Das Nibelungenlied Der urſprüngliche Verfaſſer des mittelhochdeutſchen Epos' aus dem 13. Jahrhundert iſt unbekannt. Dies iſt eine neuhochdeutſche Überſetzung von Karl Simrock (1827). Hörbuch: https://archive.org/details/nibelungenlied_ak_librivox 1. Erſtes Abenteuer. // Wie Kriemhilden träumte. Viel Wunderdinge melden · die Mären alter Zeit // Von preiswerthen Helden, · von großer Kühnheit, // Von Freud und Feſtlichkeiten, · von Weinen und von Klagen, // Von kühner Recken Streiten · mögt ihr nun Wunder hören ſagen. // Es wuchs in Burgunden · ſolch edel Mägdelein, // Daß in allen Landen · nichts Schönres mochte ſein. // Kriemhild war ſie geheißen, · und ward ein ſchönes Weib, // Um die viel Degen muſten · verlieren Leben und Leib. // Die Minnigliche lieben · brachte Keinem Scham; // Um die viel Recken warben, · Niemand war ihr gram. // Schön war ohne Maßen · die edle Maid zu ſchaun; // Der Jungfrau höfſche Sitte · wär eine Zier allen Fraun. // Es pflegten ſie drei Könige · edel und reich, // Gunther und Gernot, · die Recken ohne Gleich, // Und Geiſelher der junge, · ein auserwählter Degen; // Sie war ihre Schweſter, · die Fürſten hatten ſie zu pflegen. // Die Herren waren milde, · dazu von hohem Stamm, // Unmaßen kühn nach Kräften, · die Recken lobeſam. // Nach den Burgunden · war ihr Land genannt; // Sie ſchufen ſtarke Wunder · noch ſeitdem in Etzels Land. // In Worms am Rheine wohnten · die Herrn in ihrer Kraft. // Von ihren Landen diente · viel ſtolze Ritterſchaft // Mit rühmlichen Ehren · all ihres Lebens Zeit, // Bis jämmerlich ſie ſtarben · durch zweier edeln Frauen Streit. // Ute hieß ihre Mutter, · die reiche Königin, // Und Dankrat ihr Vater, · der ihnen zum Gewinn // Das Erbe ließ im Tode, · vordem ein ſtarker Mann, // Der auch in ſeiner Jugend · großer Ehren viel gewann. // Die drei Könge waren, · wie ich kund gethan, // Stark und hohen Muthes; · ihnen waren unterthan // Auch die beſten Recken, · davon man hat geſagt, // Von großer Kraft und Kühnheit, · in allen Streiten unverzagt. // Das war von Tronje Hagen, · und der Bruder ſein, // Dankwart der Schnelle, · von Metz Herr Ortewein, // Die beiden Markgrafen · Gere und Eckewart, // Volker von Alzei, · an allen Kräften wohlbewahrt, // Rumold der Küchenmeiſter, · ein theuerlicher Degen, // Sindold und Hunold: · die Herren muſten pflegen // Des Hofes und der Ehren, · den Köngen unterthan. // Noch hatten ſie viel Recken, · die ich nicht alle nennen kann. // Dankwart war Marſchall; · ſo war der Neffe ſein // Truchſeß des Königs, · von Metz Herr Ortewein. // Sindold war Schenke, · ein waidlicher Degen, // Und Kämmerer Hunold: · ſie konnten hoher Ehren pflegen. // Von des Hofes Ehre · von ihrer weiten Kraft, // Von ihrer hohen Würdigkeit · und von der Ritterſchaft, // Wie ſie die Herren übten · mit Freuden all ihr Leben, // Davon weiß wahrlich Niemand · euch volle Kunde zu geben. // In ihren hohen Ehren · träumte Kriemhilden, // Sie zög einen Falken, · ſtark-, ſchön- und wilden; // Den griffen ihr zwei Aare, · daß ſie es mochte ſehn: // Ihr konnt auf dieſer Erde · größer Leid nicht geſchehn. // Sie ſagt' ihrer Mutter · den Traum, Frau Uten: // Die wuſt ihn nicht zu deuten · als ſo der guten: // „Der Falke, den du zieheſt, · das iſt ein edler Mann: // Ihn wolle Gott behüten, · ſonſt iſt es bald um ihn gethan.