließ die edle Königin · hin zum Münſter tragen
Dieſen edeln Todten, · ihren lieben Mann.
Mit ihr giengen weinend, · was ſie der Freunde gewann.
Da ſie zum Münſter kamen, · wie manche Glocke klang!
Allenthalben hörte · man der Pfaffen Sang.
Da kam der König Gunther · hinzu mit ſeinem Lehn
Und auch der grimme Hagen; · es wäre klüger nicht geſchehn.
Er ſprach: „Liebe Schweſter, · o weh des Leides dein;
Daß wir nicht ledig mochten · ſo großen Schadens ſein!
Wir müßen immer klagen · um Siegfriedens Tod.“
„Daran thut ihr Unrecht,“ · ſprach die Frau in Jammersnoth.
„Wenn euch das betrübte, · ſo wär es nicht geſchehn.
Ihr hattet mein vergeßen, · das muß ich wohl geſtehn,
Als ich ſo geſchieden ward · von meinem lieben Mann.
Wollte Gott vom Himmel, · mir ſelber war es gethan.“
Sie hielten ſich am Läugnen. · Da hub Kriemhild an:
„Wer unſchuldig ſein will, · leicht iſt es dargethan,
Er darf nur zu der Bahre · hier vor dem Volke gehn:
Da mag man gleich zur Stelle · ſich der Wahrheit verſehn.“
Das iſt ein großes Wunder, · wie es noch oft geſchieht,
Wenn man den Mordbefleckten · bei dem Todten ſieht,
So bluten ihm die Wunden, · wie es auch hier geſchah;
Daher man nun der Unthat · ſich zu Hagen verſah.
Die Wunden floßen wieder · ſo ſtark als je vorher.
Die erſt ſchon heftig klagten, · die weinten nun noch mehr.
Da ſprach König Gunther: · „Nun hört die Wahrheit an:
Ihn erſchlugen Schächer; · Hagen hat es nicht gethan.“
Sie ſprach: „Dieſe Schächer · ſind mir wohl bekannt:
Nun laß es Gott noch rächen · von ſeiner Freunde Hand!
Gunther und Hagen, · ja ihr habt es gethan.“
Da wollten wieder ſtreiten · Die Siegfrieden unterthan.
Da ſprach aber Kriemhild: · „Ertragt mit mir die Noth.“
Da kamen auch die Beiden, · wo ſie ihn fanden todt,
Gernot ihr Bruder · und Geiſelher das Kind.
Sie beklagten ihn in Treuen; · ihre Augen wurden thränenblind.
Sie weinten von Herzen · um Kriemhildens Mann.
Man wollte Meſſe ſingen: · zum Münſter heran
Sah man allenthalben · Frauen und Männer ziehn,
Die ihn doch leicht verſchmerzten, · weinten alle jetzt um ihn.
Geiſelher und Gernot · ſprachen: „Schweſter mein,
Nun tröſte dich des Todes, · es muß wohl alſo ſein.
Wir wollen dirs erſetzen, · ſo lange wir leben.“
Da wuſt ihr auf Erden · Niemand doch Troſt zu geben.
Sein Sarg war geſchmiedet · wohl um den hohen Tag;
Man hob ihn von der Bahre, · darauf der Todte lag.
Da wollt ihn noch die Königin · nicht laßen begraben:
Es muſten alle Leute · große Mühſal erſt haben.
In koſtbare Zeuge · man den Todten wand.
Gewiſs daß man da Niemand · ohne Weinen fand.
Aus ganzem Herzen klagte · Ute das edle Weib
Und all ihr Ingeſinde · um Siegfrieds herrlichen Leib.
Als die Leute hörten, · daß man im Münſter ſang
Und ihn beſargt hatte, · da hob ſich großer Drang:
Um ſeiner Seele willen · was man da Opfer trug!
Er hatte bei den Feinden · doch guter Freunde genug.
Kriemhild die arme · zu den Kämmerlingen ſprach:
„Ihr ſollt mir zu Liebe · leiden Ungemach:
Die ihm Gutes gönnen · und mir blieben hold,
Um Siegfriedens Seele · verteilt an dieſe ſein Gold.“
Da war kein Kind ſo kleine, · mocht es Verſtand nur haben,
Das nicht zum Opfer gienge, · eh er ward begraben.
Wohl an hundert Meſſen · man des Tages ſang.
Von Siegfriedens Freunden · hob ſich da mächtiger Drang.
Als die geſungen waren, · verlief die Menge ſich.
Da ſprach wieder Kriemhild: · „Nicht einſam ſollt ihr mich
Heunt bewachen laßen · den auserwählten Degen:
Es iſt an ſeinem Leibe · all meine Freude gelegen.
„Drei Tag und drei Nächte · will ich verwachen dran,
Bis ich mich erſättige · an meinem lieben Mann.
Vielleicht daß Gott gebietet, · daß mich auch nimmt der Tod:
So wäre wohl beendet · der armen Kriemhilde Noth.“
Zur Herberge giengen · die Leute von der Stadt.
Die Pfaffen und die Mönche · ſie zu verweilen bat
Und all ſein Ingeſinde, · das ſein billig pflag.
Sie hatten üble Nächte · und gar mühſelgen Tag.
Ohne Trank und Speiſe · verblieb da mancher Mann.
Wers nicht gern entbehrte, · dem ward kund gethan,
Man gab ihm gern die Fülle: · das ſchuf Herr Siegmund.
Da ward den Nibelungen · viel Noth und Beſchwerde kund.
In dieſen dreien Tagen, · ſo hörten wir ſagen,
Muſte mit Kriemhilden · viel Mühſal ertragen,
Wer da ſingen konnte. · Was man auch Opfer trug!
Die eben arm geweſen, · die wurden nun reich genug.
Was man fand der Armen, · die es nicht mochten haben,
Die ließ ſie mit dem Golde · bringen Opfergaben
Aus ſeiner eignen Kammer: · er durfte nicht mehr leben,
Da ward um ſeine Seele · manches Tauſend Mark gegeben.
Güter und Gefälle · vertheilte ſie im Land,
So viel man der Klöſter · und guter Leute fand.
Silber gab man und Gewand · den Armen auch genug.
Sie ließ es wohl erkennen, · wie holde Liebe ſie ihm trug.
An dem dritten Morgen · zur rechten Meſſezeit
Sah man bei dem Münſter · den ganzen Kirchhof weit
Von der Landleute · Weinen alſo voll:
Sie dienten ihm im Tode, · wie man lieben Freunden ſoll.
In dieſen vier Tagen, · ſo hört ich immerdar,
Wol an dreißigtauſend Mark · oder mehr noch gar
Ward um ſeine Seele · den Armen hingegeben,
Indes war gar zerronnen · ſeine große Schöne wie ſein Leben.
Als vom Gottesdienſte · verhallt war der Geſang,
Mit ungefügem Leide · des Volkes Menge rang.
Man ließ ihn aus dem Münſter · zu dem Grabe tragen.
Da hörte man auch anders · nichts als Weinen und Klagen.
Das Volk mit lautem Wehruf · ſchloß im Zug ſich an:
Froh war da Niemand, · weder Weib noch Mann.
Eh er beſtattet wurde, · las und ſang man da:
Hei! was man guter Pfaffen · bei ſeiner Beſtattung ſah!
Bevor da zu dem Grabe · kam das getreue Weib,
Rang ſie mit ſolchem Jammer · um Siegfriedens Leib,
Daß man ſie mit Waſſer · vom Brunnen oft begoß:
Ihres Herzens Kummer · war über die Maßen groß.
Es war ein großes Wunder, · daß ſie zu Kräften kam.
Es halfen ihr mit Klagen · viel Frauen lobeſam.
„Ihr, meines Siegfrieds Mannen,“ · ſprach die Königin,
„Erweiſt mir eine Gnade · aus erbarmendem Sinn.
„Laßt mir nach meinem Leide · die kleinſte Gunſt geſchehn“,
Daß ich ſein ſchönes Angeſicht · noch einmal dürfe ſehn,“
Da bat ſie im Jammer · ſo lang und ſo ſtark,
Daß man zerbrechen muſte · den ſchön geſchmiedeten Sarg.
Hin brachte man die Königin, · wo ſie ihn liegen fand.
Sein ſchönes Haupt erhob ſie · mit ihrer weißen Hand
Und küſſte ſo den Todten, · den edeln Ritter gut:
Ihre lichten Augen · vor Leide weinten ſie Blut.
Ein jammervolles Scheiden · ſah man da geſchehn.
Man trug ſie von dannen, · ſie vermochte nicht zu gehn.
Da lag ohne Sinne · das herrliche Weib:
Vor Leid wollt erſterben · ihr viel wonniglicher Leib.
Als der edle Degen · alſo begraben war,
Sah man in großem Leide · die Helden immerdar,
Die ihn begleitet hatten · aus Nibelungenland:
Fröhlich gar ſelten · man da Siegmunden fand.
Wohl Mancher war darunter, · der drei Tage lang
Vor dem großen Leide · weder aß noch trank;
Da konnten ſie's nicht länger · dem Leib entziehen mehr:
Sie genaſen von den Schmerzen, · wie noch Mancher wohl ſeither.
Kriemhild der Sinne ledig · in Ohnmächten lag
Den Tag und den Abend · bis an den andern Tag.
Was Jemand ſprechen mochte, · es ward ihr gar nicht kund.
Es lag in gleichen Nöthen · auch der König Siegmund.
Kaum daß ihn zur Beſinnung · zu bringen noch gelang.
Seine Kräfte waren · von ſtarkem Leide krank:
Das war wohl kein Wunder. · Die in ſeiner Pflicht
ſprachen: „Laßt uns heimziehn: · es duldet uns hier länger nicht.“
Der Schwäher Kriemhildens · gieng hin, wo er ſie fand.
Er ſprach zu der Königin: · „Laßt uns in unſer Land:
Wir ſind unliebe Gäſte, · wähn ich, hier am Rhein.
Kriemhild, liebe Fraue, · nun folgt uns zu dem Lande mein.
„Daß man in dieſen Landen · uns ſo verwaiſet hat
Eures edeln Mannes · durch böslichen Verrath,
Ihr ſollt es nicht entgelten: · hold will ich euch ſein
Aus Liebe meines Sohnes · und des edeln Kindes ſein.
„Ihr ſollt auch, Frau, gebieten · mit all der Gewalt,
Die Siegfried euch verſtattete, · der Degen wohlgeſtalt.
Das Land und auch die Krone · ſoll euch zu Dienſten ſtehn.
Euch ſollen gern gehorchen · Die in Siegfriedens Lehn.“
Da ſagte man den Knechten: · „Wir reiten heim vor Nacht.“
Da ſah man nach den Roſſen · eine ſchnelle Jagd:
Bei den verhaßten Feinden · zu leben war ein Leid.
Den Frauen und den Maiden · ſuchte man ihr Reiſekleid.
Als König Siegmund gerne · weggeritten wär,
Da bat ihre Mutter · Kriemhilden ſehr,
Sie ſollte bei den Freunden · im Lande doch beſtehn.
Da ſprach die Freudenarme: · „Das könnte ſchwerlich geſchehn.
„Wie vermocht ichs, mit den Augen · den immer anzuſehn,
Von dem mir armen Weibe · ſo leid iſt geſchehn?“
Da ſprach der junge Geiſelher: · „Liebe Schweſter mein,
Du ſollſt bei deiner Treue · hier mit deiner Mutter ſein.
„Die dir das Herz beſchwerten · und trübten dir den Muth,
Du bedarfſt nicht ihrer Dienſte, · du zehrſt von meinem Gut.“
Sie ſprach zu dem Recken: · „Wie könnte das geſchehn?
Vor Leide müſt ich ſterben, · wenn ich Hagen ſollte ſehn.“
„Deſſen überheb ich dich, · viel liebe Schweſter mein.
Du ſollſt bei deinem Bruder · Geiſelher hier ſein;
Ich will dir wohl vergüten · deines Mannes Tod.“
Da ſprach die Freudenloſe: · „Das wäre Kriemhilden Noth.“
Als es ihr der Junge · ſo gütlich erbot,
Da begannen auch zu flehen · Ute und Gernot
Und ihre treuen Freunde, · ſie möchte da beſtehn:
Sie hätte wenig Sippen · unter Siegfriedens Lehn.
„Sie ſind euch alle fremde,“ · ſprach da Gernot.
„Wie ſtark auch einer gelte, · ſo rafft ihn doch der Tod.
Bedenkt das, liebe Schweſter, · und tröſtet euern Muth:
Bleibt hier bei euern Freunden, · es geräth euch wahrlich gut.“
Da gelobte ſie dem Bruder, · im Lande zu beſtehn.
Man zog herbei die Roſſe · Denen in Siegmunds Lehn,
Als ſie reiten wollten · gen Nibelungenland;
Da war auch aufgeladen · der Recken Zeug und Gewand.
Da gieng König Siegmund · vor Kriemhilden ſtehn
Und ſprach zu der Frauen: · „Die in Siegfrieds Lehn
Warten bei den Roſſen: · reiten wir denn hin,
Da ich gar ſo ungern · hier bei den Burgunden bin.“
Frau Kriemhild ſprach: „Mir rathen · hier die Freunde mein,
Die beſten, die ich habe, · bei ihnen ſoll' ich ſein.
Ich habe keinen Blutsfreund · in Nibelungenland.“
Leid war es Siegmunden, · da er dieß an Kriemhild fand.
Da ſprach König Siegmund: · „Das laßt euch Niemand ſagen:
Vor allen meinen Freunden · ſollt ihr die Krone tragen
Nach rechter Königswürde, · wie ihr vordem gethan:
Ihr ſollt es nicht entgelten, · daß ihr verloren habt den Mann.
„Fahrt auch mit uns zur Heimat · um euer Kindelein:
Das ſollt ihr eine Waiſe, · Frau, nicht laßen ſein.
Iſt euer Sohn erwachen, · er tröſtet euch den Muth.
Derweil ſoll euch dienen · mancher Degen kühn und gut.“
Sie ſprach: „Mein Herr Siegmund, · ich kann nicht mit euch gehn.
Ich muß hier verbleiben, · was halt mir mag geſchehn,
Bei meinen Anverwandten, · die mir helfen klagen.“
Da wollten dieſe Mären · den guten Recken nicht behagen.
Sie ſprachen einhellig: · „So möchten wir geſtehn,
Es ſei in dieſer Stunde · uns erſt ein Leid geſchehn.
Wollt ihr hier im Lande · bei unſern Feinden ſein,
So könnte Helden niemals · eine Hoffahrt übler gedeihn.“
„Ihr ſollt ohne Sorge · Gott befohlen fahren:
Ich ſchaff euch gut Geleite · und heiß euch wohl bewahren
Bis zu euerm Lande; · mein liebes Kindelein
Das ſoll euch guten Recken · auf Gnade befohlen ſein.“
Als ſie das recht vernahmen, · ſie wolle nicht hindann,
Da huben Siegfrieds Mannen · all zu weinen an.
Mit welchem Herzensjammer · nahm da Siegmund
Urlaub von Kriemhilden! · Da ward ihm Unfreude kund.
„Weh dieſes Hofgelages!“ · ſprach der König hehr.
„Einem König und den Seinen · geſchieht wohl nimmermehr
Einer Kurzweil willen, · was uns hier iſt geſchehn:
Man ſoll uns nimmer wieder · hier bei den Burgunden ſehn.“
Da ſprachen laut die Degen · in Siegfriedens Heer:
„Wohl möchte noch die Reiſe · geſchehen hieher,
Wenn wir den nur fanden, · der uns den Herrn erſchlug.
Sie haben Todfeinde · bei ſeinen Freunden genug.“
Er küſſte Kriemhilden: · kläglich ſprach er da,
Als er daheim zu bleiben · ſie ſo entſchloßen ſah:
„Wir reiten arm an Freuden · nun heim in unſer Land!
All mein Kummer · iſt mir erſt jetzo bekannt.“
Sie ritten ungeleitet · von Worms an den Rhein:
Sie mochten wohl des Muthes · in ihrem Sinne ſein,
Wenn ſie in Feindſchaft · würden angerannt,
Daß ſich ſchon wehren ſolle · der kühnen Niblungen Hand.
Sie erbaten Urlaub · von Niemanden ſich.
Da ſah man Geiſelheren · und Gernot minniglich
Zu dem König kommen; · ihnen war ſein Schade leid:
Das ließen ihn wohl ſchauen · die kühnen Helden allbereit.
Da ſprach wohlgezogen · der kühne Gernot:
„Wohl weiß es Gott im Himmel, · an Siegfriedens Tod
Bin ich ganz unſchuldig: · ich hört auch niemals ſagen,
Wer ihm Feind hier wäre: · ich muß ihn billig beklagen.“
Da gab ihm gut Geleite · Geiſelher das Kind.
Er bracht ohne Sorgen, · die ſonſt bei Leide ſind,
Den König und die Recken · heim nach Niederland.
Wie wenig der Verwandten · man dort fröhlich wiederfand!
Wie's ihnen nun ergangen iſt, · weiß ich nicht zu ſagen.
Man hörte hier Kriemhilden · zu allen Zeiten klagen,
Daß ihr Niemand tröſtete · das Herz noch den Muth
Als ihr Bruder Geiſelher: · der war getreu und auch gut.
Brunhild die ſchöne · des Uebermuthes pflag:
Wie viel Kriemhild weinte, · was fragte ſie darnach!
Sie war zu Lieb und Treue · ihr nimmermehr bereit;
Bald ſchuf auch ihr Frau Kriemhild · wohl ſo ungefüges Leid.
Als die edle Kriemhild · ſo verwitwet ward,
Blieb bei ihr im Lande · der Markgraf Eckewart
Zurück mit ſeinen Mannen, · wie ihm die Treu gebot.
Er diente ſeiner Frauen · willig bis an ſeinen Tod.
Zu Worms am Münſter wies man · ihr ein Gezimmer an,
Weit und geräumig, · reich und wohlgethan,
Wo mit dem Geſinde · die Freudenloſe ſaß.
Sie gieng zur Kirche gerne, · mit großer Andacht that ſie das.
Wo ihr Freund begraben lag, · wie fleißig gieng ſie
Sie that es alle Tage · mit trauerndem Sinn
Und bat ſeiner Seele · Gott den Herrn zu pflegen:
Gar oft bejammert wurde · mit großer Treue der Degen.
Ute und ihr Geſinde · ſprachen ihr immer zu,
Und doch im wunden Herzen · fand ſie ſo wenig Ruh,
Es konnte nicht verfangen · der Troſt, den man ihr bot.
Sie hatte nach dem Freunde · die allergrößeſte Noth,
Die nach liebem Manne · je ein Weib gewann:
Ihre große Treue · erſah man wohl daran.
Sie klagt' ihn bis zu Ende, · da ſie zu ſterben kam.
Bald rächte ſie gewaltig · mit großer Treue den Gram.
Sie ſaß in ihrem Leide, · das iſt alles wahr,
Nach ihres Mannes Tode · bis in das vierte Jahr
Und hatte nie zu Gunthern · geſprochen einen Laut
Und auch Hagen ihren Feind · in all der Zeit nicht erſchaut.
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Könnte das geſchehn,
Daß ihr euch die Schweſter · gewogen möchtet ſehn,
So käm zu dieſem Lande · der Nibelungen Gold:
Des mögt ihr viel gewinnen, · wird uns die Königin hold.“
„Wir wollen es verſuchen,“ · ſprach der König hehr.
„Es ſollen für uns bitten · Gernot und Geiſelher,
Bis ſie es erlangen, · daß ſie das gerne ſieht.“
„Ich glaube nicht,“ ſprach Hagen, · „daß es jemals geſchieht.“
Da befahl er Ortweinen · hin an Hof zu gehn
Und dem Markgrafen Gere: · als das war geſchehn,
Brachte man auch Gernot · und Geiſelhern das Kind:
Da verſuchten bei Kriemhilden · ſie es freundlich und gelind.
Da ſprach von Burgunden · der kühne Gernot:
„Frau, ihr klagt zu lange · um Siegfriedens Tod.
Der König will euch zeigen, · er hab ihn nicht erſchlagen:
Man hört zu allen Zeiten · euch ſo heftig um ihn klagen.“
Sie ſprach: „Des zeiht ihn Niemand, · ihn ſchlug Hagens Hand.
Wo er verwundbar wäre, · macht ich ihm bekannt.
Wie konnt ich michs verſehen, · er trüg ihm Haß im Sinn!
Sonſt hätt ichs wohl vermieden,“ · ſprach die edle Königin,
„Daß ich verraten hätte · ſeinen ſchönen Leib:
So ließ' ich nun mein Weinen, · ich unſelig Weib!
Hold werd ich ihnen nimmer, · die das an ihm gethan!“
Zu flehn begann da Geiſelher, · dieſer waidliche Mann.
Sie ſprach: „Ich muß ihn grüßen, · ihr liegt zu ſehr mir an.
Von euch iſt's große Sünde: · Gunther hat mir gethan
So viel Herzeleides · ganz ohne meine Schuld:
Mein Mund ſchenkt ihm Verzeihung, · mein Herz ihm nimmer die Huld.“
„Hernach wird es beßer,“ · ihre Freunde ſprachen ſo.
„Wenn ers zu Wege brächte, · daß wir ſie ſähen froh!“
„Er mags ihr wohl vergüten,“ · ſprach da Gernot.
Da ſprach die Jammersreiche: · „Seht, nun leiſt ich eur Gebot:
„Ich will den König grüßen.“ · Als er das vernahm,
Mit ſeinen beſten Freunden · der König zu ihr kam.
Da getraute Hagen · ſich nicht, zu ihr zu gehn:
Er kannte ſeine Schuld wohl: · ihr war Leid von ihm geſchehn.
Als ſie verſchmerzen wollte · auf Gunther den Haß,
Daß er ſie küſſen ſollte, · wohl ziemte ſich ihm das.
Wär ihr mit ſeinem Willen · ſo leid nicht geſchehn,
So dürft er dreiſten Muthes · immer zu Kriemhilden gehn.
Es ward mit ſo viel Thränen · nie eine Sühne mehr
Geſtiftet unter Freunden. · Sie ſchmerzt' ihr Schade ſehr.
Doch verzieh ſie allen · bis auf den Einen Mann:
Niemand hätt ihn erſchlagen, · hätt es Hagen nicht gethan.
Nun währt' es nicht mehr lange, · ſo ſtellten ſie es an,
Daß die Königstochter · den großen Hort gewann
Vom Nibelungenlande · und bracht ihn an den Rhein:
Ihre Morgengabe war es · und muſt ihr billig eigen ſein.
Nach dieſem fuhr da Geiſelher · und auch Gernot.
Achtzighundert Mannen · Frau Kriemhild gebot,
Daß ſie ihn holen ſollten, · wo er verborgen lag
Und ſein der Degen Alberich · mit ſeinen beſten Freunden pflag.
Als man des Schatzes willen · vom Rhein ſie kommen ſah,
Alberich der kühne · ſprach zu den Freunden da:
„Wir dürfen ihr wohl billig · den Hort nicht entziehn,
Da ſein als Morgengabe · heiſcht die edle Künigin.
„Dennoch ſollt es nimmer,“ · ſprach Alberich, „geſchehn,
Müſten wir nicht leider · uns verloren ſehn
Die gute Tarnkappe · mit Siegfried zumal,
Die immer hat getragen · der ſchönen Kriemhild Gemahl.
„Nun iſt es Siegfrieden · leider ſchlimm bekommen,
Daß die Tarnkappe · der Held uns hat genommen,
Und daß ihm dienen muſte · all dieſes Land.“
Da gieng dahin der Kämmerer, · wo er die Schlüßel liegen fand.
Da ſtanden vor dem Berge, · die Kriemhild geſandt,
Und mancher ihrer Freunde: · man ließ den Schatz zur Hand
Zu dem Meere bringen · an die Schiffelein
Und führt' ihn auf den Wellen · bis zu Berg in den Rhein.
Nun mögt ihr von dem Horte · Wunder hören ſagen:
Zwölf Leiterwagen konnten · ihn kaum von dannen tragen
In vier Tag und Nächten · aus des Berges Schacht,
Hätten ſie des Tages · den Weg auch dreimal gemacht.
Es war auch nichts anders · als Geſtein und Gold.
Und hätte man die ganze Welt · erkauft mit dieſem Gold,
Um keine Mark vermindern · möcht es ſeinen Werth.
Wahrlich Hagen hatte · nicht ohne Grund ſein begehrt.
Der Wunſch lag darunter, · ein golden Rüthelein:
Wer es hätt erkundet, · der möchte Meiſter ſein
Auf der weiten Erde · wohl über jeden Mann.
Von Albrichs Freunden zogen · mit Gernot Viele hinan.
Als Gernot der Degen · und der junge Geiſelher
Des Horts ſich unterwanden, · da wurden ſie auch Herr
Des Landes und der Burgen · und der Recken wohlgeſtalt:
Die muſten ihnen dienen · zumal durch Furcht und Gewalt.
Als ſie den Hort gewannen · in König Gunthers Land,
Und ſich darob die Königin · der Herrſchaft unterwand,
Kammern und Thürme · die wurden voll getragen;
Man hörte nie von Schätzen · ſo große Wunder wieder ſagen.
Und wären auch die Schätze · noch größer tauſendmal,
Und wär der edle Siegfried · erſtanden von dem Fall,
Gern wäre bei ihm Kriemhild · geblieben hemdebloß.
Nie war zu einem Helden · eines Weibes Treue ſo groß.
Als ſie den Hort nun hatte, · da brachte ſie ins Land
Viel der fremden Recken; · wohl gab der Frauen Hand,
Daß man ſo große Milde · nie zuvor geſehn.
Sie übte hohe Güte: · das muſte man ihr zugeſtehn.
Den Armen und den Reichen · zu geben ſie begann.
Hagen ſprach zum König: · „Läßt man ſie ſo fortan
Noch eine Weile ſchalten, · ſo wird ſie in ihr Lehn
So manchen Degen bringen, · daß es uns übel muß ergehn.“
Da ſprach König Gunther: · „Ihr gehört das Gut:
Wie darf ich mich drum kümmern, · was ſie mit ihm thut?
Ich konnt es kaum erlangen, · daß ſie mir wurde hold;
Nicht frag ich, wie ſie theilet · ihr Geſtein und rohes Gold.“
Hagen ſprach zum König: · „Es vertraut ein kluger Mann
Doch ſolche Schätze billig · keiner Frauen an:
Sie bringt es mit Gaben · wohl noch an den Tag,
Da es ſehr gereuen · die kühnen Burgunden mag.“
Da ſprach König Gunther: · „Ich ſchwur ihr einen Eid,
Daß ich ihr nie wieder · fügen wollt ein Leid,
Und will es künftig meiden: · ſie iſt die Schweſter mein.“
Da ſprach wieder Hagen: · „Laßt mich den Schuldigen ſein.“
Sie nahmen ihre Eide · meiſtens ſchlecht in Hut:
Da raubten ſie der Witwe · das mächtige Gut.
Hagen aller Schlüßel · dazu ſich unterwand.
Ihr Bruder Gernot zürnte, · als ihm das wurde bekannt.
Da ſprach der junge Geiſelher: · „Viel Leides iſt geſchehn
Von Hagen meiner Schweſter: · dem ſollt ich widerſtehn:
Wär er nicht mein Blutsfreund, · es gieng' ihm an den Leib.“
Wieder neues Weinen · begann da Siegfriedens Weib.
Da ſprach König Gernot: · „Eh wir ſolche Pein
Um dieſes Gold erlitten, · wir ſolltens in den Rhein
All verſenken laßen: · ſo gehört' es Niemand an.“
Sie kam mit Klaggebärde · da zu Geiſelher heran.
Sie ſprach: „Lieber Bruder, · du ſollſt gedenken mein,
Lebens und Gutes · ſollſt du ein Vogt mir ſein.“
Da ſprach er zu der Schweſter: · „Gewiſs, es ſoll geſchehn,
Wenn wir wiederkommen: · eine Fahrt iſt zu beſtehn.“
Gunther und ſeine Freunde · räumten das Land,
Die allerbeſten drunter, · die man irgend fand;
Hagen nur alleine · verblieb um ſeinen Haß,
Den er Kriemhilden hegte: · ihr zum Schaden that er das.
Eh der reiche König · wieder war gekommen,
Derweil hatte Hagen · den ganzen Schatz genommen:
Er ließ ihn bei dem Loche · verſenken in den Rhein.
Er wähnt', er ſollt ihn nutzen; · das aber konnte nicht ſein.
Bevor von Tronje Hagen · den Schatz alſo verbarg,
Da hatten ſie's beſchworen · mit Eiden hoch und ſtark,
Daß er verhohlen bliebe, · ſo lang ſie möchten leben:
So konnten ſie's ſich ſelber · noch auch Jemand anders geben.
Die Fürſten kamen wieder, · mit ihnen mancher Mann.
Kriemhild den großen Schaden · zu klagen da begann
Mit Mägdlein und Frauen; · ſie hatten Herzensnoth.
Da ſtellten ſich die Degen, · als ſännen ſie auf ſeinen Tod.
Sie ſprachen einhellig: · „Er hat nicht wohlgethan.“
Bis er zu Freunden wieder · die Fürſten ſich gewann,
Entwich er ihrem Zorne: · ſie ließen ihn geneſen;
Aber Kriemhild konnt ihm · wohl nicht feinder ſein geweſen.
Mit neuem Leide wieder · belaſtet war ihr Muth,
Erſt um des Mannes Leben · und nun, da ſie das Gut
Ihr ſo gar benahmen: · da ruht' auch ihre Klage,
So lang ſie lebte, nimmer · bis zu ihrem jüngſten Tage.
Nach Siegfriedens Tode, · das iſt alles wahr,
Lebte ſie im Leide · noch dreizehen Jahr,
Daß ihr der Tod des Recken · ſtäts im Sinne lag:
Sie wahrt' ihm immer Treue; · das rühmen ihr die Meiſten nach.
Eine reiche Fürſtenabtei · hatte Frau Ute
Nach Dankrats Tod geſtiftet · von ihrem Gute
Mit großen Einkünften, · die es noch heute zieht:
Dort zu Lorſch das Kloſter, · das man in hohen Ehren ſieht.
Dazu gab auch Kriemhild · hernach ein großes Theil
Um Siegfriedens Seele · und aller Seelen Heil
Gold und Edelſteine · mit williger Hand;
Getreuer Weib auf Erden · ward uns ſelten noch bekannt.
Seit Kriemhild König Gunthern · wieder ſchenkte Huld
Und dann doch den großen Hort · verlor durch ſeine Schuld,
Ihres Herzeleides · ward da noch viel mehr:
Da zöge gern von dannen · die Fraue edel und hehr.
Nun war Frau Uten · ein Sedelhof bereit
Zu Lorſch bei ihrem Kloſter, · reich, groß und weit,
Dahin von ihren Kindern · ſie zog und ſich verbarg,
Wo noch die hehre Königin · begraben liegt in einem Sarg.
Da ſprach die Königswitwe: · „Liebe Tochter mein,
Hier magſt du nicht verbleiben: · bei mir denn ſollſt du ſein,
Zu Lorſch in meinem Hauſe, · und läſt dein Weinen dann.“
Kriemhild gab zur Antwort: · „Wo ließ' ich aber meinen Mann?“
„Den laß nur hier verbleiben,“ · ſprach Frau Ute.
„Nicht woll es Gott vom Himmel,“ · ſprach da die Gute.
„Nein, liebe Mutter, · davor will ich mich wahren:
„ein Mann muß von hinnen · in Wahrheit auch mit mir fahren.“
Da ſchuf die Jammersreiche, · daß man ihn erhub
Und ſein Gebein, das edle, · wiederum begrub
Zu Lorſch bei dem Münſter · mit Ehren mannigfalt:
Da liegt im langen Sarge · noch der Degen wohlgeſtalt.
Zu denſelben Zeiten, · da Kriemhild geſollt
Zu ihrer Mutter ziehen, · wohin ſie auch gewollt,
Da muſte ſie verbleiben, · weil es nicht ſollte ſein:
Das ſchufen neue Mären, · die da kamen über Rhein.
Das war in jenen Zeiten, · als Frau Helke ſtarb
Und der König Etzel · um andre Frauen warb,
Da riethen ſeine Freunde · in Burgundenland
Zu einer ſtolzen Witwe, · die war Frau Kriemhild genannt.
Seit ihm die ſchöne Helke · erſtarb, die Königin,
Sie ſprachen: „Sinnt ihr wieder · auf edler Frau Gewinn,
Der höchſten und der beſten, · die je ein Fürſt gewann,
So nehmet Kriemhilden; · der ſtarke Siegfried war ihr Mann.“
Da ſprach der reiche König: · „Wie gienge das wohl an?
Ich bin ein Heide, · ein ungetaufter Mann,
Sie jedoch iſt Chriſtin · ſie thut es nimmermehr.
Ein Wunder müſt es heißen, · käm ſie jemals hieher.“
Die Schnellen ſprachen wieder: · „Vielleicht, daß ſie es thut
Um euern hohen Namen · und euer großes Gut.
Man ſoll es doch verſuchen · bei dem edeln Weib:
Euch ziemte wohl zu minnen · ihren wonniglichen Leib.“
Da ſprach der edle König: · „Wem iſt nun bekannt
Unter euch am Rheine · das Volk und auch das Land?“
Da ſprach von Bechlaren · der gute Rüdiger:
„Kund von Kindesbeinen · ſind mir die edeln Könige hehr,
„Gunther und Gernot, · die edeln Ritter gut;
Der dritte heißt Geiſelher: · ein Jeglicher thut,
Was er nach Zucht und Ehren · am beſten mag begehn:
Auch iſt von ihren Ahnen · noch ſtäts dasſelbe geſchehn.“
Da ſprach wieder Etzel: · „Freund, nun ſage mir,
Ob ihr wohl die Krone · ziemt zu tragen hier;
Und hat ſie ſolche Schöne, · wie man ſie zeiht,
Meinen beſten Freunden · ſollt es nimmer werden leid.“
„Sie vergleicht ſich an Schöne · wohl der Frauen mein,
Helke der reichen: · nicht ſchöner könnte ſein
Auf der weiten Erde · eine Königin:
Wen ſie erwählt zum Freunde, · der mag wohl tröſten den Sinn.“
Er ſprach: „So wirb ſie, Rüdiger, · ſo lieb als ich dir ſei.
Und darf ich Kriemhilden · jemals liegen bei,
Das will ich dir lohnen, · ſo gut ich immer kann;
Auch haſt du meinen Willen · mit großer Treue gethan.
„Von meinem Kammergute · laß ich ſo viel dir geben,
Daß du mit den Gefährten · in Freude mögeſt leben;
Von Roſſen und von Kleidern, · was ihr nur begehrt,
Des wird zu der Botſchaft · euch die Genüge gewährt.“
Zur Antwort gab der Markgraf, · der reiche Rüdiger:
„Begehrt' ich deines Gutes, · das ziemte mir nicht ſehr.
Ich will dein Bote gerne · werden an den Rhein
Mit meinem eignen Gute; · ich hab es aus den Händen dein.“
Da ſprach der reiche König: · „Wann denkt ihr zu fahren
Nach der Minniglichen? · So ſoll euch Gott bewahren
Dabei an allen Ehren · und auch die Fraue mein;
Und möge Glück mir helfen, · daß ſie uns gnädig möge ſein.“
Da ſprach wieder Rüdiger: · „Eh wir räumen dieſes Land,
Müßen wir uns rüſten · mit Waffen und Gewand,
Daß wir vor den Königen · mit Ehren dürfen ſtehn:
Ich will zum Rheine führen · fünfhundert Degen auserſehn.
„Wenn man bei den Burgunden · mich und die Meinen ſeh,
Daß dann einſtimmig · das Volk im Land geſteh,
Es habe nie ein König · noch ſo manchen Mann
So fern daher geſendet, · als du zum Rheine gethan.
„Und wiß, edler König, · ſtehſt du darob nicht an,
Sie war dem beſten Manne, · Siegfrieden unterthan,
Siegmundens Sohne; · du haſt ihn hier geſehn:
Man mocht ihm große Ehre · wohl in Wahrheit zugeſtehn.“
Da ſprach der König Etzel: · „War ſie dem Herrn vermählt,
Sie war ſo hohes Namens · der edle Fürſt erwählt,
Daß ich nicht verſchmähen · darf die Königin.
Ob ihrer großen Schönheit · gefällt ſie wohl meinem Sinn.“
Da ſprach der Markgraf wieder: · „Wohlan, ich will euch ſagen,
Wir heben uns von hinnen · in vierundzwanzig Tagen.
Ich entbiet es Gotelinden, · der lieben Fraue mein,
Daß ich zu Kriemhilden · ſelber wolle Bote ſein.“
Hin gen Bechelaren · ſandte Rüdiger
Boten ſeinem Weibe, · der Markgräfin hehr,
Er werbe für den König · um eine Königin:
Der guten Helke dachte · ſie da mit freundlichem Sinn.
Als die Botenkunde · die Markgräfin gewann,
Leid war es ihr zum Theile, · zu ſorgen hub ſie an,
Ob ſie wohl eine Herrin · gewänne ſo wie eh.
Gedachte ſie an Helke, · das that ihr inniglich weh.
Nach ſieben Tagen Rüdiger · ritt aus Heunenland,
Worüber frohgemuthet · man König Etzeln fand.
Man fertigte die Kleider · in der Stadt zu Wien;
Da wollt er mit der Reiſe · auch nicht länger mehr verziehn.
Zu Bechlaren harrte · ſein Frau Gotelind
Und die junge Markgräfin, · Rüdigers Kind,
Sah ihren Vater gerne · und Die ihm unterthan;
Da ward ein liebes Harren · von ſchönen Frauen gethan.
Eh der edle Rüdiger · aus der Stadt zu Wien
Ritt nach Bechlaren, · da waren hier für ihn
Kleider und Gewaffen · auf Säumern angekommen.
Sie fuhren ſolcherweiſe, · daß ihnen wenig ward genommen.
Als ſie zu Bechlaren · kamen in die Stadt,
Für ſeine Heergeſellen · um Herbergen bat
Der Wirth mit holden Worten: · die gab man ihnen da.
Gotelind die reiche · den Wirth gar gerne kommen ſah.
Auch ſeine liebe Tochter, · die Marfgräfin jung,
Ob ihres Vaters Kommen · war ſie froh genung,
Aus Heunenland die Helden, · wie gern ſie die ſah!
Mit lachendem Muthe · ſprach die edle Jungfrau da:
„Willkommen ſei mein Vater · und Die ihm unterthan.“
Da ward ein ſchönes Danken · von manchem werthen Mann
Freundlich geboten · der jungen Markgräfin.
Wohl kannte Frau Gotlind · des edeln Rüdiger Sinn.
Als ſie des Nachts nun · bei Rüdigern lag,
Mit holden Worten fragte · die Markgräfin nach,
Wohin ihn denn geſendet · der Fürſt von Heunenland?
„Meine Frau Gotlind,“ ſprach er, · „ich mach es gern euch bekannt.
„Meinem Herren werben · ſoll ich ein ander Weib,
Da ihm iſt erſtorben · der ſchönen Helke Leib.
Nun will ich nach Kriemhilden · reiten an den Rhein:
Die ſoll hier bei den Heunen · gewaltge Königin ſein.“
„Das wollte Gott!“ ſprach Gotlind, · „möcht uns dies Heil geſchehn,
Da wir ſo hohe Ehren · ihr hören zugeſtehn.
Sie erſetzt uns Helken · vielleicht in alten Tagen;
Wir mögen bei den Heunen · ſie gerne ſehen Krone tragen.“
Da ſprach Markgraf Rüdiger: · „Liebe Fraue mein,
Die mit mir reiten ſollen · von hinnen an den Rhein,
Denen ſollt ihr freundlich · bieten euer Gut:
Wenn Helden reichlich leben, · ſo tragen ſie hohen Muth.“
Sie ſprach: „Da iſt nicht Einer, · wenn er es gerne nähm,
Ich wollt ihm willig bieten, · was Jeglichem genehm,
Eh ihr von hinnen ſcheidet · und Die euch unterthan.“
Da ſprach der Markgraf wieder: · „Ihr thut mir Liebe daran.“
Hei! was man reicher Zeuge · von ihrer Kammer trug!
Da ward den edeln Recken · Gewand zu Theil genug
Mit allem Fleiß gefüttert · vom Hals bis auf die Sporen;
Die ihm davon gefielen, · hatte Rüdger ſich erkoren.
Am ſiebenten Morgen · von Bechlaren ritt
Der Wirth mit ſeinen Degen. · Sie führten Waffen mit
Und Kleider auch die Fülle · durch der Baiern Land.
Sie wurden auf der Straße · von Räubern ſelten angerannt.
Binnen zwölf Tagen · kamen ſie an den Rhein.
Da konnte dieſe Märe · nicht lang verborgen ſein:
Dem König und den Seinen · ward es kund gethan,
Es kämen fremde Gäſte. · Der Wirth zu fragen begann,
Ob ſie Jemand kennte? · das ſollte man ihm ſagen.
Man ſah die Saumroſſe · ſchwere Laſten tragen:
Wie reich die Helden waren, · ward daran erkannt.
Herberge ſchuf man ihnen · in der weiten Stadt zuhand.
Als die Gäſte waren · in die Stadt gekommen,
Ihres Aufzugs hatte man · mit Neugier wahrgenommen.
Sie wunderte, von wannen · ſie kämen an den Rhein.
Der Wirth fragte Hagen, · wer die Herren möchten ſein?
Da ſprach der Held von Tronje: · „Ich ſah ſie noch nicht;
Wenn ich ſie erſchaue, · mag ich euch Bericht
Wohl geben, von wannen · ſie ritten in dies Land.
Sie wären denn gar fremde, · ſo ſind ſie gleich mir bekannt.“
Herbergen hatten · die Gäſte nun empfahn.
Der Bote hatte reiche · Gewänder angethan
Mit ſeinen Heergeſellen, · als ſie zu Hofe ritten.
Sie trugen gute Kleider, · die waren zierlich geſchnitten.
Da ſprach der ſchnelle Hagen: · „So viel ich mag verſtehn,
Da ich ſeit langen Tagen · den Herrn nicht hab erſehn,
So ſind ſie ſo zu ſchauen, · als wär es Rüdiger
Aus der Heunen Lande, · dieſer Degen kühn und hehr.“
„Wie ſollt ich das glauben,“ · der König ſprachs zuhand,
„Daß der von Bechelaren · kam in dieſes Land?“
Kaum hatte König Gunther · das Wort geſprochen gar,
So nahm der kühne Hagen · den guten Rüdiger wahr.
Er und ſeine Freunde · liefen ihm entgegen:
Da ſprangen von den Roſſen · fünfhundert ſchnelle Degen.
Wohl empfangen wurden · die von Heunenland;
Niemals trugen Boten · wohl ſo herrlich Gewand.
Da rief von Tronje Hagen · mit lauter Stimme Schall:
„Nun ſei'n uns hochwillkommen · dieſe Degen all,
Der Vogt von Bechelaren · mit ſeiner ganzen Schar.“
Man empfieng mit Ehren · die ſchnellen Heunen fürwahr.
Des Königs nächſte Freunde · drängten ſich heran:
Da hub von Metzen Ortewein · zu Rüdigern an:
„Wir haben lange Tage · hier nicht mehr geſehn
Alſo liebe Gäſte, · das muß ich wahrlich geſtehn!“
Sie dankten des Empfanges · den Recken allzumal.
Mit dem Heergeſinde · giengen ſie zum Saal,
Wo ſie den König fanden · bei manchem kühnen Mann.
Der ſtand empor vom Sitze: · das ward aus höfſcher Zucht gethan.
Wie freundlich dem Boten · er entgegengieng
Und allen ſeinen Degen! · Gernot auch empfieng
Den Gaſt mit hohen Ehren · und Die ihm unterthan.
Den guten Rüdger führte · der König an der Hand heran.
Er bracht' ihn zu dem Sitze, · darauf er ſelber ſaß.
Den Gäſten ließ er ſchenken · (gerne that man das)
Von dem guten Methe · und von dem beſten Wein,
Den man mochte finden · in den Landen um den Rhein.
Geiſelher und Gere · waren auch gekommen,
Dankwart und Volker, · die hatten bald vernommen
Von den werthen Gäſten. · Sie waren wohlgemuth:
Sie empfiengen vor dem König · die Ritter edel und gut.
Da ſprach von Tronje Hagen · zu Gunthern ſeinem Herrn:
„Mit Dienſt vergelten ſollten · ſtäts eure Degen gern,
Was uns der Markgraf · zu Liebe hat gethan;
Des ſollte Lohn empfangen · der ſchönen Gotlinde Mann.“
Da ſprach der König Gunther: · „Ich laße nicht das Fragen:
Wie beide ſich gehaben, · das ſollt ihr mir ſagen,
Etzel und Frau Helke · in der Heunen Land?“
Der Markgraf gab zur Antwort: · „Ich mach es gern euch bekannt.“
Da erhob er ſich vom Sitze · und Die ihm unterthan
Und ſprach zu dem König: · „Laßt mich Erlaub empfahn,
Daß ich die Märe ſage, · um die mich hat geſandt
Etzel der König · hieher in der Burgunden Land.“
Er ſprach: „Was man uns immer · durch euch entboten hat,
Erlaub ich euch zu ſagen · ohne der Freunde Rath.
Die Märe laßt vernehmen · mich und die Degen mein:
Euch ſoll nach allen Ehren · zu werben hier geſtattet ſein.“
Da ſprach der biedre Bote: · „Euch entbietet an den Rhein
Seine treuen Dienſte · der große König mein,
Dazu den Freunden allen, · die euch zugethan;
Auch wird euch dieſe Botſchaft · mit großer Treue gethan.
„Euch läßt der edle König · klagen ſeine Noth:
Sein Volk iſt ohne Freude, · meine Frau die iſt todt,
Helke die reiche, · meines Herrn Gemahl:
An der ſind ſchöne Jungfraun · nun verwaiſt in großer Zahl,
„Edler Fürſten Kinder, · die ſie erzogen hat;
Darum hat im Lande · nun große Trauer Statt:
Sie haben leider Niemand mehr, · der ſie ſo treulich pflegt,
Drum wähn ich auch, daß ſelten · des Königs Sorge ſich legt.“
„Nun lohn ihm Gott,“ ſprach Gunther, · „daß er die Dienſte ſein
So williglich entbietet · mir und den Freunden mein.
Ich hörte gern die Grüße, · die ihr mir kund gethan;
Auch wollen ſie verdienen · Die mir treu und unterthan.“
Da ſprach von Burgunden · der edle Gernot:
„Die Welt mag wohl beklagen · der ſchönen Helke Tod
Um manche höfſche Tugend, · der ſie gewohnt zu pflegen.“
Das beſtätigte Hagen · und mancher andre Degen.
Da ſprach wieder Rüdiger, · der edle Bote hehr:
„Erlaubt ihr mir, Herr König, · ſo ſag ich euch noch mehr,
Was mein lieber Herre · euch hieher entbot:
Er lebt in großem Kummer · ſeit der Königin Helke Tod.
„Man ſagte meinem Herren, · Kriemhild ſei ohne Mann,
Da Siegfried geſtorben: · und ſprach man wahr daran,
Und wollt ihr ihrs vergönnen, · ſo ſoll ſie Krone tragen
Vor König Etzels Recken: · das gebot mein Herr ihr zu ſagen.“
Da ſprach König Gunther · mit wohlgezognem Muth:
„Sie hört meinen Willen, · wenn ſie es gerne thut.
Das will ich euch berichten · von heut in dreien Tagen:
Wenn ſie es nicht weigert, · wie ſollt ichs Etzel verſagen?“
Man ließ Gemach beſcheiden · den Gäſten allzuhand.
Sie fanden ſolche Pflege, · daß Rüdiger geſtand,
Er habe gute Freunde · in König Gunthers Lehn.
Gerne dient' ihm Hagen: · ihm war einſt Gleiches geſchehn.
So verweilte Rüdiger · bis an den dritten Tag.
Der Fürſt berief die Räthe, · wie er weislich pflag,
Und fragte ſeine Freunde, · ob ſie es gut gethan
Däuchte, daß Kriemhild · Herrn Etzeln nähme zum Mann.
Da riethen ſie es alle; · nur Hagen ſtands nicht an.
Er ſprach zu König Gunther, · dieſem kühnen Mann:
„Habt ihr kluge Sinne, · ſo ſeid wohl auf der Hut,
Wenn ſie auch folgen wollte, · daß ihr doch nimmer es thut.“
„Warum,“ ſprach da Gunther, · „ließ' ich es nicht ergehn?
Was künftig noch der Königin · Liebes mag geſchehn,
Will ich ihr gerne gönnen: · ſie iſt die Schweſter mein.
Wir müſten ſelbſt drum werben, · ſollt es ihr zur Ehre ſein.“
Da ſprach aber Hagen: · „Das ſprecht ihr unbedacht.
Wenn ihr Etzeln kenntet · wie ich und ſeine Macht,
Und ließt ihr ſie ihn minnen, · wie ich euch höre ſagen,
Das müſtet ihr vor Allen · mit großem Rechte beklagen.“
„Warum?“ ſprach da Gunther, · „leicht vermeid ich das,
Ihm je ſo nah zu kommen, · daß ich durch ſeinen Haß
Leid zu befahren hätte, · würd er auch ihr Mann.“
Da ſprach wieder Hagen: · „Mich dünkt es nimmer wohlgethan.“
Da lud man Gernoten · und Geiſelhern heran,
Ob die Herren beide · däuchte wohlgethan,
Wenn Frau Kriemhild nähme · den mächtgen König hehr.
Noch widerrieth es Hagen · und auch anders Niemand mehr.
Da ſprach von Burgunden · Geiſelher der Degen:
„Nun mögt ihr, Freund Hagen, · noch der Treue pflegen:
Entſchädigt ſie des Leides, · das ihr ihr habt gethan.
Was ihr noch mag gelingen, · das ſäht ihr billig neidlos an.“
„Wohl habt ihr meiner Schweſter · gefügt ſo großes Leid,“
Sprach da wieder Geiſelher, · der Degen allbereit,
„Ihr hättets wohl verſchuldet, · wäre ſie euch gram:
Noch Niemand einer Frauen · ſo viel der Freuden benahm.“
„Daß ich das wohl erkenne, · das ſei euch frei bekannt.
Und ſoll ſie Etzeln nehmen · und kommt ſie in ſein Land,
Wie ſie es fügen möge, · viel Leid thut ſie uns an.
Wohl kommt in ihre Dienſte · da mancher waidliche Mann.“
Dawider ſprach zu Hagen · der kühne Gernot:
„Es mag dabei verbleiben · bis an Beider Tod,
Daß wir niemals kommen · in König Etzels Land.
Laßt uns ihr Treue leiſten: · zu Ehren wird uns das gewandt.“
Da ſprach Hagen wieder: · „Das laß ich mir Niemand ſagen;
Und ſoll die edle Kriemhild · Helkens Krone tragen,
Viel Leid wird ſie uns ſchaffen, · wo ſie's nur fügen kann:
Ihr ſollt es bleiben laßen, · das ſtänd euch Recken beßer an.“
Im Zorn ſprach da Geiſelher, · der ſchönen Ute Kind:
Wir wollen doch nicht alle · meineidig ſein geſinnt.
Was ihr geſchieht zu Ehren, · laßt uns froh drum ſein.
Was ihr auch redet, Hagen, · ich dien ihr nach der Treue mein.“
Als das Hagen hörte, · da trübte ſich ſein Muth.
Geiſelher und Gernot, · die ſtolzen Ritter gut,
Und Gunther der reiche · vereinten endlich ſich,
Wenn es Kriemhild wünſche, · ſie wolltens dulden williglich.
Da ſprach Markgraf Gere: · „So geh ich ihr zu ſagen,
Daß ſie den König Etzel · ſich laße wohlhagen.
Dem iſt ſo mancher Recke · mit Furchten unterthan,
Er mag ihr wohl vergüten, · was ſie je Leides gewann.“
Hin gieng der ſchnelle Degen, · wo er Kriemhilden ſah.
Sie empfieng ihn gütlich; · wie balde ſprach er da:
„Ihr mögt mich gern begrüßen · und geben Botenbrot,
Es will das Glück euch ſcheiden · nun von all eurer Noth.
„Es hat um eure Minne, · Frau, hiehergeſandt
Der Allerbeſten einer, · der je ein Königsland
Gewann mit vollen Ehren · und Krone durfte tragen:
Es werben edle Ritter: · das läßt euch euer Bruder ſagen.“
Da ſprach die Jammerreiche: · „Verbiete doch euch Gott
Und allen meinen Freunden, · daß ſie keinen Spott
Mit mir Armen treiben: · was ſollt ich einem Mann,
Der je Herzensliebe · von gutem Weibe gewann?“
Sie widerſprach es heftig. · Da traten zu ihr her
Gernot ihr Bruder · und der junge Geiſelher.
Sie baten ſie in Minne · zu tröſten ihren Mut.
Und nehme ſie den König, · es gerath ihr wahrlich gut.
Bereden mochte Niemand · doch die Königin
Noch einen Mann zu minnen · auf Erden fürderhin.
Da baten ſie die Degen: · „So laßt es doch geſchehn,
Wenn ihr denn nicht anders wollt, · daß euch der Bote möge ſehn.“
„Das will ich nicht verſagen,“ · ſprach die Fraue hehr.
Ich empfange gerne · den guten Rüdiger
Ob ſeiner höfſchen Sitte: · wär er nicht hergeſandt,
Jedem andern Boten, · dem blieb' ich immer unbekannt.“
Sie ſprach: „So ſchickt den Degen · morgen früh heran
Zu meiner Kemenate. · Ich beſcheid ihn dann:
Wes ich mich berathen, · will ich ihm ſelber ſagen.“
So war ihr jetzt erneuert · das große Weinen und Klagen.
Da wünſchte ſich auch anders nichts · der edle Rüdiger,
Als daß er ſchauen dürfte · die Königin hehr.
Er wuſte ſich ſo weiſe: · könnt es irgend ſein,
So müſt er ſie bereden, · dieſen Recken zu frein.
Früh des andern Morgens · nach dem Meſsgeſang
Kamen die edeln Boten; · da hub ſich großer Drang.
Die mit Rüdigeren · zu Hofe ſollten gehn,
Die ſah man wohlgekleidet, · manchen Degen auserſehn.
Kriemhilde die arme, · in traurigem Muth
Harrte ſie auf Rüdiger, · den edeln Boten gut.
Er fand ſie in dem Kleide, · das ſie für täglich trug:
Dabei hatt ihr Geſinde · reicher Kleider genug.
Sie gieng ihm entgegen · zu der Thüre hin
Und empfieng Etzels Recken · mit gütlichem Sinn.
Nur ſelbzwölfter trat er · herein zu der Fraun;
Man bot ihm große Ehre; · wer möcht auch beßre Boten ſchaun?
Man hieß den Herren ſitzen · und Die in ſeinem Lehn.
Die beiden Markgrafen · ſah man vor ihr ſtehn,
Eckewart und Gere, · die edeln Ritter gut.
Um der Hausfrau willen · ſahn ſie Niemand wohlgemuth.
Sie ſahen vor ihr ſitzen · manche ſchöne Maid.
Da hatte Frau Kriemhild · Jammer nur und Leid.
Ihr Kleid war vor den Brüſten · von heißen Thränen naß.
Das ſah der edle Markgraf, · der nicht länger vor ihr ſaß.
Er ſprach in großen Züchten: · „Viel edles Königskind,
Mir und den Gefährten, · die mit mir kommen ſind,
Sollt ihr, Frau, erlauben, · daß wir vor euch ſtehn
Und euch melden, weshalb · unſre Reiſe ſei geſchehn.“
„Ich will euch gern erlauben,“ · ſprach die Königin,
„Was ihr wollt, zu reden; · alſo ſteht mein Sinn,
daß ich es gerne höre: · ihr ſeid ein Bote gut.“
Da merkten wohl die Andern · ihren abgeneigten Muth.
Da ſprach von Bechelaren · der Markgraf Rüdiger:
„Euch läßt entbieten, Herrin, · Etzel der König hehr
Große Lieb und Treue · hierher in dieſes Land;
Er hat um eure Minne · viel gute Recken geſandt.
„Er entbeut euch freundlich · Liebe ſonder Leid;
Er ſei ſtäter Freundſchaft · nun euch hinfort bereit
Wie Helken einſt, der Königin, · die ihm am Herzen lag:
Ihr ſollt die Krone tragen, · deren ſie vor Zeiten pflag.“
Da ſprach zu ihm die Königin: · „Markgraf Rüdiger,
Wenn meines Herzeleides · Jemand kundig war,
Der würde mir nicht rathen · zu einem zweiten Mann:
Ich verlor der Beſten Einen, · die je ein Weib noch gewann.“
„Was tröſtet mehr im Leide“, · ſprach der kühne Mann,
„Als freundliche Liebe? · Wer die gewähren kann
Und hat ſich den erkoren, · der ihm zu Herzen kommt,
Der erfährt wohl, daß im Leide · nichts ſo ſehr als Liebe frommt.
„Und geruht ihr zu minnen · den edeln Herren mein,
Zwölf reicher Kronen · ſollt ihr gewaltig ſein.
Dazu von dreißig Fürſten · giebt euch mein Herr das Land,
Die alle hat bezwungen · ſeine vielgewaltge Hand.
„Ihr ſollt auch Herrin werden · über manchen werthen Mann,
Die meiner Frauen Helke · waren unterthan,
Und viel der ſchönen Maide, · einſt ihrem Dienſt geſellt,
Von hoher Fürſten Stamme,“ · ſprach der hochbeherzte Held.
„Dazu giebt euch der König, · gebot er euch zu ſagen,
Wenn ihr geruht die Krone · bei meinem Herrn zu tragen,
Gewalt die allerhöchſte, · die Helke je gewann:
Alle Mannen Etzels · werden euch da unterthan.“
„Wie möchte jemals wieder,“ · ſprach die Königin,
„Eines Helden Weib zu werden · gelüſten meinem Sinn?
Mir hat der Tod an Einem · ſo bittres Leid gethan,
Daß ichs bis an mein Ende · nimmermehr verſchmerzen kann.“
Die Heunen ſprachen wieder: · Viel reiche Königin,
Das Leben geht bei Etzeln · ſo herrlich euch dahin,
Daß ihr in Wonnen ſchwebet, · weigert ihr es nicht;
Mancher ziere Degen · ſteht in des reichen Königs Pflicht.
„Helkens Jungfrauen · und eure Mägdelein,
Sollten die beiſammen · je Ein Geſinde ſein,
Dabei möchten Recken · wohl werden wohlgemuth.
Laßt es euch rathen, Fraue, · es bekommt euch wahrlich gut.“
Sie ſprach mit edler Sitte: · „Nun laßt die Rede ſein
Bis morgen in der Frühe, · dann tretet zu mir ein,
Daß ich auf die Werbung · euch gebe den Beſcheid.“
Da muſten Folge leiſten · die kühnen Degen allbereit.
Als zu den Herbergen · ſie kamen allzumal,
Nach Geiſelhern zu ſenden · die edle Frau befahl
Und nach ihrer Mutter: · den Beiden ſagte ſie,
Ihr gezieme nur zu weinen · und alles Andere nie.
Da ſprach ihr Bruder Geiſelher: · „Mir ahnt, Schweſter mein,
Und gerne mag ichs glauben, · dein Leid und deine Pein
Wird König Etzel wenden; · und nimmſt du ihn zum Mann,
Was Jemand anders rathe, · ſo dünkt es mich wohlgethan.“
„Er mag dirs wohl erſetzen,“ · ſprach wieder Geiſelher.
„Vom Rotten bis zum Rheine, · von der Elbe bis ans Meer
Weiß man keinen König · gewaltiger als ihn.
Du magſt dich höchlich freuen, · heiſcht er dich zur Königin.“
Sie ſprach: „Lieber Bruder, · wie räthſt du mir dazu?
Weinen und Klagen · das käm mir eher zu.
Wie ſollt ich vor den Recken · da zu Hofe gehn?
Hatt ich jemals Schönheit, · um die iſts lange geſchehn.“
Da redete Frau Ute · der lieben Tochter zu:
„Was deine Brüder rathen, · liebes Kind, das thu.
Folge deinen Freunden, · ſo mag dirs wohlergehn.
Hab ich dich doch ſo lange · in großem Jammer geſehn.“
Da bat ſie, daß vom Himmel · ihr würde Rath geſandt:
Denn hätte ſie zu geben · Gold, Silber und Gewand
Wie einſt, da er noch lebte, · ihr Mann der Degen hehr,
Sie erlebe doch nicht wieder · ſo frohe Stunden nachher.
Sie dacht in ihrem Sinne: · „Und ſollt ich meinen Leib
Einem Heiden geben? · Ich bin ein Chriſtenweib;
Des müſt ich billig Schelte · von aller Welt empfahn;
Gäb er mir alle Reiche, · es bliebe doch ungethan.“
Da ließ ſie es bewenden. · Die Nacht bis an den Tag
Die Frau in ihrem Bette · voll Gedanken lag.
Ihre lichten Augen · trockneten ihr nicht,
Bis ſie hin zur Mette · wieder gieng beim Morgenlicht.
Nun waren auch die Könige · zur Meſſezeit gekommen.
Sie hatten ihre Schweſter · an die Hand genommen
Und riethen ihr zu minnen · den von Heunenland.
Niemand doch die Fraue · ein wenig fröhlicher fand.
Da ließ man zu ihr bringen, · die Etzel hingeſandt,
Die nun mit Urlaub wollten · räumen Gunthers Land,
Wie es gerathen möge, · mit Nein oder Ja!
Da kam zu Hofe Rüdiger: · die Gefährten mahnten ihn da,
Recht zu erforſchen · des edeln Fürſten Muth
Und zeitig das zu leiſten; · das dauchte Jeden gut;
Ihre Wege wären ferne · wieder in ihr Land.
Man brachte Rüdigeren · hin, wo er Kriemhilden fand.
Da bat alsbald der Recke · die edle Königin
Mit minniglichen Worten, · zu künden ihren Sinn,
Was ſie entbieten wolle · in König Etzels Land.
Der Held mit ſeinem Werben · bei ihr nur Weigerung fand.
„Sie wolle nimmer wieder · minnen einen Mann.“
Dawider ſprach der Markgraf: · „Das wär nicht recht gethan:
Was wolltet ihr verderben · ſo minniglichen Leib?
Ihr werdet noch mit Ehren · eines werthen Recken Weib.“
Nichts half es, was ſie baten, · bis daß Rüdiger
Insgeheim geſprochen · mit der Königin hehr,
Er hoff ihr zu vergüten · all ihr Ungemach.
Da ließ zuletzt ein wenig · ihre hohe Trauer nach.
Er ſprach zu der Königin: · „Laßt euer Weinen ſein;
Hättet ihr bei den Heunen · Niemand als mich allein,
Meine getreuen Freunde · und Die mir unterthan,
Er ſollt es ſchwer entgelten, · hätt euch Jemand Leid gethan.“
Davon ward erleichtert · der Frauen wohl der Muth.
Sie ſprach: „So ſchwört mir, Rüdiger, · was mir Jemand thut,
Ihr wollt der Erſte werden, · der rächen will mein Leid.“
Da ſprach zu ihr der Markgraf: · „Dazu bin ich, Frau, bereit.“
Mit allen ſeinen Mannen · ſchwur ihr da Rüdiger,
Ihr immer treu zu dienen, · und daß die Recken hehr
Ihr nichts verſagen wollten · in König Etzels Land,
Was ihre Ehre heiſche: · das gelobt' ihr Rüdigers Hand.
Da gedachte die Getreue: · „Wenn ich gewinnen kann
So viel ſtäter Freunde, · ſo ſeh ichs wenig an,
Was auch die Leute reden, · in meines Jammers Noth.
Vielleicht wird noch gerochen · meines lieben Mannes Tod.“
Sie gedachte: „Da Herr Etzel · der Recken hat ſo viel,
Denen ich gebiete, · ſo thu ich, was ich will.
Er hat auch ſolche Schätze, · daß ich verſchenken kann;
Mich hat der leide Hagen · meines Gutes ohne gethan.“
Sie ſprach zu Rüdigeren: · „Hätt ich nicht vernommen,
Daß er ein Heide wäre, · ſo wollt ich gerne kommen,
Wohin er geböte, · und nähm ihn zum Mann.“
Da ſprach der Markgraf wieder: · „Steht darauf, Herrin, nicht an.
„Er iſt nicht gar ein Heide, · des dürft ihr ſicher ſein:
Er iſt getauft geweſen, · der liebe Herre mein,
Wenn er auch zu den Heiden · wieder übertrat:
Wollt ihr ihn, Herrin, minnen, · ſo wird darüber noch Rath.
„Ihm dienen ſo viel Recken · in der Chriſtenheit,
Daß euch bei dem König · nie widerfährt ein Leid.
Ihr mögt auch leicht erlangen, · daß der König gut
Zu Gott wieder wendet · ſo die Seele wie den Muth.“
Da ſprachen ihre Brüder: · „Verheißt es, Schweſter mein,
Und all euern Kummer · laßt in Zukunft ſein.“
Des baten ſie ſo lange, · bis ſie mit Trauer drein
Vor den Helden willigte, · den König Etzel zu frein.
Sie ſprach: „Ich muß euch folgen, · ich arme Königin!
Ich fahre zu den Heunen, · wann es geſchehe, hin,
Wenn ich Freunde finde, · die mich führen in ſein Land.“
Darauf bot vor den Helden · die ſchöne Kriemhild die Hand.
Der Markgraf ſprach: „Zwei Recken · ſtehn in eurem Lehn,
Dazu hab ich noch manchen: · ſo kann es wohl geſchehn,
Daß wir euch mit Ehren · bringen überrhein,
Ich laß euch nun nicht länger · hier bei den Burgunden ſein.
„Fünfhundert Mannen hab ich · und der Freunde mein:
Die ſollen euch zu Dienſten · hier und bei Etzeln ſein,
Was ihr auch gebietet; · ich ſelber ſteh euch bei
Und will michs nimmer ſchämen, · mahnt ihr mich künftig meiner Treu.
„Eure Pferdedecken · haltet euch bereit;
Was Rüdiger gerathen hat, · wird euch nimmer leid.
Und ſagt es euern Mägdlein, · die ihr euch geſellt,
Uns begegnet unterwegs · mancher auserwählte Held.“
Sie hatten noch Geſchmeide, · das ſie zu Siegfrieds Zeit
Beim Reiten getragen, · daß ſie mit mancher Maid
Mit Ehren reiſen mochte, · ſo ſie wollt hindann.
Hei! was man guter Sättel · den ſchönen Frauen gewann!
Hatten ſie ſchon immer · getragen reich Gewand,
So wurde des zur Reiſe · die Fülle nun zur Hand,
Weil ihnen von dem König · ſo viel geprieſen ward;
Sie ſchloßen auf die Kiſten, · ſo lang verſperrt und geſpart.
Sie waren ſehr geſchäftig · wohl fünftehalben Tag
Und ſuchten aus dem Einſchlag, · ſo viel darinne lag.
Ihre Kammer zu erſchließen · hub da Kriemhild an,
Sie Alle reich zu machen, · Die Rüdigern unterthan.
Sie hatte noch des Goldes · von Nibelungenland:
Das ſollte bei den Heunen · vertheilen ihre Hand.
Sechshundert Mäule mochten · es nicht von dannen tragen.
Die Märe hörte Hagen · da von Kriemhilden ſagen.
Er ſprach: „Mir wird Kriemhild · doch nimmer wieder hold:
So muß auch hier verbleiben · Siegfriedens Gold.
Wie ließ' ich meinen Feinden · wohl ſo großes Gut?
Ich weiß gar wohl, was Kriemhild · noch mit dieſem Schatze thut.
„Brächte ſie ihn von hinnen, · ich glaube ſicherlich,
Sie würd ihn nur vertheilen, · zu werben wider mich.
Sie hat auch nicht die Roſſe, · um ihn hinwegzutragen:
Behalten will ihn Hagen, · das ſoll man Kriemhilden ſagen.“
Als ſie vernahm die Märe, · das ſchuf ihr grimme Pein.
Es ward auch den Königen · gemeldet allen drein:
Sie gedachten es zu wenden. · Als das nicht geſchah,
Rüdiger der edle · ſprach mit frohem Muthe da:
„Reiche Königstochter, · was klagt ihr um das Gold?
Euch iſt König Etzel · ſo zugethan und hold,
Erſehn euch ſeine Augen, · er giebt euch ſolchen Hort,
Daß ihr ihn nie verſchwendet; · das verbürgt euch, Frau, mein Wort.“
Da ſprach zu ihm die Königin: · „Viel edler Rüdiger,
Nie gewann der Schätze · eine Königstochter mehr
Als die, deren Hagen · mich ohne hat gethan.“
Da kam ihr Bruder Gernot · zu ihrer Kammer heran.
Mit des Königs Macht den Schlüßel · ſtieß er in die Thür.
Kriemhildens Schätze · reichte man herfür,
An dreißigtauſend Marken · oder wohl noch mehr,
Daß es die Gäſte nähmen: · des freute Gunther ſich ſehr.
Da ſprach von Bechelaren · der Gotelinde Mann:
„Und gehörten all die Schätze · noch Kriemhilden an,
Die man jemals brachte · von Nibelungenland,
Nicht berühren ſollt es · mein noch der Königin Hand.
„Heißt es aufbewahren, · da ichs nicht haben will.
Ich bracht aus unſerm Lande · des Meinen her ſo viel,
Wir mögens unterweges · entrathen wohl mit Fug:
Wir haben zu der Reiſe · genug und übergenug.“
Zwölf Schreine hatten · noch ihre Mägdelein
Des allerbeſten Goldes, · das irgend mochte ſein,
Bewahrt aus alten Zeiten: · das nun verladen ward
Und viel der Frauenzierde, · die ſie brauchten auf der Fahrt.
Die Macht des grimmen Hagen · bedauchte ſie zu ſtark.
Des Opfergoldes hatte · ſie wohl noch tauſend Mark:
Das gab ſie für die Seele · von ihrem lieben Mann.
Das dauchte Rüdigeren · mit großen Treuen gethan.
Da ſprach die arme Königin: · „Wo ſind die Freunde mein,
Die da mir zu Liebe · im Elend wollen ſein
Und mit mir reiten ſollen · in König Etzels Land?
Die nehmen meines Goldes · und kaufen Roſs' und Gewand.“
Alsbald gab ihr Antwort · der Markgraf Eckewart:
„Seit ich als Ingeſinde · euch zugewieſen ward,
Hab ich euch ſtäts getreulich · gedient,“ ſprach der Degen,
„Und will bis an mein Ende · des Gleichen immer bei euch pflegen.
„Ich führ auch mit der Meinen · fünfhundert Mann,
Die biet ich euch zu Dienſte · mit rechten Treuen an.
Wir bleiben ungeſchieden, · es thu es denn der Tod.“
Der Rede dankt' ihm Kriemhild, · da ers ſo wohl ihr erbot.
Da brachte man die Roſſe: · ſie wollten aus dem Land.
Wohl huben an zu weinen · die Freunde all zur Hand.
Ute die reiche · und manche ſchöne Maid
Bezeigten, wie ſie trugen · um Kriemhilden Herzeleid.
Hundert ſchöner Mägdelein · führte ſie aus dem Land;
Die wurden wohl gekleidet, · jede nach ihrem Stand.
Aus lichten Augen fielen, · die Thränen ihnen nieder;
Manche Freud erlebten · ſie auch bei König Etzel wieder.
Da kam der junge Geiſelher · und König Gernot,
Mit ihrem Heergeſinde, · wie es die Zucht gebot:
Die liebe Schweſter wollten ſie · begleiten durch das Land;
Sie hatten im Gefolge · wohl tauſend Degen auserkannt.
Da kam der ſchnelle Gere · und auch Ortewein;
Rumold der Küchenmeiſter · der ließ ſie nicht allein.
Sie ſchufen Nachtlager · der Frauen auf den Wegen:
Als Marſchall ſollte Volker · ihrer Herberge pflegen.
Bei Abſchiedsküſſen hatte · man Weinen viel vernommen,
Eh ſie zu Felde waren · von der Burg gekommen.
Ungebeten gaben Viele · Geleit ihr durch das Land.
Vor der Stadt ſchon hatte · ſich König Gunther gewandt.
Eh ſie vom Rheine führen, · hatten ſie vorgeſandt
Ihre ſchnellen Boten · in der Heunen Land,
Dem Könige zu melden, · daß ihm Rüdiger
Zum Gemahl geworben · die edle Königin hehr.
Die Boten fuhren ſchnelle: · Eil war ihnen Noth
Um die große Ehre · und das reiche Botenbrot.
Als ſie mit ihren Mären · waren heimgekommen,
Da hatte König Etzel · ſo Liebes ſelten vernommen.
Der frohen Kunde willen · ließ der König geben
Den Boten ſolche Gaben, · daß ſie wohl mochten leben
Immerdar in Freuden · hernach bis an den Tod:
Mit Wonne war verſchwunden · des Königs Kummer und Noth.
Die Boten laßt reiten, · ſo thun wir euch bekannt,
Wie die Königstochter · fuhr durch das Land,
Und wo von ihr Geiſelher · ſchied mit Gernot;
Sie hatten ihr gedienet, · wie ihre Treue gebot.
Sie kamen an die Donau · gen Bergen nun geritten.
Da begannen ſie um Urlaub · die Königin zu bitten,
Weil ſie wieder wollten · reiten an den Rhein.
Da mocht es ohne Weinen · von guten Freunden nicht ſein.
Geiſelher der ſchnelle · ſprach zu der Schweſter ſein:
„Schweſter, wenn du jemals · bedürfen ſollteſt mein,
Was immer dich gefährde, · ſo mach es mir bekannt,
Dann reit ich dir zu dienen · hin in König Etzels Land.“
Die Verwandten alle küſſte ſie auf den Mund.
Minniglich ſich ſcheiden · ſah man da zur Stund
Die ſchnellen Burgunden · von Rüdigers Geleit.
Da zog mit der Königin · manche wohlgethane Maid,
Hundert und viere; · ſie trugen ſchön Gewand
Von buntgewebten Zeugen; · manch breiten Schildesrand
Führte man der Königin · nach auf ihren Wegen.
Da bat auch um Urlaub · Volker der zierliche Degen.
Ueber die Donau kamen · ſie jetzt gen Baierland:
Da ſagte man die Märe, · es kämen angerannt
Viel unkunder Gäſte. · Wo noch ein Kloſter ſteht
Und der Innfluß mündend · in die Donau niedergeht,
In der Stadt zu Paßau · ſaß ein Biſchof.
Herbergen leerten ſich · und auch des Fürſten Hof:
Den Gäſten entgegen · giengs auf durch Baierland,
Wo der Biſchof Pilgerin · die ſchöne Kriemhild fand.
Den Recken in dem Lande · war es nicht zu leid,
Als ſie ihr folgen ſahen · ſo manche ſchöne Maid.
Da kos'ten ſie mit Augen · manch edeln Ritters Kind.
Gute Herberge · wies man den Gäſten geſchwind.
Dort zu Pledelingen · ſchuf man ihnen Ruh;
Das Volk allenthalben · ritt auf ſie zu.
Man gab, was ſie bedurften, · williglich und froh:
Sie nahmen es mit Ehren; · ſo that man bald auch anderswo.
Der Biſchof mit der Nichte · ritt auf Paßau an.
Als es da den Bürgern · der Stadt ward kund gethan,
Das Schweſterkind des Fürſten, · Kriemhild wolle kommen,
Da ward ſie wohl mit Ehren · von den Kaufherrn aufgenommen.
Als der Biſchof wähnte, · ſie blieben nachts ihm da,
Sprach Eckewart der Markgraf: · „Unmöglich iſt das ja:
Wir müßen abwärts reiten · in Rüdigers Land:
Viel Degen harren unſer: · ihnen allen iſt es bekannt.“
Nun wuſt auch wohl die Märe · die ſchöne Gotelind:
Sie rüſtete ſich fleißig · und auch ihr edel Kind.
Ihr hatt entboten Rüdiger, · ihn bedünk es gut,
Wenn ſie der Königstochter · damit tröſtete den Muth
Und ihr entgegenritte · mit ſeiner Mannen Schar
Hinauf bis zur Enſe. · Als das im Werke war,
Da ſah man allenthalben · erfüllt die Straßen ſtehn:
Sie wollten ihren Gäſten · entgegen reiten und gehn.
Nun war gen Everdingen · die Königin gekommen.
Man hatt im Baierlande · von Schächern wohl vernommen,
Die auf den Straßen raubten, · wie es ihr Gebrauch:
So hätten ſie die Gäſte · mögen ſchädigen auch.
Das hatte wohl verhütet · der edle Rüdiger:
Er führte tauſend Ritter · oder wohl noch mehr.
Da kam auch Gotelinde, · Rüdigers Gemahl,
Mit ihr in ſtolzem Zuge · kühner Recken große Zahl.
Ueber die Traune kamen ſie · bei Enſe auf das Feld;
Da ſah man aufgeſchlagen · Hütten und Gezelt,
Daß gute Ruhe fänden · die Gäſte bei der Nacht.
Für ihre Koſt zu ſorgen · war der Markgraf bedacht.
Von den Herbergen · ritt ihrer Frau entgegen
Gotelind die ſchöne. · Da zogen auf den Wegen
Mit klingenden Zäumen · viel Pferde wohlgethan.
Sie wurde wohl empfangen; · lieb that man Rüdigern daran.
Die ſie zu beiden Seiten · begrüßten auf dem Feld
Mit kunſtvollem Reiten, · das war mancher Held.
Sie übten Ritterſpiele; · das ſah manch ſchöne Maid.
Auch war der Dienſt der Helden · den ſchönen Frauen nicht leid.
Als zu den Gäſten kamen · Die in Rüdigers Lehn,
Viel Schaftſplitter ſah man · in die Lüfte gehn
Von der Recken Händen · nach ritterlichen Sitten.
Da wurde wohl zu Danke · vor den Frauen geritten.
Sie ließen es bewenden. · Da grüßte mancher Mann
Freundlich den andern. · Nun führten ſie heran
Die ſchöne Gotelinde, · wo ſie Kriemhild ſah.
Die Frauen dienen konnten, · hatten ſelten Muße da.
Der Vogt von Bechelaren · ritt zu Gotlinden hin.
Wenig Kummer ſchuf es · der edeln Markgräfin,
Daß ſie wohl geborgen · ihn ſah vom Rheine kommen.
Ihr war die meiſte Sorge · mit großer Freude benommen.
Als ſie ihn hatt empfangen, · hieß er ſie auf das Feld
Mit den Frauen ſteigen, · die er ihr ſah geſtellt.
Da zeigte ſich geſchäftig · mancher edle Mann:
Den Frauen wurden Dienſte · mit großem Fleiße gethan.
Da erſah Frau Kriemhild · die Markgräfin ſtehn
Mit ihrem Ingeſinde: · ſie ließ nicht näher gehn:
Sie zog mit dem Zaume · das Roſs an, das ſie trug,
Und ließ ſich aus dem Sattel · heben ſchleunig genug.
Den Biſchof ſah man führen · ſeiner Schweſter Kind,
Ihn und Eckewarten, · hin zu Frau Gotelind.
Es muſte vor ihr weichen, · wer im Wege ſtund.
Da küſſte die Fremde · die Markgräfin auf den Mund.
Da ſprach mit holden Worten · die edle Markgräfin:
„Nun wohl mir, liebe Herrin, · daß ich ſo glücklich bin,
Hier in dieſem Lande · mit Augen euch zu ſehn:
Mir könnt in dieſen Zeiten · nimmer lieber geſchehn.“
„Nun lohn euch Gott,“ ſprach Kriemhild, · „viel edle Gotelind.
So ich geſund verbleibe · mit Botlungens Kind,
Mag euch zu Gute kommen, · daß ihr mich habt geſehn.“
Noch ahnten nicht die Beiden, · was ſpäter muſte geſchehn.
Mit Züchten zu einander · gieng da manche Maid;
Zu Dienſten waren ihnen · die Recken gern bereit.
Sie ſetzten nach dem Gruße · ſich nieder auf den Klee:
Da lernten ſich kennen, · die ſich fremd geweſen eh.
Man ließ den Frauen ſchenken. · Es war am hohen Tag;
Das edle Ingeſinde · der Ruh nicht länger pflag.
Sie ritten, bis ſie fanden · viel breiter Hütten ſtehn:
Da konnten große Dienſte · den edeln Gäſten geſchehn.
Ueber Nacht da pflegen · ſollten ſie der Ruh.
Die von Bechelaren · ſchickten ſich dazu,
Nach Würden zu bewirthen · ſo manchen werthen Mann.
So hatte Rüdiger geſorgt, · es gebrach nicht viel daran.
Die Fenſter an den Mauern · ſah man offen ſtehn;
Man mochte Bechelaren · weit erſchloßen ſehn.
Da ritten ein die Gäſte, · die man gerne ſah;
Gut Gemach ſchuf ihnen · der edle Rüdiger da.
Des Markgrafen Tochter · mit dem Geſinde gieng
Dahin, wo ſie die Königin · minniglich empfieng.
Da war auch ihre Mutter, · Rüdigers Gemahl:
Liebreich empfangen wurden · die Jungfrauen allzumal.
Sie fügten ihre Hände · in Eins und giengen dann
Zu einem weiten Saale, · der war gar wohlgethan,
Vor dem die Donau unten · die Flut vorübergoß.
Da ſaßen ſie im Freien · und hatten Kurzweile groß.
Ich kann euch nicht beſcheiden, · was weiter noch geſchah.
Daß ſie ſo eilen müſten, · darüber klagten da
Die Recken Kriemhildens; · wohl war es ihnen leid.
Was ihnen guter Degen · aus Bechlarn gaben Geleit!
Viel minnigliche Dienſte · der Markgraf ihnen bot.
Da gab die Königstochter · zwölf Armſpangen roth
Der Tochter Gotlindens · und alſo gut Gewand,
Daß ſie kein beßres brachte · hin in König Etzels Land.
Obwohl ihr war benommen · der Nibelungen Gold,
Alle, die ſie ſahen, · machte ſie ſich hold
Noch mit dem kleinen Gute, · das ihr verblieben war.
Dem Ingeſind des Wirthes · bot ſie große Gaben dar.
Dafür erwies Frau Gotlind · den Gäſten von dem Rhein
Auch ſo hohe Ehre · mit Gaben groß und klein,
Daß man da der Fremden · wohl ſelten einen fand,
Der nicht von ihr Geſteine · trug oder herrlich Gewand.
Als man nach dem Imbiß · fahren ſollt hindann,
Ihre treuen Dienſte · trug die Hausfrau an
Mit minniglichen Worten · Etzels Gemahl.
Die liebkos'te ſcheidend · der ſchönen Jungfrau zumal.
Da ſprach ſie zu der Königin: · „Dünkt es euch nun gut,
So weiß ich, wie gern es · mein lieber Vater thut,
Daß er mich zu euch ſendet · in der Heunen Land.“
Daß ſie ihr treu geſinnt war, · wie wohl Frau Kriemhild das fand!
Die Roſſe kamen aufgezäumt · vor Bechelaren an.
Als die edle Königin · Urlaub hatt empfahn
Von Rüdigers Weibe · und von der Tochter ſein,
Da ſchieden auch mit Grüßen · viel der ſchönen Mägdelein.
Sie ſahn einander ſelten · mehr nach dieſen Tagen.
Aus Medelick auf Händen · brachte man getragen
Manch ſchönes Goldgefäße · angefüllt mit Wein
Den Gäſten auf die Straße · und hieß ſie willkommen ſein.
Ein Wirth war da geſeßen, · Aſtold genannt,
Der wies ſie die Straße · ins Oeſterreicherland
Gegen Mautaren · an der Donau nieder:
Da ward viel Dienſt erboten · der reichen Königin wieder.
Der Biſchof mit Liebe · von ſeiner Nichte ſchied.
Daß ſie ſich wohl gehabe, · wie ſehr er ihr das rieth,
Und ſich Ehr erwerbe, · wie Helke einſt gethan.
Hei! was ſie großer Ehren · bald bei den Heunen gewann!
An die Traiſem kamen · die Gäſt in kurzer Zeit.
Sie zu pflegen fliß ſich · Rüdigers Geleit,
Bis daß man die Heunen · ſah reiten über Land:
Da ward der Königstochter · erſt große Ehre bekannt.
Bei der Traiſem hatte · der Fürſt von Heunenland
Eine reiche Veſte, · im Lande wohl bekannt,
Mit Namen Traiſenmauer: · einſt wohnte Helke da
Und pflag ſo hoher Milde, · als wohl nicht wieder geſchah,
Es ſei denn von Kriemhilden; · die mochte gerne geben.
Sie durfte wohl die Freude · nach ihrem Leid erleben,
Daß ihre Güte prieſen, · die Etzeln unterthan.
Das Lob ſie bei den Helden · in der Fülle bald gewann.
König Etzels Herrſchaft · war ſo weit erkannt,
Daß man zu allen Zeiten · an ſeinem Hofe fand
Die allerkühnſten Recken, · davon man je vernommen
Bei Chriſten oder Heiden; · die waren all mit ihm gekommen.
Bei ihm war allerwegen, · ſo ſieht mans nimmermehr,
So chriſtlicher Glaube · als heidniſcher Verkehr.
Wozu nach ſeiner Sitte · ſich auch ein Jeder ſchlug,
Das ſchuf des Königs Milde, · man gab doch Allen genug.
Sie blieb zu Traiſenmauer · bis an den vierten Tag.
Der Staub in den Straßen · derweil nicht ſtille lag:
Aufſtob er allenthalben · wie in hellem Brand.
Da ritten Etzels Leute · durch das Oeſterreicherland.
Es war dem König Etzel · gemeldet in der Zeit,
Daß ihm vor Gedanken · ſchwand ſein altes Leid,
Wie herrlich Frau Kriemhild · zöge durch das Land.
Da eilte hin der König, · wo er die Minnigliche fand.
Von gar manchen Sprachen · ſah man auf den Wegen
Vor König Etzeln reiten · viel der kühnen Degen,
Von Chriſten und von Heiden · manches breite Heer.
Als ſie die Herrin fanden, · ſie zogen fröhlich einher.
Von Reußen und von Griechen · ritt da mancher Mann;
Die Polen und Walachen · zogen geſchwind heran
Auf den guten Roſſen, · die ſie herrlich ritten.
Da zeigte ſich ein Jeder · in ſeinen heimiſchen Sitten.
Aus dem Land zu Kiew · ritt da mancher Mann
Und die wilden Peſchenegen. · Mit Bogen hub man an
Zu ſchießen nach den Vögeln, · die in den Lüften flogen;
Mit Kräften ſie die Pfeile · bis zu des Bogens Ende zogen.
Eine Stadt liegt an der Donau · im Oeſterreicherland,
Die iſt geheißen Tulna. · Da ward ihr bekannt
Manche fremde Sitte, · die ſie noch niemals ſah.
Da empfiengen ſie gar Viele, · denen noch Leid von ihr geſchah.
Es ritt dem König Etzel · ein Ingeſind voran,
Fröhlich und prächtig, · höfiſch und wohlgethan,
Wohl vierundzwanzig Fürſten, · mächtig und hehr:
Ihre Königin zu ſchauen, · ſie begehrten ſonſt nichts mehr.
Ramung, der Herzog · aus Walachenland,
Mit ſiebenhundert Mannen · kam er vor ſie gerannt.
Wie fliegende Vögel · ſah man ſie alle fahren.
Da kam der Fürſt Gibeke · mit viel herrlichen Scharen.
Hornbog der ſchnelle · ritt mit tauſend Mann
Von des Königs Seite · zu ſeiner Fraun heran.
Sie prangten und ſtolzierten · nach ihres Landes Sitten.
Von den Heunenfürſten · ward auch da herrlich geritten.
Da kam vom Dänenlande · der kühne Hawart
Und Iring der ſchnelle, · vor allem Falſch bewahrt;
Von Thüringen Irnfried, · ein waidlicher Mann:
Sie empfiengen Kriemhilden, · daß ſie viel Ehre gewann,
Mit zwölfhundert Mannen, · die zählte ihre Schar.
Da kam der Degen Blödel · mit dreitauſend gar,
König Etzels Bruder · aus dem Heunenland:
Der ritt in ſtolzem Zuge, · bis er die Königin fand.
Da kam der König Etzel · und Herr Dieterich
Mit ſeinen Helden allen. · Da ſah man ritterlich
Manchen edeln Ritter · bieder und auch gut.
Davon ward Kriemhilden · gar wohl erhoben der Muth.
Da ſprach zu der Königin · der edle Rüdiger:
„Frau, euch will empfangen · hier der König hehr.
Wen ich euch küſſen heiße, · dem ſei der Kuſs gegönnt:
Wißt, daß ihr Etzels Recken · nicht alle gleich empfangen könnt.“
Da hob man von der Mähre · die Königin hehr.
Etzel der reiche · nicht ſäumt' er länger mehr:
Er ſchwang ſich von dem Roſſe · mit manchem kühnen Mann;
Voller Freuden kam er · zu Frau Kriemhilden heran.
Zwei mächtige Fürſten, · das iſt uns wohlbekannt,
Giengen bei der Frauen · und trugen ihr Gewand,
Als der König Etzel · ihr entgegen gieng
Und ſie den edlen Fürſten · mit Küſſen gütlich empfieng.
Sie ſchob hinauf die Binden: · ihre Farbe wohlgethan
Erglänzt' aus dem Golde. · Da ſagte mancher Mann,
Frau Helke könne ſchöner · nicht geweſen ſein.
Da ſtand in der Nähe · des Königs Bruder Blödelein.
Den rieth ihr zu küſſen · Rüdiger der Markgraf reich
Und den König Gibeke, · Dietrichen auch zugleich:
Zwölf der Recken küſſte · Etzels Königin;
Da blickte ſie mit Grüßen · noch zu manchem Ritter hin.
Während König Etzel · bei Kriemhilden ſtand,
Thaten junge Degen · wie Sitte noch im Land:
Waffenſpiele wurden · ſchön vor ihr geritten;
Das thaten Chriſtenhelden · und Heiden nach ihren Sitten.
Wie ritterlich die Degen · in Dietrichens Lehn
Die ſplitternden Schäfte · in die Lüfte ließen gehn
Hoch über Schilde · aus guter Ritter Hand!
Vor den deutſchen Gäſten · brach da mancher Schildesrand.
Von der Schäfte Krachen · vernahm man lauten Schall.
Da waren aus dem Lande · die Recken kommen all
Und auch des Königs Gäſte, · ſo mancher edle Mann:
Da gieng der reiche König · mit der Königin hindann.
Sie fanden in der Nähe · ein herrlich Gezelt.
Erfüllt war von Hütten · rings das ganze Feld;
Da war nach den Beſchwerden · Raſt für ſie bereit.
Da geleiteten die Helden · darunter manche ſchöne Maid
Zu Kriemhild der Königin, · die dort darnieder ſaß
Auf reichem Stuhlgewande; · der Markgraf hatte das
So prächtig ſchaffen laßen, · ſie fandens ſchön und gut.
Da ſtand dem König Etzel · in hohen Freuden der Muth.
Was ſie zuſammen redeten, · das iſt mir unbekannt;
In ſeiner Rechten ruhte · ihre weiße Hand.
So ſaßen ſie in Minne, · als Rüdiger der Degen
Dem König nicht geſtattete, · Kriemhildens heimlich zu pflegen.
Da ließ man unterbleiben · das Kampfſpiel überall;
Mit Ehren ward beendet · der laute Freudenſchall.
Da giengen zu den Hütten · Die Etzeln unterthan;
Herberge wies man ihnen · ringsum allenthalben an.
Den Abend und nachtüber · fanden ſie Ruhe da,
Bis man den lichten Morgen · wieder ſcheinen ſah.
Da kamen hoch zu Roſſe · viel Helden auserſehn;
Hei! was ſah man Kurzweil · zu des Königs Ehren geſchehn!
Nach Würden es zu ſchaffen · der Fürſt die Heunen bat.
Da ritten ſie von Tulna · gen Wien in die Stadt.
In ſchönem Schmucke fand man · da Frauen ohne Zahl.
Sie empfiengen wohl mit Ehren · König Etzels Gemahl.
In Ueberfluß und Fülle · war da für ſie bereit,
Wes ſie nur bedurften. · Viel Degen allbereit
Sahn froh dem Feſt entgegen. · Herbergen wies man an;
Die Hochzeit des Königs · mit hohen Freuden begann.
Man mochte ſie nicht alle · herbergen in der Stadt:
Die nicht Gäſte waren, · Rüdiger die bat,
Daß ſie Herberge · nahmen auf dem Land.
Wohl weiß ich, daß man immer · den König bei Kriemhilden fand.
Dietrich der Degen · und mancher andre Held
Die hatten ihre Muße · mit Arbeit eingeſtellt,
Auf daß ſie den Gäſten · tröſteten den Muth;
Rüdger und ſeine Freunde · hatten Kurzweile gut.
Die Hochzeit war gefallen · auf einen Pfingſtentag,
Wo der König Etzel · bei Kriemhilden lag
In der Stadt zu Wiene. · Fürwahr ſo manchen Mann
Bei ihrem erſten Manne · ſie nicht zu Dienſten gewann.
Durch Gabe ward ſie Manchem, · der ſie nicht kannte, kund.
Darüber zu den Gäſten · hub Mancher an zur Stund:
„Wir wähnten, Kriemhilden · benommen wär ihr Gut,
Die nun mit ihren Gaben · hier ſo große Wunder thut.“
Dieſe Hochzeit währte · ſiebzehn Tage lang.
Von keinem andern König · weiß der Heldenſang,
Der ſolche Hochzeit hielte: · es iſt uns unbekannt.
Alle, die da waren, · die trugen neues Gewand.
Sie hatte nie geſeßen · daheim in Niederland
Vor ſo manchem Recken; · auch iſt mir wohlbekannt,
War Siegfried reich an Schätzen, · ſo hatte er doch nicht
So viel der edeln Recken, · als ſie hier ſah in Etzels Pflicht.
Wohl gab auch nie ein König · bei ſeiner Hochzeit
So manchen reichen Mantel, · lang, tief und weit,
Noch ſo gute Kleider, · als man hier gewann,
Die Kriemhildens willen · alle wurden vertan.
Ihre Freunde wie die Gäſte · hatten Einen Muth:
Sie dachten nichts zu ſparen, · und wärs das beſte Gut.
Was Einer wünſchen mochte, · man war dazu bereit;
Da Standen viel der Degen · vor Milde bloß und ohne Kleid.
Wenn ſie daran gedachte, · wie ſie am Rheine ſaß
Bei ihrem edeln Manne, · ihre Augen wurden naß;
Doch hehlte ſie es immer, · daß es Niemand ſah,
Da ihr nach manchem Leide · ſo viel der Ehren geſchah.
Was Einer that aus Milde, · das war doch gar ein Wind
Gegen Dietrichen: · was Botlungens Kind
Ihm gegeben hatte, · das wurde gar verwandt.
Da begieng auch große Wunder · des milden Rüdiger Hand.
Auch aus Ungarlande · der Degen Blödelein
Ließ da ledig machen · manchen Reiſeſchrein
Von Silber und von Golde: · das ward dahin gegeben.
Man ſah des Königs Helden · ſo recht fröhlich alle leben.
Des Königs Spielleute, · Werbel und Schwemmelein,
Wohl an tauſend Marken · nahm Jedweder ein
Bei dem Hofgelage · (oder mehr als das),
Als die ſchöne Kriemhild · bei Etzeln unter Krone ſaß.
Am achtzehnten Morgen · von Wien die Helden ritten.
In Ritterſpielen wurden · der Schilde viel verſchnitten
Von Speren, ſo da führten · die Recken an der Hand:
So kam der König Etzel · mit Freuden in der Heunen Land.
In Heimburg der alten · verblieb man über Nacht.
Da konnte Niemand wißen · recht des Volkes Macht,
Mit welchen Heerkräften · ſie ritten durch das Land.
Hei! was ſchöner Frauen · man in ſeiner Heimat fand!
In Miſenburg der reichen · fieng man zu ſegeln an.
Verdeckt ward das Waſſer · von Roſs und auch von Mann,
Als ob es Erde wäre, · was man doch fließen ſah.
Die wegemüden Frauen · mochten ſich wohl ruhen da.
Zuſammen war gebunden · manches Schifflein gut,
Daß ihnen wenig ſchaden · Woge mocht und Flut;
Darüber ausgebreitet · manch köſtlich Geleit,
Als ob ſie noch immer · beides hatten, Land und Feld.
Nun ward auch in Etzelnburg · die Märe kund gethan:
Da freute ſich darinnen · beides, Weib und Mann.