“ // „Was ſagt ihr mir vom Manne, · vielliebe Mutter mein? // Ohne Reckenminne · will ich immer ſein; // So ſchön will ich verbleiben · bis an meinen Tod, // Daß ich von Mannesminne · nie gewinnen möge Noth.“ // „Verred es nicht ſo völlig,“ · die Mutter ſprach da ſo, // „Sollſt du je auf Erden · von Herzen werden froh, // Das geſchieht von Mannesminne: · du wirſt ein ſchönes Weib, // Will Gott dir noch vergönnen · eines guten Ritters Leib.“ // „Die Rede laßt bleiben, · vielliebe Mutter mein. // Es hat an manchen Weiben · gelehrt der Augenſchein, // Wie Liebe mit Leide · am Ende gerne lohnt; // Ich will ſie meiden beide, · ſo bleib ich ſicher verſchont!“ Kriemhild in ihrem Muthe · hielt ſich von Minne frei. // So lief noch der guten · manch lieber Tag vorbei, // Daß ſie Niemand wuſte, · der ihr gefiel zum Mann, // Bis ſie doch mit Ehren · einen werthen Recken gewann. // Das war derſelbe Falke, · den jener Traum ihr bot, // Den ihr beſchied die Mutter. · Ob ſeinem frühen Tod // Den nächſten Anverwandten · wie gab ſie blutgen Lohn! // Durch dieſes Einen Sterben · ſtarb noch mancher Mutter Sohn. // 2. Zweites Abenteuer. // Von Siegfrieden. Da wuchs im Niederlande · eines edeln Königs Kind, // Siegmund hieß ſein Vater, · die Mutter Siegelind, // In einer mächtgen Veſte, · weithin wohlbekannt, // Unten am Rheine, · Xanten war ſie genannt. // Ich ſag euch von dem Degen, · wie ſo ſchön er ward. // Er war vor allen Schanden · immer wohl bewahrt. // Stark und hohes Namens · ward bald der kühne Mann: // Hei! was er großer Ehren · auf dieſer Erde gewann! // Siegfried ward geheißen · der edle Degen gut. // Er erprobte viel der Recken · in hochbeherztem Muth. // Seine Stärke führt' ihn · in manches fremde Land: // Hei! was er ſchneller Degen · bei den Burgunden fand! // Bevor der kühne Degen · voll erwuchs zum Mann, // Da hatt er ſolche Wunder · mit ſeiner Hand gethan, // Davon man immer wieder · ſingen mag und ſagen; // Wir müßen viel verſchweigen · von ihm in heutigen Tagen. // In ſeinen beſten Zeiten, · bei ſeinen jungen Tagen // Mochte man viel Wunder · von Siegfrieden ſagen, // Wie Ehr an ihm erblühte · und wie ſchön er war zu ſchaun: // Drum dachten ſein in Minne · viel der waidlichen Fraun. // Man erzog ihn mit dem Fleiße, · wie ihm geziemend war; // Was ihm Zucht und Sitte · der eigne Sinn gebar! // Das ward noch eine Zierde · für ſeines Vaters Land, // Daß man zu allen Dingen · ihn ſo recht herrlich fand. // Er war nun ſo erwachſen, · mit an den Hof zu gehn. // Die Leute ſahn ihn gerne; · viel Fraun und Mädchen ſchön // Wünſchten wohl, er käme · dahin doch immerdar; // Hold waren ihm gar viele, · des ward der Degen wohl gewahr. // Selten ohne Hüter · man reiten ließ das Kind. // Mit Kleidern hieß ihn zieren · ſeine Mutter Siegelind; // Auch pflegten ſein die Weiſen, · denen Ehre war bekannt: // Drum möcht er wohl gewinnen · ſo die Leute wie das Land, // Nun war er in der Stärke, · daß er wohl Waffen trug: // Wes er dazu bedurfte, · des gab man ihm genug. // Schon ſann er zu werben · um manches ſchöne Kind; // Die hätten wohl mit Ehren · den ſchönen Siegfried geminnt. // Da ließ ſein Vater Siegmund · kund thun ſeinem Lehn, // Mit lieben Freunden woll er · ein Hofgelag begehn. // Da brachte man die Märe · in andrer Könge Land. // Den Heimiſchen und Gäſten · gab er Roſs und Gewand. // Wen man finden mochte, · der nach der Eltern Art // Ritter