Etzels Ingeſinde, · des einſt Frau Helke pflag,
Erlebte bei Kriemhilden · noch manchen fröhlichen Tag.
Da ſtand ihrer harrend · gar manche edle Maid,
Die ſeit Helkens Tode · getragen Herzeleid.
Sieben Königstöchter · Kriemhild noch da fand;
Durch die ſo ward gezieret · König Etzels ganzes Land.
Herrat die Jungfrau · noch des Geſindes pflag,
Helkens Schweſtertochter, · in der viel Tugend lag,
Dietrichs Verlobte, · eines edeln Königs Sproß,
Die Tochter Nentweinens, · die noch viel Ehren genoß.
Auf der Gäſte Kommen · freute ſich ihr Muth;
Auch war dazu verwendet · viel koſtbares Gut.
Wer könnt euch des beſcheiden, · wie der König ſaß ſeitdem?
Den Heunen ward nicht wieder · eine Königin ſo genehm.
Als der Fürſt mit ſeinem Weibe · geritten kam vom Strand,
Wer eine Jede führte, · das ward da wohl benannt
Kriemhild der edeln: · ſie grüßte deſto mehr.
Wie ſaß an Helkens Stelle · ſie bald gewaltig und hehr!
Getreulichen Dienſtes · ward ihr viel bekannt.
Die Königin vertheilte · Gold und Gewand,
Silber und Geſteine: · was ſie des überrhein
Zum Heunenlande brachte, · das muſte gar vergeben ſein.
Auch wurden ihr mit Dienſten · ergeben allzumal
Die Freunde des Königs · und denen er befahl,
Daß Helke nie die Königin · ſo gewaltiglich gebot,
Als ſie ihr dienen muſten · bis an Kriemhildens Tod.
Da ſtand in ſolchen Ehren · der Hof und auch das Land,
Daß man zu allen Zeiten · die Kurzweile fand,
Wonach einem Jeden · verlangte Herz und Muth;
Das ſchuf des Königs Liebe, · dazu der Königin Gut.
In ſo hohen Ehren, · das iſt alles wahr,
Wohnten ſie beiſammen · bis an das ſiebte Jahr.
Eines Sohns war geneſen · derweil die Königin:
Das ſchien König Etzel · der allergröſte Gewinn.
Bis ſie es erlangte, · ließ ſie nicht ab davon,
Die Taufe muſt empfangen · König Etzels Sohn
Nach chriſtlichem Brauche: · Ortlieb ward er genannt.
Darob war große Freude · über Etzels ganzem Land.
Der Zucht, deren jemals · zuvor Frau Helke pflag,
Fliß ſich Frau Kriemhild · darauf gar manchen Tag.
Es lehrte ſie die Sitte · Herrat die fremde Maid;
Die trug noch in der Stille · um Helke ſchmerzliches Leid.
Vor Heimiſchen und Fremden · geſtanden alleſamt
Beßer und milder · hab eines Königs Land
Nie eine Frau beſeßen: · das hielten ſie für wahr.
Des rühmten ſie die Heunen · bis an das dreizehnte Jahr.
Nun wuſte ſie, daß Niemand · ihr feindlich ſei geſinnt,
Wie oft wohl Königinnen · der Fürſten Recken ſind,
Und daß ſie täglich mochte · zwölf Könge vor ſich ſehn.
Sie vergaß auch nicht des Leides, · das ihr daheim war geſchehn.
Sie gedacht auch noch der Ehren · in Nibelungenland,
Die ihr geboten worden · und die ihr Hagens Hand
Mit Siegfriedens Tode · hatte gar benommen,
Und ob ihm das nicht jemals · noch zu Leide ſollte kommen.
„Es geſchäh, wenn ich ihn bringen · möcht in dieſes Land.“
Ihr träumte wohl, ihr gienge · bei Etzel an der Hand
Geiſelher ihr Bruder; · ſie küſſt' ihn allezeit
In ihrem ſanften Schlafe: · das ward zu ſchmerzlichem Leid.
Der üble Teufel war es wohl, · der Kriemhilden rieth,
Daß ſie in Freundſchaft · von König Gunther ſchied
Und ihn zur Sühne küſſte · in Burgundenland.
Aufs Neu begann zu triefen · von heißen Thränen ihr Gewand.
Es lag ihr an dem Herzen · beides, ſpat und fruh,
Wie man mit Widerſtreben · ſie doch gebracht dazu,
Daß ſie minnen muſte · einen heidniſchen Mann:
Die Noth hatt ihr Hagen · und Herr Gunther angethan.
Wie ſie das rächen möchte, · dachte ſie alle Tage:
„Ich bin nun wohl ſo mächtig, · wem es auch miſsbehage,
Daß ich meinen Feinden · mag ſchaffen Herzeleid:
Dazu wär ich dem Hagen · von Tronje gerne bereit.
„Nach den Getreuen jammert · noch oft die Seele mein;
Doch die mir Leides thaten, · möcht ich bei denen ſein,
So würde noch gerochen · meines Friedels Tod.
Kaum kann ich es erwarten,“ · ſprach ſie in des Herzens Noth.
Es liebten ſie Alle, · die dem König unterthan,
Die Recken Kriemhildens; · das war wohlgethan.
Ihr Kämmerer war Eckewart: · drum ward er gern geſehn:
Kriemhildens Willen · konnte Niemand widerſtehn.
Sie gedacht auch alle Tage: · „Ich will den König bitten,“
Er möcht ihr vergönnen · mit gütlichen Sitten,
Daß man ihre Freunde · brächt in der Heunen Land.
Den argen Willen Niemand · an der Königin verſtand.
Als eines Nachts Frau Kriemhild · bei dem König lag,
Umfangen mit den Armen · hielt er ſie, wie er pflag
Der edeln Frau zu koſen, · ſie war ihm wie ſein Leib,
Da gedachte ihrer Feinde · dieſes herrliche Weib.
Sie ſprach zu dem König: · „Viel lieber Herre mein,
Ich wollt euch gerne bitten, · möcht es mit Hulden ſein,
Daß ihr mich ſehen ließet, · ob ich verdient den Sold,
Daß ihr meinen Freunden · wäret inniglich hold.“
Da ſprach der mächtge König, · arglos war ſein Muth:
„Des ſollt ihr inne werden: · was man den Helden thut
Zu Ehren und zu Gute, · mir geſchieht ein Dienſt daran,
Da ich von Weibesminne · nie beßre Freunde gewann.“
Noch ſprach zu ihm die Königin: · „Ihr wißt ſo gut wie ich,
Ich habe hohe Freunde: · darum betrübt es mich,
Daß mich die ſo ſelten · beſuchen hier im Land:
Ich bin allen Leuten · hier nur als freundlos bekannt.“
Da ſprach der König Etzel: · „Viel liebe Fraue mein,
Däucht' es ſie nicht zu ferne, · ſo lüd ich überrhein,
Die ihr da gerne ſähet, · hieher zu meinem Land.“
Sie freute ſich der Rede, · als ihr ſein Wille ward bekannt.
Sie ſprach: „Wollt ihr mir Treue · leiſten, Herre mein,
So ſollt ihr Boten ſenden · gen Worms überrhein.
So entbiet ich meinen Freunden · meinen Sinn und Muth:
So kommen uns zu Lande · viel Ritter edel und gut.“
Er ſprach: „Wenn ihr gebietet, · ſo laß ich es geſchehn.
Ihr könntet eure Freunde · nicht ſo gerne ſehn,
Der edeln Ute Kinder, · als ich ſie ſähe gern:
Es iſt mir ein Kummer, · daß ſie ſo fremd uns ſind und fern.“
Er ſprach: „Wenn dirs gefiele, · viel liebe Fraue mein,
Wollt ich als Boten ſenden · zu den Freunden dein
Meine Fiedelſpieler · gen Burgundenland.“
Die guten Spielleute · ließ man bringen gleich zur Hand.
Die Knappen kamen beide, · wo ſie den König ſahn
Sitzen bei der Königin. · Da ſagt' er ihnen an,
Sie ſollten Boten werden · nach Burgundenland.
Auch ließ er ihnen ſchaffen · reiches herrliches Gewand.
Vierundzwanzig Recken · ſchnitt man da das Kleid.
Ihnen ward auch von dem König · gegeben der Beſcheid,
Wie ſie Gunthern laden ſollten · und Die ihm unterthan.
Frau Kriemhild mit ihnen · geheim zu ſprechen begann.
Da ſprach der reiche König: · „Nun hört, wie ihr thut:
Ich entbiete meinen Freunden · alles, was lieb und gut,
Daß ſie geruhn zu reiten · hieher in mein Land.
Ich habe noch gar ſelten · ſo liebe Gäſte gekannt.
„Und wenn ſie meinen Willen · geſonnen ſind zu thun,
Kriemhilds Verwandte, · ſo mögen ſie nicht ruhn
Und mir zu Liebe kommen · zu meinem Hofgelag,
Da meiner Schwäger Freundſchaft · mich ſo ſehr erfreuen mag.“
Da ſprach der Fiedelſpieler, · der ſtolze Schwemmelein:
„Wann ſoll euer Gaſtgeber · in dieſen Landen ſein?
Daß wirs euern Freunden · am Rhein mögen ſagen.“
Da ſprach der König Etzel: · „In der nächſten Sonnenwende Tagen.“
„Wir thun, was ihr gebietet,“ · ſprach da Werbelein.
Kriemhild ließ die Boten · zu ihrem Kämmerlein
Führen in der Stille · und beſprach mit ihnen da,
Wodurch noch manchem Degen · bald wenig Liebes geſchah.
Sie ſprach zu den Boten: · „Ihr verdient groß Gut,
Wenn ihr beſonnen · meinen Willen thut
Und ſagt, was ich entbiete · heim in unſer Land:
Ich mach euch reich an Gute · und geb euch herrlich Gewand.
„Wen ihr von meinen Freunden · immer möget ſehn
Zu Worms an dem Rheine, · dem ſollt ihrs nie geſtehn,
Daß ihr mich immer ſähet · betrübt in meinem Muth;
Und entbietet meine Grüße · dieſen Helden kühn und gut.
„Bittet ſie zu leiſten, · was mein Gemahl entbot,
Und mich dadurch zu ſcheiden · von all meiner Noth.
Ich ſcheine hier den Heunen · freundlos zu ſein.
Wenn ich ein Ritter hieße · ich käme manchmal an den Rhein.
„Und ſagt auch Gernoten, · dem edeln Bruder mein,
Daß ihm auf Erden Niemand · holder möge ſein:
Bittet, daß er mir bringe · hierher in dieſes Land
Unſre beſten Freunde: · ſo wird uns Ehre bekannt.
„Sagt auch Geiſelheren, · ich mahn ihn daran,
Daß ich mit ſeinem Willen · nie ein Leid gewann:
Drum ſähn ihn hier im Lande · gern die Augen mein;
Auch will ich all mein Leben · ihm zu Dienſt verpflichtet ſein.
„Sagt auch meiner Mutter, · wie mir Ehre hier geſchieht;
Und wenn von Tronje Hagen · der Reiſe ſich entzieht,
Wer ihnen zeigen ſolle · die Straßen durch das Land?
Die Wege zu den Heunen · ſind von frühauf ihm bekannt.“
Nun wuſten nicht die Boten, · warum das möge ſein,
Daß ſie dieſen Hagen · von Tronje nicht am Rhein
Bleiben laßen ſollten. · Bald ward es ihnen leid:
Durch ihn war manchem Degen · mit dem grimmen Tode gedräut.
Botenbrief und Siegel · ward ihnen nun gegeben;
Sie fuhren reich an Gute · und mochten herrlich leben.
Urlaub gab ihnen Etzel · und ſein ſchönes Weib;
Ihnen war auch wohlgezieret · mit guten Kleidern der Leib.
Als Etzel ſeine Fiedler · hin zum Rheine ſandte,
Da flogen dieſe Mären · von Lande zu Lande:
Mit ſchnellen Abgeſandten · bat er und entbot
Zu ſeinem Hofgelage; · da holte Mancher ſich den Tod.
Die Boten ritten hinnen · aus der Heunen Land
Zu den Burgunden, · wohin man ſie geſandt
Zu dreien edeln Königen · und ihrer Mannen Heer:
Daß ſie zu Etzeln kämen; · da beeilten ſie ſich ſehr.
Zu Bechlaren ritten · ſchon die Boten ein.
Ihnen diente man da gerne · und ließ auch das nicht ſein:
Ihre Grüße ſandten · Rüdger und Gotelind
Den Degen an dem Rheine · und auch des Markgrafen Kind.
Sie ließen ohne Gaben · die Boten nicht hindann,
Daß deſto ſanfter führen · Die Etzeln unterthan.
Uten und ihren Söhnen · entbot da Rüdiger,
Ihnen ſo gewogen hätten · ſie keinen Markgrafen mehr.
Sie entboten auch Brunhilden · Alles, was lieb und gut,
Ihre ſtäte Treue · und dienſtbereiten Muth.
Da wollten nach der Rede · die Boten weiter ziehn;
Gott bat ſie zu bewahren · Gotlind die edle Markgräfin.
Eh noch die Boten völlig · durchzogen Baierland,
Werbel der Schnelle · den guten Biſchof fand.
Was der da ſeinen Freunden · hin an den Rhein entbot,
Davon hab ich nicht Kunde; · jedoch ſein Gold alſo roth
Gab er den Boten milde. · Als ſie wollten ziehn,
„Sollt ich ſie bei mir ſchauen,“ · ſprach Biſchof Pilgerin,
„So wär mir wohl zu Muthe, · die Schweſterſöhne mein:
Ich mag leider ſelten · zu ihnen kommen an den Rhein.“
Was ſie für Wege fuhren · zum Rhein durch das Land,
Kann ich euch nicht beſcheiden. · Ihr Gold und ihr Gewand
Blieb ihnen unbenommen; · man ſcheute Etzels Zorn:
So gewaltig herrſchte · der edle König wohlgeborn.
Binnen zwölf Tagen · kamen ſie an den Rhein,
Gen Worms in die Veſte, · Werbel und Schwemmelein.
Da ſagte mans dem König · und ſeinen Mannen an,
Es kämen fremde Boten; · Gunther zu fragen begann.
Da ſprach der Vogt vom Rheine: · „Wer macht uns bekannt,
Von wannen dieſe Gäſte · ritten in das Land?“
Davon wuſte Niemand, · bis die Boten ſah
Hagen von Tronje: · der begann zu Gunthern da:
„Wir hören Neues heute, · dafür will ich euch ſtehn:
Etzels Fiedelſpieler · die hab ich hier geſehn;
Die hat eure Schweſter · geſendet an den Rhein:
Ihres Herren Willen · ſollen ſie uns willkommen ſein.“
Sie ritten ohne Weilen · zu dem Saal heran:
So herrlich fuhr wohl nimmer · eines Fürſten Fiedelmann.
Des Königs Ingeſinde · empfieng ſie gleich zur Hand;
Herberge gab man ihnen · und bewahrte ihr Gewand.
Ihre Reiſekleider waren · reich und ſo wohlgethan,
Sie mochten wohl mit Ehren · ſich ſo dem König nahn;
Doch wollten ſie nicht länger · ſie dort am Hofe tragen.
„Ob Jemand ſie begehre?“ · ließen da die Boten fragen.
Da waren auch bedürftige · Leute bei der Hand,
Die ſie gerne nahmen: · denen wurden ſie geſandt.
Da ſchmückten mit Gewanden · ſo reich die Gäſte ſich,
Wie es Königsboten · herrlich ſtand und wonniglich.
Da gieng mit Urlaube · hin, wo der König ſaß
Etzels Ingeſinde: · gerne ſah man das.
Herr Hagen gleich den Boten · vom Sitz entgegen ſprang,
Sie freundlich zu begrüßen: · des ſagten ihm die Knappen Dank.
Da hub er um die Kunde · ſie zu befragen an,
Wie Etzel ſich gehabe · und Die ihm unterthan.
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Nie beßer ſtands im Land,
Das Volk war niemals froher, · das ſei euch wahrlich bekannt.“
Er führte ſie dem Wirthe zu; · der Königsſaal war voll:
Da empfieng man die Gäſte, · wie man immer ſoll
Boten freundlich grüßen · in andrer Könge Land.
Werbel der Recken · viel bei König Gunthern fand.
Der König wohlgezogen · zu grüßen ſie begann:
„Willkommen, beide Fiedler, · die Etzeln unterthan,
Mit euern Heergeſellen: · wozu hat euch geſandt
Etzel der reiche · zu der Burgunden Land?“
Sie neigten ſich dem König. · Da ſprach Werbelein:
„Euch entbietet ſeine Dienſte · der liebe Herre mein
Und Kriemhild eure Schweſter · hieher in dieſes Land:
Sie haben uns euch Recken · auf gute Treue geſandt.“
Da ſprach der reiche König: · „Der Märe bin ich froh.
Wie gehabt ſich Etzel,“ · der Degen fragte ſo,
„Und Kriemhild meine Schweſter · in der Heunen Land?“
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Das mach ich gern euch bekannt.
„Beßer wohl gehabten · ſich Könge nirgend mehr
Und fröhlicher, das wißet, als die Fürſten hehr
Und ihre Degen alle, · Freund und Untertan.
Sie freuten ſich der Reiſe, · da wir ſchieden hindann,“
„Nun Dank ihm für die Dienſte, · die er mir entbeut,
Ihm und meiner Schweſter: · gern erfahr ich heut,
Daß ſie in Freuden leben, · der König und ſein Lehn;
Meine Frage war nach ihnen · in großen Sorgen geſchehn.“
Die beiden jungen Könige · waren auch gekommen,
Die hatten dieſe Märe · eben erſt vernommen.
Geiſelher der junge · die Boten gerne ſah
Aus Liebe zu der Schweſter; · gar minniglich ſprach er da:
„Ihr Boten ſollt uns beide · hochwillkommen ſein;
Kämet ihr geritten nur öfter · an den Rhein,
Ihr fändet hier der Freunde, · die ihr gerne möchtet ſehn.
Euch ſollte hier zu Lande · wenig Leides geſchehn.“
„Wir verſehn uns alles Guten · zu euch,“ ſprach Schwemmelein;
„Ich könnt euch nicht bedeuten · mit den Worten mein,
Wie minnigliche Grüße · euch Etzel hat geſandt
Und eure edle Schweſter, · die da in hohen Ehren ſtand.
„An eure Lieb und Treue · mahnt euch die Königin
Und daß ihr ſtäts gewogen · war euer Herz und Sinn.
Zuvörderſt euch, Herr König, · ſind wir hieher geſandt,
Daß ihr geruht zu reiten · zu ihnen in der Heunen Land.
„Es ſoll auch mit euch reiten · euer Bruder Gernot.
Etzel der reiche · euch Allen das entbot,
Wenn ihr nicht kommen wolltet, · eure Schweſter ſehn,
So möcht er doch wohl wißen, · was euch von ihm war geſchehn,
„Daß ihr ihn alſo meidet · und auch ſein Reich und Land.
Wär euch auch die Königin · fremd und unbekannt,
So möcht er ſelbſt verdienen, · ihr kämet ihn zu ſehn:
Wenn ihr das leiſten wolltet, · ſo wär ihm Liebes geſchehn.“
Da ſprach der König Gunther: · „Nach der ſiebten Nacht
Will ich euch beſcheiden, · wes ich mich bedacht
Hab im Rath der Freunde; · geht derweilen hin
Zu eurer Herberge · und findet gute Ruh darin.“
Da ſprach wieder Werbel: · „Könnt es nicht geſchehn,
Daß wir unſre Fraue, · die reiche Ute, ſehn,
Eh wir müden Degen · fragten nach der Ruh?“
Da ſprach wohlgezogen · der edle Geiſelher dazu:
„Das ſoll euch Niemand wehren; · wollt ihr vor ſie gehn,
So iſt auch meiner Mutter · Will und Wunſch geſchehn,
Denn ſie ſieht euch gerne · um die Schweſter mein,
Frau Kriemhilde: · ihr ſollt ihr willkommen ſein.“
Geiſelher ſie brachte · hin, wo er Uten fand.
Die ſah die Boten gerne · aus der Heunen Land
Und empfieng ſie freundlich · mit wohlgezognem Muth.
Da ſagten ihr die Märe · die Boten höfiſch und gut.
„Meine Frau läßt euch entbieten,“ · ſprach da Schwemmelein,
„Dienſt und ſtäte Treue, · und wenn es möchte ſein,
Daß ſie euch öfter ſähe, · ſo glaubet ſicherlich,
Wohl keine andre Freude · auf Erden wünſchte ſie ſich.“
Da ſprach die Königin Ute: · „Daſs kann nun nicht ſein.
So gern ich öfter ſähe · die liebe Tochter mein,
So wohnt zu fern uns leider · die edle Königin:
Nun geh ihr immer ſelig · die Zeit mit Etzeln dahin.
„Ihr ſollt mich wißen laßen, · eh ihr von hinnen müßt,
Wenn ihr reiten wollet; · ich ſah in langer Friſt
Boten nicht ſo gerne, · als ich euch geſehn.“
Da gelobten ihr die Knappen, · ihr Wille ſolle geſchehn.
Zu den Herbergen giengen · Die von Heunenland.
Der reiche König hatte · die Freunde nun beſandt.
Gunther der edle · fragte Mann für Mann,
Was ſie darüber dächten? · Wohl Manche huben da an,
Er möge wohl reiten · in König Etzels Land.
Das riethen ihm die Beſten, · die er darunter fand.
Hagen nur alleine, · dem war es grimmig leid.
Zum König ſprach er heimlich: · „Mit euch ſelbſt ſeid ihr im Streit.
Ihr habt doch nicht vergeßen, · was ihr von uns geſchehn:
Vor Kriemhilden müßen · wir ſtäts in Sorge ſtehn.
Ich ſchlug ihr zu Tode · den Mann mit meiner Hand:
Wie dürften wir wohl reiten · hin in König Etzels Land?“
Da ſprach der reiche König: · „Meiner Schweſter Zürnen ſchwand.
Mit minniglichem Kuſſe, · eh ſie verließ dieß Land,
Hat ſie uns verziehen, · was wir an ihr gethan,
Es wäre denn, ſie ſtände · bei euch, Herr Hagen, noch an.“
„Nun laßt euch nicht betrügen,“ · ſprach Hagen, „was auch ſagen
Dieſe Heunenboten: · wollt ihrs mit Kriemhild wagen,
Da verliert ihr zu der Ehre · Leben leicht und Leib:
Sie weiß wohl nachzutragen, · dem König Etzel ſein Weib!“
Da ſprach vor dem Rathe · der König Gernot:
„Ihr mögt aus guten Gründen · fürchten dort den Tod
In heuniſchen Reichen; · ſtänden wir drum an
Und mieden unſre Schweſter, · das wär übel gethan.“
Da ſprach zu dem Degen · der junge Geiſelher:
„Da ihr euch, Freund Hagen, · ſchuldig wißt ſo ſehr,
So bleibt hier im Lande, · euer Heil zu weiſen;
Nur laßt, die ſichs getrauen, · mit uns zu den Heunen fahren.“
Darob begann zu zürnen · von Tronje der Held:
„Ich will nicht, daß euch Jemand · ſei bei der Fahrt geſellt,
Der an den Hof zu reiten · ſich mehr getraut als ich:
Wollt ihrs nicht bleiben laßen, · ich beweis' es euch ſicherlich.“
Da ſprach der Küchenmeiſter · Rumold der Degen:
„Der Heimiſchen und Fremden · mögt ihr zu Hauſe pflegen
Nach euerm Wohlgefallen: · da habt ihr vollen Rath;
Ich glaube nicht, daß Hagen · euch noch je vergeiſelt hat.
„Wollt ihr nicht Hagen folgen, · ſo räth euch Rumold,
Der ich euch dienſtlich · gewogen bin und hold,
Daß ihr im Lande bleibet · nach dem Willen mein
Und laßt den König Etzel · dort bei Kriemhilden ſein.
„Wo könntet ihr auf Erden · ſo gut als hier gedeihn?
Ihr mögt vor euern Feinden · daheim geborgen ſein,
Ihr ſollt mit guten Kleidern · zieren euern Leib,
Des beſten Weines trinken · und minnen manches ſchöne Weib.
„Dazu giebt man euch Speiſe, · ſo gut ſie in der Welt
Ein König mag gewinnen. · Euer Land iſt wohl beſtellt:
Der Hochzeit Etzels mögt ihr euch · mit Ehren wohl begeben
Und hier mit euern Freunden · in guter Kurzweile leben.
„Und hättet ihr nichts Anderes · davon zu zehren hier,
Ich gab euch Eine Speiſe · die Fülle für und für,
In Oel geſottne Schnitten. · Das iſt, was Rumold räth,
Da es gar ſo ängſtlich, · ihr Herrn, dort bei den Heunen ſteht.
„Hold wird euch Frau Kriemhild · doch nimmer, glaubet mir;
Auch habt ihr und Hagen · es nicht verdient an ihr.
Und wollt ihr nicht verbleiben, · wer weiß, wie ihrs beklagt:
Ihr werdets noch erkennen, · ich hab euch Wahrheit geſagt.
„Drum rath ich euch zu bleiben. · Reich iſt euer Land:
Ihr könnt hier beßer löſen, · was ihr gabt zu Pfand,
Als dort bei den Heunen: · wer weiß, wie es da ſteht?
Verbleibt hier, ihr Herren: · das iſt, was Rumold euch rath.“
„Wir wollen nun nicht bleiben,“ · ſprach da Gernot.
„Da es meine Schweſter · ſo freundlich uns entbot
Und Etzel der reiche, · was führen wir nicht hin?
Die nicht mit uns wollen, · mögen bleiben immerhin.“
„In Treuen,“ ſprach da Rumold, · „ich will der Eine ſein,
Der um Etzels Hofgelag · kommt nimmer überrhein.
Wie ſetzt' ich wohl das Beßre · aufs Spiel, das ich gewann?
Ich will mich ſelbſt ſo lange · am Leben laßen, als ich kann.“
„So denk ichs auch zu reiten,“ · ſprach Ortwein der Degen:
„Ich will der Geſchäfte · zu Hauſe mit euch pflegen.“
Da ſprachen ihrer Viele, · ſie wollten auch nicht fahren:
„Gott woll euch, liebe Herren, · bei den Heunen wohl bewahren.“
Der König Gunther zürnte, · als er ward gewahr,
Sie wollten dort verbleiben, · der Ruhe willen zwar:
„Wir wollens drum nicht laßen, · wir müßen an die Fahrt;
Der waltet guter Sinne, · der ſich allezeit bewahrt.“
Zur Antwort gab da Hagen: · „Laßt euch zum Verdruß
Meine Rede nicht gereichen: · was auch geſchehen muß,
Das rath ich euch in Treuen, · wenn ihr euch gern bewahrt,
Daß ihr nur wohlgerüſtet · zu dem Heunenlande fahrt.
„Wenn ihrs euch unterwindet, · ſo entbietet euer Heer,
Die Beſten, die ihr findet · und irgend wißt umher,
Aus ihnen Allen wähl ich dann · tauſend Ritter gut:
So mag euch nicht gefährden · der argen Kriemhilde Muth.“
„Dem Rathe will ich folgen,“ · ſprach der König gleich.
Da ſandt er ſeine Boten · umher in ſeinem Reich.
Bald brachte man der Helden · dreitauſend oder mehr.
Sie dachten nicht zu finden · ſo großes Leid und Beſchwer.
Sie ritten hohes Muthes · durch König Gunthers Land.
Sie verhießen Allen · Roſs' und Gewand,
Die ihnen geben wollten · zum Heunenland Geleit.
Da fand viel gute Ritter · der König zu der Fahrt bereit.
Da ließ von Tronje Hagen · Dankwart den Bruder ſein
Achtzig ihrer Recken · führen an den Rhein.
Sie kamen ſtolz gezogen; · Harniſch und Gewand
Brachten viel die ſchnellen · König Gunthern in das Land.
Da kam der kühne Volker, · ein edler Spielmann,
Mit dreißig ſeiner Degen · zu der Fahrt heran.
Ihr Gewand war herrlich, · ein König mocht es tragen.
Er wollte zu den Heunen, · ließ er dem Könige ſagen.
Wer Volker ſei geweſen, · das ſei euch kund gethan.
Es war ein edler Herre; · ihm waren unterthan
Viel der guten Recken · in Burgundenland;
Weil er fiedeln konnte, · war er der Spielmann genannt.
Hagen wählte tauſend, · die waren ihm bekannt;
Was ſie in ſtarken Stürmen · gefrommt mit ihrer Hand
Und ſonſt begangen hatten, · das hatt er oft geſehn:
Auch alle Andern muſten · ihnen Ehre zugeſtehn.
Die Boten Kriemhildens · der Aufenthalt verdroß;
Die Furcht vor ihrem Herren · war gewaltig groß:
Sie hielten alle Tage · um den Urlaub an.
Den gönnt' ihnen Hagen nicht: · das ward aus Vorſicht gethan.
Er ſprach zu ſeinem Herren: · „Wir wollen uns bewahren,
Daß wir ſie reiten laßen, · bevor wir ſelber fahren
Sieben Tage ſpäter · in König Etzels Land:
Trägt man uns argen Willen, · das wird ſo beßer gewandt.
„So mag ſich auch Frau Kriemhild · bereiten nicht dazu,
Daß uns nach ihrem Rathe · Jemand Schaden thu.
Will ſie es doch verſuchen, · ſo fährt ſie übel an:
Wir führen zu den Herren · manchen auserwählten Mann.“
Die Sättel und die Schilde · und all ihr Gewand,
Das ſie führen wollten · in König Etzels Land,
War nun bereit und fertig · für manchen kühnen Mann.
Etzels Spielleute · rief man zu Gunthern heran.
Da die Boten kamen, · begann Herr Gernot:
„Der König will leiſten, · was Etzel uns entbot.
Wir wollen gerne kommen · zu ſeiner Luſtbarkeit
Und unſre Schweſter ſehen; · daß ihr des außer Zweifel ſeid.“
Da ſprach der König Gunther: · „Wißt ihr uns zu ſagen,
Wann das Feſt beginnt, · oder zu welchen Tagen
Wir erwartet werden?“ · Da ſprach Schwemmelein:
„Zur nächſten Sonnenwende · da ſoll es in Wahrheit ſein.“
Der König erlaubte das, · war noch nicht geſchehn,
Wenn ſie Frau Brunhilden · wünſchten noch zu ſehn,
Daß ſie mit ſeinem Willen · ſprächen bei ihr an.
Dem widerſtrebte Volker: · da war ihr Liebes gethan.
„Es iſt ja Frau Brunhild · nun nicht ſo wohlgemuth,
Daß ihr ſie ſchauen möchtet,“ · ſprach der Ritter gut.
„Wartet bis morgen, · ſo läßt man ſie euch ſehn.“
Sie wähnten ſie zu ſchauen, · da konnt es doch nicht geſchehn.
Da ließ der reiche König, · er war den Boten hold,
Aus eigner hoher Milde · daher von ſeinem Gold
Auf breiten Schilden bringen; · wohl war er reich daran.
Ihnen ward auch reiche Schenkung · von ſeinen Freunden gethan.
Geiſelher und Gernot, · Gere und Ortewein,
Wie ſie auch milde waren, · das leuchtete wohl ein:
So reiche Gaben boten · ſie den Boten an,
Daß ſie's vor ihrem Herren · nicht getrauten zu empfahn.
Da ſprach zu dem König · der Bote Werbelein:
„Herr König, laßt die Gaben · nur hier im Lande ſein.
Wir könnens nicht verführen, · weil uns der Herr verbot,
Daß wir Geſchenke nähmen: · auch thut es uns wenig Noth.“
Da ward der Vogt vom Rheine · darüber ungemuth,
Daß ſie verſchmähen wollten · ſo reichen Königs Gut.
Da muſten ſie empfahen · ſein Gold und ſein Gewand,
Daß ſie es mit ſich führten · heim in König Etzels Land.
Sie wollten Ute ſchauen · vor ihrer Wiederkehr.
Die Spielleute brachte · der junge Geiſelher
Zu Hof vor ſeine Mutter; · ſie entbot der Königin,
Wenn man ihr Ehre biete, · ſo bedünk es ſie Gewinn.
Da ließ die Königswitwe · ihre Borten und ihr Gold
Vertheilen um Kriemhildens, · denn der war ſie hold,
Und König Etzels Willen · an das Botenpaar.
Sie mochtens wohl empfahen: · getreulich bot ſie es dar.
Urlaub genommen hatten · nun von Weib und Mann
Die Boten Kriemhildens; · ſie fuhren froh hindann
Bis zum Schwabenlande: · dahin ließ Gernot
Seine Helden ſie begleiten, · daß ſie nirgend litten Noth.
Als die von ihnen ſchieden, · die ſie ſollten pflegen,
Gab ihnen Etzels Herſchaft · Frieden auf den Wegen,
Daß ihnen Niemand raubte · ihr Roſs noch ihr Gewand.
Sie ritten ſehr in Eile · wieder in der Heunen Land.
Wo ſie Freunde wuſten, · da machten ſie es kund,
In wenig Tagen kämen · die Helden von Burgund
Vom Rhein hergezogen · in der Heunen Land.
Pilgerin, dem Biſchof, · ward auch die Märe bekannt.
Als ſie vor Bechlaren · die Straße niederzogen,
Da ward um die Märe · Rüdger nicht betrogen,
Noch Frau Gotelinde, · die Markgräfin hehr.
Daß ſie ſie ſchauen ſollten, · des freuten beide ſich ſehr.
Die Spielleute ſpornten · die Roſſe mächtig an.
Sie ſanden König Etzeln · in ſeiner Stadt zu Gran,
Gruß über Grüße, · die man ihm her entbot,
Brachten ſie dem Könige: · vor Liebe ward er freudenroth.
Als Kriemhild der Königin · die Märe ward bekannt,
Ihre Brüder wollten · kommen in ihr Land,
Da ward ihr wohl zu Muthe: · ſie gab den Boten Lohn
Mit reichlichen Geſchenken; · ſie hatte Ehre davon.
Sie ſprach: „Nun ſagt mir beide, · Werbel und Schwemmelein,
Wer will von meinen Freunden · beim Hofgelage ſein,
Von den höchſten, die wir luden · hieher in dieſes Land?
Sagt an, was ſprach wohl Hagen, · als ihm die Mähre ward bekannt?“
„Er kam zu ihrem Rathe · an einem Morgen fruh;
Wenig gute Sprüche · redet' er dazu,
Als ſie die Fahrt gelobten · nach dem Heunenland:
Die hat der grimme Hagen · die Todesreiſe genannt.
„Es kommen eure Brüder, · die Könge alle drei,
In herrlichem Muthe. · Wer mehr mit ihnen ſei,
Darüber ich des Weitern · euch nicht beſcheiden kann.
Es will mit ihnen reiten · Volker der kühne Fiedelmann.“
„Des mag ich leicht entbehren,“ · ſprach die Königin,
„Daß ich auch Volkern ſähe · her zu Hofe ziehn;
Hagen bin ich gewogen, · der iſt ein Degen gut:
Daß wir ihn ſchauen ſollen, · des hab ich fröhlichen Muth.“
Hin gieng die Königstochter, · wo ſie den König ſah.
Wie ininnigliche Worte · ſprach Frau Kriemhild da:
„Wie gefallen euch die Mären, · viel lieber Herre mein?
Wes mich je verlangte, · das ſoll nun bald vollendet ſein.“
„Dein Will iſt meine Freude,“ · der König ſprach da ſo:
„Ich wär der eignen Freunde · nicht ſo von Herzen froh,
Wenn ſie kommen ſollten · hieher in unſer Land.
Durch deiner Freunde Liebe · viel meiner Sorge verſchwand.“
Des Königs Amtleute · befahlen überall
Mit Geſtühl zu ſchmücken · Pallas und Saal
Für die lieben Gäſte, · die da ſollten kommen.
Durch die ward bald dem König · viel hoher Freude benommen.
Wie man dort gebarte, · vernahmt ihr nun genug.
Wohl kamen nie gefahren · in ſolchem ſtolzen Zug
So hochgemuthe Degen · in eines Königs Land;
Sie hatten, was ſie wollten, · beides, Waffen und Gewand.
Der Vogt vom Rheine kleidete · aus ſeinem Heergeleit
Der Degen tauſend ſechzig, · ſo gab man uns Beſcheid,
Und neuntauſend Knechte · zu dem Hofgelag;
Die ſie zu Hauſe ließen, · beweinten es wohl hernach.
Da trug man ihr Geräthe · zu Worms übern Hof.
Wohl ſprach da von Speier · ein alter Biſchof
Zu der ſchönen Ute: · „Unſre Freunde wollen fahren
Zu dem Gaſtgebote: · möge Gott ſie da bewahren.“
Da ſprach zu ihren Söhnen · Ute, die Fraue gut:
„Ihr ſolltet hier verbleiben, · Helden hochgemuth.
Geträumt hat mir heute · von ängſtlicher Noth,
Wie all das Gevögel · in dieſem Lande wäre todt.“
„Wer ſich an Träume wendet,“ · ſprach dawider Hagen,
„Der weiß noch die rechte · Kunde nicht zu ſagen,
Wie es mög am Beſten · um ſeine Ehre ſtehn:
Es mag mein Herr nur immer · mit Urlaub hin zu Hofe gehn.
„Wir wollen gerne reiten · in König Etzels Land:
Da mag wohl Köngen dienen · guter Helden Hand,
So wir da ſchauen ſollen · Kriemhildens Hochzeit.“
Hagen rieth die Reiſe; · doch ward es ſpäter ihm leid.
Er hätt es widerrathen, · nur daß Gernot
Mit ungefügen Reden · ihm Spott entgegenbot.
Er mahnt' ihn an Siegfried, · Frau Kriemhildens Mann:
Er ſprach: „Darum ſteht Hagen · die große Reiſe nicht an.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Nicht Furcht iſt's, daß ich's thu.
Gebietet ihr es, Helden, · ſo greift immer zu:
Gern will ich mit euch reiten · in König Etzels Land.“
Bald ward von ihm zerhauen · mancher Helm und Schildesrand.
Die Schiffe ſtanden fertig · zu fahren überrhein;
Was ſie an Kleidern hatten, · trugen ſie darein.
Sie fanden viel zu ſchaffen · bis zur Abendzeit;
Sie huben ſich von Hauſe · zur Reiſe freudig bereit.
Sie ſchlugen auf im Graſe · ſich Hütten und Gezelt
Jenſeits des Rheines, · wo das Lager war beſtellt.
Da bat noch zu verweilen · Gunthern ſein ſchönes Weib;
Sie herzte nachts noch einmal · des Mannes waidlichen Leib.
Flöten und Poſaunen · erſchollen morgens fruh
Den Aufbruch anzukündigen: · da griff man bald dazu.
Wem Liebes lag im Arme, · herzte des Freundes Leib;
Mit Leid trennte Viele · des König Etzel Weib.
Der ſchönen Ute Söhne · die hatten einen Mann,
Der kühn war und bieder; · als man die Fahrt begann,
Sprach er zu dem Könige · geheim nach ſeinem Muth.
Er ſprach: „Ich muß wohl trauern, · daß ihr die Hofreiſe thut.“
Er war geheißen Rumold, · ein Degen auserkannt.
Er ſprach: „Wem wollt ihr laßen · Leute nun und Land?
Daß Niemand doch euch Recken · wenden mag den Muth!
Die Mären Kriemhildens · dauchten mich niemals gut.“
„Das Land ſei dir befohlen · und auch mein Söhnelein;
Und diene wohl den Frauen: · das iſt der Wille mein.
Wen du weinen ſieheſt, · dem tröſte Herz und Sinn;
Es wird uns nichts zu Leide · Kriemhild thun, die Königin.“
Eh man ſchied von dannen, · berieth der König hehr
Sich mit den höchſten Mannen; · er ließ nicht ohne Wehr
Das Land und die Burgen: · die ihrer ſollten pflegen,
Zum Schutze ließ er denen · manchen auserwählten Degen.
Die Roſſe ſtanden aufgezäumt · den Mannen wie den Herrn:
Mit minniglichem Kuſſe · zog da Mancher fern,
Dem noch in hohem Muthe · lebte Seel und Leib;
Das muſte bald beweinen · manches waidliche Weib.
Wehruf und Weinen · hörte man genug;
Auf dem Arm die Königin · ihr Kind dem König trug:
„Wie wollt ihr ſo verwaiſen · uns beide auf ein Mal?
Verbleibet uns zu Liebe,“ · ſprach ſein jammerreich Gemahl.
„Frau, ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein,
Ihr mögt hier ohne Sorgen · in hohem Muthe ſein:
Wir kommen bald euch wieder · mit Freuden wohl geſund.“
Sie ſchieden von den Freunden · minniglich zur ſelben Stund.
Als man die ſchnellen Recken · ſah zu den Roſſen gehn,
Fand man viel der Frauen · in hoher Trauer ſtehn.
Daß ſie auf ewig ſchieden, · ſagt' ihnen wohl der Muth:
Zu großem Schaden kommen, · das thut Niemanden gut.
Die ſchnellen Burgunden · begannen ihren Zug.
Da ward in dem Lande · das Treiben groß genug;
Beiderſeits des Rheines · weinte Weib und Mann.
Wie auch das Volk gebarte, · ſie fuhren fröhlich hindann.
Niblungens Helden · zogen mit ihnen aus
In tauſend Halsbergen: · die hatten dort zu Haus
Viel ſchöne Fraun gelaßen · und ſahn ſie nimmermehr.
Siegfriedens Wunden · die ſchmerzten Kriemhilden ſehr.
Nur ſchwach in jenen Zeiten · war der Glaube noch:
Es ſang ihnen Meſſe · ein Kaplan jedoch:
Der kam geſund zurücke, · obwohl aus großer Noth;
Die andern blieben alle · dort im Heunenlande todt.
Da lenkten mit der Reiſe · auf den Mainſtrom an
Hinauf durch Oſtfranken · Die Gunthern unterthan.
Hagen war ihr Führer, · der war da wohlbekannt.
Ihr Marſchall war Dankwart, · der Held von Burgundenland.
Da ſie von Oſtfranken · durch Schwalefelde ritten,
Da konnte man ſie kennen · an den herrlichen Sitten,
Die Fürſten und die Freunde, · die Helden lobeſam.
An dem zwölften Morgen · der König an die Donau kam.
Da ritt von Tronje Hagen · den andern all zuvor:
Er hielt den Nibelungen · zumal den Muth empor.
Bald ſprang der kühne Degen · nieder auf den Strand,
Wo er ſein Roſs in Eile · feſt an einem Baume band.
Die Flut war ausgetreten, · die Schifflein verborgen:
Die Nibelungen kamen · da in große Sorgen,
Wie ſie hinüber ſollten: · das Waſſer war zu breit.
Da ſchwang ſich zur Erde · mancher Ritter allbereit.
„Uebel,“ ſprach da Hagen, · „mag dir wohl hier geſchehn,
König an dem Rheine; · du magſt es ſelber ſehn:
Das Waſſer iſt ergoßen, · zu ſtark iſt ſeine Flut:
Ich fürchte, wir verlieren · noch heute manchen Recken gut.“
„Hagen, was verweiſt ihr mir?“ · ſprach der König hehr,
„Um eurer Hofzucht willen · erſchreckt uns nicht noch mehr.
Ihr ſollt die Furt uns ſuchen · hinüber an das Land,
Daß wir von hinnen bringen · beides, Roſs' und Gewand.“
„Mir iſt ja noch,“ ſprach Hagen, · „mein Leben nicht ſo leid,
Daß ich mich möcht ertränken · in dieſen Wellen breit:
Erſt ſoll von meinen Händen · erſterben mancher Mann
In König Etzels Landen, · wozu ich gute Luſt gewann.
„Bleibet bei dem Waſſer, · ihr ſtolzen Ritter gut.
So geh ich und ſuche · die Fergen bei der Flut,
Die uns hinüber bringen · in Gelfratens Land.“
Da nahm der kühne Hagen · ſeinen feſten Schildesrand.
Er war wohl bewaffnet: · den Schild er bei ſich trug;
Sein Helm war aufgebunden · und glänzte hell genug.
Ueberm Harniſch führt' er · eine breite Waffe mit,
Die an beiden Schärfen · aufs allergrimmigſte ſchnitt.
Er ſuchte hin und wieder · nach einem Schiffersmann.
Da hört' er Waſſer rauſchen; · zu lauſchen hub er an.
In einem ſchönen Brunnen · that das manch weiſes Weib:
Die gedachten da im Bade · ſich zu kühlen den Leib.
Hagen ward ihrer inne, · da ſchlich er leis heran;
Sie eilten ſchnell von hinnen, · als ſie den Helden ſahn.
Daß ſie ihm entrannen, · des freuten ſie ſich ſehr.
Da nahm er ihre Kleider · und ſchadet' ihnen nicht mehr.
Da ſprach das eine Meerweib, · Hadburg war ſie genannt:
„Hagen, edler Ritter, · wir machen euch bekannt,
Wenn ihr uns dagegen · die Kleider wiedergebt,
Was ihr auf dieſer Reiſe · bei den Heunen erlebt.“
Sie ſchwammen wie die Vögel · ſchwebend auf der Flut.
Da daucht ihn ihr Wißen · von den Dingen gut:
So glaubt' er um ſo lieber, · was ſie ihm wollten ſagen.
Sie beſchieden ihn darüber, · was er begann ſie zu fragen.
Sie ſprach: „Ihr mögt wohl reiten · in König Etzels Land:
Ich ſetz euch meine Treue · dafür zum Unterpfand:
Niemals fuhren Helden · noch in ein fremdes Reich
Zu ſo hohen Ehren: · in Wahrheit, ich ſag es euch.“
Der Rede war da Hagen · im Herzen froh und hehr!
Die Kleider gab man ihnen · und ſäumte ſich nicht mehr.
Als ſie umgezogen · ihr wunderbar Gewand,
Vernahm er erſt die Wahrheit · von der Fahrt in Etzels Land.
Da ſprach das andre Meerweib · mit Namen Siegelind:
„Ich will dich warnen, Hagen, · Aldrianens Kind.
Meine Muhme hat dich · der Kleider halb belogen:
Und kommſt du zu den Heunen, · ſo biſt du übel betrogen.
„Wieder umzukehren, · wohl wär es an der Zeit,
Dieweil ihr kühnen Helden · alſo geladen ſeid,
Daß ihr müßt erſterben · in der Heunen Land:
Wer da hinreitet, · der hat den Tod an der Hand.“
Da ſprach aber Hagen: · „Ihr trügt mich ohne Noth:
Wie ſollte das ſich fügen, · daß wir alle todt
Blieben bei dem Hofgelag · durch Jemandes Groll?“
Da ſagten ſie dem Degen · die Märe deutlich und voll.
Da ſprach die Eine wieder: · „Es muß nun ſo geſchehn,
Keiner wird von euch allen · die Heimat wiederſehn
Als der Kaplan des Königs: · das iſt uns wohlbekannt,
Der kommt geborgen wieder · heim in König Gunthers Land.“
Ingrimmen Muthes · ſprach der kühne Hagen:
„Das ließen meine Herren · ſchwerlich ſich ſagen,
Wir verlören bei den Heunen · Leben all und Leib;
Nun zeig uns übers Waſſer, · allerweiſeſtes Weib.“
Sie ſprach: „Willſt du nicht anders · und ſoll die Fahrt geſchehn,
So ſiehſt du überm Waſſer · eine Herberge ſtehn:
Darin iſt ein Ferge · und ſonſt nicht nah noch fern.“
Weiter nachzufragen, · des begab er nun ſich gern.
Dem unmuthsvollen Recken · rief noch die Eine nach:
„Nun wartet, Herr Hagen, · euch iſt auch gar zu jach;
Vernehmt noch erſt die Kunde, · wie ihr kommt durchs Land.
Der Herr dieſer Marke · der iſt Elſe genannt.
„Sein Bruder iſt geheißen · Gelfrat der Held,
Ein Herr im Baierlande: · nicht ſo leicht es hält,
Wollt ihr durch ſeine Marke: · ihr mögt euch wohl bewahren
Und ſollt auch mit dem Fergen · gar beſcheidentlich verfahren.
„Der iſt ſo grimmes Muthes, · er läßt euch nicht gedeihn,
Wollt ihr nicht verſtändig · bei dem Helden ſein.
Soll er euch überholen, · ſo bietet ihm den Sold;
Er hütet dieſes Landes · und iſt Gelfraten hold.
„Und kommt er nicht bei Zeiten, · ſo ruft über Flut
Und ſagt, ihr heißet Amelrich; · das war ein Degen gut,
Der ſeiner Feinde willen · räumte dieſes Land:
So wird der Fährmann kommen, · wird ihm der Name genannt.“
Der übermüthge Hagen · dankte den Frauen hehr
Des Raths und der Lehre; · kein Wörtlein ſprach er mehr.
Dann gieng er bei dem Waſſer · hinauf an dem Strand,
Wo er auf jener Seite · eine Herberge fand.
Laut begann zu rufen · der Degen über Flut:
„Nun hol mich über, Ferge,“ · ſprach der Degen gut,
„So geb ich dir zum Lohne · eine Spange goldesroth;
Mir thut das Ueberfahren, · das wiße, wahrhaftig Noth.“
Es brauchte nicht zu dienen · der reiche Schiffersmann,
Lohn nahm er ſelten · von Jemandem an;
Auch waren ſeine Knechte · zumal von ſtolzem Muth.
Noch immer ſtand Hagen · dießſeits allein bei der Flut.
Da rief er ſo gewaltig, · der ganze Strom erſcholl
Von des Helden Stärke, · die war ſo groß und voll:
„Mich Amelrich hol über; · ich bin es, Elſes Mann,
Der vor ſtarker Feindſchaft · aus dieſen Landen entrann.“
Hoch an ſeinem Schwerte · er ihm die Spange bot,
Die war ſchön und glänzte · von lichtem Golde roth,
Daß er ihn überbrächte · in Gelfratens Land.
Der übermüthge Ferge · nahm ſelbſt das Ruder an die Hand.
Auch hatte dieſer Ferge · habſüchtgen Sinn:
Die Gier nach großem Gute · bringt endlich Ungewinn;
Er dachte zu verdienen · Hagens Gold ſo roth,
Da litt er von dem Degen · hier den ſchwertgrimmen Tod.
Der Ferge zog gewaltig · hinüber an den Strand.
Welcher ihm genannt war, · als er den nicht fand,
Da hub er an zu zürnen: · als er Hagen ſah,
Mit grimmem Ungeſtüme · zu dem Helden ſprach er da:
„Ihr mögt wohl ſein geheißen · mit Namen Amelrich;
Doch ſeht ihr dem nicht ähnlich, · des ich verſehen mich.
Von Vater und von Mutter · war er der Bruder mein:
Nun ihr mich betrogen habt, · ſo müßt ihr dießhalben ſein.“
„Nein! um Gotteswillen,“ · ſprach Hagen dagegen.
„Ich bin ein fremder Recke, · beſorgt um andre Degen.
So nehmet denn freundlich · hin meinen Sold
Und fahrt uns hinüber: · ich bin euch wahrhaftig hold.“
Da ſprach der Ferge wieder: · „Das kann einmal nicht ſein.
Viel der Feinde haben · die lieben Herren mein.
Drum fahr ich keinen Fremden · hinüber in ihr Land:
Wenn euch das Leben lieb iſt, · ſo tretet aus an den Strand.“
„Das thu ich nicht,“ ſprach Hagen, · „traurig iſt mein Muth.
Nehmt zum Gedächtniß · die goldne Spange gut
Und fahrt uns über, tauſend Roſs' · und auch ſo manchen Mann.“
Da ſprach der grimme Ferge: · „Das wird nimmer gethan.“
Er hob ein ſtarkes Ruder, · mächtig und breit,
Und ſchlug es auf Hagen · (es ward ihm ſpäter leid),
Daß er im Schiffe nieder · ſtrauchelt' auf die Knie.
Solchen grimmen Fergen · fand der von Tronje noch nie.
Noch ſtärker zu erzürnen · den kühnen Fremdling, ſchwang
Er ſeine Ruderſtange, · daß ſie gar zerſprang,
Auf das Haupt dem Hagen; · er war ein ſtarker Mann:
Davon Elſes Ferge · bald großen Schaden gewann.
Mit grimmigem Muthe · griff Hagen gleich zur Hand
Zur Seite nach der Scheide, · wo er ein Waffen fand:
Er ſchlug das Haupt ihm nieder · und warf es auf den Grund.
Bald wurden dieſe Mären · den ſtolzen Burgunden kund.
Im ſelben Augenblicke, · als er den Fährmann ſchlug,
Glitt das Schiff zur Strömung; · das war ihm leid genug.
Eh er es richten konnte, · fiel ihn Ermüdung an:
Da zog am Ruder kräftig · König Gunthers Unterthan.
Er verſucht' es umzukehren · mit manchem ſchnellen Schlag,
Bis ihm das ſtarke Ruder · in der Hand zerbrach.
Er wollte zu den Recken · ſich wenden an den Strand;
Da hatt er keines weiter: · wie bald er es zuſammen band
Mit ſeinem Schildriemen, · einer Borte ſchmal.
Hin zu einem Walde · wandt er das Schiff zu Thal.
Da fand er ſeinen Herren · ſein harren an dem Strand;
Es giengen ihm entgegen · viel der Degen auserkannt.
Mit Gruß ihn wohl empfiengen · die edeln Ritter gut:
Sie ſahen in dem Schiffe · rauchen noch das Blut
Von einer ſtarken Wunde, · die er dem Fergen ſchlug:
Darüber muſte Hagen · fragen hören genug.
Als der König Gunther · das heiße Blut erſah
In dem Schiffe ſchweben, · wie bald ſprach er da:
„Wo iſt denn, Herr Hagen, · der Fährmann hingekommen?
Eure ſtarken Kräfte haben · ihm wohl das Leben benommen.“
Da ſprach er mit Verläugnen: · „Als ich das Schifflein fand
Bei einer wilden Weide, · da löſt' es meine Hand.
Ich habe keinen Fergen · heute hier geſehn;
Leid iſt auch Niemand · von meinen Händen geſchehn.“
Da ſprach von Burgunden · der König Gernot:
„Heute muß ich bangen · um lieber Freunde Tod,
Da wir keinen Schiffmann · hier am Strome ſehn:
Wie wir hinüber kommen, · darob muß ich in Sorgen ſtehn.“
Laut rief da Hagen: · „Legt auf den Boden her,
Ihr Knechte, das Geräthe: · ich gedenke, daß ich mehr
Der allerbeſte Ferge war, · den man am Rheine fand:
Ich bring euch hinüber · gar wohl in Gelfratens Land.“
Daß ſie deſto ſchneller · kämen über Flut,
Trieb man hinein die Mähren; · ihr Schwimmen ward ſo gut,
Daß ihnen auch nicht eines · der ſtarke Strom benahm.
Einige trieben ferner, · als ſie Ermüdung überkam.
Sie trugen zu dem Schiffe · ihr Gut und ihre Wehr,
Nun einmal ihre Reiſe · nicht zu vermeiden mehr.
Hagen fuhr ſie über; · da bracht er an den Strand
Manchen zieren Recken · in das unbekannte Land.
Zum erſten fuhr er über · tauſend Ritter hehr
Und ſeine ſechzig Degen; · dann kamen ihrer mehr:
Neuntauſend Knechte, · die bracht er an das Land.
Des Tags war unmüßig · des kühnen Tronejers Hand.
Das Schiff war ungefüge, · ſtark und weit genug:
Fünfhundert oder drüber · es leicht auf einmal trug
Ihres Volks mit Speiſe · und Waffen über Flut:
Am Ruder muſte ziehen · des Tages mancher Ritter gut.
Da er ſie wohlgeborgen · über Flut gebracht,
Da war der fremden Märe · der ſchnelle Held bedacht,
Die ihm verkündet hatte · das wilde Meerweib:
Dem Kaplan des Königs gieng es · da ſchier an Leben und Leib.
Bei ſeinem Weihgeräthe · er den Pfaffen fand,
Auf dem Heiligthume · ſich ſtützend mit der Hand:
Das kam ihm nicht zu Gute, · als Hagen ihn erſah;
Der unglückſelge Prieſter, · viel Beſchwerde litt er da.
Er ſchwang ihn aus dem Schiffe · mit jäher Gewalt.
Da riefen ihrer Viele: · „Halt, Hagen, halt!“
Geiſelher der junge · hub zu zürnen an;
Er wollt es doch nicht laßen, · bis er ihm Leides gethan.
Da ſprach von Burgunden · der König Gernot:
„Was hilft euch wohl, Herr Hagen, · des Kaplanes Tod?
Thät dieß anders Jemand, · es ſollt ihm werden leid.
Was verſchuldete der Prieſter, · daß ihr ſo wider ihn ſeid?“
Der Pfaffe ſchwamm nach Kräften: · er hoffte zu entgehn,
Wenn ihm nur Jemand hülfe: · das konnte nicht geſchehn,
Denn der ſtarke Hagen, · gar zornig war ſein Muth,
Stieß ihn zu Grunde wieder; · das dauchte Niemanden gut.
Als der arme Pfaffe · hier keine Hülfe ſah,
Da wandt er ſich ans Ufer; · Beſchwerde litt er da.
Ob er nicht ſchwimmen konnte, · doch half ihm Gottes Hand,
Daß er wohlgeborgen · hinwieder kam an den Strand.
Da ſtand der arme Prieſter · und ſchüttelte ſein Kleid.
Daran erkannte Hagen, · ihm habe Wahrheit,
Unmeidliche, verkündet · das wilde Meerweib.
Er dachte: „Dieſe Degen · verlieren Leben und Leib.“
Als ſie das Schiff entladen · und ans Geſtad geſchafft,
Was darauf beſeßen · der Könge Ritterſchaft,
Schlug Hagen es in Stücke · und warf es in die Flut;
Das wunderte gewaltig · die Recken edel und gut.
„Bruder, warum thut ihr das?“ · ſprach da Dankwart,
„Wie ſollen wir hinüber · bei unſrer Wiederfahrt,
Wenn wir von den Heunen · reiten an den Rhein?“
Hernach ſagt' ihm Hagen, · das könne nimmermehr ſein.
Da ſprach der Held von Tronje: · „Ich thats mit Wohlbedacht:
Haben wir einen Feigen · in dieſes Land gebracht,
Der uns entrinnen möchte · in ſeines Herzens Noth,
Der muß an dieſen Wogen · leiden ſchmählichen Tod.“
Sie führten bei ſich Einen · aus Burgundenland,
Der ein gar behender Held · und Volker ward genannt.
Der redete da launig · nach ſeinem kühnen Muth:
Was Hagen je begangen, · den Fiedler dauchte das gut.
Als der Kaplan des Königs · das Schiff zerſchlagen ſah,
Ueber das Waſſer · zu Hagen ſprach er da:
„Ihr Mörder ohne Treue, · was hatt ich euch gethan,
Daß mich unſchuldgen Pfaffen · eur Herz zu ertranken ſann?“
Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Die Rede laßt beiſeit:
Mich kümmert, meiner Treue, · daß ihr entkommen ſeid
Hier von meinen Händen, · das glaubt ohne Spott.“
Da ſprach der arme Prieſter: · „Dafür lob ich ewig Gott.
„Ich fürcht euch nun wenig, · des dürft ihr ſicher ſein:
Fahrt ihr zu den Heunen, · ſo will ich über Rhein.
Gott laß euch nimmer wieder · nach dem Rheine kommen,
Das wünſch ich euch von Herzen: · ſchier das Leben habt ihr mir genommen.“
Da ſprach König Gunther · zu ſeinem Kapellan:
„Ich will euch alles büßen, · was Hagen euch gethan
Hat in ſeinem Zorne, · komm ich an den Rhein
Mit meinem Leben wieder: · des ſollt ihr außer Sorge ſein.
„Fahrt wieder heim zu Lande; · es muß nun alſo ſein.
Ich entbiete meine Grüße · der lieben Frauen mein
Und meinen andern Freunden, · wie ich billig ſoll:
Sagt ihnen liebe Märe, · daß wir noch alle fuhren wohl.“
Die Roſſe ſtanden harrend, · die Säumer wohl geladen;
Sie hatten auf der Reiſe · bisher noch keinen Schaden
Genommen, der ſie ſchmerzte, · als des Königs Kaplan:
Der muſt auf ſeinen Füßen · ſich zum Rheine ſuchen Bahn.
Als ſie nun alle waren · gekommen an den Strand,
Da fragte König Gunther: · „Wer ſoll uns durch das Land
Die rechten Wege weiſen, · daß wir nicht irre gehn?“
Da ſprach der kühne Volker: · „Laßt mich das Amt nur verſehn.“
„Nun haltet an,“ ſprach Hagen, · „ſei's Ritter oder Knecht:
Man ſoll Freunden folgen, · das bedünkt mich recht.
Eine ungefüge Märe · mach ich euch bekannt:
Wir kommen nimmer wieder · heim in der Burgunden Land.
„Das ſagten mir zwei Meerfraun · heute morgen fruh,
Wir kämen nimmer wieder. · Nun rat ich, was man thu:
Waffnet euch, ihr Helden, · ihr ſollt euch wohl bewahren:
Wir finden ſtarke Feinde · und müßen drum wehrhaft fahren.
„Ich wähnt auf Lug zu finden · die weiſen Meerfraun:
Sie ſagten mir, nicht Einer · werde wiederſchaun
Die Heimat von uns Allen · bis auf den Kapellan;
Drum hätt ich ihm ſo gerne · heut den Tod angethan.“
Da flogen dieſe Mären · von Schar zu Schar einher.
Bleich vor Schrecken wurden · Degen kühn und hehr,
Als ſie die Sorge faßte · vor dem herben Tod
Auf dieſer Hofreiſe: · das ſchuf ihnen wahrlich Noth.
Bei Möringen waren · ſie über Flut gekommen,
Wo dem Fährmann Elſen · das Leben ward benommen.
Da ſprach Hagen wieder: · „Da ich mir ſo gewann
Unterwegs der Feinde, · ſo greift man ehſtens uns an.
„Ich erſchlug den Fährmann · heute morgen fruh;
Sie wißen nun die Kunde. · Drum eilt und greifet zu,
Wenn Gelfrat und Elſen · heute hier beſteht
Unſer Ingeſinde, · daß es ihnen übel ergeht.
„Sie ſind gar kühn, ich weiß es, · es wird gewiſs geſchehn.
Drum laßt nur die Roſſe · in ſanftem Schritte gehn,
Daß nicht Jemand wähne, · wir flöhn vor ihrem Heer.“
„Dem Rathe will ich folgen,“ · ſprach der junge Geiſelher.
„Wer zeigt nun dem Geſinde · die Wege durch das Land?“
Sie ſprachen: „Das ſoll Volker: · dem ſind hie wohlbekannt
Die Straßen und die Steige, · dem ſtolzen Fiedelmann.“
Eh mans von ihm verlangte, · kam er gewaffnet heran.
Der ſchnelle Fiedelſpieler: · den Helm er überband;
Von herrlicher Farbe · war all ſein Streitgewand.
Am Schaft ließ er flattern · ein Zeichen, das war roth.
Bald kam er mit den Königen · in eine furchtbare Noth.
Gewiſſe Kunde hatte · Gelfrat nun bekommen
Von des Fergen Tode; · da hatt es auch vernommen
Elſe der ſtarke: · beiden war es leid.
Sie beſandten ihre Helden: · die traf man balde bereit.
Darauf in kurzen Zeiten, · nun hört mich weiter an,
Sah man zu ihnen reiten, · denen Schade war gethan,
In ſtarkem Kriegszuge · ein ungefüges Heer:
Wohl ſiebenhundert ſtießen · zu Gelfrat oder noch mehr.
Als das den grimmen Feinden · nachzuziehn begann,
Die Herren, die es führten, · huben zu jagen an
Den kühnen Gäſten hinterdrein. · Sie wollten Rache haben:
Da muſten ſie der Freunde · hernach noch manchen begraben.
Hagen von Tronje · richtete das ein
(Wie konnte ſeiner Freunde · ein beßrer Hüter ſein?),
Daß er die Nachhut hatte · und Die ihm unterthan
Mit Dankwart ſeinem Bruder; · das war gar weislich gethan.
Ihnen war der Tag zerronnen, · den hatten ſie nicht mehr.
Er bangte vor Gefahren · für ſeine Freunde ſehr.
Sie ritten unter Schilden · durch der Baiern Land:
Darnach in kurzer Weile · die Helden wurden angerannt.
Beiderſeits der Straße · und hinter ihnen her
Vernahm man Hufe ſchlagen; · die Haufen eilten ſehr.
Da ſprach der kühne Dankwart: · „Gleich fallen ſie uns an:
Bindet auf die Helme, · das dünkt mich räthlich gethan.“
Sie hielten ein mit Reiten, · als es muſte ſein.
Da ſahen ſie im Dunkel · der lichten Schilde Schein.
Nicht länger ſtille ſchweigen · mochte da der Hagen:
„Wer verfolgt uns auf der Straße?“ · Das muſte Gelfrat ihm ſagen.
Da ſprach zu ihm der Markgraf · aus der Baiern Land:
„Wir ſuchen unſre Feinde, · denen ſind wir nachgerannt.
Ich weiß nicht, wer mir heute · meinen Fergen ſchlug:
Das war ein ſchneller Degen; · mir iſt leid um ihn genug.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „War der Ferge dein?
Er wollt uns nicht fahren; · alle Schuld iſt mein:
Ich erſchlug den Recken; · fürwahr, es that mir Noth:
Ich hatte von dem Degen · ſchier ſelbſt den grimmigen Tod.
„Ich bot ihm zum Lohne · Gold und Gewand,
Daß er uns überführe, · Held, in euer Land.
Darüber zürnt' er alſo, · daß er nach mir ſchlug
Mit ſtarker Ruderſtange: · da ward ich grimmig genug.
„Ich griff nach dem Schwerte · und wehrte ſeinem Zorn
Mit einer ſchweren Wunde: · da war der Held verlorn.
Ich ſteh euch hier zur Sühne, · wie es euch dünke gut.“
Da gieng es an ein Streiten: · ſie hatten zornigen Muth.
„Ich wuſte wohl,“ ſprach Gelfrat, · „als hier mit dem Geleit
Gunther zog vorüber, · uns geſchäh ein Leid
Von Hagens Uebermuthe. · Nun büßt ers mit dem Leben:
Für des Fergen Ende · ſoll er ſelbſt hier Bürgſchaft geben.“
Ueber die Schilde neigten · da zum Stich den Sper
Gelfrat und Hagen; · ſich zürnten beide ſchwer.
Dankwart und Elſe · zuſammen herrlich ritten;
Sie erprobten, wer ſie waren: · da wurde grimmig geſtritten.
Wer je verſuchte kühner · ſich und die Gunſt des Glücks?
Von einem ſtarken Stoße · ſank Hagen hinterrücks
Von der Mähre nieder · durch Gelfratens Hand.
Der Bruſtriem war gebrochen: · ſo ward im Fallen bekannt.
Man hört' auch beim Geſinde · krachender Schäfte Schall.
Da erholte Hagen · ſich wieder von dem Fall,
Den er auf das Gras gethan · von des Gegners Sper:
Da zürnte der von Tronje · wider Gelfraten ſehr.
Wer ihnen hielt die Roſſe, · das iſt mir unbekannt.
Sie waren aus den Sätteln · gekommen auf den Sand,
Hagen und Gelfrat: · nun liefen ſie ſich an.
Ihre Geſellen halfen, · daß ihnen Streit ward kund gethan.
Wie heftig auch Hagen · zu Gelfraten ſprang,
Ein Stück von Ellenlänge · der edle Markgraf ſchwang
Ihm vom Schilde nieder; · das Feuer ſtob hindann.
Da wäre ſchier erſtorben · König Gunthers Unterthan.
Er rief mit lauter Stimme · Dankwarten an:
„Hilf mir, lieber Bruder, · ein ſchneller ſtarker Mann
Hat mich hier beſtanden: · der läßt mich nicht gedeihn.“
Da ſprach der kühne Dankwart: · „So will ich denn Schiedsmann ſein.“
Da ſprang der Degen näher · und ſchlug ihm ſolchen Schlag
Mit einer ſcharfen Waffe, · daß er todt da lag.
Elſe wollte Rache · nehmen für den Mann:
Doch er und ſein Geſinde · ſchied mit Schaden hindann.
Sein Bruder war erſchlagen, · ſelber ward er wund.
Wohl achtzig ſeiner Degen · wurden gleich zur Stund
Des grimmen Todes Beute: · da muſte wohl der Held
Gunthers Mannen räumen · in geſchwinder Flucht das Feld.
Als Die vom Baierlande · wichen aus dem Wege,
Man hörte nachhallen · die furchtbaren Schläge:
Da jagten die von Tronje · ihren Feinden nach;
Die es nicht büßen wollten, · die hatten wenig Gemach.
Da ſprach beim Verfolgen · Dankwart der Degen:
„Kehren wir nun wieder · zurück auf unſern Wegen
Und laßen wir ſie reiten: · ſie ſind vom Blute naß.
Wir eilen zu den Freunden: · in Treuen rath ich euch das.“
Als ſie hinwieder kamen, · wo der Schade war geſchehn,
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Helden, laßt uns ſehn,
Wen wir hier vermiſſen, · oder wer uns verlorn
Hier in dieſem Streite · gieng durch Gelfratens Zorn.“
Sie hatten vier verloren; · der Schade ließ ſich tragen.
Sie waren wohl vergolten; · dagegen aber lagen
Deren vom Baierlande · mehr als hundert todt.
Den Tronejern waren · von Blut die Schilde trüb und roth.
Ein wenig brach aus Wolken · des hellen Mondes Licht;
Da ſprach wieder Hagen: · „Hört, berichtet nicht
Meinen lieben Herren, · was hier von uns geſchah:
Bis zum Morgen komme · ihnen keine Sorge nah.“
Als zu ihnen ſtießen, · die da kamen von dem Streit,
Da klagte das Geſinde · über Müdigkeit:
„Wie lange ſollen wir reiten?“ · fragte mancher Mann.
Da ſprach der kühne Dankwart: · „Wir treffen keine Herberg an.
„Ihr müſt alle reiten · bis an den hellen Tag.“
Volker der ſchnelle, · der des Geſindes pflag,
Ließ den Marſchall fragen: · „Wo kehren wir heut ein?
Wo raſten unſre Pferde · und die lieben Herren mein?“
Da ſprach der kühne Dankwart: · „Ich weiß es nicht zu ſagen:
Wir können uns nicht ruhen, · bis es beginnt zu tagen;
Wo wir es dann finden, · legen wir uns ins Gras.“
Als ſie die Kunde hörten, · wie leid war Etlichen das!
Sie blieben unverrathen · vom heißen Blute roth,
Bis daß die Sonne · die lichten Stralen bot
Dem Morgen über Berge, · wo es der König ſah,
Daß ſie geſtritten hatten: · ſehr im Zorne ſprach er da:
„Wie nun denn, Freund Hagen? · Verſchmähtet ihr wohl das,
Daß ich euch Hülfe brachte, · als euch die Ringe naß
Wurden von dem Blute? · Wer hat euch das gethan?“
Da ſprach er: „Elſe that es: · der griff nächten uns an.
„Seines Fergen wegen · wurden wir angerannt.
Da erſchlug Gelfraten · meines Bruders Hand.
Zuletzt entrann uns Elſe, · es zwang ihn große Noth:
Ihnen hundert, uns nur viere · blieben da im Streite todt.“
Wir können euch nicht melden, · wo man die Nachtruh fand.
All den Landleuten · ward es bald bekannt,
Der edeln Ute Söhne · zögen zum Hofgelag.
Sie wurden wohl empfangen · dort zu Paßau bald hernach.
Der werthen Fürſten Oheim, · der Biſchof Pilgerin,
Dem wurde wohl zu Muthe, · als ſeine Neffen ihn
Mit ſo viel der Recken · beſuchten da im Land:
Daß er ſie gerne ſähe, · ward ihnen balde bekannt.
Sie wurden wohl empfangen · von Freunden vor dem Ort.
Nicht all verpflegen mochte · man ſie in Paßau dort:
Sie muſten übers Waſſer, · wo Raum ſich fand und Feld:
Da ſchlugen auf die Knechte · Hütten und reich Gezelt.
Sie muſten da verweilen · einen vollen Tag
Und eine Nacht darüber. · Wie ſchön man ſie verpflag!
Dann ritten ſie von dannen · in Rüdigers Land;
Dem kamen auch die Mären: · da ward ihm Freude bekannt,
Als die Wegemüden · Nachtruh genommen
Und ſie dem Lande waren · näher gekommen,
Sie fanden auf der Marke · ſchlafen einen Mann,
Dem von Tronje Hagen · ein ſtarkes Waffen abgewann.
Eckewart geheißen · war dieſer Ritter gut.
Der gewann darüber · gar traurigen Muth,
Daß er verlor das Waffen · durch der Helden Fahrt.
Rüdgers Grenzmarke, · die fand man übel bewahrt.
„O weh mir dieſer Schande,“ · ſprach da Eckewart.
„Schwer muß ich beklagen · der Burgunden Fahrt.
Als ich verlor Siegfrieden, · hub all mein Kummer an;
O weh, mein Herr Rüdiger, · wie hab ich wider dich gethan!“
Wohl hörte Hagen · des edeln Recken Noth:
Er gab das Schwert ihm wieder, · dazu ſechs Spangen roth.
„Die nimm dir, Held, zu Lohne, · willſt du hold mir ſein;
Du biſt ein kühner Degen, · lägſt du hier noch ſo allein.“
„Gott lohn euch eure Spangen,“ · ſprach da Eckewart;
„Doch muß ich ſehr beklagen · zu den Heunen eure Fahrt.
Ihr erſchlugt Siegfrieden; · hier trägt man euch noch Haß:
Daß ihr euch wohl behütet, · in Treuen rath ich euch das.“
„Nun, mög uns Gott behüten,“ · ſprach Hagen entgegen.
„Keine andre Sorge · haben dieſe Degen
Als um die Herberge, · die Fürſten und ihr Lehn,
Wo wir in dieſem Lande · heute Nachtruh ſollen ſehn.
„Vermüdet ſind die Roſſe · uns auf den fernen Wegen,
Die Speiſe gar zerronnen,“ · ſprach Hagen der Degen:
„Wir findens nicht zu Kaufe: · es wär ein Wirth uns Noth,
Der uns heute gäbe · in ſeiner Milde das Brot.“
Da ſprach wieder Eckewart: · „Ich zeig euch ſolchen Wirth,
Daß Niemand euch im Hauſe · ſo gut empfangen wird
Irgend in den Landen, · als hier euch mag geſchehn,
Wenn ihr ſchnellen Degen · wollt zu Rüdigern gehn.
„Der Wirth wohnt an der Straße, · der beſte allerwärts,
Der je ein Haus beſeßen. · Milde gebiert ſein Herz,
Wie das Gras mit Blumen · der lichte Maimond thut,
Und ſoll er Helden dienen, · ſo iſt er froh und wohlgemuth.“
Da ſprach der König Gunther: · „Wollt ihr mein Bote ſein,
Ob uns behalten wolle · bis an des Tages Schein
Mein lieber Freund Rüdiger · und Die mir unterthan?
Das will ich ſtäts verdienen, · ſo gut ich irgend nur kann.“
„Der Bote bin ich gerne,“ · ſprach da Eckewart,
Mit gar gutem Willen · erhob er ſich zur Fahrt
Rüdigern zu ſagen, · was er da vernommen.
Dem war in langen Zeiten · ſo liebe Kunde nicht gekommen.
Man ſah zu Bechlaren · eilen einen Degen,
Den Rüdger wohl erkannte; · er ſprach: „Auf dieſen Wegen
Kommt Eckewart in Eile, · Kriemhildens Unterthan.“
Er wähnte ſchon, die Feinde · hätten ihm ein Leid gethan.
Da gieng er vor die Pforte, · wo er den Boten fand.
Der nahm ſein Schwert vom Gurte · und legt' es aus der Hand.
Er ſprach zu dem Degen: · „Was habt ihr vernommen,
Daß ihr ſo eilen müßet? · hat uns Jemand was genommen?“
„Geſchadet hat uns Niemand,“ · ſprach Eckewart zuhand;
„Mich haben drei Könige · her zu euch geſandt,
Gunther von Burgunden, · Geiſelher und Gernot;
Jeglicher der Recken · euch ſeine Dienſte her entbot.
„Das ſelbe thut auch Hagen, · Volker auch zugleich,
Mit Fleiß und rechter Treue; · dazu bericht ich euch,
Was des Königs Marſchall · euch durch mich entbot,
Es ſei den guten Degen · eure Herberge Noth.“
Mit lachendem Munde · ſprach da Rüdiger:
„Nun wohl mir dieſer Märe, · daß die Könige hehr
Meinen Dienſt verlangen: · dazu bin ich bereit.
Wenn ſie ins Haus mir kommen, · des bin ich höchlich erfreut.“
„Dankwart der Marſchall · hat euch kund gethan,
Wer euch zu Hauſe · noch heute zieht heran:
Sechzig kühner Recken · und tauſend Ritter gut
Mit neuntauſend Knechten.“ · Da ward ihm fröhlich zu Muth.
„Wohl mir dieſer Gäſte,“ · ſprach da Rüdiger,
„Daß mir zu Hauſe kommen · dieſe Recken hehr,
Denen ich noch ſelten · hab einen Dienſt gethan.
Entgegen reitet ihnen, · ſei's Freund oder Unterthan.“
Da eilte zu den Roſſen · Ritter ſo wie Knecht:
Was ſie der Herr geheißen, · das dauchte Alle recht.
Sie brachten ihre Dienſte · um ſo ſchneller dar.
Noch wuſt es nicht Frau Gotlind, · die in ihrer Kammer war.
Hin gieng der Markgraf, · wo er die Frauen fand,
Sein Weib und ſeine Tochter. · Denen macht' er da bekannt
Dieſe liebe Märe, · die er jetzt vernommen,
Daß ihrer Frauen Brüder · zu ihrem Hauſe ſollten kommen.
„Viel liebe Traute,“ · ſprach da Rüdiger,
„Ihr ſollt ſie wohl empfangen, · die edeln Könge hehr,
Wenn ſie und ihr Geſinde · vor euch zu Hofe gehn;
Ihr ſollt auch freundlich grüßen · Hagen in Gunthers Lehn.
„Mit ihnen kommt auch Einer · mit Namen Dankwart;
Ein Andrer heißt Volker, · an Ehren wohlbewahrt.
Die Sechſe ſollt ihr küſſen, · ihr und die Tochter mein,
Und ſollt in höfſchen Züchten · dieſen Recken freundlich ſein.“
Das gelobten ihm die Frauen · und warens gern bereit.
Sie ſuchten aus den Kiſten · manch herrliches Kleid,
Darin ſie den Recken · entgegen wollten gehn.
Da mocht ein groß Befleißen · von ſchönen Frauen geſchehn.
Gefälſchter Frauenzierde · gar wenig man da fand;
Sie trugen auf dem Haupte · lichtes goldnes Band,
Das waren reiche Kränze, · damit ihr ſchönes Haar
Die Winde nicht verwehten; · ſie waren höfiſch und klar.
In ſolcher Unmuße · laßen wir die Fraun.
Da war ein ſchnelles Reiten · über Feld zu ſchaun
Von Rüdigers Freunden, · bis man die Fürſten fand.
Sie wurden wohl empfangen · in des Markgrafen Land.
Als ſie der Markgraf · zu ſich kommen ſah,
Rüdiger der ſchnelle · wie fröhlich ſprach er da:
„Willkommen mir, ihr Herren · und Die in euerm Lehn.
Hier in dieſem Lande · ſeid ihr gerne geſehn.“
Da dankten ihm die Recken · in Treuen ohne Haß.
Daß ſie willkommen waren, · wohl erzeigt' er das.
Beſonders grüßt' er Hagen, · der war ihm längſt bekannt;
So that er auch mit Volkern, · dem Helden aus Burgundenland.
Er begrüßt' auch Dankwarten. · Da ſprach der kühne Degen:
„Wollt ihr uns hier verſorgen, · wer ſoll dann verpflegen
Unſer Ingeſinde · aus Worms an dem Rhein?“
Da begann der Markgraf: · „Dieſe Angſt laßet ſein.
„All euer Geſinde · und was ihr in das Land
Mit euch geführet habet, · Roſs, Silber und Gewand,
Ich ſchaff ihm ſolche Hüter, · nichts geht davon verloren,
Das euch zu Schaden brächte · nur um einen halben Sporen.
„Spannet auf, ihr Knechte, · die Hütten in dem Feld;
Was ihr hier verlieret, · dafür leiſt ich Entgelt:
Zieht die Zäume nieder · und laßt die Roſſe gehn.“
Das war ihnen ſelten · von einem Wirth noch geſchehn.
Des freuten ſich die Gäſte. · Als das geſchehen war
Und die Herrn von dannen ritten, · legte ſich die Schar
Der Knecht im Graſe nieder: · ſie hatten gut Gemach.
Sie fandens auf der Reiſe · nicht beßer vor oder nach.
Die Markgräfin eilte · vor die Burg zu gehn
Mit ihrer ſchönen Tochter. · Da ſah man bei ihr ſtehn
Die minniglichen Frauen · und manche ſchöne Maid:
Die trugen viel der Spangen · und manches herrliche Kleid.
Das edle Geſteine · glänzte fern hindann
Aus ihrem reichen Schmucke: · ſie waren wohlgethan.
Da kamen auch die Gäſte · und ſprangen auf den Sand.
Hei! was man edle Sitten · an den Burgunden fand!
Sechsunddreißig Mägdelein · und viel andre Fraun,
Die wohl nach Wunſche waren · und wonnig anzuſchauen,
Giengen den Herrn entgegen · mit manchem kühnen Mann.
Da ward ein ſchönes Grüßen · von edeln Frauen gethan.
Die Markgräfin küſſte · die Könge alle drei;
So that auch ihre Tochter. · Hagen ſtand dabei.
Den hieß ihr Vater küſſen: · da blickte ſie ihn an:
Er dauchte ſie ſo furchtbar, · ſie hätt es lieber nicht gethan.
Doch muſte ſie es leiſten, · wie ihr der Wirth gebot.
Gemiſcht ward ihre Farbe, · bleich und auch roth.
Auch Dankwarten küſſte ſie, · darnach den Fiedelmann:
Seiner Kraft und Kühnheit wegen · ward ihm das Grüßen gethan.
Die junge Markgräfin · nahm bei der Hand
Geiſelher den jungen · von Burgundenland;
So nahm auch ihre Mutter · Gunthern den kühnen Mann.
Sie giengen mit den Helden · beide fröhlich hindann.
Der Wirth gieng mit Gernot · in einen weiten Saal.
Die Ritter und die Frauen · ſetzten ſich zumal.
Man ließ alsdann den Gäſten · ſchenken guten Wein:
Gütlicher bewirthet · mochten Helden nimmer ſein.
Mit zärtlichen Augen · ſah da Mancher an
Rüdigers Tochter, · die war ſo wohlgethan.
Wohl kos't' in ſeinem Sinne · ſie mancher Ritter gut;
Das mochte ſie verdienen: · ſie trug gar hoch ihren Muth.
Sie gedachten, was ſie wollten; · nur konnt es nicht geſchehn.
Man ſah die guten Ritter · hin und wieder ſpähn
Nach Mägdelein und Frauen: · deren ſaßen da genug.
Dem Wirth geneigten Willen · der edle Fiedeler trug.
Da wurden ſie geſchieden, · wie Sitte war im Land:
Zu andern Zimmern giengen · Ritter und Fraun zur Hand.
Man richtete die Tiſche · in dem Saale weit
Und ward den fremden Gäſten · zu allen Dienſten bereit.
Den Gäſten gieng zu Liebe · die edle Markgräfin
Mit ihnen zu den Tiſchen: · die Tochter ließ ſie drin
Bei den Mägdlein weilen, · wo ſie nach Sitte blieb.
Daß ſie die nicht mehr ſahen, · das war den Gäſten nicht lieb.
Als ſie getrunken hatten · und gegeßen überall,
Da führte man die Schöne · wieder in den Saal.
Anmuthge Reden · wurden nicht geſcheut:
Viel ſprach deren Volker, · ein Degen kühn und allbereit.
Da ſprach unverhohlen · derſelbe Fiedelmann:
„Viel reicher Markgraf, · Gott hat an euch gethan
Nach allen ſeinen Gnaden: · er hat euch gegeben
Ein Weib, ein ſo recht ſchönes, · dazu ein wonnigliches Leben.
„Wenn ich ein König wäre,“ · ſprach der Fiedelmann,
„Und ſollte Krone tragen, · zum Weibe nähm ich dann
Eure ſchöne Tochter: · die wünſchte ſich mein Muth.
Sie iſt minniglich zu ſchauen, · dazu edel und gut.“
Der Markgraf entgegnete: · „Wie möchte das Wohl ſein,
Daß ein König je begehrte · der lieben Tochter mein?
Wir ſind hier beide heimatlos, · ich und mein Weib,
Und haben nichts zu geben: · was hilft ihr dann der ſchöne Leib?“
Zur Antwort gab ihm Gernot, · der edle Degen gut:
„Sollt ich ein Weib mir wählen · nach meinem Sinn und Muth,
So wär ich ſolches Weibes · ſtäts von Herzen froh.“
Darauf verſetzte Hagen · in höfiſchen Züchten ſo:
„Nun ſoll ſich doch beweiben · mein Herr Geiſelher:
Es iſt ſo hohen Stammes · die Markgräfin hehr,
Daß wir ihr gerne dienten, · ich und all ſein Lehn,
Wenn ſie bei den Burgunden · unter Krone ſollte gehn.“
Dieſe Rede dauchte · den Markgrafen gut
Und auch Gotelinde; · wohl freute ſich ihr Muth.
Da ſchufen es die Helden, · daß ſie zum Weibe nahm
Geiſelher der edle, · wie er es mocht ohne Scham.
Soll ein Ding ſich fügen, · wer mag ihm widerſtehn?
Man bat die Jungfraue, · hin zu Hof zu gehn.
Da ſchwur man ihm zu geben · das ſchöne Mägdelein,
Wogegen er ſich erbot, · die Wonnigliche zu frein.
Man beſchied der Jungfrau · Burgen und auch Land.
Da ſicherte mit Eiden · des edeln Königs Hand
Und Gernot der Degen, · es werde ſo gethan.
Da ſprach der Markgraf: · „Da ich Burgen nicht gewann,
„So kann ich euch in Treuen · nur immer bleiben hold.
Ich gebe meiner Tochter · an Silber und an Gold,
Was hundert Saumroſſe · nur immer mögen tragen,
Daß es wohl nach Ehren · euch Helden möge behagen.“
Da wurden dieſe beiden · in einen Kreis geſtellt
Nach dem Rechtsgebrauche. · Mancher junge Held
Stand ihr gegenüber · in fröhlichem Muth;
Er gedacht in ſeinem Sinne, · wie noch ein Junger gerne thut.
Als man begann zu fragen · die minnigliche Maid,
Ob ſie den Recken wolle, · zum Theil war es ihr leid;
Doch dachte ſie zu nehmen · den waidlichen Mann.
Sie ſchämte ſich der Frage, · wie manche Maid hat gethan.
Ihr rieth ihr Vater Rüdiger, · daß ſie ſpräche ja,
Und daß ſie gern ihn nähme: · wie ſchnell war er da
Mit ſeinen weißen Händen, · womit er ſie umſchloß,
Geiſelher der junge! · Wie wenig ſie ihn doch genoß!
Da begann der Markgraf: · „Ihr edeln Könge reich,
Wenn ihr nun wieder reitet · heim in euer Reich,
So geb ich euch, ſo iſt es · am ſchicklichſten, die Magd,
Daß ihr ſie mit euch führet.“ · Alſo ward es zugeſagt.
Der Schall, den man hörte, · der muſte nun vergehn.
Da ließ man die Jungfrau · zu ihrer Kammer gehn
Und auch die Gäſte ſchlafen · und ruhn bis an den Tag.
Da ſchuf man ihnen Speiſe: · der Wirth ſie gütlich verpflag.
Als ſie gegeßen hatten · und nun von dannen fahren
Wollten zu den Heunen: · „Davor will ich euch wahren,“
Sprach der edle Markgraf, · „ihr ſollt noch hier beſtehn;
So liebe Gäſte hab ich · lange nicht bei mir geſehn.“
Dankwart entgegnete: · „Das kann ja nicht ſein:
Wo nähmt ihr die Speiſe, · das Brot und auch den Wein,
Das ihr doch haben müſtet · für ſolch ein Heergeleit?“
Als das der Wirth erhörte, · er ſprach: „Die Rede laßt beiſeit.
„Meine lieben Herren, · ihr dürft mir nicht verſagen.
Wohl geb ich euch die Speiſe · zu vierzehen Tagen,
Euch und dem Geſinde, · das mit euch hergekommen.
Mir hat der König Etzel · noch gar ſelten was genommen.“
Wie ſehr ſie ſich wehrten, · ſie muſten da beſtehn
Bis an den vierten Morgen. · Da ſah man geſchehn
Durch des Wirthes Milde, · was weithin ward bekannt:
Er gab ſeinen Gäſten · beides, Roſs' und Gewand.
Nicht länger mocht es währen, · ſie muſten an ihr Ziel.
Seines Gutes konnte · Rüdiger nicht viel
Vor ſeiner Milde ſparen: · wonach man trug Begehr,
Das verſagt' er Niemand: · er gab es gern den Helden hehr.
Ihr edel Ingeſinde · brachte vor das Thor
Geſattelt viel der Roſſe; · zu ihnen kam davor
Mancher fremde Recke, · den Schild an der Hand,
Da ſie reiten wollten · mit ihnen in Etzels Land.
Der Wirth bot ſeine Gaben · den Degen allzumal,
Eh die edeln Gäſte · kamen vor den Saal.
Er konnte wohl mit Ehren · in hoher Milde leben.
Seine ſchöne Tochter · hatt er Geiſelhern gegeben;
Da gab er Gernoten · eine Waffe gut genug,
Die hernach in Stürmen · der Degen herrlich trug.
Ihm gönnte wohl die Gabe · des Markgrafen Weib;
Doch verlor der gute Rüdiger · davon noch Leben und Leib.
Er gab König Gunthern, · dem Helden ohne Gleich,
Was wohl mit Ehren führte · der edle König reich,
Wie ſelten er auch Gab empfieng, · ein gutes Streitgewand,
Da neigte ſich der König · vor des milden Rüdger Hand.
Gotelind bot Hagnen, · ſie durfte es ohne Scham,
Ihre freundliche Gabe: · da ſie der König nahm,
So ſollt auch er nicht fahren · zu dem Hofgelag
Ohn ihre Steuer: · der edle Held aber ſprach:
„Alles, was ich je geſehn,“ · entgegnete Hagen,
„So begehr ich nichts weiter · von hinnen zu tragen
Als den Schild, der dorten · hängt an der Wand:
Den möcht ich gerne führen · mit mir in der Heunen Land.“
Als die Rede Hagens · die Markgräfin vernahm,
Ihres Leids ermahnt' er ſie, · daß ihr das Weinen kam.
Mit Schmerzen gedachte · ſie an Nudungs Tod,
Den Wittich hatt erſchlagen; · das ſchuf ihr Jammer und Noth.
Sie ſprach zu dem Degen: · „Den Schild will ich euch geben.
Wollte Gott vom Himmel, · daß der noch dürfte leben,
Der einſt ihn hat getragen! · er fand im Kampf den Tod.
Ich muß ihn ſtäts beweinen: · das ſchafft mir armem Weibe Noth!“
Da erhob ſich vom Sitze · die Markgräfin mild:
Mit ihren weißen Händen · hob ſie herab den Schild
Und trug ihn hin zu Hagen: · der nahm ihn an die Hand.
Die Gabe war mit Ehren · an den Recken gewandt.
Eine Hülle lichten Zeuges · auf ſeinen Farben lag.
Beßern Schild als dieſen · beſchien wohl nie der Tag.
Mit edelm Geſteine · War er ſo beſetzt,
Man hätt ihn im Handel · wohl auf tauſend Mark geſchätzt.
Den Schild hinwegzutragen · befahl der Degen hehr.
Da kam ſein Bruder Dankwart · auch zu Hofe her.
Dem gab reicher Kleider · Rüdigers Kind genug,
Die er bei den Heunen · hernach mit Freuden noch trug.
Wie viel ſie der Gaben · empfiengen insgemein,
Nichts würd in ihre Hände · davon gekommen ſein,
Wars nicht dem Wirth zu Liebe, · der es ſo gütlich bot.
Sie wurden ihm ſo feind hernach, daß ſie ihn ſchlagen muſten todt.
Da hatte mit der Fiedel · Volker der ſchnelle Held
Sich vor Gotelinde · höfiſch hingeſtellt.
Er geigte ſüße Töne · und ſang dazu ſein Lied:
Damit nahm er Urlaub, · als er von Bechlaren ſchied.
Da ließ die Markgräfin · eine Lade näher tragen.
Von freundlicher Gabe · mögt ihr nun hören ſagen:
Zwölf Spangen, die ſie aus ihr nahm, · ſchob ſie ihm an die Hand:
„Die ſollt ihr führen, Volker, · mit euch in der Heunen Land
„Und ſollt ſie mir zu Liebe · dort am Hofe tragen:
Wenn ihr wiederkehret, · daß man mir möge ſagen,
Wie ihr gedient mir habet · bei dem Hofgelag.“
Wie ſie ihn gebeten, · ſo that der Degen hernach.
Der Wirth ſprach zu den Gäſten: · „Daß ihr nun ſichrer fahrt,
Will ich euch ſelbſt geleiten: · ſo ſeid ihr wohl bewahrt,
Daß ihr auf der Straße · nicht werdet angerannt.“
Seine Saumroſſe · die belud man gleich zur Hand.
Der Wirth war reiſefertig · und fünfhundert Mann
Mit Roſſen und mit Kleidern: · die führt' er hindann
Zu dem Hofgelage · mit fröhlichem Muth;
Nach Bechelaren kehrte · nicht Einer all der Ritter gut.
Mit minniglichen Küſſen · der Wirth von dannen ſchied;
Alſo that auch Geiſelher, · wie ihm die Liebe rieth.
Sie herzten ſchöne Frauen · mit zärtlichem Umfahn:
Das muſten bald beweinen · viel Jungfrauen wohlgethan.
Da wurden allenthalben · die Fenſter aufgethan,
Als mit ſeinen Mannen · der Markgraf ritt hindann.
Sie fühlten wohl im Herzen · voraus das herbe Leid:
Drum weinten viel der Frauen · und manche waidliche Maid.
Nach den lieben Freunden · trug Manche groß Beſchwer,
Die ſie in Bechelaren · erſahen nimmermehr.
Doch ritten ſie mit Freuden · nieder an dem Strand
Dort im Donauthale · bis in das heuniſche Land.
Da ſprach zu den Burgunden · der milde Markgraf hehr,
Rüdiger der edle: · „Nun darf nicht länger mehr
Verhohlen ſein die Kunde, · daß wir nach Heunland kommen.
Es hat der König Etzel · noch nie ſo Liebes vernommen.“
Da ritt manch ſchneller Bote · ins Oeſterreicherland:
So ward es allenthalben · den Leuten bald bekannt,
Daß die Helden kämen · von Worms über Rhein.
Dem Ingeſind des Königs · konnt es nicht lieber ſein.
Die Boten vordrangen · mit dieſen Mären,
Daß die Nibelungen · bei den Heunen wären:
„Du ſollſt ſie wohl empfangen, · Kriemhild, Fraue mein:
Nach großen Ehren kommen · dir die lieben Brüder dein.“
Als die Königstochter · vernahm die Märe,
Zum Theil wich ihr vom Herzen · ihr Leid, das ſchwere.
Aus ihres Vaters Lande · zog Mancher ihr heran,
Durch den der König Etzel · bald großen Jammer gewann.
„Nun wohl mir dieſe Freude,“ · ſprach da Kriemhild.
„Hier bringen meine Freunde · gar manchen neuen Schild
Und Panzer glänzend helle: · wer nehmen will mein Gold
Und meines Leids gedenken, · dem will ich immer bleiben hold.“
Sie gedachte heimlich: · „Noch wird zu Allem Rath.
Der mich an meinen Freuden · ſo gar gepfändet hat,
Weiß ich es zu fügen, · es ſoll ihm werden leid
Bei dieſem Gaſtgebote: · dazu bin ich gern bereit.