werden ſollte, · die edeln Knappen zart // Lud man nach dem Lande · zu der Luſtbarkeit, // Wo ſie das Schwert empfiengen · mit Siegfried zu gleicher Zeit. // Man mochte Wunder ſagen · von dem Hofgelag. // Siegmund und Siegelind · gewannen an dem Tag // Viel Ehre durch die Gaben, · die ſpendet' ihre Hand: // Drum ſah man viel der Fremden · zu ihnen reiten in das Land. // Vierhundert Schwertdegen · ſollten gekleidet ſein // Mit dem jungen Könige. · Manch ſchönes Mägdelein // Sah man am Werk geſchäftig: · ihm waren alle hold. // Viel edle Steine legten · die Frauen da in das Gold, // Die ſie mit Borten wollten · auf die Kleider nähn // Den jungen ſtolzen Recken; · das muſte ſo ergehn. // Der Wirth ließ Sitze bauen · für manchen kühnen Mann // Zu der Sonnenwende, · wo Siegfried Ritters Stand gewann. // Da gieng zu einem Münſter · mancher reiche Knecht // Und viel der edeln Ritter. · Die Alten thaten recht, // Daß ſie den Jungen dienten, · wie ihnen war geſchehn, // Sie hatten Kurzweile · und freuten ſich es zu ſehn. // Als man da Gott zu Ehren · eine Meſſe ſang, // Da hub ſich von den Leuten · ein gewaltiger Drang, // Da ſie zu Rittern wurden · dem Ritterbrauch gemäß // Mit alſo hohen Ehren, · ſo leicht nicht wieder geſchähs. // Sie eilten, wo ſie fanden · geſchirrter Roſſe viel. // Da ward in Siegmunds Hofe · ſo laut das Ritterſpiel, // Daß man ertoſen hörte · Pallas und Saal. // Die hochbeherzten Degen · begannen fröhlichen Schall. // Von Alten und von Jungen · mancher Stoß erklang, // Daß der Schäfte Brechen · in die Lüfte drang. // Die Splitter ſah man fliegen · bis zum Saal hinan. // Die Kurzweile ſahen · die Fraun und Männer mit an. // Der Wirth bat es zu laßen. · Man zog die Roſſe fort; // Wohl ſah man auch zerbrochen · viel ſtarke Schilde dort // Und viel der edeln Steine · auf das Gras gefällt // Von des lichten Schildes Spangen: · die hatten Stöße zerſchellt. // Da ſetzten ſich die Gäſte, · wohin man ihnen rieth, // zu Tiſch, wo von Ermüdung · viel edle Koſt ſie ſchied // Und Wein der allerbeſte, · des man die Fülle trug. // Den Heimiſchen und Fremden · bot man Ehren da genug. // So viel ſie Kurzweile · gefunden all den Tag, // Das fahrende Geſinde · doch keiner Ruhe pflag: // Sie dienten um die Gabe, · die man da reichlich fand; // Ihr Lob ward zur Zierde · König Siegmunds ganzem Land. // Da ließ der Fürſt verleihen · Siegfried, dem jungen Mann, // Das Land und die Burgen, · wie ſonſt er ſelbſt gethan. // Seinen Schwertgenoßen · gab er mit milder Hand: // So freute ſie die Reiſe, · die ſie geführt in das Land. // Das Hofgelage währte · bis an den ſiebten Tag. // Sieglind die reiche · der alten Sitte pflag, // Daß ſie dem Sohn zu Liebe · vertheilte rothes Gold: // Sie könnt es wohl verdienen, · daß ihm die Leute waren hold. // Da war zuletzt kein armer · Fahrender mehr im Land. // Ihnen ſtoben Kleider · und Roſſe von der Hand, // Als hätten ſie zu leben · nicht mehr denn einen Tag. // Man ſah nie Ingeſinde, · das ſo großer Milde pflag. // Mit preiswerthen Ehren · zergieng die Luſtbarkeit. // Man hörte wohl die Reichen · ſagen nach der Zeit, // Daß ſie dem Jungen gerne · wären unterthan; // Das begehrte nicht Siegfried, · dieſer waidliche Mann. // So lange ſie noch lebten, · Siegmund und Siegelind, // Wollte nicht Krone tragen · der beiden liebes Kind; // Doch wollt er herrlich wenden · alle die Gewalt, // Die in den Landen fürchtete · der Degen kühn und wohlgeſtalt. // Ihn durfte Niemand ſchelten: · ſeit er die Waffen nahm, // Pflag er der Ruh nur ſelten, · der Recke lobeſam. // Er ſuchte nur zu ſtreiten · und ſeine ſtarke Hand // Macht' ihn zu allen Zeiten · in fremden Reichen wohlbekannt. // 3. Drittes Abenteuer. // Wie Siegfried nach Worms kam. Den Herrn beſchwerte ſelten · irgend ein Herzeleid. // Er hörte Kunde ſagen, · wie eine ſchöne Maid // Bei den Burgunden wäre, · nach Wünſchen wohlgethan, // Von der er bald viel Freuden · und auch viel Leides gewann. // Von ihrer hohen Schöne · vernahm man weit und breit, // Und auch ihr Hochgemüthe · ward zur ſelben Zeit // Bei der Jungfrauen · den Helden oft bekannt: // Das ladete der Gäſte · viel in König Gunthers Land. // So viel um ihre Minne · man Werbende ſah, // Kriemhild in ihrem Sinne · ſprach dazu nicht Ja, // Daß ſie einen wollte · zum geliebten Mann: // Er war ihr noch gar fremde, · dem ſie bald ward unterthan. // Dann ſann auf hohe Minne · Sieglindens Kind: // All der Andern Werben · war wider ihn ein Wind. // Er mochte wohl verdienen · ein Weib ſo auserwählt: // Bald ward die edle Kriemhild · dem kühnen Siegfried vermählt. // Ihm riethen ſeine Freunde · und Die in ſeinem Lehn, // Hab er ſtäte Minne · ſich zum Ziel erſehn, // So ſoll er werben, daß er ſich · der Wahl nicht dürfe ſchämen. // Da ſprach der edle Siegfried: · „So will ich Kriemhilden nehmen, // „Die edle Königstochter · von Burgundenland, // Um ihre große Schöne. · Das iſt mir wohl bekannt, // Kein Kaiſer ſei ſo mächtig, · hätt er zu frein im Sinn, // Dem nicht zum minnen ziemte · dieſe reiche Königin.“ // Solche Märe hörte · der König Siegmund. // Es ſprachen ſeine Leute: · alſo ward ihm kund // Seines Kindes Wille. · Es war ihm höchlich leid, // Daß er werben wolle · um dieſe herrliche Maid. // Es erfuhr es auch die Königin, · die edle Siegelind: // Die muſte große Sorge · tragen um ihr Kind, // Weil ſie wohl Gunthern kannte · und Die in ſeinem Heer // Die Werbung dem Degen · zu verleiden fliß man ſich ſehr. // Da ſprach der kühne Siegfried: · „Viel lieber Vater mein, // Ohn edler Frauen Minne · wollt ich immer ſein, // Wenn ich nicht werben dürfte · nach Herzensliebe frei.“ // Was Jemand reden mochte, · ſo blieb er immer dabei. // „Iſt dir nicht abzurathen,“ · der König ſprach da ſo, // „So bin ich deines Willens · von ganzem Herzen froh // Und will dirs fügen helfen, · ſo gut ich immer kann; // Doch hat der König Gunther · manchen hochfährtgen Mann. // „Und wär es anders Niemand · als Hagen der Degen, // Der kann im Uebermuthe · wohl der Hochfahrt pflegen, // So daß ich ſehr befürchte, · es mög uns werden leid, // Wenn wir werben wollen · um dieſe herrliche Maid.“ // „Wie mag uns das gefährden!“ · hub da Siegfried an: // „Was ich mir im Guten · da nicht erbitten kann, // Will ich ſchon ſonſt erwerben · mit meiner ſtarken Hand, // Ich will von ihm erzwingen · ſo die Leute wie das Land.“ // „Leid iſt mir deine Rede,“ · ſprach König Siegmund, // „Denn würde dieſe Märe · dort am Rheine kund, // Du dürfteſt nimmer reiten · in König Gunthers Land. // Gunther und Gernot · die ſind mir lange bekannt. // „Mit Gewalt erwerben · kann Niemand die Magd,“ // Sprach der König Siegmund, · „das iſt mir wohl geſagt; // Willſt du jedoch mit Recken · reiten in das Land, // Die Freunde, die wir haben, · die werden eilends beſandt.