„Ich will es alſo Schaffen, · daß meine Rach ergeht
Bei dieſem Hofgelage, · wie es hernach auch ſteht,
An ſeinem argen Leibe, · der mir hat benommen
So viel meiner Wonne: · des ſoll mir nun Entgeltung kommen.“
Als die Burgunden · kamen auf das Feld,
Auf ſchlug man drei Königen · gar herrlich Gezelt.
Sie ſtießen ein die Fahnen · von eitel Golde roth.
Da wuſten nicht die Herren, · wie ihnen nah war der Tod.
Da ſtieg zu den Zinnen · Frau Kriemhild hinan
Und ſah auf dem Felde · reiten manchen Mann.
Des freute ſich heimlich · das wunderſchöne Weib:
„Nun endlich wird gerochen · des kühnen Siegfriedes Leib,
„Der mir ſo mörderlich · zu Tode ward geſchlagen;
Ich kann bis an mein Ende · ihn nie genug beklagen.
O weh der großen Ehren, · die ich muß verloren ſchaun:
So tapfrer Mann lag nimmer · noch im Arm einer Fraun.
„Seine große Tugend · ſchafft mir Herzeleid:
Wenn ich daran gedenke, · wie er zu jener Zeit
Hin ritt mit ſo geſundem Leib, · ſo mehrt ſich meine Klage:
Mir darf Niemand rügen · das große Leid, das ich trage.
„Gott hatt ihn mir zu Manne · aus aller Welt erkoren.
Wär Einem Mann die Tugend · Tauſender angeboren,
Viel größere doch Siegfried · ganz alleine trug.“
Sehr klagt' um ihn die Königin, · zu dem Herzen ſie ſich ſchlug.
Alsbald ward dem Berner · die Märe kund gethan.
Da kam er geſchwinde · über den Hof heran;
Er hatte Hilbranden · der Sitte nach bei ſich.
„Viel edle Königstochter, · das ließet ihr billiglich,
„Daß man euch weinen ſähe · bei dieſer Luſtbarkeit.
Ihr habt hieher beſchieden · aus fremden Landen weit
Viel der werthen Recken · und manchen Biedermann:
Daß man euch nun weinen ſieht, · das ſteht euch gar übel an.“
„Ich mahne dich der Treue,“ · ſprach ſie, „Hildebrand,
Haſt du je Gab empfangen · aus meiner milden Hand,
So räche mich an Hagen: · ich gebe dir mein Gold
Und bin mit guten Treuen · bis an mein Ende dir hold.“
Da ſprach zu ihr der Berner: · „Ihr ſeid ein übel Weib,
Daß ihr den Freunden rathet · an Leben und Leib,
Und habt ſo manchen Boten · hin an den Rhein geſandt,
Bis ſie euch nun kamen · zu Haus mit wehrlicher Hand.
„Höret, Meiſter Hildebrand, · ſo lieb als ich euch ſei:
Empfangt mir vom Rheine · die Könige alle drei
Und heißt ſie hier zu Felde · liegen bis an den Tag,
So warn ich ſie mit Treue, · ſo gut ich immer vermag.“
Da ritt wohlgezogen · Meiſter Hildebrand,
Bis er die drei Könige · von dem Rheine fand.
Er ſprang vom Pferde ritterlich · und ließ ſich auf die Knie:
Die drei Könige vom Rheine · ſo empfing und grüßt' er ſie.
„Willkommen ſeid, Herr Gunther, · König an dem Rhein;
So ſei auch Herr Gernot, · der liebe Bruder dein,
Und Geiſelher der junge · und Hagen, ein ſtarker Mann,
Und noch manch ſchneller Recke, · die ich nicht alle nennen kann.
„Euch entbeut der Berner, · der liebe Herre mein,
Seine Huld und Freundſchaft · und will euch hülfreich ſein.
Er räth euch, hier im Felde · zu liegen bis zum Tag:
Dann warnt er euch mit Treuen, · ſo gut er immer vermag.
„Mög euch Gott behüten · hier vor aller Noth:
Schon vor vierthalb Jahren · war euch bereit der Tod.
Geſchworen hat Frau Kriemhild, · eure Schweſter, manchen Eid,
daß ſie an euch will rächen · all ihr großes Herzeleid.
„Er entbeut euch, daß ihr meidet, · ſo lieb euch ſei das Leben,
Den Neubau an der Donau, · wo euch Herberg iſt gegeben:
Das ſollt ihr mir glauben, · und käm darein ein Heer,
Ihr müſtet All erſterben · und Keiner käme zur Wehr.
„Wißt, in drei ſchönen Rohren, · die hohl von innen ſind,
Schwefel und Kohlen · miſchten ſie falſch geſinnt:
Das wird angezündet, · wenn ſie zu Tiſche gehn.
Davor ſollt ihr euch hüten · ihr ſtolzen Degen auserſehn.“
Des erſchrak der König, · die Rede war ihm leid.
„Nun lohne Gott dir, Hildebrand, · daß du uns gabſt Beſcheid
Und daß du haſt gewarnet · manch heimatloſen Mann.
Ich ſeh, wir treffen Treue · bei den Heunen wenig an.“
Des erlachten die Jungen · und hielten es für Spott.
Da ſprachen die Weiſen: · „Davor behüt uns Gott.
Wir ſind in großer Treue · geritten in das Land;
Sie hat uns manchen Boten · hin nach dem Rheine geſandt.“
Da ſprach wohlgezogen · der König Gernot:
„Meine Schweſter Kriemhild hat uns · geladen in den Tod.
Zu großer Treue ritten · wir her in dieſe Statt,
Da meine ſchöne Schweſter · uns vom Rhein geladen hat.“
Da ſprach der Fiedelſpieler, · der kühne Volker:
„Ich kam der Gabe willen · vom Rhein geritten her.
Nun will ich drauf verzichten,“ · ſo ſprach der Fiedelmann:
„Ich fiedle mit dem Schwerte · das allerbeſte, das ich kann.
„Erklingen meine Töne, · ſo weichen ſie zurück,
Und wollen ſie's nicht laßen, · ſo fügt es leicht das Glück,
Ich ſchlag Einem ritterlich · einen ſchnellen Geigenſchlag,
Hat er einen treuen Freund, · daß es der beweinen mag.“
Als Hildebrand der alte · von dannen wollte gehn,
Geiſelher der junge · hieß ihn noch ſtille ſtehn.
Er gab ihm einen Mantel, · den er ihm zu Ehren trug;
Für dreißig Mark Goldes · hatt er Pfands daran genug.
An ſich nahm den Mantel · Meiſter Hildebrand
Und ritt hin wohlgezogen, · wo er den Berner fand.
„Schaut den reichen Mantel, · der hier an mir zu ſehn:
Den gab mir Geiſelher das Kind, · als ich von ihm wollte gehn.“
Als die Burgunden · kamen in das Land,
Da erfuhr es von Berne · der alte Hildebrand.
Er ſagt' es ſeinem Herren. · Dietrichen war es leid;
Er hieß ihn wohl empfangen · der kühnen Ritter Geleit.
Da ließ der ſtarke Wolfhart · die Pferde führen her;
Dann ritt mit dem Berner · mancher Degen hehr,
Sie zu begrüßen, · zu ihnen auf das Feld.
Sie hatten aufgeſchlagen · da manches herrliche Zelt.
Als ſie von Tronje Hagen · aus der Ferne ſah,
Wohlgezogen ſprach er · zu ſeinen Herren da:
„Nun hebt euch von den Sitzen, · ihr Recken wohlgethan,
Und geht entgegen denen, · die euch hier wollen empfahn.
„Dort kommt ein Heergeſinde, · das iſt mir wohl bekannt;
Es ſind viel ſchnelle Degen · von Amelungenland.
Sie führt Der von Berne, · ſie tragen hoch den Muth:
Laßt euch nicht verſchmähen · die Dienſte, die man euch thut.“
Da ſprang von den Roſſen · wohl nach Fug und Recht
Mit Dietrichen nieder · mancher Herr und Knecht.
Sie giengen zu den Gäſten, · wo man die Helden fand,
Und begrüßten freundlich · Die von der Burgunden Land.
Als ſie der edle Dietrich · ihm entgegen kommen ſah,
Liebes und Leides · zumal ihm dran geſchah.
Er wuſte wohl die Märe; · leid war ihm ihre Fahrt:
Er wähnte, Rüdger wüſt es · und hätt es ihnen offenbart.
„Willkommen mir, ihr Herren, · Gunther und Geiſelher,
Gernot und Hagen, · Herr Volker auch ſo ſehr,
Und Dankwart der ſchnelle: · iſt euch das nicht bekannt?
Schwer beweint noch Kriemhild · Den von Nibelungenland.“
„Sie mag noch lange weinen,“ · ſo ſprach da Hagen:
„Er liegt ſeit manchem Jahr · ſchon zu Tod erſchlagen.
Den König der Heunen · mag ſie nun lieber haben:
Siegfried kommt nicht wieder, · er iſt nun lange begraben.“
„Siegfriedens Wunden · laßen wir nun ſtehn:
So lange lebt Frau Kriemhild, · mag Schade wohl geſchehn.“
So redete von Berne · der edle Dieterich:
„Troſt der Nibelungen, · davor behüte du dich!“
„Wie ſoll ich mich behüten?“ · ſprach der König hehr.
„Etzel ſandt uns Boten, · was ſollt ich fragen mehr?
Daß wir zu ihm ritten · her in dieſes Land.
Auch hat uns manche Botſchaft · meine Schweſter Kriemhild geſandt.“
„So will ich euch rathen,“ · ſprach wieder Hagen,
„Laßt euch dieſe Märe · doch zu Ende ſagen
Dieterich den Herren · und ſeine Helden gut,
Daß ſie euch wißen laßen · der Frau Kriemhilde Muth.“
Da giengen die drei Könige · und ſprachen unter ſich,
Herr Gunther und Gernot · und Herr Dieterich:
„Nun ſag uns, von Berne · du edler Ritter gut,
Was du wißen mögeſt · von der Königin Muth.“
Da ſprach der Vogt von Berne: · „Was ſoll ich weiter ſagen?
Als daß ich alle Morgen · weinen hör und klagen
Etzels Weib Frau Kriemhild · in jämmerlicher Noth
Zum reichen Gott vom Himmel · um des ſtarken Siegfried Tod.“
„Es iſt halt nicht zu wenden,“ · ſprach der kühne Mann,
Volker der Fiedler, · „was ihr uns kund gethan.
Laßt uns zu Hofe reiten · und einmal da beſehn,
Was uns ſchnellen Degen · bei den Heunen möge geſchehn.“
Die kühnen Burgunden · hin zu Hofe ritten:
Sie kamen ſtolz gezogen · nach ihres Landes Sitten.
Da wollte bei den Heunen · gar mancher kühne Mann
Von Tronje Hagen ſchauen, · wie der wohl wäre gethan.
Es war durch die Sage · dem Volk bekannt genug,
Daß er von Niederlanden · Siegfrieden ſchlug,
Aller Recken ſtärkſten, · Frau Kriemhildens Mann:
Drum ward ſo großes Fragen · bei Hof nach Hagen gethan.
Der Held war wohlgewachſen, · das iſt gewiſslich wahr.
Von Schultern breit und Brüſten; · gemiſcht war ſein Haar
Mit einer greiſen Farbe; · von Beinen war er lang
Und ſchrecklich von Antlitz; · er hatte herrlichen Gang.
Da ſchuf man Herberge · den Burgundendegen;
Gunthers Ingeſinde · ließ man geſondert legen.
Das rieth die Königstochter, · die ihm viel Haßes trug:
Daher man bald die Knechte · in der Herberg erſchlug.
Dankwart, Hagens Bruder, · war da Marſchall;
Der König ſein Geſinde · ihm fleißig anbefahl,
Daß er es die Fülle · mit Speiſe ſollte pflegen.
Das that auch gar willig · und gern dieſer kühne Degen.
Kriemhild die ſchöne · mit dem Geſinde gieng,
Wo ſie die Nibelungen · mit falſchem Muth empfieng:
Sie küſſte Geiſelheren · und nahm ihn bei der Hand.
Als das Hagen ſah von Tronje, · den Helm er feſter ſich band.
„Nach ſolchem Empfange,“ · ſo ſprach da Hagen,
„Mögen wohl Bedenken · die ſchnellen Degen tragen;
Man grüßt die Fürſten ungleich · und den Unterthan:
Keine gute Reiſe haben wir · zu dieſer Hochzeit gethan.“
Sie ſprach: „Seid willkommen · dem, der euch gerne ſieht:
Eurer Freundſchaft willen · kein Gruß euch hier geſchieht.
Sagt, was ihr mir bringet · von Worms überrhein,
Daß ihr mir ſo höchlich · ſolltet willkommen ſein?“
„Was ſind das für Sachen,“ · ſprach Hagen entgegen,
„Daß euch Gaben bringen · ſollten dieſe Degen?
So reich wär ich geweſen, · hätt ich das gedacht,
Daß ich euch meine Gabe · zu den Heunen hätt gebracht.“
„Nun frag ich um die Märe · weiter bei euch an,
Der Hort der Nibelungen, · wohin ward der gethan?
Der war doch mein eigen, · das iſt euch wohl bekannt:
Den ſolltet ihr mir haben · gebracht in König Etzels Land.“
„In Treuen, Frau Kriemhild, · ſchon mancher Tag iſt hin,
Den Hort der Nibelungen, · ſeit ich des ledig bin,
Ihn ließen meine Herren · ſenken in den Rhein:
Da muß er auch in Wahrheit · bis zum jüngſten Tage ſein.“
Die Königin verſetzte: · „Ich dacht es wohl vorher.
Ihr habt mir noch wenig · davon gebracht hieher,
Wiewohl er war mein eigen · und ich ſein weiland pflag;
Nach ihm und ſeinem Herren · hab ich manchen leiden Tag.“
„Ich bring euch den Teufel!“ · ſprach wieder Hagen,
„Ich hab an meinem Schilde · ſo viel zu tragen
Und an meinem Harniſch; · mein Helm der iſt licht,
Das Schwert an meiner Seite: · drum bring ich ihn euch nicht.“
„Es war auch nicht die Meinung, · als verlangte mich nach Gold:
So viel hab ich zu geben, · ich entbehre leicht den Sold.
Eines Mords und Doppelraubes, · die man an mir genommen,
Dafür möcht ich Arme · zu lieber Entgeltung kommen.“
Da ſprach die Königstochter · zu den Recken allzumal:
„Man ſoll keine Waffen · tragen hier im Saal;
Vertraut ſie mir, · ihr Helden, zur Verwahrung an.“
„In Treuen,“ ſprach da Hagen, · „das wird nimmer gethan.
„Ich begehre nicht der Ehre, · Fürſtentochter mild,
Daß ihr zur Herberge · tragt meinen Schild
Und ander Streitgeräthe; · ihr ſeid hier Königin.
So lehrte mich mein Vater, · daß ich ſelbſt ihr Hüter bin.“
„O Weh dieſes Leides!“ · ſprach da Kriemhild:
„Warum will mein Bruder · und Hagen ſeinen Schild
Nicht verwahren laßen? · Gewiſs, ſie ſind gewarnt:
Und wüſt ich, wer es hat gethan, · der Tod der hielt' ihn umgarnt.“
Im Zorn gab ihr Antwort · Dietrich ſogleich:
„Ich bin es, der gewarnt hat · die edeln Fürſten reich
Und Hagen den kühnen, · der Burgunden Mann:
Nur zu, du Braut des Teufels, · du thuſt kein Leid mir drum an.“
Da ſchämte ſich gewaltig · die edle Königin:
Sie fürchtete ſich bitter · vor Dietrichs Heldenſinn.
Sie gieng alsdann von dannen, · kein Wort mehr ſprach ſie da,
Nur daß ſie nach den Feinden · mit geſchwinden Blicken ſah.
Da nahmen bei den Händen · zwei der Degen ſich,
Der Eine war Hagen, · der Andere Dietrich.
Da ſprach wohlgezogen · der Degen allbereit:
„Eure Reiſe zu den Heunen · die iſt in Wahrheit mir leid,
„Da die Königstochter · ſo geſprochen hat.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Zu Allem wird ſchon Rath.“
So ſprachen zu einander · die Recken wohlgethan.
Das ſah der König Etzel, · der gleich zu fragen begann:
„Die Märe wuſt ich gerne,“ · befrug der König ſich,
„Wer der Recke wäre, · den dort Herr Dietrich
So freundlich hat empfangen; · er trägt gar hoch den Muth:
Wie auch ſein Vater heiße, · er mag wohl ſein ein Recke gut.“
Antwort gab dem König · ein Kriemhildens-Mann:
„Von Tronje iſt er geboren, · ſein Vater hieß Aldrian;
Wie zahm er hier gebare, · er iſt ein grimmer Mann:
Ich laß euch das noch ſchauen, · daß ich keine Lüge gethan.“
„Wie ſoll ich das erkennen, · daß er ſo grimmig iſt?“
Noch hatt er nicht Kunde · von mancher argen Liſt,
Die wider ihre Freunde · die Königin ſpann,
Daß aus dem Heunenlande · ihr auch nicht Einer entrann.
„Wohl kannt ich Hagen, · er war mein Unterthan:
Lob und große Ehre · er hier bei mir gewann.
Ich macht' ihn zum Ritter · und gab ihm mein Gold;
Weil er ſich getreu erwies, · war ich immer ihm hold.
„Daher iſt mir von Hagen · Alles wohlbekannt.
Zwei edle Kinder bracht ich · als Geiſel in dieß Land,
Ihn und von Spanien Walther: · die wuchſen hier heran.
Hagen ſandt ich wieder heim; · Walther mit Hildegund entrann.“
So bedacht er alter Zeiten · und was vordem geſchehn.
Seinen Freund von Tronje · hatt er hier geſehn,
Der ihm in ſeiner Jugend · oft große Dienſte bot;
Jetzt ſchlug er ihm im Alter · viel lieber Freunde zu Tod.
Da ſchieden auch die beiden · werthen Recken ſich,
Hagen von Tronje · und Herr Dieterich.
Ueber die Achſel blickte · Gunthers Unterthan
Nach einem Heergeſellen, · den er ſich bald gewann.
Neben Geiſelheren · ſah er Volkern ſtehn,
Den kunſtreichen Fiedler: · den bat er mitzugehn,
Weil er wohl erkannte · ſeinen grimmen Muth:
Er war an allen Tugenden · ein Ritter kühn und auch gut.
Noch ließ man die Herren · auf dem Hofe ſtehn.
Die Beiden ganz alleine · ſah man von dannen gehn
Ueber den Hof hin ferne · vor einen Pallas weit:
Die Auserwählten ſcheuten · ſich vor Niemandes Streit.
Sie ſetzten vor dem Hauſe ſich · genüber einem Saal,
Der war Kriemhilden, · auf eine Bank zu Thal.
An ihrem Leibe glänzte · ihr herrlich Gewand;
Gar Manche, die das ſahen, · hätten gern ſie gekannt.
Wie die wilden Thiere · gaffte ſie da an,
Die übermüthgen Helden, · mancher Heuneumann.
Da ſah ſie durch ein Fenſter · Etzels Königin:
Das betrübte wieder · der ſchönen Kriemhilde Sinn.
Sie gedacht ihres Leides; · zu weinen hub ſie an.
Das wunderte die Degen, · die Etzeln unterthan,
Was ihr bekümmert hätte · ſo ſehr den hohen Muth?
Da ſprach ſie: „Das that Hagen, · ihr Helden kühn und auch gut.“
Sie ſprachen zu der Frauen: · „Wie iſt das geſchehn?
Wir haben euch doch eben · noch wohlgemuth geſehn.
Wie kühn er auch wäre, · der es euch hat gethan,
Befehlt ihr uns die Rache, · den Tod müſt er empfahn.“
„Dem wollt ich immer danken, · der rächte dieſes Leid:
Was er nur begehrte, · ich wär dazu bereit.
„Ich fall euch zu Füßen,“ · ſo ſprach des Königs Weib:
„Rächt mich an Hagen: · er verliere Leben und Leib.“
Da rüſteten die Kühnen ſich, · ſechzig an der Zahl:
Kriemhild zu Liebe · wollten ſie vor den Saal
Und wollten Hagen ſchlagen, · dieſen kühnen Mann,
Dazu den Fiedelſpieler; · das ward einmüthig gethan.
Als ſo gering den Haufen · die Königin erſah,
In grimmem Muthe ſprach ſie · zu den Helden da:
„Von ſolchem Unterfangen · rath ich abzuſtehn:
Ihr dürft in ſo geringer Zahl · nicht mit Hagen ſtreiten gehn.
„So kühn auch und gewaltig · Der von Tronje ſei,
Noch iſt bei weitem ſtärker, · der ihm da ſitzet bei,
Volker der Fiedler: · das iſt ein übler Mann:
Wohl dürft ihr dieſen Helden · nicht zu ſo wenigen nahn.“
Als ſie die Rede hörten, · rüſteten ſich mehr
Vierhundert Recken. · Der Königin hehr
Lag ſehr am Herzen · die Rache für ihr Leid.
Da wurde bald den Degen · große Sorge bereit.
Als ſie ihr Geſinde · wohlbewaffnet ſah,
Zu den ſchnellen Recken · ſprach die Königin da:
„Nun harrt eine Weile: · ihr ſollt noch ſtille ſtehn.
Ich will unter Krone · hin zu meinen Feinden gehn.
„Hört mich ihm verweiſen, · was mir hat gethan
Hagen von Tronje, · Gunthers Unterthan.
Ich weiß ihn ſo gemuthet, · er läugnets nimmermehr:
So will ich auch nicht fragen, · was ihm geſchehe nachher.“
Da ſah der Fiedelſpieler, · ein kühner Spielmann,
Die edle Königstochter · von der Stiege nahn,
Die aus dem Hauſe führte. · Als er das erſah,
Zu ſeinem Heergeſellen · ſprach der kühne Volker da:
„Nun ſchauet, Freund Hagen, · wie ſie dorther naht,
Die uns ohne Treue · ins Land geladen hat.
Ich ſah mit einer Königin · nie ſo manchen Mann
Die Schwerter in den Händen · alſo ſtreitluſtig nahn.
„Wißt ihr, Freund Hagen, · daß ſie euch abhold ſind?
So will ich euch rathen, · daß ihr zu hüten ſinnt
Des Lebens und der Ehre; · führwahr, das dünkt mich gut:
Soviel ich mag erkennen, · iſt ihnen zornig zu Muth.
„Es ſind auch Manche drunter · von Brüſten ſtark und breit:
Wer ſeines Lebens hüten will, · der thu es beizeit.
Ich ſeh ſie unter Seide · die feſten Panzer tragen.
Was ſie damit meinen, · das hör ich Niemanden ſagen.“
Da ſprach im Zornmuthe · Hagen der kühne Mann:
„Ich weiß wohl, das wird Alles · wider mich gethan,
Daß ſie die lichten Waffen · tragen an der Hand;
Von denen aber reit ich · noch in der Burgunden Land.
„Nun ſagt mir, Freund Volker, · denkt ihr mir beizuſtehn,
Wenn mit mir ſtreiten wollen · Die in Kriemhilds Lehn?
Das laßt mich vernehmen, · ſo lieb als ich euch ſei.
Ich ſteh euch mit Dienſten · immer wieder treulich bei.“
„Sicherlich, ich helf euch,“ · ſo ſprach da Volker.
„Und ſäh ich uns entgegen · mit ſeinem ganzen Heer
Den König Etzel kommen, · all meines Lebens Zeit
Weich ich von eurer Seite · aus Furcht nicht eines Fußes breit.“
„Nun lohn euch Gott vom Himmel, · viel edler Volker!
Wenn ſie mit mir ſtreiten, · wes bedarf ich mehr?
Da ihr mir helfen wollet, · wie ich jetzt vernommen,
So mögen dieſe Recken · fein behutſam näher kommen.“
„Stehn wir auf vom Sitze,“ · ſprach der Fiedelmann,
„Vor der Königstochter, · ſo ſie nun kommt heran.
Bieten wir die Ehre · der edeln Königin!
Das bringt uns auch beiden · an eignen Ehren Gewinn.“
„Nein! wenn ihr mich lieb habt,“ · ſprach dawider Hagen.
„Es möchten dieſe Degen · mit dem Wahn ſich tragen,
Daß ich aus Furcht es thäte · und dächte wegzugehn:
Von dem Sitze mein ich · vor ihrer Keinem aufzuſtehn.
„Daß wir es bleiben laßen, · das ziemt uns ganz allein.
Soll ich dem Ehre bieten, · der mir feind will ſein?
Nein, ich thu es nimmer, · ſo lang ich leben ſoll:
In aller Welt, was kümmr ich · mich um Kriemhildens Groll?“
Der vermeßne Hagen legte · über die Schenkel hin
Eine lichte Waffe, · aus deren Knaufe ſchien
Mit hellem Glanz ein Jaſpis, · grüner noch als Gras.
Wohl erkannte Kriemhild, · daß Siegfried einſt ſie beſaß.
Als ſie das Schwert erkannte, · das ſchuf ihr große Noth.
Der Griff war von Golde, · der Scheide Borte roth.
Ermahnt war ſie des Leides, · zu weinen hub ſie an;
Ich glaube, Hagen hatt es · auch eben darum gethan.
Volker der kühne · zog näher an die Bank
Einen ſtarken Fiedelbogen, · mächtig und lang,
Wie ein Schwert geſchaffen, · ſcharf dazu und breit.
So ſaßen unerſchrocken · dieſe Recken allbereit.
Die kühnen Degen beide · dauchten ſich ſo hehr,
Aus Furcht vor Jemandem · wollten ſie nimmermehr
Vom Sitz ſich erheben. · Ihnen ſchritt da vor den Fuß
Die edle Königstochter · und bot unfreundlichen Gruß.
Sie ſprach: „Nun ſagt, Herr Hagen, · wer hat nach euch geſandt,
Daß ihr zu reiten wagtet · her in dieſes Land,
Da ihr doch wohl wuſtet, · was ihr mir habt gethan?
Wart ihr bei guten Sinnen, · ihr durftets euch nicht unterfahn.“
„Nach mir geſandt hat Niemand,“ · ſprach er entgegen,
„Her zu dieſem Lande · lud man drei Degen,
Die heißen meine Herren: · ich ſteh in ihrem Lehn;
Bei keiner Hofreiſe · pfleg ich daheim zu beſtehn.“
Sie ſprach: „Nun ſagt mir ferner, · was thatet ihr das,
Daß ihr es verdientet, · wenn ich euch trage Haß?
Ihr erſchlugt Siegfrieden, · meinen lieben Mann,
Den ich bis an mein Ende · nicht gut beweinen kann.“
„Wozu der Rede weiter?“ · ſprach er, „es iſt genug:
Ich bin halt der Hagen, · der Siegfrieden ſchlug,
Den behenden Degen: · wie ſchwer er das entgalt,
Daß die Frau Kriemhild · die ſchöne Brunhilde ſchalt!
„Es wird auch nicht geläugnet, · reiche Königin,
Daß ich an all dem Schaden, · dem ſchlimmen, ſchuldig bin.
Nun räch es, wer da wolle, · Weib oder Mann.
Ich müſt es wahrlich lügen, · ich hab euch viel zu Leid gethan.“
Sie ſprach: „Da hört ihr, Recken, · wie er die Schuld geſteht
An all meinem Leide: · wie's ihm deshalb ergeht,
Darnach will ich nicht fragen, · ihr Etzeln unterthan.“
Die übermüthgen Degen · blickten all einander an.
Wär da der Streit erhoben, · ſo hätte man geſehn,
Wie man den zwei Geſellen · müß Ehre zugeſtehn:
Das hatten ſie in Stürmen · oftmals dargethan.
Was jene ſich vermeßen, · das gieng aus Furcht nun nicht an.
Da ſprach der Recken Einer: · „Was ſeht ihr mich an?
Was ich zuvor gelobte, · das wird nun nicht gethan.
Um Niemands Gabe laß ich · Leben gern und Leib.
Uns will hier verleiten · dem König Etzel ſein Weib.“
Da ſprach ein Andrer wieder: · „So ſteht auch mir der Muth.
Wer mir Thürme gäbe · von rothem Golde gut,
Dieſen Fiedelſpieler · wollt ich nicht beſtehn
Der ſchnellen Blicke wegen, · die ich hab an ihm erſehn.
„Auch kenn ich dieſen Hagen · von ſeiner Jugendzeit:
Drum weiß ich von dem Recken · ſelber wohl Beſcheid.
In zweiundzwanzig Stürmen · hab ich ihn geſehn;
Da iſt mancher Frauen · Herzeleid von ihm geſchehn.
„Er und Der von Spanien · traten manchen Pfad,
Da ſie hier bei Etzeln · thaten manche That
Dem König zu Liebe. · Das iſt oft geſchehn:
Drum mag man Hagen billig · große Ehre zugeſtehn.
„Damals war der Recke · an Jahren noch ein Kind,
Da waren ſchon die Knaben · wie jetzt kaum Greiſe ſind.
Nun kam er zu Sinnen · und iſt ein grimmer Mann;
Auch trägt er Balmungen, · den er übel gewann.“
Damit wars entſchieden, · Niemand ſuchte Streit.
Das war der Königstochter · im Herzen bitter leid.
Die Helden giengen wieder; · wohl ſcheuten ſie den Tod
Von den Helden beiden: · das that ihnen wahrlich Noth.
Wie oft man verzagend · Manches unterläßt,
Wo der Freund beim Freunde · treulich ſteht und feſt!
Und hat er kluge Sinne, · daß er nicht alſo thut,
Vor Schaden nimmt ſich Mancher · durch Beſonnenheit in Hut.
Da ſprach der kühne Volker: · „Da wir nun ſelber ſahn,
Daß wir hie Feinde finden, · wie man uns kund gethan,
So laß uns zu den Königen · hin zu Hofe gehn,
So darf unſre Herren · mit Kampfe Niemand beſtehn.“
„Gut, ich will euch folgen,“ · ſprach Hagen entgegen.
Da giengen hin die Beiden, · wo ſie die zieren Degen
Noch harrend des Empfanges · auf dem Hofe ſahn.
Volker der kühne · hub da laut zu reden an.
Er ſprach zu ſeinen Herren: · „Wie lange wollt ihr ſtehn
Und euch drängen laßen? · ihr ſollt zu Hofe gehn
Und von dem König hören, · wie der geſonnen ſei.“
Da ſah man ſich geſellen · der kühnen Helden je zwei.
Dietrich von Berne · nahm da an die Hand
Gunther den reichen · von Burgundenland;
Irnfried nahm Gernoten, · dieſen kühnen Mann;
Da gieng mit ſeinem Schwäher · Geiſelher zu Hof heran.
Wie bei dieſem Zuge · geſellt war Jeglicher,
Volker und Hagen, · die ſchieden ſich nicht mehr
Als noch in Einem Kampfe · bis an ihren Tod.
Das muſten bald beweinen · edle Fraun in großer Noth.
Da ſah man mit den Königen · hin zu Hofe ziehn
Ihres edeln Ingeſindes · tauſend Degen kühn;
Darüber ſechzig Recken · waren mitgekommen:
Die hatt aus ſeinem Lande · der kühne Hagen genommen.
Hawart und Iring, · zwei Degen auserkannt,
Die giengen mit den Königen · zu Hofe Hand in Hand;
Dankwart und Wolfhart, · ein theuerlicher Degen,
Die ſah man großer Hofzucht · vor den übrigen pflegen.
Als der Vogt vom Rheine · in den Pallas gieng,
Etzel der reiche · das länger nicht verhieng:
Er ſprang von ſeinem Sitze, · als er ihn kommen ſah.
Ein Gruß, ein ſo recht ſchöner, · nie mehr von Köngen geſchah.
„Willkommen mir, Herr Gunther · und auch Herr Gernot
Und euer Bruder Geiſelher, · die ich hieher entbot
Mit Gruß und treuem Dienſte · von Worms überrhein,
Und eure Degen alle · ſollen mir willkommen ſein.
„Laßt euch auch Willkommen, · ihr beiden Recken, ſagen,
Volker der kühne · und dazu Herr Hagen,
Mir und meiner Frauen · hier in dieſem Land:
Sie hat euch manche Botſchaft · hin zum Rheine geſandt.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Das haben wir vernommen.
Wär ich um meine Herren · gen Heunland nicht gekommen,
So wär ich euch zu Ehren · geritten in das Land.“
Da nahm der edle König · die lieben Gäſte bei der Hand.
Und führte ſie zum Sitze · hin, wo er ſelber ſaß.
Da ſchenkte man den Gäſten, · fleißig that man das,
In weiten goldnen Schalen · Meth, Moraß und Wein
Und hieß die fremden Degen · höchlich willkommen ſein.
Da ſprach König Etzel: · „Das muß ich wohl geſtehn,
Mir könnt in dieſen Zeiten · nichts Lieberes geſchehn
Als durch euch, ihr Recken, · daß ihr gekommen ſeid;
Damit iſt auch der Königin · benommen Kummer und Leid.
„Mich nahm immer Wunder, · was ich euch wohl gethan,
Da ich der edeln Gäſte · ſo Manche doch gewann,
Daß ihr nie zu reiten · geruhtet in mein Land;
Nun ich euch hier erſehen hab, · iſt mirs zu Freuden gewandt.“
Da verſetzte Rüdiger, · ein Ritter hochgemuth:
„Ihr mögt ſie gern empfahen, · ihre Treue die iſt gut:
Der wißen meiner Frauen · Brüder ſchön zu pflegen.
Sie bringen euch zu Hauſe · manchen waidlichen Degen.“
Am Sonnewendenabend · waren ſie gekommen
An Etzels Hof, des reichen. · Noch ſelten ward vernommen,
Daß ein König ſeine Gäſte · freundlicher empfieng;
Darnach er zu Tiſche · wohlgemuth mit ihnen gieng.
Ein Wirth bei ſeinen Gäſten · ſich holder nie betrug.
Zu trinken und zu eßen · bot man da genug:
Was ſie nur wünſchen mochten, · das wurde gern gewährt.
Man hatte von den Helden · viel große Wunder gehört.
Der reiche Etzel hatte · an ein Gebäude weit
Viel Fleiß und Müh gewendet · und Koſten nicht geſcheut:
Man ſah Pallas und Thürme, · Gemächer ohne Zahl
In einer weiten Veſte · und einen herrlichen Saal.
Den hatt er bauen laßen · lang, hoch und weit,
Weil ihn ſo viel der Recken · heimſuchten jederzeit.
Auch ander Ingeſinde, · zwölf reiche Könge hehr
Und viel der werthen Degen · hatt er zu allen Zeiten mehr,
Als je gewann ein König, · von dem ich noch vernahm.
Er lebte ſo mit Freunden · und Mannen wonneſam:
Gedräng und frohen Zuruf · hatte der König gut
Von manchem ſchnellen Degen; · drum ſtand wohl hoch ihm der Muth.
Der Tag war nun zu Ende, · es nahte ſich die Nacht.
Den reiſemüden Recken · war die Sorg erwacht,
Wann ſie ruhen ſollten · und zu Bette gehn.
Zur Sprache bracht es Hagen: · Beſcheid iſt ihnen geſchehn.
Zu dem Wirthe ſprach da Gunther: · „Gott laß euchs wohlgedeihn:
Wir wollen ſchlafen gehen, · mag es mit Urlaub ſein.
Wenn ihr das gebietet, · kommen wir morgen fruh.“
Der Wirth entließ die Gaſte · wohlgemuth zu ihrer Ruh.
Von allen Seiten drängen · man die Gäſte ſah.
Volker der kühne · ſprach zu den Heunen da:
„Wie dürft ihr uns Recken · ſo vor die Füße gehn?
Und wollt ihr das nicht meiden, · ſo wird euch übel geſchehn.
„So ſchlag ich Dem und Jenem · ſo ſchweren Geigenſchlag,
Hat er einen Treuen, · daß ders beweinen mag.
Nun weicht vor uns Recken, · fürwahr, mich dünkt es gut:
Es heißen Alle Degen · und haben doch nicht gleichen Muth.“
Als in ſolchem Zorne · ſprach der Fiedelmann,
Hagen der kühne · ſich umzuſchaun begann.
Er ſprach: „Euch räth zum Heile · der kühne Fiedeler.
Geht zu den Herbergen, · ihr in Kriemhildens Heer.
„Was ihr habt im Sinne, · es fügt ſich nicht dazu:
Wollt ihr was beginnen, · ſo kommt uns morgen fruh
Und laßt uns Reiſemüden · heut in Frieden ruhn.
Ich glaube, niemals werden · es Helden williger thun.“
Da brachte man die Gäſte · in einen weiten Saal,
Zur Nachtruh eingerichtet · den Recken allzumal
Mit köſtlichen Betten, · lang zumal und breit.
Gern ſchuf ihnen Kriemhild · das allergrößeſte Leid,
Schmucker Decken ſah man · von Arras da genug
Aus lichthellem Zeuge · und manchen Ueberzug
Aus Arabiſcher Seide, · ſo gut ſie mochten ſein,
Verbrämt mit goldnen Borten, · die gaben herrlichen Schein.
Viel Bettlaken fand man · von Hermelin gemacht
Und von ſchwarzem Zobel, · worunter ſie die Nacht
Sich Ruhe ſchaffen ſollten · bis an den lichten Tag.
Ein König mit dem Volke · wohl nimmer herrlicher lag.
„O weh des Nachtlagers!“ · ſprach Geiſelher das Kind,
„Und weh meiner Freunde, · die mit uns kommen ſind.
Wie gut es meine Schweſter · uns auch hier erbot,
Wir gewinnen, fürcht ich, alle · von ihrem Haße den Tod.“
„Nun laßt euer Sorgen,“ · ſprach Hagen der Degen,
„Ich will heunte ſelber · der Schildwache pflegen
Und getrau euch zu behüten · bis morgen an den Tag:
Seit des ohne Sorge: · ſo entrinne, wer da mag.“
Da neigten ſich ihm Alle · und ſagten ihm Dank.
Sie giengen zu den Betten. · Da währt' es nicht lang,
Bis in Ruhe lagen · die Helden wohlgethan.
Hagen der kühne · ſich da zu waffnen begann.
Da ſprach der Fiedelſpieler, · Volker der Degen:
„Verſchmäht ihrs nicht, Hagen, · ſo will ich mit euch pflegen
Heunt der Schildwache · bis morgen an den Tag.“
Da dankte Volkeren · der Degen gütlich und ſprach:
„Nun lohn euch Gott vom Himmel, · viel lieber Volker!
Zu allen meinen Sorgen · wünſch ich mir Niemand mehr
Als nur euch alleine, · befahr ich irgend Noth.
Ich will es wohl vergelten, · es verwehr es denn der Tod.“
Da kleideten die Beiden · ſich in ihr licht Gewand,
Jedweder faßte · den Schild an ſeine Hand,
Sie giengen aus dem Hauſe · vor die Thüre ſtehn
Und hüteten der Gäſte; · das iſt mit Treuen geſchehn.
Volker der ſchnelle · lehnte von der Hand
Seinen Schild den guten · an des Saales Wand.
Dann wandt er ſich zurücke, · wo ſeine Geige war,
Und diente ſeinen Freunden: · es ziemt ihm alſo fürwahr.
Unter des Hauſes Thüre · ſetzt' er ſich auf den Stein.
Kühnrer Fiedelſpieler · mochte nimmer ſein.
Als der Saiten Tönen · ihm ſo hold erklang,
Die ſtolzen Heimatloſen · die ſagten Volkern den Dank.
Da tönten ſeine Saiten, · daß all das Haus erſcholl;
Seine Kraft und ſein Geſchicke · die waren beide voll.
Süßer und ſanfter · zu geigen hub er an:
So ſpielt' er in den Schlummer · gar manchen ſorgenden Mann.
Da ſie entſchlafen waren · und Volker das befand,
Da nahm der Degen wieder · den Schild an die Hand
Und gieng aus dem Hauſe · vor die Thüre ſtehn,
Seine Freunde zu behüten · vor Denen in Kriemhilds Lehn.
Wohl der Nacht inmitten, · wenn es erſt da geſchah,
Volker der kühne · einen Helm erglänzen ſah
Fernher durch das Dunkel: · Die Kriemhild unterthan,
Hätten an den Gäſten · gerne Schaden gethan.
Bevor dieſe Recken · Kriemhild hatt entſandt,
Sie ſprach: „Wenn ihr ſie findet, · ſo ſeid um Gott ermahnt,
Daß ihr Niemand tödtet · als den einen Mann,
Den ungetreuen Hagen; · die Andern rühret nicht an.“
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Nun ſeht, Freund Hagen,
Uns ziemt, dieſe Sorge · gemeinſam zu tragen.
Gewaffnet vor dem Hauſe · ſeh ich Leute ſtehn:
So viel ich mag erkennen, · kommen ſie uns zu beſtehn.“
„So ſchweigt,“ ſprach da Hagen, · „laßt ſie erſt näher her.
Eh ſie uns inne werden, · wird ihrer Helme Wehr
Zerſchroten mit den Schwertern · von unſer Beider Hand:
Sie werden Kriemhilden · übel wieder heimgeſandt.“
Der Heunenrecken Einer · das gar bald erſah,
Die Thüre ſei behütet: · wie ſchnell ſprach er da:
„Was wir im Sinne hatten, · kann nun nicht geſchehn:
Ich ſeh den Fiedelſpieler · vor dem Hauſe Schildwacht ſtehn.
„Er trägt auf dem Haupte · einen Helm von lichtem Glanz,
Der iſt hart und lauter, · ſtark dazu und ganz.
Auch loh'n die Panzerringe · ihm, wie das Feuer thut.
Daneben ſteht auch Hagen: · die Gäſte ſind in guter Hut.“
Da wandten ſie ſich wieder. · Als Volker das erſah,
Zu ſeinem Heergeſellen · in Zorn ſprach er da:
„Nun laßt mich von dem Hauſe · zu den Recken gehn:
So frag ich um die Märe · Die in Kriemhildens Lehn.“
„Nein, wenn ihr mich lieb habt,“ · ſprach Hagen entgegen,
„Kämt ihr aus dem Hauſe, · dieſe ſchnellen Degen
Brächten euch mit Schwertern · leicht in ſolche Noth,
Daß ich euch helfen müſte, · wärs aller meiner Freunde Tod.
„Wenn wir dann Beide · kämen in den Streit,
So möchten ihrer zweie · oder vier in kurzer Zeit
Zu dem Hauſe ſpringen · und ſchüfen ſolche Noth
Drinnen an den Schlafenden, · daß wir bereuten bis zum Tod.“
Da ſprach wieder Volker: · „So laßt es nur geſchehn,
Daß ſie inne werden, · wir haben ſie geſehn:
So können uns nicht läugnen · Die Kriemhild unterthan,
Daß ſie gerne treulos · an den Gäſten hätten gethan.“
Da rief der Fiedelſpieler · den Heunen entgegen:
„Wie geht ihr ſo bewaffnet, · ihr behenden Degen?
Wollt ihr morden reiten, · ihr Kriemhild unterthan?
So nehmt mich zur Hülfe · und meinen Heergeſellen an,“
Niemand gab ihm Antwort; · zornig war ſein Muth:
„Pfui, feige Böſewichter,“ · ſprach der Degen gut,
„Im Schlaf uns zu ermorden, · ſchlicht ihr dazu heran?
Das ward ſo guten Helden · bisher noch ſelten gethan.“
Bald ward auch die Märe · der Königin bekannt
Vom Abzug ihrer Boten: · wie ſchwer ſie das empfand!
Da fügte ſie es anders; · gar grimmig war ihr Muth.
Da muſten bald verderben · viel der Helden kühn und gut.
„Mir wird ſo kühl der Harniſch,“ · ſprach da Volker:
„Die Nacht, wähn ich, wolle · nun nicht währen mehr.
Ich fühl es an den Lüften, · es iſt nicht weit vom Tag.“
Da weckten ſie gar Manchen, · der da im Schlafe noch lag.
Da ſchien der lichte Morgen · den Gäſten in den Saal.
Hagen begann zu fragen · die Recken allzumal,
Ob ſie zum Münſter wollten · in die Meſſe heut.
Nach chriſtlichen Sitten · erſcholl der Glocken Geläut.
Der Geſang war ungleich; · kein Wunder möcht es ſein,
Daß Chriſten mit Heiden · nicht ſtimmten überein.
Da wollten zu der Kirche · Die in Gunthers Lehn:
Man ſah ſie von den Betten · allzumal da erſtehn.
Da ſchnürten ſich die Recken · in alſo gut Gewand,
Daß nie Helden wieder · in eines Königs Land
Beßre Kleider brachten. · Hagen war es leid;
Er ſprach: „Ihr thätet beßer, · ihr trügt hier anderlei Kleid.
„Nun iſt euch doch allen · die Märe wohl bekannt:
Drum ſtatt der Roſenkränze · nehmt Waffen an die Hand;
Statt wohlgeſteinter Hüte · die lichten Helme gut,
Da wir ſo wohl erkennen · der argen Kriemhilde Muth.
„Wir müßen heute ſtreiten, · das will ich euch ſagen.
Statt ſeidner Hemden ſollt ihr · Halsbergen tragen
Und ſtatt der reichen Mäntel · gute Schilde breit:
zürnt mit euch Jemand, · daß ihr wehrhaftig ſeid.
„Meine lieben Herren, · Freund und Mannen mein,
Tretet in die Kirche · mit lauterm Herzen ein
Und klagt Gott dem reichen · eure Sorg und Noth:
Denn wißt unbezweifelt, · es naht uns allen der Tod.
„Ihr ſollt auch nicht vergeßen, · was je von euch geſchah,
Und fleht vor eurem Gotte · andächtig da.
Laßt euch alle warnen, · gute Recken hehr:
Es wend es Gott im Himmel, · ſo hört ihr keine Meſſe mehr,“
So giengen zu dem Münſter · die Fürſten und ihr Lehn.
Auf dem heiligen Friedhof, · da hieß ſie ſtille ſtehn
Hagen der kühne, · damit man ſie nicht ſchied.
Er ſprach: „Noch weiß ja Niemand, was von den Heunen geſchieht.
„Setzt, meine Freunde, · die Schilde vor den Fuß
Und lohnt es, beut euch Jemand · feindlichen Gruß,
Mit tiefen Todeswunden: · das iſt, was euch Hagen räth.
So werdet ihr befunden, · wie's euch am löblichſten ſteht.“
Volker und Hagen · die beiden ſtellten da
Sich vor das weite Münſter: · was darum geſchah,
Sie wolltens dazu bringen, · daß ſich die Königin
Mit ihnen drängen müße; · wohl war gar grimmig ihr Sinn.
Da kam der Wirth des Landes · und auch ſein ſchönes Weib;
Mit reichem Gewände · war ihr geziert der Leib
Und manchem ſchnellen Degen, · der im Geleit ihr war.
Da flog der Staub zur Höhe · vor der Königin Schar,
Als der reiche König · ſo gewaffnet ſah
Die Fürſten und ihr Ingeſind, · wie bald ſprach er da:
„Was ſeh ich meine Freunde · unter Helmen gehn?
Leid war mir meiner Treue, · wär ihnen Leid hier geſchehn.
„Das wollt ich ihnen büßen, · wie ſie es däuchte gut.
Wenn ihnen wer beſchwerte · das Herz und den Muth,
So laß ich ſie wohl ſchauen, · es ſei mir wahrlich leid:
Was ſie gebieten mögen, · dazu bin ich gern bereit.“
Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Uns iſt kein Leid geſchehn.
Es iſt der Herren Sitte, · daß ſie gewaffnet gehn
Bei allen Gaſtgeboten · zu dreien vollen Tagen.
Was uns hier geſchähe, · wir würden es Etzeln klagen.“
Wohl vernahm die Königin · Hagens Rede da.
Wie feindlich ſie dem Degen · unter die Augen ſah!
Sie wollte doch nicht melden · den Brauch in ihrem Land,
Wie lang bei den Burgunden · ſie den auch hatte gekannt.
Wie grimm und ſtark die Königin · ihnen abhold wäre,
Hätte Jemand Etzeln · geſagt die rechte Märe,
Er hätt es wohl gewendet, · was nun doch geſchah:
In ihrem hohen Uebermuth · verſchwiegen ſie es Alle da.
Da ſchritt mit vielem Volke · Kriemhild zur Kirchenthür:
Doch wollten dieſe Beiden · weichen nicht vor ihr
Zweier Hände Breite: · das war den Heunen leid.
Da muſte ſie ſich drängen · mit den Helden allbereit.
Etzels Kämmerlinge · die dauchte das nicht gut:
Wohl hätten ſie den Recken · gern erzürnt den Muth,
Wenn ſie es wagen dürften · vor dem König hehr.
Da gab es groß Gedränge · und doch nichts anderes mehr.
Als nach dem Gottesdienſte · man auf den Heimweg ſann,
Da kam hoch zu Roſſe · mancher Heunenmann.
Auch war bei Kriemhilden · manche ſchöne Maid;
Wohl Siebentauſend zählte · der Königin Heergeleit.
Kriemhild mit ihren Frauen · in den Fenſtern ſaß
Bei Etzeln dem reichen; · gerne ſah er das.
Sie wollten reiten ſehen · die Helden auserkannt:
Hei! was man fremder Recken · vor ihnen auf dem Hofe fand!
Nun war auch mit den Roſſen · der Marſchall gekommen.
Der kühne Dankwart hatte · mit ſich genommen
Der Herren Ingeſinde · von Burgundenland:
Die Roſſe wohlgeſattelt · man den kühnen Niblungen fand.
Als zu Roſſen kamen · die Fürſten und ihr Herr,
Da begann zu rathen · der kühne Volker,
Sie ſollten buhurdieren · nach ihres Landes Sitten.
Da wurde von den Helden · bald gar herrlich geritten.
Was der Held gerathen, · Niemanden wohl verdroß;
Der Buhurd und der Waffenklang · wurden beide groß.
In dem weiten Hofe · kam da mancher Mann;
Etzel mit Kriemhild · es ſelbſt zu ſchauen begann.
Auf den Buhurd kamen · ſechshundert Degen.
Dietrichens Recken, · den Gäſten entgegen.
Mit den Burgunden wollten · ſie ſich im Spiel ergehn;
Wollt es ihr Herr vergönnen, · ſo wär es gerne geſchehn.
Hei! Was gute Recken · ritten da heran!
Dietrich dem Helden · ward es kund gethan.
Mit Gunthers Ingeſinde · das Spiel er verbot;
Er ſchonte ſeiner Leute: · das that ihm ſicherlich Noth.
Als Dietrichs Gefolge · ſo vermied den Streit,
Da kamen von Bechlaren · Rüdigers Geleit,
Fünfhundert unter Schilden, · vor den Saal geritten.
Leid wars dem Markgrafen: · er hätt es gern nicht gelitten.
Er kam zu ihnen eilends · gedrungen durch die Schar
Und ſagte ſeinen Mannen: · ſie würden ſelbſt gewahr,
Daß im Unmuth wären · Die Gunthern unterthan:
Wenn ſie das Kampfſpiel ließen, · ſo wär ihm Liebes gethan.
Als von ihnen ſchieden · die Helden allbereit,
Da kamen die von Thüringen, · hörten wir Beſcheid,
Und vom Dänenlande · der Kühnen tauſend Mann.
Von Stichen ſah man fliegen · viel der Splitter hoch hinan.
Irnfried und Hawart · ritten zum Buhurd hin;
Ihrer harrten Die vom Rheine · mit hochfährtgem Sinn
Zum Lanzenſpiel mit Denen · vom Thüringerland:
Durchbohrt von Stichen wurde · mancher ſchöne Schildesrand.
Da kam der Degen Blödel, · dreitauſend in der Schar.
Etzel und Kriemhild · nahmen ſein wohl war,
Da vor ihnen Beiden · das Ritterſpiel geſchah.
Die Königin es gerne · aus Haß der Burgunden ſah.
Sie gedacht in ihrem Sinne, · ſchier wärs auch ſo geſchehn:
„Und thäten ſie wem Leides, · ſo dürft ich mich verſehn,
Daß es zum Ernſte käme: · an den Feinden mein
Würd ich dann gerochen; · des wollt ich ohne Sorge ſein.“
Schrutan und Gibeke · ritten zum Buhurd auch,
Hornbog und Ramung, · nach heuniſchem Gebrauch.
Sie hielten vor den Helden · aus Burgundenland:
Die Schäfte flogen wirbelnd · über des Königsſaales Wand.
Wie ſie da Alle ritten, · das war doch eitel Schall.
Von Stößen auf die Schilde · das Haus und den Saal
Hörte man ertoſen · durch manchen Gunthers-Mann.
Das Lob ſich ſein Geſinde · mit großen Ehren gewann.
Da ward ihre Kurzweil · ſo ſtark und ſo groß,
Daß den Satteldecken · der blanke Schweiß entfloß
Von den guten Roſſen, · ſo die Helden ritten.
Sie verſuchten an den Heunen · ſich mit hochfährtgen Sitten.
Da ſprach der kühne Volker, · der edle Spielmann:
„Zu feig ſind dieſe Degen, · ſie greifen uns nicht an.
Ich hörte immer ſagen, · daß ſie uns abhold ſein:
Nun könnte die Gelegenheit · ihnen doch nicht günſtger ſein.“
„Zu den Ställen wieder,“ · ſprach der König hehr,
„Ziehe man die Roſſe; · wir reiten wohl noch mehr
In den Abendſtunden, · wenn die Zeit erſchien.
Ob dann den Burgunden · den Preis wohl giebt die Königin?“
Da ſahn ſie Einen reiten · ſo ſtattlich daher,
Es thats von allen Heunen · kein Anderer mehr.
Er hatt in den Fenſtern · wohl ein Liebchen traut:
Er ritt ſo wohl gekleidet · als eines werthen Ritters Braut.
Da ſprach wieder Volker: · „Wie blieb' es ungethan?
Jener Weiberliebling · muß einen Stoß empfahn.
Das mag hier Niemand wenden, · es geht ihm an den Leib:
Nicht frag ich, ob drum zürne · dem König Etzel ſein Weib.“
„Nicht doch,“ ſprach der König, · „wenn ichs erbitten kann:
Es ſchelten uns die Leute, · greifen wir ſie an:
Die Heunen laßt beginnen; · es kommt wohl bald dahin.“
Noch ſaß König Etzel · am Feſter bei der Königin.
„Ich will das Kampfſpiel mehren,“ · ſprach Hagen jedoch:
„Laßt dieſe Frauen · und die Degen noch
Sehn, wie wir reiten können: · das iſt wohlgethan;
Man läßt des Lobs doch wenig · die Recken Gunthers empfahn.“
Volker der ſchnelle · ritt wieder in den Streit.
Das ſchuf da viel der Frauen · großes Herzeleid.
Er ſtach dem reichen Heunen · den Sper durch den Leib:
Das ſah man noch beweinen · manche Maid und manches Weib.
Alsbald rückt' auch Hagen · mit ſeinen Helden an:
Mit ſechzig ſeiner Degen · zu reiten er begann
Dahin, wo von dem Fiedler · das Spiel war geſchehn.
Etzel und Kriemhild · konnten Alles deutlich ſehn.
Da wollten auch die Könige · den kühnen Fiedler gut
Unter den Feinden · nicht laßen ohne Hut.
Da ward von tauſend Helden · mit großer Kunſt geritten.
Sie thaten, was ſie lüſtete, · mit gar hochfährtgen Sitten.
Als der reiche Heune · zu Tode war geſchlagen,
Man hörte ſeiner Freunde · Wehruf und Klagen.
All das Geſinde fragte: · „Wer hat das gethan?“
„Das hat gethan der Fiedler, · Volker der kühne Spielmann.“
Nach Schwertern und Schilden · riefen gleich zur Hand
Des Markgrafen Freunde · von der Heunen Land:
Zu Tode ſchlagen wollten · ſie den Fiedelmann.
Der Wirth von ſeinem Fenſter · daher zu eilen begann.
Da hob ſich von den Heunen · allenthalben Schall.
Abſtiegen mit dem Volke · die Könge vor dem Saal;
Zurück die Roſſe ſtießen · Die Gunthern unterthan.
Da kam der König Etzel · den Streit zu ſchlichten heran.
Einem Vetter dieſes Heunen, · den er da bei ihm fand,
Eine ſcharfe Waffe · brach er ihm aus der Hand
Und ſchlug ſie all zurücke: · er war in großem Zorn.
„Wie hätt ich meine Dienſte · an dieſen Helden verlorn!
„Wenn ihr dieſen Spielmann · hättet drum erſchlagen,
Ich ließ' euch alle hängen! · das will ich euch ſagen.
Als er erſtach den Heunen, · ſein Reiten wohl ich ſah,
Daß es wider ſeinen Willen · nur durch Straucheln geſchah.
„Ihr ſollt meine Gäſte · mit Frieden laßen ziehn.“
So ward er ihr Geleite. · Die Roſſe zog man hin
Zu den Herbergen. · Sie hatten manchen Knecht,
Der ihnen war zu Dienſten · mit allem Fleiße gerecht.
Der Wirth mit ſeinen Freunden · gieng zum Saal zurück:
Da regte ſich kein Zürnen · mehr vor ſeinem Blick.
Man richtete die Tiſche, · das Waſſer man auch trug.
Da hatten Die vom Rheine · der ſtarken Feinde genug.
Unlieb war es Etzeln, · doch folgte manche Schar
Den Fürſten, die mit Waffen · wohl verſehen war,
Im Unmuth auf die Gäſte, · als man zu Tiſche gieng,
Den Freund bedacht zu rächen, · wenn es günſtge Zeit verhieng.
„Daß ihr in Waffen lieber · zu Tiſche geht als bloß,“
Sprach der Wirth des Landes, · „die Unart iſt zu groß;
Wer aber an den Gäſten · den kleinſten Frevel wagt,
Der büßt es mit dem Haupte: · das ſei euch Heunen geſagt.“
Bevor da niederſaßen · die Herren, das währte lang,
Weil zu ſehr mit Sorgen · jetzt Frau Kriemhild rang.
Sie ſprach: „Fürſt von Berne, · heute muß ich flehn
Zu dir um Rath und Hülfe: · meine Sachen ängſtlich ſtehn.“
Zur Antwort gab ihr Hildebrand, · eine Recke tugendlich:
„Wer ſchlägt die Nibelungen, · der thut es ohne mich,
Wie viel man Schätze böte; · es wird ihm wahrlich leid.
Sie ſind noch unbezwungen, · die ſchnellen Ritter allbereit.“
„Es geht mir nur um Hagen, · der hat mir Leid gethan,
Der Siegfrieden mordete, · meinen lieben Mann.
Wer den von ihnen ſchiede, · dem wär mein Gold bereit:
Entgält es anders Jemand, · das wär mir inniglich leid.“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Wie möchte das geſchehn,
Den ihnen zu erſchlagen? · Ihr ſolltet ſelber ſehn:
Beſtünde man den Degen, · leicht gäb es eine Noth,
Daß Arme ſo wie Reiche · dabei erlägen im Tod.“
Da ſprach dazu Herr Dietrich · mit zuchtreichem Sinn:
„Die Rede laßt bleiben, · reiche Königin;
Mir iſt von euern Freunden · kein ſolches Leid geſchehn,
Daß ich ſollt im Streite · die kühnen Degen beſtehn.
„Die Bitte ehrt euch wenig, · edel Königsweib,
Daß ihr den Freunden rathet · an Leben und an Leib.
Sie kamen euch auf Gnade · hieher in dieſes Land;
Siegfried bleibt ungerochen · wohl von Dietrichens Hand.“
Als ſie keine Untreu · bei dem Berner fand,
Alſobald gelobte ſie · Blödeln in die Hand
Eine weite Landſchaft, · die Nudung einſt beſaß;
Hernach erſchlug ihn Dankwart, · daß er der Gabe gar vergaß.
Sie ſprach: „Du ſollſt mir helfen, · Bruder Blödelein.
Hier in dieſem Hauſe · ſind die Feinde mein,
Die Siegfrieden ſchlugen, · meinen lieben Mann:
Wer mir das rächen hülfe, · dem war ich immer unterthan.“
Zur Antwort gab ihr Blödel, · der ihr zur Seite ſaß:
„Ich darf euern Freunden · nicht zeigen ſolchen Haß,
Weil ſie mein Bruder Etzel · ſo gerne leiden mag:
Wenn ich ſie beſtünde, · der König ſäh es mir nicht nach.“
„Nicht alſo, Herr Blödel, · ich bin dir immer hold:
Ich gebe dir zum Lohne · mein Silber und mein Gold
Und eine ſchöne Witwe, · Nudungens Weib:
So magſt du immer koſen · ihren minniglichen Leib.
„Das Land zu den Burgen, · Alles geb ich dir,
So lebſt du, theurer Ritter, · in Freuden ſtäts mit ihr,
Wenn du die Mark gewinneſt, · die Nudung einſt beſaß.
Was ich dir hier gelobe, · mit Treuen leiſt ich dir das.“
Als Blödel bieten hörte · des Lohnes alſo viel
Und ihrer Schöne willen · die Frau ihm wohlgefiel,
Im Kampf verdienen wollt er · das minnigliche Weib.
Da muſte dieſer Recke · verlieren Leben und Leib.
Er ſprach zu der Königin: · „Geht wieder in den Saal.
Eh man es inne werde, · erheb ich großen Schall.
Hagen muß es büßen, · was er euch hat gethan:
Ich bring euch gebunden · König Gunthers Unterthan.“
„Nun waffnet euch,“ ſprach Blödel, · „ihr all in meinem Lehn,
Wir wollen zu den Feinden · in die Herberge gehn.
Mir will es nicht erlaßen · König Etzels Weib:
Wir Helden müßen alle · verwagen Leben und Leib.“
Als den Degen Blödel · entließ die Königin,
Daß er den Streit begänne, · zu Tiſche gieng ſie hin
Mit Etzeln dem Könige · und manchem Unterthan.
Sie hatte ſchlimme Räthe · wider die Gäſte gethan.
Wie ſie zu Tiſche giengen, · das will ich euch ſagen:
Man ſah reiche Könige · die Krone vor ihr tragen;
Manchen hohen Fürſten · und viel der werthen Degen
Sah man großer Demuth · vor der Königin pflegen.
Der König wies den Gäſten · die Sitze überall,
Den Höchſten und den Beſten · neben ſich im Saal.
Den Chriſten und den Heiden · die Koſt er unterſchied;
Man gab die Fülle beiden, · wie es der weiſe König rieth.
In der Herberge · aß ihr Ingeſind:
Von Truchſäßen ward es · da allein bedient;
Die hatten es zu ſpeiſen · großen Fleiß gepflogen.
Die Bewirtung und die Freude · ward bald mit Jammer aufgewogen.
Da nicht anders konnte · erhoben ſein der Streit,
Kriemhilden lag im Herzen · begraben altes Leid,
Da ließ ſie zu den Tiſchen · tragen Etzels Sohn:
Wie könnt ein Weib aus Rache · wohl entſetzlicher thun?
Da kamen vier gegangen · aus Etzels Ingeſind
Und brachten Ortlieben, · das junge Königskind,
Den Fürſten an die Tafel, · wo auch Hagen ſaß.
Das Kind muſt erſterben · durch ſeinen mordlichen Haß.
Als der reiche König · ſeinen Sohn erſah,
Zu ſeiner Frauen Brüdern · gütlich ſprach er da:
„Nun ſchaut, meine Freunde, · das iſt mein einzig Kind
Und das eurer Schweſter, · von dem ihr Frommen einſt gewinnt.
„Geräth er nach dem Stamme, · er wird ein ſtarker Mann,
Reich dazu und edel, · kühn und wohlgethan.
Erleb ich es, ich geb ihm · zwölf reicher Könge Land:
So thut euch wohl noch Dienſte · des jungen Ortliebens Hand.
„Darum bät ich gerne · euch, lieben Freunde mein,
Wenn ihr heimwärts reitet · wieder an den Rhein,
Daß ihr dann mit euch nehmet · eurer Schweſter Kind;
Und ſeid auch dem Knaben · immer gnädig geſinnt.
„Erzieht ihn nach Ehren, · bis er geräth zum Mann:
Hat euch in den Landen · Jemand ein Leid gethan,
So hilft er euch es rächen, · erwuchs ihm erſt der Leib.“
Die Rede hörte Kriemhild · mit an, König Etzels Weib.
„Ihm ſollten wohl vertrauen · alle dieſe Degen,
Wenn er zum Mann erwüchſe,“ · ſprach Hagen entgegen;
„Doch iſt der junge König · ſo ſchwächlich anzuſehn:
Man ſoll mich ſelten ſchauen · nach Hof zu Ortlieben gehn.“
Der König blickt' auf Hagen; · die Rede war ihm leid.
Wenn er auch nichts erwiederte, · der König allbereit,
Es betrübt' ihn in der Seele · und beſchwert' ihm den Muth.
Da waren Hagens Sinne · zu keiner Kurzweile gut.
Es ſchmerzte wie den König · ſein fürſtlich Ingeſind,
Was Hagen da geſprochen · hatte von dem Kind.
Daß ſie's vertragen ſollten, · gieng ihnen allen nah;
Noch konnten ſie nicht wißen, · was von dem Recken bald geſchah.
Gar Manche, die es hörten · und ihm trugen Groll,
Hätten ihn gern beſtanden; · der König ſelber wohl,
Wenn er mit Ehren dürfte: · ſo käm der Held in Noth.
Bald that ihm Hagen Aergeres, · er ſchlug ihn ihm vor Augen todt.
Blödels Recken ſtanden · gerüſtet allzumal.
In tauſend Halsbergen · erreichten ſie den Saal,
Wo Dankwart mit den Knechten · an den Tiſchen ſaß.
Da hob ſich unter Helden · der allergrimmigſte Haß.
Als der Degen Blödel · vor die Tiſche gieng,
Dankwart der Marſchall · ihn freundlich empfieng:
„Willkommen hier im Hauſe, · mein Herr Blödelein:
Mich wundert euer Kommen: · ſagt, was ſoll die Märe ſein?“
„Du brauchſt mich nicht zu grüßen,“ · ſprach da Blödelein,
„Denn dieſes mein Kommen · muß dein Ende ſein
Um Hagen deinen Bruder, · der Siegfrieden ſchlug.
Des entgiltſt du bei den Heunen · und andre Helden genug.“
„Nicht doch, mein Herr Blödel,“ · ſprach da Dankwart,
„So möchte ſehr uns reuen · zu Hofe dieſe Fahrt.
Ich war ein Kind, als Siegfried · Leben ließ und Leib:
Nicht weiß ich, was mir wolle · dem König Etzel ſein Weib.“
„Ich weiß dir von der Märe · nicht mehr zu ſagen;
Es thatens deine Freunde, · Gunther und Hagen.
Nun wehrt euch, ihr Armen, · ihr könnt nicht länger leben,
Ihr müßt mit dem Tode · hier ein Pfand Kriemhilden geben.“
„Wollt ihrs nicht laßen?“ · ſprach da Dankwart,
„So gereut mich meines Flehens: · hätt ich das geſpart!“
Der ſchnelle kühne Degen · von dem Tiſche ſprang,
Eine ſcharfe Waffe zog er, · die war gewaltig und lang.
Damit ſchlug er Blödeln · einen ſchwinden Schwertesſchlag,
Daß ihm das Haupt im Helme · vor den Füßen lag.
„Das ſei die Morgengabe,“ · ſprach der ſchnelle Degen,
„Zu Nudungens Witwe, · die du mit Minne ſollteſt pflegen.
„Vermähle man ſie morgen · einem andern Mann:
Will er den Brautſchatz, · wird ihm wie dir gethan.“
Ein getreuer Heune · hatt ihm das hinterbracht,
Wie die Königstochter · auf ihr Verderben gedacht.
Da ſahen Blödels Mannen, · ihr Herr ſei erſchlagen;
Das wollten ſie den Gäſten · länger nicht vertragen.
Mit aufgehobnen Schwertern · auf die Knappen ein
Drangen ſie mit Ingrimm: · das muſte Manchen gereun.
Laut rief da Dankwart · all die Knappen an:
„Ihr ſeht wohl, edle Knechte, · es iſt um uns gethan,
Nun wehrt euch, ihr Armen, · wie euch zwingt die Noth,
Daß ihr ohen Schanden · erliegt in wehrlichem Tod.“
Die nicht Schwerter hatten, · die griffen vor die Bank,
Vom Boden aufzuheben · manchen Schemel lang.
Die Burgundenknechte · wollten nichts vertragen:
Mit ſchweren Stühlen ſah man · ſtarker Beulen viel geſchlagen.
Wie grimm die armen Knappen · ſich wehrten in dem Strauß!
Sie trieben zu dem Hauſe · die Gewaffneten hinaus:
Fünfhundert oder drüber · erlagen drin dem Tod.
Da war das Ingeſinde · vom Blute naß und auch roth.
Dieſe ſchwere Botſchaft · drang in kurzer Zeit
Zu König Etzels Recken: · ihnen wars grimmig leid,
Daß mit ſeinen Mannen · Blödel den Tod gewann;
Das hatte Hagens Bruder · mit den Knechten gethan.
Eh es vernahm der König, · ſtand ſchon ein Heunenheer
In hohem Zorn gerüſtet, · zweitauſend oder mehr.
Sie giengen zu den Knechten, · es muſte nun ſo ſein,
Und ließen des Geſindes · darin nicht Einen gedeihn.
Die Ungetreuen brachten · vors Haus ein mächtig Heer.
Die landloſen Knechte · ſtanden wohl zu Wehr.
Was half da Kraft und Kühnheit? · ſie fanden doch den Tod.
Darnach in kurzer Weile · hob ſich noch grimmere Noth.
Nun mögt ihr Wunder hören · und Ungeheures ſagen:
Neuntauſend Knechte · lagen todt geſchlagen,
Darüber zwölf Ritter · in Dankwartens Lehn.
Man ſah ihn weltalleine · noch bei ſeinen Feinden ſtehn.
Der Lärm war beſchwichtigt, · das Toſen eingeſtellt.
Ueber die Achſel blickte · Dankwart der Held:
Er ſprach: „O weh der Freunde, · die ich fallen ſah!
Nun ſteh ich leider einſam · unter meinen Feinden da.“
Die Schwerter fielen heftig · auf des Einen Leib:
Das muſte bald beweinen · manches Helden Weib.
Den Schild rückt' er höher, · der Riemen ward geſenkt:
Mit rothem Blute ſah man · noch manchen Harniſch getränkt.
„O weh mir dieſes Leides!“ · ſprach Aldrianens Kind.
„Nun weicht, Heunenrecken, · und laßt mich an den Wind,
Daß die Lüfte kühlen · mich ſturmmüden Mann.“
Da drang er auf die Thüre · unter Schlägen herrlich an.
Als der Streitmüde · aus dem Hauſe ſprang,
Wie manches Schwert von Neuem · auf ſeinem Helm erklang!
Die nicht geſehen hatten · die Wunder ſeiner Hand,
Die ſprangen da entgegen · dem aus Burgundenland.
„Nun wollte Gott,“ ſprach Dankwart, · „daß mir ein Bote käm,
Durch den mein Bruder Hagen · Kunde vernähm,
Daß ich vor dieſen Recken · ſteh in ſolcher Noth.
Der hülfe mir von hinnen · oder fände ſelbſt den Tod.“
Da ſprachen Heunenrecken: · „Der Bote muſt Du ſein,
Wenn wir todt dich tragen · vor den Bruder dein.
Dann ſieht erſt ſein Herzeleid · Gunthers Unterthan.
Du haſt dem König Etzel · hier großen Schaden gethan.“
Er ſprach: „Nun laßt das Dräuen · und weicht zurück von mir,
Sonſt netz ich noch Manchem · mit Blut den Harniſch hier.
Ich will die Märe ſelber · hin zu Hofe tragen
Und will meinen Herren · meinen großen Kummer klagen.“
Er verleidete ſo ſehr ſich · dem Volk in Etzels Lehn,
Daß ſie ihn mit Schwertern · nicht wagten zu beſtehn:
Da ſchoßen ſie der Spere · ſo viel ihm in den Rand,
Er muſt ihn ſeiner Schwere · wegen laßen aus der Hand.
Sie wähnten ihn zu zwingen, · weil er den Schild nicht trug;
Hei, was er tiefer Wunden · durch die Helme ſchlug!
Da muſte vor ihm Straucheln · mancher kühne Mann,
Daß ſich viel Lob und Ehre · der kühne Dankwart gewann.
Von beiden Seiten ſprangen · die Gegner auf ihn zu.
Wohl kam ihrer Mancher · in den Kampf zu fruh.
Da gieng er vor den Feinden, · wie ein Eberſchwein
Im Walde thut vor Hunden: · wie möcht er wohl kühner ſein?
Sein Weg war ſtäts aufs Neue · genetzt mit heißem Blut.
Wie konnte je ein Recke · allein wohl ſo gut
Mit ſo viel Feinden ſtreiten, · als hier von ihm geſchehn?
Man ſah Hagens Bruder · herrlich hin zu Hofe gehn.
Truchſäßen und Schenken · vernahmen Schwerterklang:
Gar mancher die Getränke · aus den Händen ſchwang
Oder auch die Speiſen, · die man zu Hofe trug.
Da fand er vor der Stiege · noch ſtarker Feinde genug.
„Wie nun, ihr Truchſäßen?“ · ſprach der müde Degen,
„Nun ſolltet ihr die Gäſte · gütlich verpflegen
Und ſolltet den Herren · die edle Speiſe tragen
Und ließet mich die Märe · meinen lieben Herren ſagen.“
Wer da den Muth gewonnen · und vor die Stieg ihm ſprang,
Deren ſchlug er etlichen · ſo ſchweren Schwertesſchwang,
Daß ihm aus Schreck die Andern · ließen freie Bahn.
Da hatten ſeine Kräfte · viel große Wunder gethan.
Als der kühne Dankwart · unter die Thüre trat
Und Etzels Ingeſinde · zurückzuweichen bat,
Mit Blut war beronnen · all ſein Gewand;
Eine ſcharfe Waffe · trug er bloß an ſeiner Hand.
Gerade in der Stunde, · als Dankwart trat zur Thür,
Trug man Ortlieben · im Saale für und für
Von einem Tiſch zum andern · den Fürſten wohlgeboren:
Durch ſeine ſchlimme Botſchaft · gieng das Kindlein verloren.
Hellauf rief da Dankwart · einem Degen zu:
„Ihr ſitzt, Bruder Hagen, · hier zu lang in Ruh.
Euch und Gott vom Himmel · klag ich unſre Noth:
Ritter und Knechte · ſind in der Herberge todt.“
Der rief ihn hin entgegen: · „Wer hat das gethan?“
„Das that der Degen Blödel · und Die ihm unterthan.
Auch hat ers ſchwer entgolten, · das will ich euch ſagen:
Mit dieſen Händen hab ich · ihm ſein Haupt abgeſchlagen.“
„Das iſt ein kleiner Schade,“ · ſprach Hagen unverzagt,
„Wenn man ſolche Märe · von einem Degen ſagt,
Daß er von Heldenhänden · zu Tode ſei geſchlagen:
Den ſollen deſto minder · die ſchönen Frauen beklagen.
„Nun ſagt mir, lieber Bruder, · wie ſeid ihr ſo roth?
Ich glaube gar, ihr leidet · von Wunden große Noth.
Iſt der wo hier im Lande, · von dem das iſt geſchehn?
Der üble Teufel helf ihm denn: · ſonſt muß es ihm ans Leben gehn.“
„Ihr ſeht mich unverwundet: · mein Kleid iſt naß von Blut.
Das floß nur aus Wunden · andrer Degen gut,
Deren ich ſo Manchen · heute hab erſchlagen,
Wenn ichs beſchwören ſollte, · ich wüſte nicht die Zahl zu ſagen.“
Da ſprach er: „Bruder Dankwart, · ſo hütet uns die Thür
Und laßt von den Heunen · nicht Einen Mann herfür.
So red ich mit den Recken, · wie uns zwingt die Noth:
Unſer Ingeſinde · liegt ohne Schuld von ihnen todt.“
„Soll ich Kämmrer werden?“ · ſprach der kühne Mann,
„Bei ſo reichen Königen ſteht · mir das Amt wohl an:
Der Stiege will ich hüten · nach allen Ehren mein.“
Kriemhildens Recken · konnte das nicht leider ſein.
„Nun nimmt mich doch Wunder,“ · ſprach wieder Hagen,
„Was ſich die Heunen · hier in die Ohren ſagen:
Sie möchten ſein entbehren, · der dort die Thür bewacht
Und der die Hofmären · den Burgunden hat gebracht.
„Ich hörte ſchon lange · von Kriemhilden ſagen,
Daß ſie nicht ungerochen · ihr Herzleid wolle tragen.
Nun trinken wir die Minne · und zahlen Etzels Wein:
Der junge Vogt der Heunen · muß hier der allererſte ſein.“
Ortlieb das Kind erſchlug da · Hagen der Degen gut,
Daß vom Schwerte nieder · zur Hand ihm floß das Blut
Und das Haupt herabſprang · der Köngin in den Schoß.
Da hob ſich unter Degen · ein Morden grimmig und groß.
Darauf dem Hofmeiſter · der des Kindes pflag,
Mit beiden Händen ſchlug · er einen ſchnellen Schlag,
Daß vor des Tiſches Füße · das Haupt ihm niederflog:
Es war ein jämmerlicher Lohn, · den er dem Hofmeiſter wog.
Er ſah vor Etzels Tiſche · einen Spielmann:
Hagen in ſeinem Zorne · lief zu ihm heran.
Er ſchlug ihm auf der Geigen · herab die rechte Hand.
„Das habe für die Botſchaft · in der Burgunden Land.“
„Ach meine Hand,“ ſprach Werbel, · Etzels Spielmann:
„Herr Hagen von Tronje, · was hatt ich euch gethan?
Ich kam in großer Treue · in eurer Herren Land:
Wie kläng ich nun die Töne, · da ich verlor meine Hand?“
Hagen fragte wenig, · und geigt' er nimmermehr.
Da kühlt' er in dem Hauſe · die grimme Mordluſt ſehr
An König Etzels Recken, · deren er viel erſchlug:
Er bracht in dem Saale · zu Tod der Recken genug.
Volker ſein Geſelle · von dem Tiſche ſprang,
Daß laut der Fiedelbogen · ihm an der Hand erklang.
Ungefüge ſiedelte · Gunthers Fiedelmann:
Hei! was er ſich zu Feinden · der kühnen Heunen gewann!
Auch ſprangen von den Tiſchen · die drei Könge hehr.
Sie wolltens gerne ſchlichten, · eh Schadens würde mehr.
Doch ſtrebten ihre Kräfte · umſonſt dawider an,
Da Volker mit Hagen · ſo ſehr zu wüten begann.
Nun ſah der Vogt vom Rheine, · er ſcheide nicht den Streit:
Da ſchlug der König ſelber · manche Wunde weit
Durch die lichten Panzer · den argen Feinden ſein.
Der Held war behende, · das zeigte hier der Augenſchein.
Da kam auch zu dem Streite · der ſtarke Gernot:
Wohl ſchlug er den Heunen · manchen Helden todt
Mit dem ſcharfen Schwerte, · das Rüdeger ihm gab:
Damit bracht er Manche · von Etzels Recken ins Grab.
Der jüngſte Sohn Frau Utens · auch zu dem Streite ſprang:
Sein Gewaffen herrlich · durch die Helme drang
König Etzels Recken · aus der Heunen Land;
Da that viel große Wunder · des kühnen Geiſelher Hand.
Wie tapfer alle waren, · die Könge wie ihr Lehn,
Jedennoch ſah man Volkern · voran all Andern ſtehn
Bei den ſtarken Feinden; · er war ein Degen gut:
Er förderte mit Wunden · Manchen nieder in das Blut.
Auch wehrten ſich gewaltig · Die in Etzels Lehn.
Die Gäſte ſah man hauend · auf und nieder gehn
Mit den lichten Schwertern · durch des Königs Saal.
Allenthalben hörte man · von Wehruf größlichen Schall.
Da wollten die da draußen · zu ihren Freunden drin:
Sie fanden an der Thüre · gar wenig Gewinn;
Da wollten die da drinnen · gerne vor den Saal:
Dankwart ließ keinen · die Stieg empor noch zu Thal.
So hob ſich vor den Thüren · ein ungeſtümer Drang
Und von den Schwerthieben · auf Helme lauter Klang.
Da kam der kühne Dankwart · in eine große Noth:
Das berieth ſein Bruder, · wie ihm die Treue gebot.
Da rief mit lauter Stimme · Hagen Volkern an:
„Seht ihr dort, Geſelle, · vor manchem Heunenmann
Meinen Bruder ſtehen · unter ſtarken Schlägen?
Schützt mir, Freund, den Bruder, · eh wir verlieren den Degen.“
Der Spielmann entgegnete: · „Das ſoll alsbald geſchehn.“
Dann begann er fiedelnd · durch den Saal zu gehn:
Ein hartes Schwert ihm öfters · an der Hand erklang.
Vom Rhein die Recken ſagten · dafür ihm größlichen Dank.
Volker der kühne · zu Dankwarten ſprach:
„Ihr habt erlitten heute · großes Ungemach.
Mich bat euer Bruder, · ich ſollt euch helfen gehn;
Wollt ihr nun draußen bleiben, · ſo will ich innerhalben ſtehn.“
Dankwart der ſchnelle · ſtand außerhalb der Thür:
So wehrt' er von der Stiege, · wer immer trat dafür.
Man hörte Waffen hallen · den Helden an der Hand;
So that auch innerhalben · Volker von Burgundenland.
Da rief der kühne Fiedelmann · über die Menge laut:
„Das Haus iſt wohl verſchloſſen, · ihr, Freund Hagen, ſchaut
Verſchränkt iſt ſo völlig · König Etzels Thür,
Von zweier Helden Händen · gehn ihr wohl tauſend Riegel für.“
Als von Tronje Hagen · die Thüre ſah in Hut,
Den Schild warf zurücke · der ſchnelle Degen gut:
Nun begann er erſt zu rächen · ſeiner Freunde Leid.
Seines Zornes muſt entgelten · mancher Ritter kühn im Streit.
Als der Vogt von Berne · das Wunder recht erſah,
Wie der ſtarke Hagen · die Helme brach allda,
Der Fürſt der Amelungen · ſprang auf eine Bank.
Er ſprach: „Hier ſchenkt Hagen · den allebitterſten Trank.“
Der Wirth war ſehr in Sorgen, · ſein Weib in gleicher Noth.
Was ſchlug man lieber Freunde · ihm vor den Augen todt!
Er ſelbſt war kaum geborgen · vor ſeiner Feinde Schar.
Er ſaß in großen Aengſten: · was half ihm, daß er König war?
Kriemhild die reiche · rief Dietrichen an:
„Hilf mir mit dem Leben, · edler Held, hindann,
Bei aller Fürſten Tugend · aus Amelungenland:
Denn erreicht mich Hagen, · hab ich den Tod an der Hand.“
„Wie ſoll ich euch helfen,“ · ſprach da Dietrich,
„Edle Königstochter? · ich ſorge ſelbſt um mich.
Es ſind ſo ſehr im Zorne · Die Gunthern unterthan,
Daß ich zu dieſer Stunde · Niemand Frieden ſchaffen kann.“
„Nicht alſo, Herr Dietrich, · edler Degen gut:
Laß uns heut erſcheinen · deinen tugendreichen Muth
Und hilf mir von hinnen, · oder ich bleibe todt.
Bring mich und den König · aus dieſer angſtvollen Noth.“
„Ich will es verſuchen, · ob euch zu helfen iſt,
Jedoch ſah ich wahrlich · nicht in langer Friſt
In ſo bitterm Zorne · manchen Ritter gut:
Ich ſeh ja durch die Helme · von Hieben ſpringen das Blut.“
Mit Kraft begann zu rufen · der Ritter auserkorn,
Daß ſeine Stimme hallte · wie ein Büffelhorn
Und daß die weite Veſte · von ſeiner Kraft erſcholl.
Dietrichens Stärke · die war gewaltig und voll.
Da hörte König Gunther · rufen dieſen Mann
In dem harten Sturme. · Zu horchen hub er an:
„Dietrichens Stimme · iſt in mein Ohr gekommen,
Ihm haben unſre Degen · wohl der Seinen wen benommen.
„Ich ſeh ihn auf dem Tiſche · winken mit der Hand.
Ihr Vettern und Freunde · von Burgundenland,
Haltet ein mit Streiten: · laßt hören erſt und ſehn,
Was hier Dietrichen · von meinen Mannen ſei geſchehn.“
Als ſo der König Gunther · bat und auch gebot,
Da ſenkten ſie die Schwerter · in des Streites Noth.
Das war Gewalt bewieſen, · daß Niemand da mehr ſchlug.
Er fragte den von Berne · um die Märe ſchnell genug.
Er ſprach: „Viel edler Dietrich, · was iſt euch geſchehn
Hier von meinen Freunden? · Ihr ſollt mich willig ſehn:
Zur Sühne und zur Buße · bin ich euch bereit.
Was euch Jemand thäte, · das war mir inniglich leid.“
Da ſprach der edle Dietrich: · „Mir iſt nichts geſchehn!
Laßt mich aus dem Hauſe · mit euerm Frieden gehn
Von dieſem harten Streite · mit dem Geſinde mein.
Dafür will ich euch Degen · ſtäts zu Dienſt beflißen ſein.“
„Was müßt ihr alſo flehen?“ · ſprach da Wolfhart,
„Es hält der Fiedelſpieler · die Thür nicht ſo verwahrt,
Wir erſchließen ſie ſo mächtig, · daß man ins Freie kann.“
„Nun ſchweig,“ ſprach da Dietrich, · „du haſt den Teufel gethan.“
Da ſprach der König Gunther: · „Das ſei euch freigeſtellt:
Führt aus dem Hauſe, · ſo viel euch gefällt,
Ohne meine Feinde: · die ſollen hier beſtehn.
Von ihnen iſt mir Leides · bei den Heunen viel geſchehn.“
Als das der Berner hörte, · mit einem Arm umſchloß
Er die edle Königin; · ihre Angſt war groß;
Da führt er an dem andern · Etzeln aus dem Haus.
Auch folgten Dietrichen · ſechshundert Degen hinaus.
Da begann der Markgraf, · der edle Rüdiger:
„Soll aber aus dem Hauſe · noch kommen Jemand mehr,
Der euch doch gerne diente, · ſo macht es mir kund:
So walte ſtäter Friede · in getreuer Freunde Bund.“
Antwort ſeinem Schwäher · gab Geiſelher zuhand:
„Frieden und Sühne · ſei euch von uns bekannt;
Ihr haltet ſtäte Treu, · ihr und euer Lehn,
Ihr ſollt mit euren Freunden · ohne Sorgen hinnen gehn.“
Als Rüdiger der Markgraf · räumte Etzels Saal,
Fünfhundert oder drüber · folgten ihm zumal.
Das ward von den Helden · aus Treue gethan,
Wodurch König Gunther · bald großen Schaden gewann.
Da ſah ein Heunenrecken · König Etzeln gehn
Neben Dietrichen: · des wollt er Frommen ſehn.
Dem gab der Fiedelſpieler · einen ſolchen Schlag,
Daß ihm gleich am Boden · das Haupt vor Etzels Füßen lag.
Als der Wirth des Landes · kam vor des Hauſes Thor,
Da wandt er ſich und blickte · zu Volkern empor:
„O weh mir dieſer Gäſte: · wie iſt das grimme Noth,
Daß alle meine Recken · vor ihnen finden den Tod!“
„Ach weh des Hofgelages!“ · ſprach der König hehr:
„Da drinnen ficht Einer, · der heißt Volker,
Wie ein wilder Eber · und iſt ein Fiedelmann;
Ich dank es meinem Heile, · daß ich dem Teufel entrann.
„Seine Weiſen lauten übel, · ſein Bogenſtrich iſt roth;
Mir ſchlagen ſeine Töne · manchen Helden todt.
Ich weiß nicht, was uns Schuld giebt · derſelbe Fiedelmann,
Daß ich in meinem Leben · ſo leiden Gaſt nicht gewann.“
Zur Herberge giengen · die beiden Recken hehr,
Dietrich von Berne · und Markgraf Rüdiger.
Sie ſelber wollten gerne · des Streits entledigt ſein
Und geboten auch den Degen, · daß ſie den Kampf ſollten ſcheun.
Und hätten ſich die Gäſte · verſehn der Leiden,
Die ihnen werden ſollten · noch von den Beiden,
Sie wären aus dem Hauſe · ſo leicht nicht gekommen,
Eh ſie eine Strafe · von den Kühnen hätten genommen.
Sie hatten, die ſie wollten, · entlaßen aus dem Saal:
Da hob ſich innerhalben · ein furchtbarer Schall.
Die Gäſte rächten bitter · ihr Leid und ihre Schmach.
Volker der kühne, · hei, was der Helme zerbrach!
Sich kehrte zu dem Schalle · Gunther der König hehr:
„Hört ihr die Töne, Hagen, · die dorten Volker
Mit den Heunen fiedelt, · wenn wer zur Thüre trat?
Es iſt ein rother Anſtrich, · den er am Fiedelbogen hat.“
„Es reut mich ohne Maßen,“ · ſprach Hagen entgegen,
„Daß ich je mich ſcheiden · mußte von dem Degen.
Ich war ſein Geſelle, · er der Geſelle mein,
Und kehren wir je wieder heim, · wir wollens noch in Treuen ſein.
„Nun ſchau, hehrer König, · Volker iſt dir hold:
Wie will er verdienen · dein Silber und dein Gold!
Sein Fiedelbogen ſchneidet · durch den harten Stahl,
Er wirft von den Helmen · die hellen Zierden zu Thal.
„Ich ſah nie Fiedelſpieler · noch ſo herrlich ſtehn,
Als dieſen Tag von Volker · dem Degen iſt geſchehn.
Seine Weiſen hallen · durch Helm und Schildesrand:
Gute Roſſe ſoll er reiten · und tragen herrlich Gewand.“
So viel der Heunendegen · auch waren in dem Saal,
Nicht Einer blieb am Leben · von ihnen allzumal.
Da war der Schall beſchwichtigt, · als Niemand blieb zum Streit.
Die kühnen Recken legten · da ihre Schwerter beiſeit.
Da ſetzten ſich aus Müdigkeit · die Herrn und ruhten aus.
Volker und Hagen · die giengen vor das Haus
Ueber den Schild ſich lehnend · in ihrem Uebermuth:
Da pflagen launger Reden · dieſe beiden Helden gut.
Da ſprach von Burgunden · Geiſelher der Degen:
„Noch dürft ihr, lieben Freunde, · nicht der Ruhe pflegen:
Ihr ſollt erſt die Todten · aus dem Hauſe tragen.
Wir werden noch beſtanden, das will ich wahrlich euch ſagen.
„Sie ſollen untern Füßen · uns hier nicht länger liegen,
bevor im Sturm die Heunen · mögen uns beſiegen,
Wir haun noch manche Wunde, · die gar ſanft mir thut.
Des hab ich,“ ſprach da Geiſelher, · „einen willigen Muth.“
„O wohl mir ſolches Herren,“ · ſprach Hagen entgegen.
„Der Rath geziemte Niemand · als einem ſolchen Degen,
Wie unſern jungen Herren · wir heute hier geſehn:
Ihr Burgunden möget · all darob in Freuden ſtehn.
Da folgten ſie dem Rathe · und trugen vor die Thür
Siebentauſend Todte, · die warfen ſie dafür.
Vor des Saales Stiege · fielen ſie zu Thal:
Da erhoben ihre Freunde · mit Jammern kläglichen Schall.
Auch war darunter Mancher · nur ſo mäßig wund,
Käm ihm ſanftre Pflege, · er würde noch geſund;
Doch von dem hohen Falle · fand er nun den Tod.
Das klagten ihre Freunde; · es zwang ſie wahrhafte Noth.
Da ſprach der Fiedelſpieler, · der Degen unverzagt:
„Nun ſeh ich wohl, ſie haben · mir Wahrheit geſagt:
Die Heunen ſind feige, · ſie klagen wie ein Weib,
Da ſie nun pflegen ſollten · der Schwerverwundeten Leib.“
Da mocht ein Markgraf wähnen, · er meint es ernſt und gut:
Ihm war der Vettern Einer · gefallen in das Blut;
Den dacht' er wegzutragen · und wollt ihn ſchon umfahn:
Da ſchoß ob ihm zu Tode · den der kühne Spielmann.
Als das die Andern ſahen, · ſie flohen von dem Saal.
Dem Spielmann zu fluchen · begannen ſie zumal.
Einen Sper hob Volker · vom Boden, ſcharf und hart,
Der von einem Heunen · zu ihm hinauf geſchoßen ward.
Den ſchoß er durch den Burghof · zurück kräftiglich
Ueber ihre Häupter. · Das Volk Etzels wich
Erſchreckt von dem Wurfe · weiter von dem Haus.
Vor ſeinen Kräften hatten · alle Leute Schreck und Graus,
Da ſtand vor dem Hauſe · Etzel mit manchem Mann.
Volker und Hagen · huben zu reden an
Mit dem Heunenkönig · nach ihrem Uebermuth.
Das ſchuf bald große Sorge · dieſen Helden kühn und gut.
„Wohl wär es,“ ſprach da Hagen, · „des Volkes Troſt im Leid,
Wenn die Herren föchten · allen voran im Streit,
Wie von meinen Herren · hier Jeglicher thut:
Die hauen durch die Helme, · daß von den Schwertern fließt das Blut.“
So kühn war König Etzel, · er faßte ſeinen Schild.
„Nun hütet eures Lebens,“ · ſprach da Kriemhild,
„Und bietet Gold den Recken · auf dem Schildesrand,
Denn erreicht euch Hagen, · ihr habt den Tod an der Hand.“
So kühn war der König, · er ließ nicht vom Streit,
Wozu ſo mächtge Fürſten · nun ſelten ſind bereit.
Man muſt ihn bei den Riemen · des Schildes ziehn hindann.
Hagen der grimme · ihn mehr zu höhnen begann:
„Eine nahe Sippe war es,“ · ſprach Hagen gleich zur Hand,
„Die Etzeln zuſammen · und Siegfried verband:
Er minnte Kriemhilden, · eh ſie geſehen dich:
Feiger König Etzel, · warum räthſt du wider mich?“
Dieſe Rede hörte · die edle Königin,
Darüber ward unmuthig · Kriemhild in ihrem Sinn,
Daß er ſie ſchelten durfte · vor manchem Etzelsmann.
Wider die Gäſte · hub ſie aufs Neu zu werben an.
Sie ſprach: „Wer von Tronje · den Hagen mir ſchlüge
Und ſein Haupt als Gabe · her vor mich trüge,
Mit rothem Golde füllt' ich · ihm Etzels Schildesrand;
Auch gäb ich ihm zum Lohne · viel gute Burgen und Land.“
„Ich weiß nicht, was ſie zaudern,“ · ſprach der Fiedelmann.
„Nie ſah ich, daß Helden · ſo verzagt gethan,
Wo man bieten hörte · alſo reichen Sold.
Wohl ſollt ihnen Etzel · nimmer wieder werden hold.
„Die hier mit Schimpf und Schanden · eßen des Königs Brot
Und jetzt im Stich ihn laßen · in der größten Noth,
Deren ſeh ich Manchen · ſo recht verzagt da ſtehn
Und thun doch ſo verwegen: · ſie können nie der Schmach entgehn.“
Der mächtige Etzel hatte · Jammer und Noth:
Er beklagte ſeiner Mannen · und Freunde bittern Tod.
Von manchen Landen ſtanden · ihm Recken viel zur Seit
Und weinten mit dem König · ſein gewaltiges Leid.
Darob begann zu ſpotten · der kühne Volker:
„Ich ſeh hier übel weinen · gar manchen Recken hehr.
Sie helfen ſchlecht dem König · in ſeiner großen Noth.
Wohl eßen ſie mit Schanden · nun ſchon lange hier ſein Brot.“
Da gedachten wohl die Beſten: · „Wahr iſts, was Volker ſagt.“
Von Niemand doch von allen · ward es ſo ſchwer beklagt
Als von Markgraf Iring, · dem Herrn aus Dänenland,
Was ſich nach kurzer Weite · wohl nach der Wahrheit befand.
Da rief der Markgraf Iring · aus der Dänen Land:
„Ich habe nun auf Ehre · die Sinne lang gewandt;
Auch iſt von mir das Beſte · in Stürmen oft geſchehn:
Nun bringt mir mein Gewaffen: · ſo will ich Hagen beſtehn.“
„Das möcht ich widerrathen,“ · hub da Hagen an,
„Sonſt finden mehr zu klagen · Die Etzeln unterthan.
Springen eurer zweie · oder drei in den Saal,
Die ſend ich wohlverhauen · die Stiege wieder zu Thal.“
„Ich wills darum nicht laßen,“ · ſprach wieder Iring:
„Wohl ſchon oft verſucht ich · ein gleich gefährlich Ding.