“ // „So iſt mir nicht zu Muthe,“ · fiel ihm Siegfried ein, // „Daß mir Recken ſollten · folgen an den Rhein // Einer Heerfahrt willen: · das wäre mir wohl leid, // Sollt ich damit erzwingen · dieſe herrliche Maid. // „Ich will ſie ſchon erwerben · allein mit meiner Hand. // Ich will mit zwölf Geſellen · in König Gunthers Land; // Dazu ſollt ihr mir helfen, · Vater Siegmund.“ // Da gab man ſeinen Degen · zu Kleidern grau und auch bunt. // Da vernahm auch dieſe Märe · ſeine Mutter Siegelind; // Sie begann zu trauern · um ihr liebes Kind:, // Sie bangt' es zu verlieren · durch Die in Gunthers Heer. // Die edle Königstochter · weinte darüber ſehr. // Siegfried der Degen · gieng hin, wo er ſie ſah. // Wider ſeine Mutter · gütlich ſprach er da: // „Frau, ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein: // Wohl will ich ohne Sorgen · vor allen Weiganden ſein. // „Nun helft mir zu der Reiſe · nach Burgundenland, // Daß mich und meine Recken · ziere ſolch Gewand, // Wie ſo ſtolze Degen · mit Ehren mögen tragen: // Dafür will ich immer · den Dank von Herzen euch ſagen.“ // „Iſt dir nicht abzurathen,“ · ſprach Frau Siegelind, // So helf ich dir zur Reiſe, · mein einziges Kind, // Mit den beſten Kleidern, · die je ein Ritter trug, // Dir und deinen Degen: · ihr ſollt der haben genug.“ // Da neigte ſich ihr dankend · Siegfried der junge Mann. // Er ſprach: „Nicht mehr Geſellen · nehm ich zur Fahrt mir an // Als der Recken zwölfe: · verſeht die mit Gewand. // Ich möchte gern erfahren, · wie's um Kriemhild ſei bewandt.“ // Da ſaßen ſchöne Frauen · über Nacht und Tag, // Daß ihrer ſelten Eine · der Muße eher pflag, // Bis ſie gefertigt hatten · Siegfriedens Staat. // Er wollte ſeiner Reiſe · nun mit nichten haben Rath. // Sein Vater hieß ihm zieren · ſein ritterlich Gewand, // Womit er räumen wollte · König Siegmunds Land. // Ihre lichten Panzer · die wurden auch bereit // Und ihre feſten Helme, · ihre Schilde ſchön und breit. // Nun ſahen ſie die Reiſe · zu den Burgunden nahn. // Um ſie begann zu ſorgen · beides, Weib und Mann, // Ob ſie je wiederkommen · ſollten in das Land. // Sie geboten aufzuſäumen · die Waffen und das Gewand. // Schön waren ihre Roſſe, · ihr Reitzeug goldesroth; // Wenn wer ſich höher dauchte, · ſo war es ohne Noth, // Als der Degen Siegfried · und Die ihm unterthan. // Nun hielt er um Urlaub · zu den Burgunden an. // Den gaben ihm mit Trauern · König und Königin. // Er tröſtete ſie beide · mit minniglichem Sinn // Und ſprach: „Ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein: // Immer ohne Sorgen · mögt ihr um mein Leben ſein.“ // Es war leid den Recken, · auch weinte manche Maid; // Sie ahnten wohl im Herzen, · daß ſie es nach der Zeit // Noch ſchwer entgelten müſten · durch lieber Freunde Tod. // Sie hatten Grund zu klagen, · es that ihnen wahrlich Noth. // Am ſiebenten Morgen · zu Worms an den Strand // Ritten ſchon die Kühnen; · all ihr Gewand // War von rothem Golde, · ihr Reitzeug wohlbeſtellt; // Ihnen giengen ſanft die Roſſe, · die ſich da Siegfried geſellt. // Neu waren ihre Schilde, · licht dazu und breit, // Und ſchön ihre Helme, · als mit dem Geleit // Siegfried der kühne · ritt in Gunthers Land. // Man erſah an Helden · nie mehr ſo herrlich Gewand. // Der Schwerter Enden giengen · nieder auf die Sporen; // Scharfe Spere führten · die Ritter auserkoren. // Von zweier Spannen Breite · war, welchen Siegfried trug; // Der hatt an ſeinen Schneiden · grimmer Schärfe genug. // Goldfarbne Zäume · führten ſie an der Hand; // Der Bruſtriem war von Seide: · ſo kamen ſie ins Land. // Da gafften ſie die Leute · allenthalben an: // Gunthers Mannen liefen · ſie zu empfangen heran. // Die hochbeherzten Recken, · Ritter ſo wie Knecht, // Liefen den Herrn entgegen, · ſo war es Fug und Recht, // Und begrüßten dieſe Gäſte · in ihrer Herren Land; // Die Pferde nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand. // Da wollten ſie die Roſſe · ziehn zu ihrer Raſt; // Da ſprach aber Siegfried alsbald, · der kühne Gaſt: // „Laßt uns noch die Pferde · ſtehen kurze Zeit: // Wir reiten bald von hinnen; · dazu bin ich ganz bereit. // „Man ſoll uns auch die Schilde · nicht von dannen tragen; // Wo ich den König finde, · kann mir das Jemand ſagen, // Gunther den reichen · aus Burgundenland?“ // Da ſagt' es ihm Einer, · dem es wohl war bekannt. // „Wollt ihr den König finden, · das mag gar leicht geſchehn: // In jenem weiten Saale · hab ich ihn geſehn // Unter ſeinen Helden; · da geht zu ihm hinan, // So mögt ihr bei ihm finden · manchen herrlichen Mann.“ // Nun waren auch die Mären · dem König ſchon geſagt, // Daß auf dem Hofe wären · Ritter unverzagt: // Sie führten lichte Panzer · und herrlich Gewand; // Sie erkenne Niemand · in der Burgunden Land. // Den König nahm es Wunder, · woher gekommen ſei'n // Die herrlichen Recken · im Kleid von lichtem Schein // Und mit ſo guten Schilden, · ſo neu und ſo breit; // Das ihm das Niemand ſagte, · das war König Gunthern leid. // Zur Antwort gab dem König · von Metz Herr Ortewein; // Stark und kühnes Muthes · mocht er wohl ſein: // „Da wir ſie nicht erkennen, · ſo heißt Jemand gehn // Nach meinem Oheim Hagen: · dem ſollt ihr ſie laßen ſehn. // „Ihm ſind wohl kund die Reiche · und alles fremde Land; // Erkennt er die Herren, · das macht er uns bekannt.“ // Der König ließ ihn holen · und Die in ſeinem Lehn: // Da ſah man ihn herrlich · mit Recken hin zu Hofe gehn. // Warum nach ihm der König, · frug Hagen da, geſchickt? // „Es werden fremde Degen · in meinem Haus erblickt, // Die Niemand mag erkennen: · habt ihr in fremdem Land // Sie wohl ſchon geſehen? · das macht mir, Hagen bekannt.“ // „Das will ich,“ ſprach Hagen. · Zum Fenſter ſchritt er drauf, // Da ließ er nach den Gäſten · den Augen freien Lauf. // Wohl gefiel ihm ihr Geräthe · und all ihr Gewand; // Doch waren ſie ihm fremde · in der Burgunden Land. // Er ſprach, woher die Recken · auch kämen an den Rhein, // Es möchten ſelber Fürſten · oder Fürſtenboten ſein. // „Schön ſind ihre Roſſe · und ihr Gewand iſt gut; // Von wannen ſie auch ritten, · es ſind Helden hochgemuth.“ // Alſo ſprach da Hagen: · „Soviel ich mag verſtehn, // Hab ich gleich im Leben · Siegfrieden nie geſehn, // So will ich doch wohl glauben, · wie es damit auch ſteht, // Daß er es ſei, der Degen, · der ſo herrlich dorten geht. // „Er bringt neue Mären · her in dieſes Land: // Die kühnen Nibelungen · ſchlug des Helden Hand, // Die reichen Königsſöhne · Schilbung und Nibelung; // Er wirkte große Wunder · mit des ſtarken Armes Schwung. // „Als der Held alleine · ritt aller Hülfe bar, // Fand er an einem Berge, · ſo hört ich immerdar, // Bei König Niblungs Horte · manchen kühnen Mann; // Sie waren ihm gar fremde, · bis er hier die Kunde gewann. // „Der Hort König Nibelungs · ward hervorgetragen // Aus einem hohlen Berge: · nun hört Wunder ſagen, // Wie ihn theilen wollten · Die Niblung unterthan. // Das ſah der Degen Siegfried, · den es zu wundern begann. // „So nah kam er ihnen, · daß er die Helden ſah // Und ihn die Degen wieder. · Der Eine ſagte da: // „Hier kommt der ſtarke Siegfried, · der Held aus Niederland.