Wohl will ich mit dem Schwerte · allein dich beſtehn,
Und wär von dir im Streite · mehr als von Jemand geſchehn.“
Da ward gewaffnet Iring · nach ritterlichem Brauch
Und Irnfried der kühne · von Thüringen auch
Und Hawart der ſtarke · wohl mit tauſend Mann:
Sie wollten Iring helfen, · was der Held auch begann.
Da ſah der Fiedelſpieler · ein gewaltig Heer,
Das mit Iringen · gewaffnet zog einher.
Sie trugen aufgebunden · die lichten Helme gut.
Da ward dem kühnen Volker · darüber zornig zu Muth.
„Seht ihr, Freund Hagen, · dort Iringen gehn,
Der euch im Kampf alleine · gelobte zu beſtehn?
Wie ziemt Helden Lüge? · Führwahr, ich tadl es ſehr.
Es gehn mit ihm gewaffnet · tauſend Recken oder mehr.“
„Nun ſtraft mich nicht Lügen,“ · ſprach Hawarts Unterthan,
„Ich will gerne leiſten, · was ich euch kund gethan.
Mein Wort ſoll um Feigheit · nicht gebrochen ſein:
Sei Hagen noch ſo gräulich, · ich beſteh ihn ganz allein.“
Zu Füßen warf ſich Iring · den Freunden und dem Lehn,
Daß ſie allein ihn ließen · den Recken beſtehn.
Das thaten ſie doch ungern, · ihnen war zu wohl bekannt
Der übermütige Hagen · aus der Burgunden Land.
Doch bat er ſie ſo lange, · bis es zuletzt geſchah.
Als das Ingeſinde · ſeinen Willen ſah,
Und daß er warb nach Ehre, · da ließen ſie ihn gehn.
Da ward von den Beiden · ein grimmes Streiten geſehn.
Iring der Däne · hielt hoch empor den Sper,
Sich deckte mit dem Schilde · der theure Degen hehr:
So lief er auf im Sturme · zu Hagen vor den Saal.
Da erhob ſich von den Degen · ein gewaltiger Schall.
Die Spere ſchößen beide · kräftig aus der Hand
Durch die feſten Schilde · auf ihr licht Gewand,
Daß die Sperſplitter · hoch in die Lüfte flogen.
Da griffen zu den Schwertern · die grimmen Degen verwegen.
Die Kraft des kühnen Hagen · war ohne Maßen voll;
Doch ſchlug nach ihm Iring, · daß all die Burg erſcholl.
Der Saal und die Thürme · erhallten von den Schlägen.
Es konnte ſeinen Willen · doch nicht vollführen der Degen.
Iring ließ Hagen · unverwundet ſtehn:
Auf den Fiedelſpieler · begann er loszugehn.
Er wähnt', er ſollt ihn zwingen · mit ſeinen grimmen Schlägen,
Doch wuſte ſich zu ſchirmen · dieſer zierliche Degen.
Da ſchlug der Fiedelſpieler, · daß von des Schildes Rand
Das Geſpänge wirbelte · von Volkers ſtarker Hand.
Den ließ er wieder ſtehen; · es war ein übler Mann:
Jetzt lief er auf Gunther, · den Burgundenkönig, an.
Da war nun Jedweder · zum Streite ſtark genug.
Wie Gunther auf Iring · und der auf Gunther ſchlug,
Das brachte nicht aus Wunden · das fließende Blut.
Ihre Rüſtung wehrt' es, · die war zu feſt und zu gut.
Gunthern ließ er ſtehen · und lief Gernoten an.
Das Feuer aus den Ringen · er ihm zu haun begann.
Da hätte von Burgunden · der ſtarke Gernot
Iring den kühnen · beinah geſandt in den Tod.
Da ſprang er von dem Fürſten; · ſchnell war er genug.
Der Burgunden viere · der Held behend erſchlug,
Des edeln' Heergeſindes · aus Worms an dem Rhein.
Darüber mochte Geiſelher · nicht wohl zorniger ſein.
„Gott weiß, Herr Iring,“ · ſprach Geiſelher das Kind,
„Ihr müßt mir entgelten, · die hier erlegen ſind
Vor euch in dieſer Stunde.“ · Da lief er ihn an
Und ſchlug den Danenhelden, · daß er zu ſtraucheln begann.
Er ſchoß vor ſeinen Händen · nieder in das Blut,
Daß ſie alle wähnten, · dieſer Degen gut
Schlug im Streit nicht wieder · einen Schlag mit ſeinem Schwert.
Doch lag vor Geiſelheren · Iring da noch unverſehrt.
Von des Helmes Schwirren · und von des Schwertes Klang
Waren ſeine Sinne · ſo betäubt und krank,
Daß ſich der kühne Degen · des Lebens nicht beſann.
Das hatt ihm mit den Kräften · der kühne Geiſelher gethan.
Als ihm aus dem Haupte · das Schwirren jetzt entwich,
Von dem mächtgen Schlage · war das erſt fürchterlich,
Da gedacht er: · „Ich lebe und bin auch nirgend wund:
Nun iſt mir erſt die Stärke · des kühnen Geiſelher kund!“
Zu beiden Seiten hört' er · ſeine Feinde ſtehn.
Sie hättens wißen ſollen, · ſo wär ihm mehr geſchehn.
Auch hatt er Geiſelheren · vernommen nahe bei:
Er ſann, wie mit dem Leben · den Feinden zu entkommen ſei.
Wie tobend der Degen · aus dem Blute ſprang!
Er mochte ſeiner Schnelle · wohl ſagen großen Dank.
Da lief er aus dem Hauſe, · wo er Hagen fand,
Und ſchlug ihm ſchnelle Schläge · mit ſeiner kraftreichen Hand.
Da gedachte Hagen: · „Du muſt des Todes ſein.
Befriede dich der Teufel, · ſonſt kannſt du nicht gedeihn.“
Doch traf Iring Hagnen · durch ſeines Helmes Hut.
Das that der Held mit Maske; · das war eine Waffe gut.
Als der grimme Hagen · die Wund an ſich empfand,
Da ſchwenkte ſich gewaltig · das Schwert in ſeiner Hand.
Es muſte vor ihm weichen · Hawarts Unterthan:
Hagen ihm die Stiege · hinab zu folgen begann.
Uebers Haupt den Schildrand · Iring der kühne ſchwang.
Und war dieſelbe Stiege · drei ſolcher Stiegen lang,
Derweil ließ ihn Hagen · nicht ſchlagen einen Schlag.
Hei, was rother Funken · da auf ſeinem Helme lag!
Doch kam zu den Freunden · Iring noch geſund.
Da wurde dieſe Märe · Kriemhilden kund,
Was er dem von Tronje · hatt im Streit gethan;
Dafür die Königstochter · ihm ſehr zu danken begann.
„Nun lohne Gott dir, Iring, · erlauchter Degen gut,
Du haſt mir wohl getröſtet · das Herz und auch den Muth:
Nun ſeh ich blutgeröthet · Hagens Wehrgewand!“
Kriemhild nahm ihm ſelber · den Schild vor Freud aus der Hand.
„Ihr mögt ihm mäßig danken,“ · begann da Hagen,
„Bis jetzt iſt viel Großes · nicht davon zu ſagen;
Verſucht' er es zum andern Mal, · er wär ein kühner Mann.
Die Wunde frommt euch wenig, · die ich noch von ihm gewann.
„Daß ihr von meiner Wunde · mir ſeht den Harniſch roth,
Das hat mich noch erbittert · zu manches Mannes Tod.
Nun bin ich erſt im Zorne · auf ihn und manchen Mann;
Mir hat der Degen Iring · noch kleinen Schaden gethan.“
Da ſtand dem Wind entgegen · Iring von Dänenland;
Er kühlte ſich im Harniſch, · den Helm er niederband.
Da prieſen ihn die Leute · für ſtreitbar und gut:
Darüber trug der Markgraf · nicht wenig hoch ſeinen Muth.
Da ſprach Iring wieder: · „Nun, Freunde, ſollt ihr gehn
Und neue Waffen holen: · ich will noch einmal ſehn,
Ob ich bezwingen möge · den übermüthgen Mann.“
Sein Schild war verhauen, · einen beßern er gewann.
Gewaffnet war der Recke · bald in noch feſtre Wehr.
Er griff in ſeinem Zorne · nach einem ſtarken Sper,
Damit wollt er Hagen · zum drittenmal beſtehn.
Es brächt ihm Ehr und Frommen, · ließ' er das ſich vergehn.
Da wollte ſein nicht harren · Hagen der Degen.
Mit Schüßen und mit Hieben · lief er ihm entgegen
Die Stiege bis zu Ende; · zornig war ſein Muth.
Da kam dem Degen Iring · ſeine Stärke nicht zu gut.
Sie ſchlugen durch die Schilde, · daß es zu lohn begann
Mit feuerrothem Winde. · Hawarts Unterthan
Ward von Hagens Schwerte · da gefährlich wund
Durch Helm und durch Schildrand; · er ward nicht wieder geſund.
Als Iring der Degen · der Wunde ſich beſann,
Den Schild rückte näher · dem Helm der kühne Mann.
Ihn dauchte voll der Schaden, · der ihm war geſchehn;
Bald that ihm aber größern · der in König Gunthers Lehn.
Hagen vor ſeinen Füßen · einen Wurfſpieß liegen fand:
Auf Iringen ſchoß er · den von Dänenland,
Daß man ihm aus dem Haupte · die Stange ragen ſah.
Ein grimmes Ende ward ihm · von dem Uebermüthgen da.
Iring muſt entweichen · zu ſeinen Dänen hin.
Eh man den Helm dem Degen · mochte niederziehn,
Brach man den Sper vom Haupte, · da naht' ihm der Tod.
Das beweinten ſeine Freunde: · es zwang ſie wahrhafte Noth.
Da kam die Königstochter · auch zu ihm heran:
Iring den ſtarken · hub ſie zu klagen an.
Sie beweinte ſeine Wunden: · es war ihr grimmig leid.
Da ſprach vor ſeinen Freunden · dieſer Recke kühn im Streit:
„Laßt eure Klage bleiben, · viel hehre Königin.
Was hilft euer Weinen? · Mein Leben muß dahin
Schwinden aus den Wunden, · die an mir offen ſtehn.
Der Tod will mich nicht länger · euch und Etzeln dienen ſehn.“
Zu Thüringern und Dänen · ſprach er hingewandt:
„Die Gaben, ſo die Königin · euch beut, ſoll eure Hand
Nicht zu erwerben trachten, · ihr lichtes Gold ſo roth
Und beſteht ihr Hagen, · ſo müßt ihr ſchauen den Tod.“
Seine Farbe war erblichen, · des Todes Zeichen trug
Iring der kühne; · ihnen war es leid genug.
Es konnte nicht geſunden · der Held in Hawarts Lehn:
Da muſt es an ein Streiten · von den Dänenhelden gehn.
Irnfried und Hawart · ſprangen vor das Haus
Wohl mit tauſend Helden: · einen ungeſtümen Braus
Vernahm man allenthalben, · kräftig und groß.
Hei! was man ſcharfer Spere · auf die Burgunden ſchoß!
Irnfried der kühne · lief den Spielmann an,
Wodurch er großen Schaden · von ſeiner Hand gewann.
Der edle Fiedelſpieler · den Landgrafen ſchlug
Durch den Helm den feſten: · wohl war er grimmig genug.
Da ſchlug dem grimmen Spielmann · Irnfried einen Schlag,
Daß er den Ringpanzer · dem Helden zerbrach
Und ſich ſein Harniſch färbte · von Funken feuerroth.
Dennoch fiel der Landgraf · vor dem Spielmann in den Tod.
Zuſammen waren Hagen · und Hawart gekommen.
Da mochte Wunder ſchauen, · wer es wahrgenommen.
Die Schwerter fielen kräftig · den Helden an der Hand:
Da muſte Hawart ſterben · vor dem aus Burgundenland.
Die Thüringer und Dänen · ſahn ihre Herren todt.
Da hub ſich vor dem Hauſe · noch grimmere Noth,
Eh ſie die Thür gewannen · mit kraftreicher Hand.
Da ward noch verhauen · mancher Helm und Schildesrand.
„Weichet,“ ſprach da Volker, · „laßt ſie zum Saal herein:
Was ſie im Sinne haben, · kann dennoch nicht ſein.
Sie müßen bald erſterben · allzumal darin:
Sie ernten mit dem Tode, · was ihnen beut die Königin,“
Als die Uebermüthigen · drangen in den Saal,
Das Haupt ward da Manchem · ſo geneigt zu Thal,
Daß er erſterben muſte · vor ihren ſchnellen Schlägen.
Wohl ſtritt der kühne Gernot; · ſo that auch Geiſelher der Degen.
Tauſend und viere · die kamen in das Haus:
Da hörte man erklingen · den hellen Schwerterſaus.
Sie wurden von den Gäſten · alle drin erſchlagen:
Man mochte große Wunder · von den Burgunden ſagen.
Darnach ward eine Stille, · als der Lärm verſcholl.
Das Blut allenthalben · durch die Lücken quoll
Und zu den Riegelſteinen · von den todten Degen:
Das hatten die vom Rheine · gethan mit kräftigen Schlägen.
Da ſaßen wieder rufend · die aus Burgundenland,
Sie legten mit den Schilden · die Waffen aus der Hand.
Da ſtand noch vor dem Hauſe · der kühne Spielmann,
Erwartend, ob noch Jemand · zum Streite zöge heran.
Der König klagte heftig, · dazu die Königin;
Mägdelein und Frauen · härmten ſich den Sinn.
Der Tod, wähn ich, hatte · ſich wider ſie verſchworen:
Drum giengen durch die Gäſte · noch viele der Recken verloren.
„Nun bindet ab die Helme,“ · ſprach Hagen der Degen:
„Ich und mein Geſelle · wollen euer pflegen.
Und verſuchten es noch einmal · Die Etzeln unterthan,
So warn ich meine Herren, · ſo geſchwind ich immer kann.“
Da band den Helm vom Haupte · mancher Ritter gut.
Sie ſetzten auf die Leichen · ſich nieder, die ins Blut
Waren zum Tode · von ihrer Hand gekommen.
Da ward der edeln Gäſte · mit Erbittrung wahrgenommen.
Noch vor dem Abend · ſchuf der König hehr
Und Kriemhild die Königin, · daß es der Heunen mehr
Noch verſuchen muſten; · man ſah vor ihnen ſtehn
Wohl an zwanzigtauſend: · die muſten da zum Kampfe gehn.
Da drang zu den Gäſten · ein harter Sturm heran.
Dankwart, Hagens Bruder, · der kraftvolle Mann,
Sprang von ſeinen Herren · zu den Feinden vor das Thor.
Sie verſahn ſich ſeines Todes; · doch ſah man heil ihn davor.
Das harte Streiten währte, · bis es die Nacht benahm.
Da wehrten ſich die Gäſte · wie Helden lobeſam
Wider Etzels Recken · den ſommerlangen Tag.
Hei! was guter Helden · im Tod vor ihnen erlag!
Zu einer Sonnenwende · der große Mord geſchah:
Ihres Herzens Jammer · rächte Kriemhild da
An ihren nächſten Freunden · und manchem andern Mann,
Wodurch der König Etzel · nie wieder Freude gewann.
Sie hatte nicht geſonnen auf ſolche Mörderſchlacht.
Als ſie den Streit begonnen, · hatte ſie gedacht,
Hagen ſollt alleine · dabei ſein Ende ſehn.
Da ſchuf der böſe Teufel, · über Alle muſt es ergehn.
Der Tag war zerronnen; · ihnen ſchuf nun Sorge Noth.
Sie gedachten, wie doch beßer · war ein kurzer Tod,
Als ſich ſo lang zu quälen · in ungefügem Leid.
Da wünſchten einen Frieden · die großen Ritter allbereit.
Sie baten, daß man brächte · den König vor den Saal.
Die blutrothen Helden, · geſchwärzt vom roſtgen Stahl,
Traten aus dem Hauſe · und die drei Könge hehr.
Sie wuſten nicht, wem klagen · ihres großen Leids Beſchwer.
Etzel und Kriemhild · kamen beide her;
Das Land war ihnen eigen, · drum mehrte ſich ihr Heer.
Er ſprach zu den Gäſten: · „Sagt, was begehrt ihr mein?
Wollt ihr Frieden haben? · das könnte nun ſchwerlich ſein
„Nach ſo großem Schaden, · als ihr mir habt gethan.
Es kommt euch nicht zu Statten, · ſo lang ich athmen kann:
Mein Kind, das ihr erſchluget, · und viel der Freunde mein,
Fried und Sühne ſoll euch · ſtäts dafür geweigert ſein.“
Antwort gab ihm Gunther: · „Uns zwang wohl große Noth.
All mein Geſinde lag · vor deinen Helden todt
In der Herberge: · verdient ich ſolchen Sold?
Ich kam zu dir auf Treue · und wähnte, du warſt mir hold.“
Da ſprach von Burgunden · Geiſelher das Kind:
„Ihr Helden König Etzels, · die noch am Leben ſind,
Wes zeiht ihr mich, ihr Degen? · was hatt ich euch gethan,
Der ich die Fahrt ſo gütlich · zu dieſem Lande begann?“
Sie ſprachen: „Deiner Güte · iſt all die Burg hier voll
Mit Jammer gleich dem Lande; · wir gönnten dir es wohl,
Wärſt du nie gekommen · von Worms überrhein.
Das Land iſt gar verwaiſet · durch dich und die Brüder dein.“
Da ſprach im Zornmuthe · Gunther der Held:
„Wünſcht ihr noch dieß Morden · im Frieden eingeſtellt
Mit uns Heimatloſen, · das iſt uns beiden gut;
Es iſt gar unverſchuldet, · was uns König Etzel thut.“
Der Wirt ſprach zu den Gäſten: · „mein und euer Leid
Sind einander ungleich: · die große Noth im Streit,
Der Schaden und die Schande, · die ich von euch gewann,
Dafür ſoll euer Keiner · mir lebend kommen hindann.“
Da ſprach zu dem König · der ſtarke Gernot:
„So ſoll euch Gott gebieten, · daß ihr die Lieb uns thut:
Weichet von dem Hauſe · und laßt uns zu euch gehn.
Wir wiſſen wohl, bald iſt es · um unſer Leben geſchehn.
„Was uns geſchehen könne, · das laßt ſchnell ergehn:
Ihr habt ſo viel Geſunde, · die dürfen uns beſtehn
Und geben uns vom Streite · Müden leicht den Tod:
Wie lange ſolln wir Recken · bleiben in ſo grimmer Noth?“
Von König Etzels Reden · war es faſt geſchehn,
Daß ſie die Helden ließen · aus dem Saale gehn.
Als das Kriemhild hörte, · es war ihr grimmig leid.
Da war den Heimathloſen · mit Nichten Sühne bereit.
„Nein, edle Recken, · worauf euch ſinnt der Muth,
Ich will euch treulich raten, · daß ihr das nimmer thut,
Daß ihr die Mordgierigen · laßt vor den Saal;
Sonſt müßen eure Freunde · leiden tödtlichen Fall.
„Und lebten nur alleine, · die Utens Söhne' ſind,
Und kämen meine edeln · Brüder an den Wind.
Daß ſie die Panzer kühlten, · ihr alle wärt verloren:
Es wurden kühnre Degen · noch nie auf Erden geboren.“
Da ſprach der junge Geiſelher: · „Viel ſchöne Schweſter mein,
Wie hätt ich dir das zugetraut, · daß du mich überrhein
Her zu Lande ladeteſt · in dieſe große Noth:
Wie möcht ich an den Heunen · hier verdienen den Tod?
„Ich hielt dir ſtäte Treue, · that nie ein Leid dir an:
Ich kam auch her zu Hilfe · geritten in dem Wahn,
Du wärſt mir gewogen, · viel liebe Schweſter mein,
Nun ſchenk uns deine Gnade, · da es anders nicht mag ſein.“
„Ich ſchenk euch keine Gnade, · Ungnad ich ſelbſt gewann:
Mir hat von Tronje Hagen · ſo großes Leid gethan
Daheim, und hier zu Lande · erſchlug er mir mein Kind:
Das müßen ſchwer entgelten, · die mit euch hergekommen ſind.“
Wollt ihr mir aber Hagen · allein zum Geiſel geben,
So will ichs nicht verweigern, · daß ich euch laße leben.
Denn meine Brüder ſeid ihr, · der gleichen Mutter Kind:
So red ich um die Sühne · mit den Helden, die hier ſind.“
„Nicht woll es Gott vom Himmel,“ · ſprach da Gernot.
„Und waren unſer tauſend, · wir wollten alle todt
Vor deinen Freunden liegen · eh wir dir Einen Mann
Hier zu Geiſel gäben: · das wird nimmer gethan.“
„Wir müſten doch erſterben,“ · ſprach da Geiſelher,
„So ſoll uns Niemand ſcheiden · von ritterlicher Wehr.
Wer gerne mit uns ſtritte, · wir ſind noch immer hie:
Verrieth ich meine Treue · an einem Freunde doch nie.“
Da ſprach der kühne Dankwart, · es ziemt' ihm wohl zu ſagen:
„Noch ſteht nicht alleine · hier mein Bruder Hagen.
Die uns den Frieden weigern, · beklagen es noch ſchwer,
Des ſollt ihr inne werden, · ich ſags euch wahrlich vorher.“
Da ſprach die Königstochter: · „Ihr Helden allbereit,
Nun geht der Stiege näher · und rächt unſer Leid.
Das will ich ſtäts verdienen, · wie ich billig ſoll:
Der Uebermuth Hagens, · deſſen lohn ich ihm wohl.
„Laßt keinen aus dem Hauſe · der Degen allzumal:
So laß ich an vier Enden · anzünden hier den Saal.
So wird noch wohl gerochen · all mein Herzeleid.“
König Etzels Recken · ſah man bald dazu bereit.
Die noch draußen ſtanden, · die trieb man in den Saal
Mit Schlägen und mit Schüßen: · da gab es lauten Schall.
Doch wollten ſich nicht ſcheiden · die Fürſten und ihr Heer:
Sie ließen von der Treue · zu einander nicht mehr.
Den Saal in Brand zu ſtecken · gebot da Etzels Weib.
Da quälte man den Helden · mit Feuersglut den Leib.
Das Haus vom Wind ergriffen · gerieth in hohen Brand.
Nie wurde ſolcher Schrecken · noch einem Volksheer bekannt.
Da riefen Viele drinnen: · „O weh dieſer Noth!
Da möchten wir ja lieber · im Sturm liegen todt.
Das möge Gott erbarmen; · wie ſind wir all verlorn!
Wie grimmig rächt die Königin · an uns allen ihren Zorn!“
Da ſprach darinnen Einer: · „Wir finden hier den Tod
Vor Rauch und vor Feuer: · wie grimm iſt dieſe Noth!
Mir thut vor ſtarker Hitze · der Durſt ſo ſchrecklich weh,
Ich fürchte, mein Leben · in dieſen Nöthen zergeh!“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Ihr edlen Ritter gut,
Wen der Durſt will zwingen, · der trinke hier das Blut.
Das iſt in ſolcher Hitze · beßer noch als Wein;
Es mag halt zu trinken · hier nichts Beßeres ſein.“
Hin gieng der Recken Einer, · wo er einen Todten fand:
Er kniet' ihm zu der Wunde, · den Helm er niederband.
Da begann er zu trinken · das fließende Blut.
So wenig ers gewohnt war, · er fand es köſtlich und gut.
„Nun lohn euch Gott, Herr Hagen,“ · ſprach der müde Mann,
„Daß ich von eurer Lehre · ſo guten Trank gewann.
Man ſchenkte mir ſelten · noch einen beßern Wein.
So lang ich leben bleibe · will ich euch ſtäts gewogen ſein.“
Als das die Andern hörten, · es däuchte ihn ſo gut,
Da fanden ſich noch Viele, · die tranken auch das Blut.
Davon kam zu Kräften · der guten Recken Leib:
Des entgalt an lieben Freunden · bald manches waidliche Weib.
Das Feuer fiel gewaltig · auf ſie in den Saal:
Sie wandten mit den Schilden · es von ſich ab im Fall.
Der Rauch und auch die Hitze · ſchmerzten ſie gar ſehr.
Alſo großer Jammer · geſchieht wohl Helden nimmer mehr.
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Stellt euch an die Wand;
Laßt nicht die Brände fallen · auf eurer Helme Band
Und tretet ſie mit Füßen · tiefer in das Blut.
Eine üble Hochzeit iſt es, · zu der die Königin uns lud.“
Unter ſolchen Nöthen · zerrann zuletzt die Nacht.
Noch hielt vor dem Hauſe · der kühne Spielmann Wacht
Und Hagen ſein Geſelle, · gelehnt auf Schildesrand,
Noch größern Leids gewärtig · von Denen aus Etzels Land.
Daß der Saal gewölbt war, · half den Gäſten ſehr;
Dadurch blieben ihrer · am Leben deſto mehr,
Wiewohl ſie an den Fenſtern · von Feuer litten Noth.
Da wehrten ſich die Degen, · wie Muth und Ehre gebot.
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Gehn wir in den Saal:
Da wähnen wohl die Heunen, · wir ſeien allzumal
Von der Qual erſtorben, · die ſie uns angethan:
Dann kommen doch noch Etliche · zum Streit mit ihnen heran.“
Da ſprach von Burgunden · Geiſelher das Kind:
„Ich wähn, es wolle tagen, · ſich hebt ein kühler Wind.
Nun laß uns Gott vom Himmel · noch liebre Zeit erleben!
Eine arge Hochzeit hat uns · meine Schweſter Kriemhild gegeben.“
Da ſprach wieder Einer: · „Ich ſpüre ſchon den Tag.
Wenn es denn uns Degen · nicht beßer werden mag,
So bereitet euch, ihr Recken, · zum Streit, das iſt uns Noth:
Da wir doch nicht entrinnen, · daß wir mit Ehren liegen todt.“
Der König mochte wähnen, · die Gäſte wären todt
Von den Beſchwerden allen · und von des Feuers Noth,
Da lebten doch ſo Kühner · noch drin ſechshundert Mann,
Daß wohl nie ein König · beßre Degen gewann.
Der Heimathloſen Hüter · hatten wohl geſehn,
Daß noch die Gäſte lebten, · was ihnen auch geſchehn
Zu Schaden war und Leide, · den Herrn und ihrem Lehn.
Man ſah ſie in dem Hauſe · noch gar wohl geborgen gehn.
Man ſagte Kriemhilden, · noch Viele lebten drin.
„Wie wäre das möglich,“ · ſprach die Königin,
„Daß noch Einer lebte · nach ſolcher Feuersnoth?
Eher will ich glauben, · ſie fanden Alle den Tod.“
Noch wünſchten zu entkommen · die Fürſten und ihr Lehn,
Wenn an ihnen Gnade · noch jemand ließ' ergehn.
Die konnten ſie nicht finden · in der Heunen Land:
Da rächten ſie ihr Sterben · mit gar williger Hand.
Schon früh am andern Morgen · man ihnen Grüße bot
Mit heftigem Angriff; · wohl ſchuf das Helden Noth.
Zu ihnen aufgeſchoßen · ward mancher ſcharfe Sper;
Doch fanden ſie darinnen · die kühnen Recken wohl zur Wehr.
Dem Heergeſinde Etzels · war erregt der Muth,
Daß ſie verdienen wollten · Frau Kriemhildens Gut
Und alles willig leiſten, · was der Fürſt gebot:
Da muſte bald noch Mancher · von ihnen ſchauen den Tod.
Von Verheißen und von Gaben · mochte man Wunder ſagen:
Sie ließ ihr Gold, das rothe, · auf Schilden vor ſich tragen;
Sie gab es Jedem willig, · Der es wollt empfahn.
Nie wurden wider Feinde · ſo große Schätze verthan.
Gewaffnet trat der Recken · eine große Macht zur Thür.
Da ſprach der Fiedelſpieler. · „Wir ſind noch immer hier:
So gern ſah ich Helden · zum Streiten nimmer kommen,
Als die das Gold des Königs · uns zu verderben genommen.“
Da riefen ihrer Viele: · „Nur näher zu dem Streit!
Da wir doch fallen müßen, · ſo thun wirs gern bei Zeit.
Hier wird Niemand bleiben, · als wer doch ſterben ſoll.“
Da ſtaken ihre Schilde · gleich von Sperſchüßen voll.
Was ſoll ich weiter ſagen? · Wohl zwölfhundert Degen
Verſuchtens auf und nieder · mit ſtarken Schwertesſchlägen.
Da kühlten an den Feinden · die Gäſte wohl den Muth.
Kein Friede war zu hoffen, · drum ſah man fließen das Blut
Aus tiefen Todeswunden: · Deren wurden viel geſchlagen.
Man hörte nach den Freunden · Jeglichen klagen.
Die Biedern ſtarben alle · dem reichen König hehr:
Da hatten liebe Freunde · nach ihnen Leid und Beſchwer.
Die Heimathloſen hatten · am Morgen viel gethan.
Der Gemahl Gotlindens · kam zu Hof heran
Und ſah auf beiden Seiten · des großen Leids Beſchwer:
Darüber weinte inniglich · der getreue Rüdiger.
„O weh, daß ich das Leben,“ · ſprach der Held, „gewann
Und dieſem großen Jammer · nun Niemand wehren kann.
So gern ich Frieden ſchüfe, · der König gehts nicht ein,
Da ihm das Unheil ſtärker, · immer ſtärker bricht herein.“
Zu Dietrichen ſandte · der gute Rüdiger,
Ob ſie's noch könnten wenden · von den Köngen hehr?
Da entbot ihm Der von Berne: · „Wer möcht ihm widerſtehn?
Es will der König Etzel · keine Sühne mehr ſehn.“
Da ſah ein Heunenrecke · Rüdigern da ſtehn
Mit weinenden Augen, · wie er ihn oft geſehn.
Er ſprach zu der Königin: · „Nun ſeht, wie er da ſteht
Den ihr und König Etzel · vor allen Andern habt erhöht
„Und dem doch alles dienet, · die Leute wie das Land.
Wie ſind ſo viel der Burgen · an Rüdigern gewandt,
Deren er ſo manche · von dem König haben mag!
Er ſchlug in dieſen Stürmen · noch keinen löblichen Schlag.
„Mich dünkt, ihn kümmert wenig, · was hier mit uns geſchieht,
Wenn er nach ſeinem Willen · bei ſich die Fülle ſieht.
Man rühmt, er wäre kühner, · als Jemand möge ſein:
Das hat uns ſchlecht bewieſen · in dieſer Noth der Augenſchein.“
Mit traurigem Muthe · der vielgetreue Mann,
Den er ſo reden hörte, · den Heunen ſah, er an.
Er dachte: „Das entgiltſt du; · du ſagſt, ich ſei verzagt:
Da haſt du deine Mären · zu laut bei Hofe geſagt.“
Er zwang die Fauſt zuſammen: · da lief er ihn an
Und ſchlug mit ſolchen Kräften · den Heuniſchen Mann,
Daß er ihm vor die Füße · niederſtürzte todt.
Da war gemehrt aufs Neue · dem König Etzel die Noth.
„Fahr hin, verzagter Böſewicht,“ · ſprach da Rüdiger,
„Ich hatte doch des Leides · genug und der Beſchwer.
Daß ich hier nicht fechte, · was rügſt du mir das?
Wohl trüg auch ich den Gäſten · mit Grunde feindlichen Haſs,
„Und alles, was ich könnte, · thät ich ihnen an,
Hätt ich nicht hieher geführt · Die Gunthern unterthan.
Ich war ihr Geleite · in meines Herren Land:
Drum darf ſie nicht beſtreiten · meine unſelge Hand.“
Da ſprach zum Markgrafen · Etzel der König hehr:
„Wie habt ihr uns geholfen, · viel edler Rüdiger!
Wir hatten doch der Todten · ſo viel in dieſem Land,
Daß wir nicht mehr bedurften: mit Unrecht ſchlug ihn eure Hand.“
Da ſprach der edle Ritter: · „Er beſchwerte mir den Muth
Und hat mir beſcholten · die Ehre wie das Gut,
Des ich aus deinen Händen · ſo große Gaben nahm,
Was nun dem Lügenbolde · übel auch zu Statten kam.“
Da kam die Königstochter, · die hatt es auch geſehn,
Was von des Helden Zorne · dem Heunen war geſchehn.
Sie beklagt' es ungefüge, · ihre Augen wurden naß.
Sie ſprach zu Rüdigern: · Wie verdienten wir das,
„Daß ihr mir und dem König · noch mehrt unſer Leid?
Ihr habt uns, edler Rüdiger, · verheißen allezeit,
Ihr wolltet für uns wagen · die Ehre wie das Leben;
Auch hört ich viel der Recken · den Preis des Muthes euch geben.“
„Ich mahn euch nun der Treue, · die mir ſchwur eure Hand,
Da ihr mir zu Etzeln riethet, · Ritter auserkannt,
Daß ihr mir dienen wolltet · bis an unſern Tod.
Des war mir armen Weibe · noch niemals ſo bitter Noth.“
„Das kann ich nicht läugnen, · ich ſchwur euch, Königin,
Die Ehre wie das Leben · gäb ich für euch dahin:
Die Seele zu verlieren · hab ich nicht geſchworen.
Zu dieſem Hofgelage · bracht ich die Fürſten wohlgeboren.“
Sie ſprach: „Gedenke, Rüdiger, · der hohen Eide dein
Von deiner ſtäten Treue, · wie du den Schaden mein
Immer wollteſt rächen · und wenden all mein Leid.“
Der Markgraf entgegnete: „Ich war euch ſtäts zu Dienſt bereit.“
Etzel der reiche · hub auch zu flehen an.
Da warfen ſie ſich beide · zu Füßen vor den Mann.
Den guten Markgrafen · man da in Kummer ſah;
Der vielgetreue Recke · jammervoll begann er da:
„O weh mir Unſelgem, · muß ich den Tag erleben!
Aller meiner Ehren · ſoll ich mich nun begeben,
Aller Zucht und Treue, · die Gott mir gebot;
O weh, Herr des Himmels, · daß mirs nicht wenden will der Tod!
„Welches ich nun laße, · das Andre zu begehn,
So iſt doch immer übel · und arg von mir geſchehn.
Was ich thu und laße, · ſo ſchilt mich alle Welt.
Nun möge mich erleuchten, · der mich dem Leben geſellt!“
Da baten ihn ſo dringend · der König und ſein Weib,
Daß bald viel Degen muſten · Leben und Leib
Von Rüdgers Hand verlieren · und ſelbſt Der Held erſtarb.
Nun mögt ihr bald vernehmen, · welchen Jammer er erwarb.
Er wuſte wohl nur Schaden · und Leid ſei ſein Gewinn.
Er hätt es auch dem König · und der Königin
Gern verſagen wollen: · der Held beſorgte ſehr,
Erſchlug er ihrer Einen, · daß er der Welt ein Greuel wär.
Da ſprach zu dem Könige · dieſer kühne Mann:
„Herr Etzel, nehmt zurücke, · was ich von euch gewann,
Das Land mit den Burgen; · bei mir ſoll nichts beſtehn:
Ich will auf meinen Füßen · hinaus in das Elend gehn.
„Alles Gutes ledig · räum ich euer Land,
Mein Weib und meine Tochter · nehm ich an die Hand,
Eh ich ſo ohne Treue · entgegen geh dem Tod:
Das hieß' auf üble Weiſe · verdienen euer Gold ſo roth.“
Da ſprach der König Etzel: · „Wer aber hülfe mir?
Mein Land mit den Leuten, · das alles geb ich dir,
Daß du mich rächeſt, Rüdiger, · an den Feinden mein:
Du ſollſt neben Etzeln · ein gewaltger König ſein.“
Da ſprach wieder Rüdiger: · „Wie dürft ich ihnen ſchaden?
Heim zu meinem Hauſe · hab ich ſie geladen;
Trinken und Speiſe · ich ihnen gütlich bot,
Dazu meine Gabe; · und ſoll ich ſie nun ſchlagen todt?
„Die Leute mögen wähnen, · ich ſei zu verzagt.
Keiner meiner Dienſte · war ihnen je verſagt:
Sollt ich ſie nun bekämpfen, · das wär nicht wohl gethan.
So reute mich die Freundſchaft, · die ich an ihnen gewann.
„Geiſelher dem Degen · gab ich die Tochter mein:
Sie konnt auf Erden nimmer · beßer verwendet ſein,
Seh ich auf Zucht und Ehre, · auf Treu oder Gut.
Nie ein ſo junger König · trug wohl tugendreichern Muth.“
Da ſprach wieder Kriemhild: · „Viel edler Rüdiger,
Nun laß dich erbarmen · unſres Leids Beſchwer,
Mein und auch des Königs; · gedenke wohl daran,
Daß nie ein Wirth auf Erden · ſo leide Gäſte gewann.“
Da begann der Markgraf · zu der Köngin hehr:
„Heut muß mit dem Leben · entgelten Rüdiger,
Was ihr und der König · mir Liebes habt gethan:
Dafür muß ich ſterben, · es ſteht nicht länger mehr an.
„Ich weiß, daß noch heute · meine Burgen und mein Land
Euch ledig werden müßen · von dieſer Helden Hand.
So befehl ich euch auf Gnade · mein Weib und mein Kind
Und all die Heimathloſen, · die da zu Bechlaren find.“
„Nun lohne Gott dir, Rüdiger!“ · der König ſprach da ſo;
Er und die Königin, · ſie wurden beide froh.
„Uns ſeien wohlbefohlen · alle Leute dein;
Auch trau ich meinem Heile, · du ſelber werdeſt glücklich ſein.“
Da ſetzt' er auf die Wage · die Seele wie den Leib.
Da begann zu weinen · König Etzels Weib.
Er ſprach: „Ich muß euch halten · den Eid, den ich gethan.
O weh meiner Freunde! · wie ungern greif ich ſie an.“
Man ſah ihn von dem König · hinweggehn trauriglich.
Da fand er ſeine Recken · nahe ſtehn bei ſich:
Er ſprach: „Ihr ſollt euch waffnen, · ihr All in meinem Lehn:
Die kühnen Burgunden · muß ich nun leider beſtehn.“
Nach den Gewaffen riefen · die Helden allzuhand,
Ob es Helm wäre · oder Schildesrand,
Von dem Ingeſinde · ward es herbeigetragen.
Bald hörten leide Märe · die ſtolzen Fremdlinge ſagen.
Gewaffnet ward da Rüdiger · mit fünfhundert Mann;
Darüber zwölf Recken · zu Hülf er ſich gewann.
Sie wollten Preis erwerben · in des Sturmes Noth:
Sie wuſten nicht die Märe, · wie ihnen nahe der Tod.
Da ſah man unterm Helme · den Markgrafen gehn.
Scharfe Schwerter trugen · Die in Rüdgers Lehn,
Dazu vor den Händen · die lichten Schilde breit.
ſah der Fiedelſpieler: · dem war es ohne Maßen leid.
Da ſah der junge Geiſelher · ſeinen Schwäher gehn
Mit aufgebundnem Helme. · Wie mocht er da verſtehn,
Wie er damit es meine, · es ſei denn treu und gut?
Da gewann der edle König · von Herzen fröhlichen Muth.
„Nun wohl mir ſolcher Freunde,“ · ſprach da Geiſelher,
„Wie wir gewonnen haben · auf der Fahrt hieher.
Meines Weibes willen · iſt uns Hülfe nah:
Lieb iſt mir, meiner Treue, · daß dieſe Heirath geſchah.“
„Wes ihr euch wohl tröſtet“ · ſprach der Fiedelmann:
„Wann ſaht ihr noch zur Sühne · ſo viel der Helden nahn
Mit aufgebundnen Helmen, · die Schwerter in der Hand?
Er will an uns verdienen · ſeine Burgen und ſein Land.“
Eh der Fiedelſpieler · die Rede ſprach vollaus,
Den edeln Markgrafen · ſah man ſchon vor dem Haus.
Seinen Schild den guten · ſetzt' er vor den Fuß:
Da muſt er ſeinen Freunden · verſagen dienſtlichen Gruß.
Rüdiger der edle · rief da in den Saal:
„Ihr Kühnen Nibelungen, · nun wehrt euch allzumal.
Ihr ſolltet mein genießen, · ihr entgeltet mein:
Wir waren ehmals Freunde: · der Treue will ich ledig ſein.“
Da erſchraken dieſer Märe · die Nothbedrängten Schwer.
Ihnen war der Troſt entſunken, · den ſie gewähnt vorher,
Da ſie beſtreiten wollte, · dem Jeder Liebe trug.
Sie hatten von den Feinden · ſchon Leid erfahren genug.
„Das verhüte Gott vom Himmel!“ · ſprach Gunther der Degen,
„Daß ihr eurer Freundſchaft, trätet ſo entgegen
Und der großen Treue, · darauf uns ſann der Muth:
Ich will euch wohl vertrauen, · daß ihr das nimmermehr tuth.
„Es iſt nicht mehr zu wenden,“ · ſprach der kühne Mann:
„Ich muß mit euch ſtreiten, · wie ich den Schwur gethan.
Nun wehrt euch, kühne Degen, · wenn euch das Leben werth,
Da mir die Königstochter · nicht andre Willkür gewährt.“
„Ihr widerſagt uns nun zu ſpät,“ · ſprach der König hehr.
„Nun mög euch Gott vergelten, · viel edler Rüdiger,
Die Treu und die Liebe, · die ihr uns habt gethan,
Wenn ihr bis ans Ende · auch halten wolltet daran.
„Wir wollen ſtäts euch danken, · was ihr uns habt gegeben,
Ich und meine Freunde, · laßet ihr uns leben,
Der herrlichen Gaben, · als ihr uns brachtet her
In Etzels Land mit Treue: · des gedenket, edler Rüdiger.“
„Wie gern ich euch das gönnte,“ · ſprach Rüdiger der Degen,
„Daß ich euch meiner Gabe · die Fülle dürfte wägen
Nach meinem Wohlgefallen; · wie gerne that ich das,
So es mir nicht erwürbe · der edeln Königin Haß!“
„Laßt ab, edler Rüdiger,“ · ſprach wieder Gernot,
„Nie ward ein Wirth gefunden, · der es den Gäſten bot
So freundlich und ſo gütlich, · als uns von euch geſchehn.
Des ſollt ihr auch genießen, · ſo wir lebendig entgehn.“
„Das wollte Gott,“ ſprach Rüdiger, · „viel edler Gernot,
„Daß ihr am Rheine wäret, · und ich wäre todt.
So rettet' ich die Ehre, · da ich euch ſoll beſtehn!
Es iſt noch nie an Degen · von Freunden übler geſchehn.“
„Nun lohn euch Gott, Herr Rüdiger,“ · ſprach wieder Gernot,
„Eurer reichen Gabe. · Mich jammert euer Tod,
Soll an euch verderben · ſo tugendlicher Muth.
Hier trag ich eure Waffe, · die ihr mir gabet, Degen gut.
„Sie hat mir noch nie verſagt · in all dieſer Noth:
Es fiel vor ihrer Schärfe · mancher Ritter todt.
Sie iſt ſtark und lauter, · herrlich und gut:
Gewiſs, ſo reiche Gabe · kein Recke je wieder thut.
„Und wollt ihr es nicht meiden · und wollt ihr uns beſtehn,
Erſchlagt ihr mir die Freunde, · die hier noch bei mir ſtehn,
Mit euerm Schwerte nehm ich · Leben euch und Leib.
So reut ihr mich, Rüdiger, · und euer herrliches Weib.“
„Das wolle Gott, Herr Gernot, · und möcht es geſchehn,
Daß hier nach euerm Willen · Alles könnt ergehn
Und euern Freunden bleiben · Leben möcht und Leib,
Euch ſollten wohl vertrauen · meine Tochter und mein Weib.“
Da ſprach von Burgunden · der ſchönen Ute Kind:
„Wie thut ihr ſo, Herr Rüdiger? · Die mit mir kommen ſind,
Die ſind euch all gewogen; · ihr greift übel zu:
Eure ſchöne Tochter · wollt ihr verwitwen allzufruh.
„Wenn ihr und eure Recken · mich wollt im Streit beſtehn,
Wie wär das unfreundlich, · wie wenig ließ' es ſehn,
Daß ich euch vertraute · vor jedem andern Mann,
Als ich eure Tochter · mir zum Weibe gewann.“
„Gedenkt eurer Treue,“ · ſprach da Rüdiger.
Und ſchickt euch Gott von hinnen, · viel edler König hehr,
„So laßt es nicht entgelten · die liebe Tochter mein:
Bei aller Fürſten Tugend · geruht ihr gnädig zu ſein.“
„So ſollt ichs billig halten,“ · ſprach Geiſelher das Kind;
„Doch meine hohen Freunde, · die noch im Saal hier ſind,
Wenn die von euch erſterben, · ſo muß geſchieden ſein
Dieſe ſtäte Freundſchaft · zu dir und der Tochter dein.“
„Nun möge Gott uns gnaden,“ · ſprach der kühne Mann.
Da hoben ſie die Schilde · und wollten nun hinan
Zu ſtreiten mit den Gäſten · in Kriemhildens Saal.
Laut rief da Hagen · von der Stiege her zu Thal:
„Verzieht noch eine Weile, · viel edler Rüdiger,“
Alſo ſprach da Hagen: · „wir reden erſt noch mehr,
Ich und meine Herren, · wie uns zwingt die Noth.
Was hilft es Etzeln, finden · wir in der Fremde den Tod?
„Ich ſteh in großen Sorgen,“ · ſprach wieder Hagen,
„Der Schild, den Frau Gotlind · mir gab zu tragen,
Den haben mir die Heunen · zerhauen vor der Hand;
Ich bracht ihn doch in Treuen · her in König Etzels Land.
„Daß es Gott vom Himmel · vergönnen wollte,
Daß ich ſo guten Schildrand · noch tragen ſollte,
Als du haſt vor den Händen, · viel edler Rüdiger:
So bedürft ich in dem Sturme · keiner Halsberge mehr.“
„Wie gern wollt ich dir dienen · mit meinem Schilde,
Dürft ich dir ihn bieten · vor Kriemhilde.
Doch nimm ihn hin, Hagen, · und trag ihn an der Hand:
Hei! dürfteſt du ihn führen · heim in der Burgunden Land!“
Als er den Schild ſo willig · zu geben ſich erbot,
Die Augen wurden Vielen · von heißen Thränen roth.
Es war Die letzte Gabe: · es dürft hinfort nicht mehr
Einem Degen Gabe bieten · von Bechlaren Rüdiger.
Wie grimmig auch Hagen, · wie hart auch war ſein Muth,
Ihn erbarmte doch die Gabe, · die der Degen gut
So nah ſeinem Ende · noch hatt an ihn gethan.
Mancher edle Ritter · mit ihm zu trauern begann.
„Nun lohn euch Gott im Himmel, · viel edler Rüdiger.
Es wird eures Gleichen · auf Erden nimmermehr,
Der heimathloſen Degen · ſo milde Gabe gebe.
So möge Gott gebieten, · daß eure Milde immer lebe.“
„O weh mir dieſer Märe,“ · ſprach wieder Hagen.
„Wir hatten Herzensſchwere · ſchon ſo viel zu tragen:
Das müße Gott erbarmen, · gilts uns mit Freunden Streit!“
Da ſprach der Markgraf wieder: · „Das iſt mir inniglich leid.“
„Nun lohn ich euch die Gabe, · viel edler Rüdiger:
Was euch auch widerfahre · von dieſen Recken hehr,
Es ſoll euch nicht berühren · im Streit meine Hand,
Ob ihr ſie all erſchlüget · Die von der Burgunden Land.“
Da neigte ſich ihm dankend · der gute Rüdiger.
Die Leute weinten alle: · Daß nicht zu wenden mehr
Dieſer Herzensjammer, · das war zu große Noth.
Der Vater aller Tugend · fand an Rüdiger den Tod.
Da ſprach von der Stiege · Volker der Fiedelmann:
„Da mein Geſelle Hagen · euch trug den Frieden an,
So biet ich auch ſo ſtäten · euch von meiner Hand.
Das habt ihr wohl verdient an uns, · da wir kamen in das Land.
„Viel edler Markgraf, · mein Bote werdet hier:
Dieſe rothen Spangen · gab Frau Gotlinde mir,
Daß ich ſie tragen ſollte · bei dieſer Luſtbarkeit:
Ich thu es, ſchauet ſelber, · daß ihr des mein Zeuge ſeid.“
„Wollt es Gott vom Himmel,“ · ſprach da Rüdiger,
„Daß euch die Markgräfin · noch geben dürfte mehr.
Die Märe ſag ich gerne · der lieben Trauten mein,
Seh ich geſund ſie wieder: · Des ſollt ihr außer Zweifel ſein.“
Nach dieſem Angeloben · Den Schild hob Rüdiger,
Sein Muth begann zu toben: · nicht länger ſäumt' er mehr.
Auf lief er zu den Gäſten · wohl einem Recken gleich.
Viel kraftvolle Schläge · ſchlug da dieſer Markgraf reich.
Volker und Hagen · traten beiſeit,
Wie ihm verheißen hatten · die Degen allbereit.
Noch traf er bei den Thüren · ſo manchen Kühnen an,
Daß Rüdiger die Feindſchaft · mit großen Sorgen begann.
Aus Mordbegierde ließen · ihn ins Haus hinein
Gernot und Gunther; · das mochten Helden ſein.
Zurück wich da Geiſelher: · fürwahr, es war ihm leid;
Er verſah ſich noch des Lebens, · drum mied er Rüdigern im Streit.
Da ſprangen zu den Feinden · Die in Rüdgers Lehn.
Hinter ihrem Herren · ſah man ſie kühnlich gehn.
Schneidende Waffen · trugen ſie an der Hand:
Da zerbrachen viel der Helme · und mancher herrliche Rand.
Da ſchlugen auch die Müden · noch manchen ſchnellen Schlag
Auf die von Bechlaren, · der tief und eben brach
Durch die feſten Panzer · und drang bis auf das Blut.
Sie frommten in dem Sturme · viel Wunder herrlich und gut.
Das edle Heergeſinde · war alle nun im Saal.
Volker und Hagen · die ſprangen hin zumal:
Sie gaben Niemand Frieden · als dem Einen Mann.
Das Blut von ihren Hieben · von den Helmen niederrann.
Wie da der Schwerter Toſen · ſo grimmig erklang,
Daß unter ihren Schlägen · das Schildgeſpänge ſprang!
Die Schildſteine rieſelten · getroffen in das Blut.
Da fochten ſie ſo grimmig, · wie man es nie wieder thut.
Der Vogt von Bechlaren · ſchuf hin und her ſich Bahn,
Wie Einer der mit Ungeſtüm · im Sturme werben kann.
Des Tages ward an Rüdiger · herrlich offenbar,
Daß er ein Recke wäre, · kühn und ohne Tadel gar.
Hier ſtanden dieſe Recken, · Gunther und Gernot,
Sie ſchlugen in dem Streite · viel der Helden todt.
Geiſelhern und Dankwart · am Heile wenig lag:
Da brachten ſie noch Manchen · hin zu ſeinem jüngſten Tag.
Wohl erwies auch Rüdiger, · daß er ſtark war genug,
Kühn und wohl gewaffnet: · hei, was er Helden ſchlug!
Das ſah ein Burgunde, · da ſchuf der Zorn ihm Noth:
Davon begann zu nahen · des edeln Rüdiger Tod.
Gernot der ſtarke · rief den Helden an.
Er ſprach zum Markgrafen: · „Ihr wollt mir keinen Mann
Der Meinen leben laßen, · viel edler Rüdiger.
Das ſchmerzt mich ohne Maßen: · ich ertrag es nicht länger mehr.
„Nun mag euch eure Gabe wohl · zu Unſtatten kommen,
Da ihr mir der Freunde · habt ſo viel genommen.
Nun bietet mir die Stirne, · ihr edler kühner Mann:
So verdien ich eure Gabe, · ſo gut ich immer nur kann.“
Bevor da der Markgraf · zu ihm gedrungen war.
Ward noch getrübt vom Blute · manch lichter Harniſch klar.
Da liefen ſich einander · die Ehrbegiergen an:
jedweder ſich zu ſchirmen · vor ſtarken Wunden begann.
Doch ſchnitten ihre Schwerter, · es ſchützte nichts dagegen.
Da ſchlug den König Gernot · Rüdiger der Degen
Durch den ſteinharten Helm, · daß niederfloß das Blut:
Das vergalt alsbald ihm · dieſer Ritter kühn und gut.
Hoch ſchwang er Rüdgers Gabe, · die in der Hand ihm lag;
Wie wund er war zum Tode, · er ſchlug ihm einen Schlag
Auf des Helmes Bänder · und durch den feſten Schild,
Davon erſterben muſte · der gute Rüdiger mild.
So reicher Gabe übler · gelohnt ward nimmermehr.
Da fielen beid erſchlagen, · Gernot und Rüdiger,
Im Sturm gleichermaßen · von beider Kämpfer Hand.
Da erſt ergrimmte Hagen, · als er den großen Schaden fand.
Da ſprach der Held von Tronje: · „Es iſt uns ſchlimm bekommen.
So großen Schaden haben wir · an den Zwein genommen,
Daß wir ihn nie verwinden, · ihr Volk noch ihr Land.
Uns Heimathloſen bleiben · nun Rüdgers Helden zu Pfand.“
Da wollte Keiner weiter · dem Andern was vertragen:
Mancher ward darnieder · unverletzt geſchlagen,
Der wohl noch wär geneſen: · ob ihm war ſolcher Drang,
Wie heil er ſonſt geweſen, · daß er im Blute doch ertrank.
„Weh mir um den Bruder! · der fiel hier in den Tod.
Was mir zu allen Stunden · für leide Märe droht!
Auch muß mich immer reuen · mein Schwäher Rüdiger:
Der Schad iſt beidenthalben · und großen Jammers Beſchwer.“
Als der junge Geiſelher · ſah ſeinen Bruder todt,
Die noch im Saale waren, · die muſten leiden Noth.
Der Tod ſuchte eifrig, · wo ſein Geſinde wär:
Deren von Bechelaren · entgieng kein Einziger mehr.
Gunther und Hagen · und auch Geiſelher,
Dankwart und Volker, · die guten Degen hehr,
Die giengen zu der Stelle, · wo man ſie liegen fand:
Wie jämmerlich da weinten · dieſe Helden auserkannt!
„Der Tod beraubt uns übel,“ · ſprach Geiſelher das Kind.
„Nun laßt euer Weinen · und gehn wir an den Wind,
Daß ſich die Panzer kühlen · uns ſtreitmüden Degen:
Es will nicht Gott vom Himmel, · daß wir länger leben mögen.“
Den ſitzen, den ſich lehnen · ſah man manchen Mann.
Sie waren wieder müßig. · Die Rüdgern unterthan
Waren all erlegen; · verhaßt war das Getos.
So lange blieb es ſtille, · daß es Etzeln verdroß.
„O weh dieſes Leides!“ · ſprach die Königin.
„Sie ſprechen allzulange; · unſre Feinde drin
Mögen wohl heil verbleiben · vor Rüdigers Hand:
Er will ſie wiederbringen · heim in der Burgunden Land.
„Was hilfts, König Etzel, · daß wir an ihn vertan,
Was er nur begehrte? · Er that nicht wohl daran:
Der uns rächen ſollte, · der will der Sühne pflegen.“
Da gab ihr Volker Antwort, · dieſer zierliche Degen:
„Dem iſt nicht alſo leider, · viel edel Königsweib.
Und dürft ich Lügen ſtrafen · ein ſo hehres Weib,
So hättet ihr recht teufliſch · Rüdigern verlogen.
Er und ſeine Degen · ſind um die Sühne gar betrogen.
„So williglich vollbracht er, · was ihm ſein Herr gebot,
Daß er und ſein Geſinde · hier fielen in den Tod.
Nun ſeht euch um, Frau Kriemhild, · wem ihr gebieten wollt:
Euch war bis an ſein Ende · Rüdiger getreu und hold.
„Wollt ihr mir nicht glauben, · ſo ſchaut es ſelber an.“
Zu ihrem Herzeleide · ward es da gethan:
Man trug ihn hin erſchlagen, · wo ihn der König ſah.
König Etzels Mannen · wohl nimmer leider geſchah.
Da ſie den Markgrafen · todt ſahn vor ſich tragen,
Da vermöcht euch kein Schreiber · zu ſchildern noch zu ſagen
Die ungebärdge Klage · ſo von Weib als Mann,
Die ſich aus Herzensjammer · da zu erzeigen begann.
König Etzels Jammern · war ſo ſtark und voll,
Wie eines Löwen Stimme · dem reichen König ſcholl
Der Wehruf der Klage; · auch ihr ſchufs große Noth;
Sie weinten übermäßig · um des guten Rüdger Tod.
Der Jammer allenthalben · zu ſolchem Maße ſchwoll,
Daß von der Wehklage · Pallas und Thurm erſcholl.
Da vernahm es auch ein Berner, · Dietrichs Unterthan:
Der ſchweren Botſchaft willen · wie eilends kam er heran!
Da ſprach er zu dem Fürſten: · „Hört mich, Herr Dieterich,
Was ich noch je erlebte, · ſo herzensjämmerlich
Hört ich noch niemals klagen, · als ich jetzt vernahm.
Ich glaube, daß der König · nun ſelber zu der Hochzeit kam,
„Wie wären ſonſt die Leute · all in ſolcher Noth?
Der König oder Kriemhild · Eins ward dem Tod
Von den kühnen Gäſten · in ihrem Zorn geſellt.
Es weint übermäßig · mancher auserwählte Held.“
Da ſprach der Vogt von Berne: „Ihr Getreun in meinem Lehn,
Seid nicht allzu eilig: · was hier auch iſt geſchehn
Von den Heimathloſen, · ſie zwang dazu die Noth:
Nun laßt ſie des genießen, · daß ich ihnen Frieden bot.“
Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Ich will zum Saale gehn,
Der Märe nachzufragen, · was da ſei geſchehn,
Und will euch dann berichten, · viel lieber Herre mein,
Wenn ich es dort erkunde, · wie die Sache möge ſein.“
Da ſprach der edle Dietrich: · „Wenn man ſich Zorns verſieht
Und ungeſtümes Fragen · zur Unzeit dann geſchieht,
Das betrübt den Recken · allzuleicht den Muth:
Drum will ich nicht, Wolfhart, · daß ihr die Frage da thut.“
Da bat er Helfrichen · hin zu gehn geſchwind,
Ob er erkundgen möge · bei Etzels Ingeſind
Oder bei den Gäſten, · was da wär geſchehn.
Da wurde nie bei Leuten · ſo großer Jammer geſehn.
Der Bote kam und fragte: · „Was iſt hier geſchehn?“
Da ward ihm zum Beſcheide: · „Nun muſt uns auch zergehn
Der Troſt, der uns geblieben · noch war in Heunenland:
Hier liegt erſchlagen Rüdiger · von der Burgunden Hand.
„Nicht Einer iſt entkommen, · der mit ihm gieng hinein.“
Das konnte Helfrichen · nimmer leider ſein.
Wohl mocht er ſeine Märe · noch nie ſo ungern ſagen:
Er kam zu Dietrichen · zurück mit Weinen und Klagen.
„Was bringt ihr uns für Kunde?“ · ſprach da Dieterich,
„Wie weint ihr ſo heftig, · Degen Helferich?“
Da ſprach der edle Recke: · „Wohl hab ich Grund zu klagen.
Den guten Rüdger haben · die Burgunden erſchlagen.“
Da ſprach der Held von Berne: · „Das wolle nimmer Gott.
Eine ſtarke Rache wär es · und des Teufels Spott.
Wie hätt an ihnen Rüdiger · verdient ſolchen Sold?
Ich weiß wohl die Kunde, · er iſt den Fremdlingen hold.“
Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Und wär es geſchehn,
So ſollt es ihnen Allen · an Leib und Leben gehn.
Wenn wirs ertragen wollten, · es brächt uns Spott und Schand,
Uns bot ſo große Dienſte · des guten Rüdiger Hand.“
Der Vogt von Amelungen · erfragt' es gern noch mehr.
In ein Fenſter ſetzt' er ſich, · ihm war das Herz ſo ſchwer.
Da hieß er Hildebranden · zu den Gäſten gehn,
Bei ihnen zu erforſchen, · was da wäre geſchehn.
Der ſturmkühne Recke, · Meiſter Hildebrand,
Weder Schild noch Waffen · trug er an der Hand.
Er wollt in ſeinen Züchten · zu den Gäſten gehn;
Von ſeiner Schweſter Kinde · muſt er ſich geſcholten ſehn.
Da ſprach der grimme Wolfhart: · „Geht ihr dahin ſo bloß,
So kommt ihr ungeſcholten · nimmer wieder los:
So müſt ihr dann mit Schanden · thun die Wiederfahrt;
Geht ihr dahin in Waffen, ſo weiß ich, daß es Mancher ſpart.“
Da rüſtete der Alte · ſich nach des Jungen Rath.
Eh Hildbrand es gewahrte, · ſtanden in ihrem Staat
Die Recken Dietrichs alle, · die Schwerter in der Hand.
Leid war das dem Helden, · er hätt es gern noch abgewandt.
Er frag, wohin ſie wollten. · „Wir wollen mit euch hin;
Ob von Tronje Hagen · wohl dann noch iſt ſo kühn,
Mit Spott zu euch zu reden, · wie ihm zu thun gefällt?“
Als er die Rede hörte, · erlaubt' es ihnen der Held.
Da ſah der kühne Volker · wohlgewaffnet gehn
Die Recken von Berne · in Dietrichens Lehn,
Die Schwerter umgegürtet, · die Schilde vor der Hand:
Er ſagt' es ſeinen Herren · aus der Burgunden Land.
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Dorten ſeh ich nahn
Recht in Feindesweiſe · Die Dietrich unterthan,
Gewaffnet unter Helmen: · ſie wollen uns beſtehn.
Nun wird es an das Ueble · mit uns Fremdlingen gehn.“
Es währte nicht lange, · ſo kam auch Hildebrand:
Da ſetzt' er vor die Füße · ſeinen Schildesrand
Und begann zu fragen · Die Gunthern unterthan:
„O weh, ihr guten Degen, · was hatt euch Rüdiger gethan?
„Mich hat mein Herr Dietrich · her zu euch geſandt,
Ob erſchlagen liege, Helden, · von eurer Hand
Dieſer edle Markgraf, · wie man uns gab Beſcheid?
Wir könnten nicht verwinden · alſo ſchweres Herzeleid.“
Da ſprach der grimme Hagen: · „Die Mär iſt ungelogen,
Wie gern ichs euch gönnte, · wärt ihr damit betrogen,
Rüdigern zu Liebe: · ſo lebt' er uns noch,
Den nie genug beweinen · mögen Fraun und Mannen doch.“
Als ſie das recht vernahmen, · Rüdiger ſei todt,
Da beklagten ihn die Recken, · wie ihre Treu gebot.
Dietrichens Mannen · ſah man die Thränen gehn
Uebern Bart zum Kinne: · viel Leid war ihnen geſchehn.
Siegſtab der Herzog · von Bern ſprach zuhand:
„O weh, wie all die Güte · hier gar ein Ende fand,
Die uns Rüdiger hier ſchuf · nach unſers Leides Tagen:
Der Troſt der Heimathloſen · liegt von euch Degen erſchlagen.“
Da ſprach von Amelungen · der Degen Wolfwein:
„Und wenn ich vor mir liegen · hier ſäh, den Vater mein,
Mir würde nimmer leider · als um Rüdgers Tod.
O weh, wer ſoll nun tröſten · die Markgräfin in ihrer Noth?“
Do ſprach im Zornmuthe · der kühne Wolfhart:
„Wer leitet nun die Recken · auf mancher Heerfahrt,
Wie von dem Markgrafen · ſo oft geſchehen iſt?
O weh, viel edler Rüdiger, · daß du uns ſo verloren biſt!“
Wolfbrand und Helferich · und auch Helmnot
Mit allen ihren Freunden · beweinten ſeinen Tod.
Nicht mehr fragen mochte · vor Seufzen Hildebrand:
So thut denn, ihr Degen, · warum mein Herr uns geſandt.
„Gebt uns den todten · Rüdiger aus dem Saal,
An dem all unſre Freude · erlitt den Jammerfall.
Laßt uns ihm ſo vergelten, · was er an uns gethan
Hat mit großer Treue · und an manchem fremden Mann.
„Wir ſind hier auch Vertriebene · wie Rüdiger der Degen.
Wie laßt ihr uns warten? · Laßt uns ihn aus den Wegen
Tragen und im Tode · lohnen noch dem Mann:
Wir hätten es wohl billig · bei ſeinem Leben gethan.“
Da ſprach der König Gunther: · „Nie war ein Dienſt ſo gut,
Als den ein Freund dem Freunde · nach dem Tode thut.
Das nenn ich ſtäte Treue, · wenn man das leiſten kann:
Ihr lohnt ihm nach Verdienſte, · er hat euch Liebes gethan.“
„Wie lange ſolln wir flehen?“ · ſprach Wolfart der Held.“
„Da unſer Troſt der beſte · liegt von euch gefällt,
Und wir ihn nun leider · nicht länger mögen haben,
Laßt uns ihn hinnen tragen, · daß wir den Recken begraben.“
Zur Antwort gab ihm Volker: · „Man bringt ihn euch nicht her,
Holt ihn aus dem Hauſe, · wo der Degen hehr
Mit tiefen Herzenswunden · gefallen iſt ins Blut:
So ſind es volle Dienſte, · die ihr hier Rüdigern thut.“
Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Gott weiß, Herr Fiedelmann,
Ihr müßt uns nicht noch reizen; · ihr habt uns Leid gethan.
Dürft ichs vor meinem Herren, · ſo kämt ihr drum in Noth;
Doch müßen wir es laßen, · weil er den Streit uns verbot.“
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Der fürchtet ſich zu viel,
Der, was man ihm verbietet, · Alles laßen will:
Das kann ich nimmer heißen · rechten Heldenmuth.“
Die Rede dauchte Hagnen · von ſeinem Heergeſellen gut.
„Wollt ihr den Spott nicht laßen,“ · fiel ihm Wolfhart ein,
„Ich verſtimm euch ſo die Saiten, · daß ihr noch am Rhein,
Wenn je ihr heimreitet, · habt davon zu ſagen.
Euer Ueberheben · mag ich mit Ehren nicht ertragen.“
Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Wenn ihr den Saiten mein
Die guten Töne raubtet, · eures Helmes Schein
Müſte trübe werden · dabei von meiner Hand,
Wie ich halt auch reite · in der Burgunden Land.“
Da wollt er zu ihm ſpringen · doch blieb nicht frei die Bahn.
Hildebrand ſein Oheim · hielt ihn mit Kräften an.
„Ich ſeh, du willſt wüthen · in deinem dummen Zorn;
Nun hätten wir auf immer · meines Herren Huld verlorn.“
„Laßt los den Leuen, Meiſter, · er hat ſo grimmigen Muth;
Doch kommt er mir zu nahe,“ · ſprach Volker der Degen gut,
„Hätt er mit ſeinen Händen · die ganze Welt erlagen,
Ich ſchlag ihn, daß er nimmermehr · ein Widerwort weiß zu ſagen.“
Darob ergrimmte heftig · den Bernern der Muth.
Den Schild ruckte Wolfhart, · ein ſchneller Recke gut,
Gleich einem wilden Leuen · lief er auf ihn an.
Die Schar ſeiner Freunde · ihm raſch zu folgen begann.
Mit weiten Sprüngen ſetzt' er · bis vor des Saales Wand;
Doch ereilt' ihn vor der Stiege · der alte Hildebrand:
Er wollt ihn vor ihm ſelber · nicht laßen in den Streit.
Zu ihrem Willen fanden · ſie gern die Gäſte bereit.
Da ſprang hin zu Hagen · Meiſter Hildebrand:
Man hörte Waffen klingen · an der Helden Hand.
Sie waren ſehr im Zorne, · das zeigte ſich geſchwind:
Von der Beiden Schwertern · gieng der feuerrothe Wind.
Da wurden ſie geſchieden · in des Streites Noth:
Das thaten die von Berne, · wie Kraft und Muth gebot.
Als ſich von Hagen wandte · Meiſter Hildebrand,
Da kam der ſtarke Wolfhart · auf den kühnen Volker gerannt.
Auf den Helm dem Fiedler · ſchlug er ſolchen Schwang,
Daß des Schwertes Schärfe · durch die Spangen drang.
Das vergalt mit Ungeſtüm · der kühne Fiedelmann:
Da ſchlug er Wolfharten, · daß er zu ſprühen begann.
Feuers aus den Panzern · hieben ſie genug;
Grimmen Haß Jedweder · zu dem Andern trug.
Da ſchied ſie von Berne · der Degen Wolfwein;
Wär er kein Held geweſen, · ſo konnte das nimmer ſein.
Gunther der kühne · mit williger Hand
Empfieng die hehren Helden · aus Amelungenland.
Geiſelher der junge · die lichten Helme gut
Macht' er in dem Sturme · Manchem naß und roth von Blut.
Dankwart, Hagens Bruder, · war ein grimmer Mann:
Was er zuvor im Streite · Herrliches gethan
An König Etzels Recken, · das ſchien nun gar ein Wind:
Nun erſt begann zu toben · des kühnen Aldrians Kind.
Ritſchart und Gerbart, · Helfrich und Wichart
In manchen Stürmen hatten · die ſelten ſich geſpart:
Das ließen ſie wohl ſchauen · die in Gunthers Lehn.
Da ſah man Wolfbranden · in dem Sturme herrlich gehn.
Da focht, als ob er wüthe, · der alte Hildebrand.
Viel gute Recken muſten · vor Wolfhartens Hand
Auf den Tod getroffen · ſinken in das Blut:
So rächten Rüdgers Wunden · dieſe Recken kühn und gut.
Da focht der Herzog Siegſtab, · wie ihm der Zorn gebot.
Hei! was harter Helme · brach in des Sturmes Noth
An ſeinen Feinden · Dietrichens Schweſterſohn!
Er konnt in dem Sturme · nicht gewaltiger drohn.
Volker der Starke, · als er das erſah,
Wie Siegſtab der kühne · aus Panzerringen da
Bäche Blutes holte, · das ſchuf dem Biedern Zorn:
Er ſprang ihm hin entgegen: · da hatte hier bald verlorn
Von dem Fiedelſpieler · das Leben Siegſtab:
Volker ihm ſeiner Künſte · ſo vollen Anteil gab,
Er fiel von ſeinem Schwerte · nieder in den Tod.
Der alte Hilbrand rächte das, · wie ihm ſein Eifer gebot.
„O weh des lieben Herren,“ · ſprach Meiſter Hildebrand,
„Der uns hier erſchlagen · liegt von Volkers Hand!
Nun ſoll der Fiedelſpieler · auch länger nicht gedeihn.“
Hildebrand der kühne · wie könnt er grimmiger ſein.
Da ſchlug er ſo auf Volker, · daß von des Helmes Band
Die Splitter allwärts ſtoben · bis zu des Saales Wand,
Vom Helm und auch vom Schilde · dem kühnen Spielmann;
Davon der ſtarke Volker · nun auch ſein Ende gewann.
Da drangen zu dem Streite · Die in Dietrichs Lehn:
Sie ſchlugen, daß die Splitter · ſich wirbelnd muſten drehn
Und man der Schwerter Enden · in die Höhe fliegen ſah.
Sie holten aus den Helmen · heiße Blutbäche da.
Nun ſah von Tronje Hagen · Volker den Degen todt:
Das war ihm bei der Hochzeit · die allergröſte Noth,
Die er gewonnen hatte · an Freund und Unterthan!
O weh, wie grimmig Hagen · den Freund zu rächen begann!
„Nun ſoll es nicht genießen · der alte Hildebrand:
Mein Gehilfe liegt erſchlagen · von des Helden Hand,
Der beſte Heergeſelle, · den ich je gewann.“
Den Schild rückt' er höher, · ſo gieng er hauend hindann.
Helferich der ſtarke · Dankwarten ſchlug:
Gunthern und Geiſelhern · war es leid genug,
Als ſie ihn fallen ſahen · in der ſtarken Noth;
Doch hatten ſeine Hände · wohl vergolten ſeinen Tod.
So viel aus manchen Landen · hier Volks verſammelt war,
Viel Fürſten kraftgerüſtet · gegen die kleine Schar,
Wären die Chriſtenleute · nicht wider ſie geweſen,
Durch ihre Tugend mochten ſie · vor allen Heiden wohl geneſen.
Derweil ſchuf ſich Wolfhart · hin und wieder Bahn,
Alles niederhauend, · was Gunthern unterthan.
Er machte nun zum dritten Mal · die Runde durch den Saal:
Da fiel von ſeinen Händen · gar mancher Recke zu Thal.
Da rief der ſtarke Geiſelher · Wolfharten an:
„O weh, daß ich ſo grimmen · Feind je gewann!
Kühner Ritter edel, · nun wende dich hieher!
Ich will es helfen enden, · nicht länger trag ich es mehr.“
Zu Geiſelheren wandte · ſich Wolfhart in den Streit.
Da ſchlugen ſich die Recken · manche Wunde weit.
Mit ſolchem Ungeſtüme · er zu dem König drang,
Daß unter ſeinen Füßen · übers Haupt das Blut ihm ſprang.
Mit ſchnellen grimmen Schlägen · der ſchönen Ute Kind
Empfieng da Wolfharten, · den Helden hochgeſinnt.
Wie ſtark auch war der Degen, · wie ſollt er hier gedeihn?
Es konnte nimmer kühner · ein ſo junger König ſein.
Da ſchlug er Wolfharten · durch einen Harniſch gut,
Daß ihm aus der Wunde · niederſchoß das Blut:
Zum Tode war verwundet · Dietrichens Unterthan.
Wohl muſt er ſein ein Recke, · der ſolche Werke gethan.
Als der kühne Wolfhart · die Wund an ſich empfand,
Den Schild ließ er fallen: · höher in der Hand
Hob er ein ſtarkes Waffen, · das war wohl ſcharf genug:
Durch Helm und Panzerringe · der Degen Geiſelhern ſchlug.
Den grimmen Tod einander · hatten ſie angethan.
Da lebt' auch Niemand weiter, · der Dietrich unterthan.
Hildebrand der alte · Wolfharten fallen ſah:
Gewiſs vor ſeinem Tode · ſolch Leid ihm nimmer geſchah.
Erſtorben waren Alle · Die in Gunthers Lehn
Und Die in Dietrichens. · Hilbranden ſah man gehn,
Wo Wolfhart war gefallen · nieder in das Blut.
Er umſchloß mit Armen · den Degen bieder und gut.
Er wollt ihn aus dem Hauſe · tragen mit ſich fort;
Er war zu ſchwer doch, laßen · muſt ihn der Alte dort.
Da blickt' aus dem Blute · der todwunde Mann:
Er ſah wohl, ſein Oheim · hülfe gern ihm hindann.
Da ſprach der Todwunde: · „Viel lieber Oheim mein,
Mir kann zu dieſer Stunde · eure Hülfe nicht gedeihn.
Nun hütet euch vor Hagen, · fürwahr, ich rath euch gut:
Der tragt in ſeinem Herzen · einen grimmigen Muth.
„Und wollen meine Freunde · im Tode mich beklagen,
Den nächſten und den beſten · ſollt ihr von mir ſagen,
Daß ſie nicht um mich weinen, · das thu nimmer Noth:
Von eines Königs Händen · fand ich hier herrlichen Tod.
„Ich hab auch ſo vergolten · mein Sterben hier im Saal,
Das ſchafft noch den Frauen · der guten Ritter Qual.
Wills Jemand von euch wißen, · ſo mögt ihr kühnlich ſagen:
Von meiner Hand alleine · liegen hundert wohl erſchlagen.
Da gedacht auch Hagen · an den Fiedelmann,
Dem der alte Hildebrand · das Leben abgewann:
Da ſprach er zu dem Kühnen: · „Ihr entgeltet nun mein Leid.
Ihr habt uns hier benommen · manchen Recken kühn im Streit.“
Er ſchlug auf Hildebranden · daß man wohl vernahm
Balmungen dröhnen, · den Siegfrieden nahm
Hagen der kühne, · als er den Helden ſchlug.
Da wehrte ſich ſer Alte: · er war auch ſtreitbar genug.
Wolfhartens Oheim · ein breites Waffen ſchwang
Auf Hagen von Tronje, · das ſcharf den Stahl durchdrang:
Doch konnt er nicht verwunden · Gunthers Unterthan.
Da ſchlug ihm Hagen wieder · durch einen Harniſch wohlgetan.
Als da Meiſter Hildebrand · die Wunde recht empfand,
Beſorgt' er größern Schaden · noch von Hagens Hand.
Den Schild warf auf den Rücken · Dietrichs Unterthan:
Mit der ſtarken Wunde · der Held vor Hagen entrann.
Da lebt' auch von allen · den Degen Niemand mehr
Als Gunther und Hagen, · die beiden Recken hehr.
Mit Blut gieng beronnen · der alte Hildebrand:
Er brachte leide Märe, · da er Dietrichen fand.
Schwer bekümmert ſitzen · ſah er da den Mann:
Noch größern Leides Kunde · nun der Fürſt gewann.
Als er Hildebranden · im Panzer ſah ſo roth,
Da fragt' er nach der Urſach, · wie ihm die Sorge gebot.
„Nun ſagt mir, Meiſter Hildebrand, · wie ſeid ihr ſo naß
Von dem Lebensblute? · oder wer that euch das?
Ihr habt wohl mit den Gäſten · geſtritten in dem Saal?
Ihr ließt es billig bleiben, · wie ich ſo dringend befahl.“
Da ſagt' er ſeinem Herren: · „Hagen that es mir:
Der ſchlug mir in dem Saale · dieſe Wunde hier,
Als ich von dem Recken · zu wenden mich begann.
Kaum daß ich mit dem Leben · noch dem Teufel entrann.“
Da ſprach der von Berne: · „Gar recht iſt euch geſchehen,
Da ihr mich Freundſchaft hörtet · den Recken zugeſtehn
Und doch den Frieden brachet, · den ich ihnen bot:
Wär mirs nicht ewig Schande, · ihr ſolltets büßen mit dem Tod.“
„Nun zürnt mir, Herr Dietrich, · darob nicht allzuſehr:
An mir und meinen Freunden · iſt der Schade gar zu ſchwer.
Wir wollten Rüdger gerne · tragen aus dem Saal:
Das wollten uns nicht gönnen · die, welchen Gunther befahl.“
„O weh mir dieſes Leides! · Iſt Rüdiger doch todt?
Das muß mir ſein ein Jammer · vor all meiner Noth.
Gotelind die edle · iſt meiner Baſe Kind:
O weh der armen Waiſen, · die dort zu Bechlaren ſind!“
Herzeleid und Kummer · ſchuf ihm ſein Tod:
Er hub an zu weinen: · den Helden zwang die Noth.
„O weh der treuen Hülfe, · die mir an ihm erlag,
König Etzels Degen, · den ich nie verſchmerzen mag.
„Könnt ihr mir, Meiſter Hildebrand, · rechte Kunde ſagen,
Wie der Recke heiße, · der ihn hat erſchlagen?“
Er ſprach „Das that mit Kräften · der ſtarke Gernot;
Von Rüdigers Händen · fand auch der König den Tod.“
Er ſprach zu Hilbranden: · „So ſagt den Meinen an,
Daß ſie alsbald ſich waffnen, · ſo geh ich ſelbſt hinan.
Und befehlt, daß ſie mir bringen · mein lichtes Streitgewand:
Ich ſelber will nun fragen · die Helden aus Burgundenland.“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Wer ſoll mit euch gehn?
Die euch am Leben blieben, · die ſeht ihr vor euch ſtehn:
Das bin ich ganz alleine; · die Andern die ſind todt.“
Da erſchrak er dieſer Märe, · es ſchuf ihm wahrhafte Noth,
Daß er auf Erden nimmer · noch ſolches Leid gewann.
Er ſprach: „Und ſind erſtorben · all Die mir unterthan,
So hat mein Gott vergeßen, · ich, armer Dietrich!
Ich herrſcht' ein mächtger König · einſt hehr und gewaltiglich.“
Wieder ſprach da Dietrich: · „Wie könnt es nur geſchehn,
Daß ſie all erſtarben, · die Helden auserſehn,
Vor den Streitmüden, · die doch gelitten Noth?
Mein Unglück ſchufs alleine, · ſonſt verſchonte ſie der Tod!
„Wenn dann mein Unheil wollte, · es ſollte ſich begeben,
So ſprecht, blieb von den Gäſten · Einer noch am Leben?“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Das weiß Gott, Niemand mehr
Als Hagen ganz alleine · und Gunther der König hehr.“
„O weh, lieber Wolfhart, · und hab ich dich verloren,
So mag mich bald gereuen, · daß ich je ward geboren.
Siegſtab und Wolfwein · und auch Wolfbrand:
Wer ſoll mir denn helfen · in der Amelungen Land?
„Helferich der kühne, · und iſt mir der erſchlagen,
Gerbart und Wichard, · wann hör ich auf zu klagen?
Das iſt aller Freuden · mir der letzte Tag.
O weh, daß vor Leide · Niemand doch erſterben mag!“
Da ſuchte ſich Herr Dietrich · ſelber ſein Gewand;
Ihm half, daß er ſich waffnete, · der alte Hildebrand.
Da klagte ſo gewaltig · der kraftvolle Mann,
Daß von ſeiner Stimme · das Haus zu ſchüttern begann.
Dann gewann er aber wieder · rechten Heldenmuth.
Im Grimm ward gewaffnet · da der Degen gut.
Seinen Schild, den feſten, · den nahm er an die Hand:
Sie giengen bald von dannen, · er und Meiſter Hildebrand.
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Dort ſeh ich zu uns gehn
Dietrich den Herren: · der will uns beſtehn
Nach dem großen Leide, · das wir ihm angethan.
Nun ſoll man heute ſchauen, · wen man den Beſten nennen kann.
„Und dünkt ſich denn von Berne · der Degen Dieterich
Gar ſo ſtarkes Leibes · und ſo fürchterlich.
Und will ers an uns rächen · was ihm iſt geſchehn,“
Alſo ſprach da Hagen, · „ich bin wohl Mann ihn zu beſtehn.“
Die Rede hörte Dietrich · mit Meiſter Hildebrand.
Er kam, wo er die Recken · beide ſtehen fand
Außen vor dem Hauſe, · gelehnt an den Saal.
Seinen Schild den guten, · den ſetzte Dietrich zu Thal.
In leidvollen Sorgen · ſprach da Dietrich:
„Wie habt ihr ſo geworben, · Herr Gunther, wider mich,
Einen Heimathloſen? · Was that ich euch wohl je,
Daß alles meines Troſtes · ich nun verwaiſet mich ſeh?
„Ihr fandet nicht Genüge · an der großen Noth,
Als ihr uns Rüdigeren, · den Recken, ſchluget todt:
Ihr miſsgönntet ſie mir alle, · Die mir unterthan.
Wohl hätt ich ſolchen Leides · euch Degen nimmer gethan.
„Gedenkt an euch ſelber · und an euer Leid,
Eurer Freunde Sterben · und all die Noth im Streit,
Ob es euch guten Degen · nicht beſchwert den Muth.
O weh, wie ſo unſanft · mir der Tod Rüdigers thut!
„So leid geſchah auf Erden · Niemanden je.
Ihr gedachtet wenig · an mein und euer Weh.
Was ich Freuden hatte, · das liegt von euch erſchlagen:
Wohl kann ich meine Freunde · nimmer genug beklagen.“
„Wir ſind wohl nicht ſo ſchuldig,“ · ſprach Hagen entgegen.
„Zu dieſem Hauſe kamen · alle eure Degen
Mit großem Fleiß gewaffnet · in einer breiten Schar.
Man hat euch wohl die Märe · nicht geſagt, wie ſie war.“
„Was ſoll ich andere glauben? · mir ſagt Hildebrand:
Euch baten meine Recken · vom Amelungenland,
Daß ihr ihnen Rüdigern · gäbet aus dem Haus:
Da botet ihr Geſpötte nur · meinen Recken heraus.“
Da ſprach der Vogt vom Rheine: · „Sie wollten Rüdgern tragen,
Sagten ſie, von hinnen: · das ließ ich verſagen
Etzeln zum Trotze, · nicht aber deinem Heer,
Bis darob zu ſchelten · Wolfhart begann, der Degen hehr.“
Da ſprach der Held von Berne: · „Es ſollte nun ſo ſein.
Gunther, edler König, · bei aller Tugend dein
Erſetze mir das Herzeleid, · das mir von dir geſchehn;
Verſühn es, kühner Ritter, · ſo laß ichs ungerochen gehn.
„Ergieb dich mir zum Geiſel · mit Hagen deinem Mann:
So will ich euch behüten, · ſo gut ich immer kann,
Daß euch bei den Heunen · hier Niemand Leides thut.
Ihr ſollt an mir erfahren, · daß ich getreu bin und gut.“
„Das verhüte Gott vom Himmel,“ · ſprach Hagen entgegen,
„Daß ſich dir ergeben · ſollten zwei Degen,
Die noch in voller Wehre · dir gegenüber ſtehn,
Das wär uns Unehre: · die Feigheit ſoll nicht geſchehn.“
„Ihr ſolltets nicht verweigern,“ · ſprach wieder Dietrich.
„Gunther und Hagen, · ihr habt ſo bitterlich
Beide mir bekümmert · das Herz und auch den Muth,
Wollt ihr mir das vergüten, · daß ihr es billiglich thut.
„Ich geb euch meine Treue, · und reich euch drauf die Hand,
Daß ich mit euch reite · heim in euer Land.
Ich geleit euch wohl nach Ehren, · ich ſtürbe denn den Tod,
Und will um euch vergeßen · all meiner ſchmerzhaften Noth.“
„Begehrt es nicht weiter,“ · ſprach wieder Hagen:
„Wie ziemt es, wenn die Märe · wär von uns zu ſagen,
Daß zwei ſo kühne Degen · ſich ergäben eurer Hand?
Sieht man bei euch doch Niemand · als alleine Hildebrand.“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Gott weiß, Herr Hagen,
Den Frieden, den Herr Dietrich · euch hat angetragen,
Es kommt noch an die Stunde · vielleicht in kurzer Friſt,
Daß ihr ihn gerne nähmet, · und er nicht mehr zu haben iſt.“
„Auch nähm ich eh den Frieden,“ · ſprach Hagen entgegen,
„Eh ich mit Schimpf und Schande · ſo vor einem Degen
Flöhe, Meiſter Hildebrand, · als ihr hier habt gethan:
Ich wähnt auf meine Treue, · ihr ſtündet beßer euerm Mann.“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Was verweiſet ihr mir das?
Nun wer wars, der auf dem Schilde · vor dem Wasgenſteine ſaß,
Als ihm von Spanien Walther · ſo viel der Freunde ſchlug?
Wohl habt ihr an euch ſelber · noch zu rügen genug.“
Da ſprach der edle Dietrich: · „Wie ziemt ſolchen Degen
Sich mit Worten ſchelten · wie alte Weiber pflegen?
Ich verbiet es, Meiſter Hildebrand · ſprecht hier nicht mehr.
Mich heimathloſen Recken · zwingt ſo große Beſchwer.
„Laßt hören, Freund Hagen,“ · ſprach da Dieterich,
„Was ſpracht ihr zuſammen, · ihr Helden tugendlich,
Als ihr mich gewaffnet · ſahet zu euch gehn?
Ihr ſagtet, ihr alleine · wolltet mich im Streit beſtehn.“
„Das wird euch Niemand läugnen,“ · ſprach Hagen entgegen,
„Wohl will ichs hier verſuchen · mit kräftigen Schlägen,
Es ſei denn, mir zerbreche · das Nibelungenſchwert:
Mich entrüſtet, daß zu Geiſeln · unſer beider ward begehrt.“
Als Dietrich erhörte · Hagens grimmen Muth,
Den Schild behende zuckte · der ſchnelle Degen gut.
Wie raſch ihm von der Stiege · entgegen Hagen ſprang!
Niblungs Schwert das gute · auf Dietrichen laut erklang.
Da wuſte wohl Herr Dietrich, · daß der kühne Mann
Grimmen Muthes fechte; · zu ſchirmen ſich begann
Der edle Vogt von Berne · vor ängſtlichen Schlägen.
Wohl erkannt er Hagen, · er war ein auserwählter Degen.
Auch ſcheut' er Balmungen, · eine Waffe ſtark genug.
Nur unterweilen Dietrich · mit Kunſt entgegenſchlug
Bis daß er Hagen · im Streite doch bezwang.
Er ſchlug ihm eine Wunde · die gar tief war und lang.
Der edle Dietrich dachte: · „Dich ſchwächte lange Noth;
Mir brächt es wenig Ehre, · gäb ich dir den Tod.
So will ich nur verſuchen, · ob ich dich zwingen kann,
Als Geiſel mir zu folgen.“ · Das ward mit Sorgen gethan.
Den Schild ließ er fallen: · ſeine Stärke, die war groß;
Hagnen von Tronje · mit den Armen er umſchloß.
So ward von ihm bezwungen · dieſer kühne Mann.
Gunther der edle · darob zu trauern begann.
Hagnen band da Dietrich · und führt' ihn, wo er fand
Kriemhild die edle, · und gab in ihre Hand
Den allerkühnſten Recken, · der je Gewaffen trug.
Nach ihrem großen Leide · ward ſie da fröhlich genug.
Da neigte ſich dem Degen · vor Freuden Etzels Weib:
„Nun ſei dir immer ſelig · das Herz und auch der Leib.
Du haſt mich wol entſchädigt · aller meiner Noth:
Ich will dirs immer danken, · es verwehr es denn der Tod.“
Da ſprach der edle Dietrich: · „Nun laßt ihn am Leben,
Edle Königstochter: · es mag ſich wohl begeben,
Daß euch ſein Dienſt vergütet · das Leid, das er euch that:
Er ſoll es nicht entgelten, · daß ihr ihn gebunden ſaht.“
Da ließ ſie Hagnen führen · in ein Haftgemach,
Wo Niemand ihn erſchaute · und er verſchloßen lag.
Gunther der Edle · hub da zu rufen an:
„Wo blieb der Held von Berne? · Er hat mir Leides gethan.“
Da gieng ihm hin entgegen · von Bern Herr Dieterich.
Gunthers Kräfte waren · ſtark und ritterlich;
Da ſäumt' er ſich nicht länger, · er rannte vor den Saal.
Von ihrer Beider Schwertern · erhob ſich mächtiger Schall.
So großen Ruhm erſtritten · Dietrich ſeit alter Zeit,
In ſeinem Zorne tobte · Gunther zu ſehr im Streit:
Er war nach ſeinem Leide · von Herzen feind dem Mann.
Ein Wunder muſt es heißen, · daß da Herr Dietrich entrann.
Sie waren alle Beide · ſo ſtark und muthesvoll,
Daß von ihren Schlägen · Pallas und Thurm erſcholl,
So hieben ſie mit Schwertern · auf die Helme gut.
Da zeigte König Gunther · einen herrlichen Muth.
Doch zwang ihn Der von Berne, · wie Hagnen war geſchehn.
Man mochte durch den Panzer · das Blut ihm fließen ſehn
Von einem ſcharfen Schwerte: · das trug Herr Dieterich
Doch hatte ſich Herr Gunther · gewehrt, der müde, ritterlich.
Der König ward gebunden · von Dietrichens Hand,
Wie nimmer Könige ſollten · leiden ſolch ein Band.
Er dachte, ließ' er ledig · Gunthern und ſeinen Mann,
Wem ſie begegnen möchten, · die müſten all den Tod empfahn.
Dietrich von Berne · nahm ihn bei der Hand,
Er führt' ihn hin gebunden, · wo er Kriemhilden fand.
Ihr war mit ſeinem Leide · des Kummers viel benommen.
Sie ſprach: „König Gunther, · nun ſeid mir höchlich willkommen.“
Er ſprach: „Ich müſt euch danken, · viel edle Schweſter mein,
Wenn euer Gruß in Gnaden · geſchehen könnte ſein.
Ich weiß euch aber, Königin, · ſo zornig von Muth,
Daß ihr mir und Hagen · ſolchen Gruß im Spotte thut.“
Da ſprach der Held von Berne: · „Königstochter hehr,
So gute Helden ſah, man · als Geiſel nimmermehr
Als ich, edle Königin, · bracht in eure Hut.
Nun komme meine Freundſchaft · den Heimathloſen zu Gut.“
Sie ſprach, ſie thät es gerne. · Da gieng Herr Dieterich
Mit weinenden Augen · von den Helden tugendlich.
Da rächte ſich entſetzlich · König Etzels Weib:
Den auserwählten Recken · nahm ſie Leben und Leib.
Sie ließ ſie geſondert · in Gefängniſs legen,
Daß ſich nie im Leben · wiederſahn die Degen,
Bis ſie ihres Bruders Haupt · hin vor Hagen trug.
Kriemhildens Rache · ward an Beiden grimm genug.
Hin gieng die Königstochter, · wo ſie Hagen ſah;
Wie feindſelig ſprach ſie · zu dem Recken da:
„Wollt ihr mir wiedergeben, · was ihr mir habt genommen,
So mögt ihr wohl noch lebend · heim zu den Burgunden kommen.“
Da ſprach der grimme Hagen: · „Die Red iſt gar verloren,
Viel edle Königstochter. · Den Eid hab ich geſchworen,
Daß ich den Hort nicht zeige: · ſo lange noch am Leben
Blieb Einer meiner Herren, · ſo wird er Niemand gegeben.“
„Ich bring es zu Ende,“ · ſprach das edle Weib.
Dem Bruder nehmen ließ ſie · Leben da und Leib.
Man ſchlug das Haupt ihm nieder: · bei den Haaren ſie es trug
Vor den Held von Tronje: · da gewann er Leids genug.
Als der Unmuthvolle · ſeines Herren Haupt erſah,
Wider Kriemhilden · ſprach der Recke da:
„Du haſts nach deinem Willen · zu Ende nun gebracht;
Es iſt auch ſo ergangen, · wie ich mir hatte gedacht.
„Nun iſt von Burgunden · der edle König todt,
Geiſelher der junge · dazu Herr Gernot.
Den Hort weiß nun Niemand · als Gott und ich allein:
Der ſoll dir Teufelsweibe · immer wohl verhohlen ſein.“
Sie ſprach: „So habt ihr üble · Vergeltung mir gewährt;
So will ich doch behalten · Siegfriedens Schwert.
Das trug mein holder Friedel, · als ich zuletzt ihn ſah,
An dem mir Herzensjammer · vor allem Leide geſchah.“
Sie zog es aus der Scheide, · er konnt es nicht wehren.
Da dachte ſie dem Recken · das Leben zu verſehren.
Sie ſchwang es mit den Händen, · das Haupt ſchlug ſie ihm ab.
Das ſah der König Etzel, · dem es großen Kummer gab.
„Weh!“ rief der König, · „wie iſt hier gefällt
Von eines Weibes Händen · der allerbeſte Held,
Der je im Kampf gefochten · und ſeinen Schildrand trug!
So feind ich ihm geweſen bin, · mir iſt leid um ihn genug.“
Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Es kommt ihr nicht zu gut,
Daß ſie ihn ſchlagen durfte; · was man halt mir thut,
Ob er mich ſelber brachte · in Angſt und große Noth,
Jedennoch will ich rächen · dieſes kühnen Tronjers Tod.“
Hildebrand im Zorne · zu Kriemhilden ſprang:
Er ſchlug der Königstochter · einen Schwertesſchwang.
Wohl ſchmerzten ſolche Dienſte · von dem Degen ſie;
Was könnt es aber helfen, · daß ſie ſo ängſtlich ſchrie?
Die da ſterben ſollen, · die lagen all umher:
Zu Stücken lag verhauen · die Königin hehr.
Dietrich und Etzel · huben zu weinen an
Und jämmerlich zu klagen · manchen Freund und Unterthan.
Da war der Helden Herrlichkeit · hingelegt im Tod:
Die Leute hatten alle · Jammer und Noth.
Mit Leide war beendet · des Königs Luſtbarkeit,
Wie immer Leid die Freude · am lezten Ende verleiht.
Ich kann euch nicht beſcheiden, · was ſeither geſchah,
Als daß man immer weinen · Chriſten und Heiden ſah,
Die Ritter und die Frauen · und manche ſchöne Maid:
Sie hatten um die Freunde · das allergrößeſte Leid.
Ich ſag euch nun nicht weiter · von der großen Noth:
Die da erſchlagen waren, · die laßt liegen todt.
Wie es im Heunenlande · dem Volk hernach gerieth,
Hie hat die Mär ein Ende: · das iſt das Nibelungenlied.