“ // Seltſame Abenteuer · er bei den Nibelungen fand. // „Den Recken wohl empfiengen · Schilbung und Nibelung. // Einhellig baten · die edeln Fürſten jung, // Daß ihnen theilen möchte · den Schatz der kühne Mann: // Das begehrten ſie, bis endlich · ers zu geloben begann. // „Er ſah ſo viel Geſteines, · wie wir hören ſagen, // Hundert Leiterwagen · die möchten es nicht tragen, // Noch mehr des rothen Goldes · von Nibelungenland: // Das Alles ſollte theilen · des kühnen Siegfriedes Hand. // „Sie gaben ihm zum Lohne · König Niblungs Schwert: // Da wurden ſie des Dienſtes · gar übel gewährt, // Den ihnen leiſten ſollte · Siegfried der Degen gut. // Er könnt es nicht vollbringen: · ſie hatten zornigen Muth. // „So muſt er ungetheilet · die Schätze laßen ſtehn. // Da beſtanden ihn die Degen · in der zwei Könge Lehn: // Mit ihres Vaters Schwerte, · das Balmung war genannt, // Stritt ihnen ab der Kühne · den Hort und Nibelungenland // „Da hatten ſie zu Freunden · kühne zwölf Mann, // Die ſtarke Rieſen waren: · was konnt es ſie verfahn? // Die erſchlug im Zorne · Siegfriedens Hand // Und ſiebenhundert Recken · zwang er vom Nibelungenland. // „Mit dem guten Schwerte, · geheißen Balmung. // Vom Schrecken überwältigt · war mancher Degen jung // Zumal vor dem Schwerte · und vor dem kühnen Mann: // Das Land mit den Burgen · machten ſie ihm unterthan. // „Dazu die reichen Könige · die ſchlug er beide todt. // Er kam durch Albrichen · darauf in große Noth: // Der wollte ſeine Herren · rächen allzuhand, // Eh er die große Stärke · noch an Siegfrieden fand. // „Mit Streit beſtehen konnt ihn · da nicht der ſtarke Zwerg. // Wie die wilden Leuen · liefen ſie an den Berg, // Wo er die Tarnkappe · Albrichen abgewann: // Da war des Hortes Meiſter · Siegfried der ſchreckliche Mann. // „Die ſich getraut zu fechten, · die lagen all erſchlagen. // Den Schatz ließ er wieder · nach dem Berge tragen, // Dem ihn entnommen hatten · Die Niblung unterthan. // Alberich der ſtarke · das Amt des Kämmrers gewann. // „Er muſt ihm Eide ſchwören, · er dien ihm als ſein Knecht, // Zu aller Art Dienſten · ward er ihm gerecht.“ // So ſprach von Tronje Hagen: · „Das hat der Held gethan; // Alſo große Kräfte · nie mehr ein Recke gewann. // „Noch ein Abenteuer · iſt mir von ihm bekannt: // Einen Linddrachen · ſchlug des Helden Hand; // Als er im Blut ſich badete, · ward hörnern ſeine Haut. // So verſehrt ihn keine Waffe: · das hat man oft an ihm geſchaut. // „Man ſoll ihn wohl empfangen, · der beſte Rath iſt das, // Damit wir nicht verdienen · des ſchnellen Recken Haß. // Er iſt ſo kühnes Sinnes, · man ſeh ihn freundlich an: // Er hat mit ſeinen Kräften · ſo manche Wunder gethan.“ // Da ſprach der mächtge König: · „Gewiſs, du redeſt wahr: // Nun ſieh, wie ſtolz er daſteht · vor des Streits Gefahr, // Dieſer kühne Degen · und Die in ſeinem Lehn! // Wir wollen ihm entgegen · hinab zu dem Recken gehn.“ // „Das mögt ihr,“ ſprach da Hagen, · „mit allen Ehren ſchon: // Er iſt von edelm Stamme · eines reichen Königs Sohn; // Auch hat er die Gebäre, · mich dünkt, beim Herren Chriſt, // Es ſei nicht kleine Märe, · um die er hergeritten iſt.“ // Da ſprach der Herr des Landes: · „Nun ſei er uns willkommen. // Er iſt kühn und edel, · das hab ich wohl vernommen; // Des ſoll er auch genießen · im Burgundenland.“ // Da gieng der König Gunther · hin, wo er Siegfrieden fand. // Der Wirth und ſeine Recken · empfiengen ſo den Mann, // Daß wenig an dem Gruße · gebrach, den er gewann; // Des neigte ſich vor ihnen · der Degen auserſehn // In großen Züchten ſah man · ihn mit ſeinen Recken ſtehn. // „Mich wundert dieſe Märe,“ · ſprach der Wirth zuhand, // „Von wannen, edler Siegfried, · ihr kamt in dieſes Land // Oder was ihr wollet ſuchen · zu Worms an dem Rhein?“ // Da ſprach der Gaſt zum König: · „Das ſoll euch unverhohlen ſein. // „Ich habe ſagen hören · in meines Vaters Land, // An euerm Hofe wären, · das hätt ich gern erkannt, // Die allerkühnſten Recken, · ſo hab ich oft vernommen, // Die je gewann ein König: · darum bin ich hieher gekommen. // „So hör ich auch euch ſelber · viel Mannheit zugeſtehn, // Man habe keinen König · noch je ſo kühn geſehn. // Das rühmen viel der Leute · in all dieſem Land; // Nun kann ichs nicht verwinden, · bis ich die Wahrheit befand. // „Ich bin auch ein Recke · und ſoll die Krone tragen: // Ich möcht es gerne fügen, · daß ſie von mir ſagen, // Daß ich mit Recht beſäße · die Leute wie das Land. // Mein Haupt und meine Ehre · ſetz ich dawider zu Pfand. // Wenn ihr denn ſo kühn ſeid, · wie euch die Sage zeiht, // So frag ich nicht, iſts Jemand · lieb oder leid: // Ich will von euch erzwingen, · was euch angehört, // Das Land und die Burgen · unterwerf ich meinem Schwert.“ // Der König war verwundert · und all ſein Volk umher, // Als ſie vernahmen · ſein ſeltſam Begehr, // Daß er ihm zu nehmen · gedächte Leut und Land. // Das hörten ſeine Degen, · die wurden zornig zuhand. // „Wie ſollt ich das verdienen,“ · ſprach Gunther der Degen, // Wes mein Vater lange · mit Ehren durfte pflegen, // Daß wir das verlören · durch Jemands Ueberkraft? // Das wäre ſchlecht bewieſen, · daß wir auch pflegen Ritterſchaft!“ // „Ich will davon nicht laßen,“ · fiel ihm der Kühne drein, // „Von deinen Kräften möge · dein Land befriedet ſein, // Ich will es nun verwalten; · doch auch das Erbe mein, // Erwirbſt du es durch Stärke, · es ſoll dir unterthänig ſein. // „Dein Erbe wie das meine · wir ſchlagen gleich ſie an, // Und wer von uns den Andern · überwinden kann, // Dem ſoll es alles dienen, · die Leute wie das Land.“ // Dem widerſprach da Hagen · und mit ihm Gernot zuhand. // „So ſtehn uns nicht die Sinne,“ · ſprach da Gernot, // „Nach neuen Lands Gewinne, · daß Jemand ſollte todt // Vor Heldeshänden liegen: · reich iſt unſer Land, // Das uns mit Recht gehorſamt, zu Niemand beßer bewandt.“ // In grimmigem Muthe · ſtanden da die Freunde ſein. // Da war auch darunter · von Metz Herr Ortewein. // Der Sprach: „Die Sühne · iſt mir von Herzen leid: // Euch ruft der ſtarke Siegfried · ohn allen Grund in den Streit. // „Wenn ihr und eure Brüder · ihm auch nicht ſteht zur Wehr, // Und ob er bei ſich führte · ein ganzes Königsheer, // So wollt ichs doch erſtreiten, · daß der ſtarke Held // Alſo hohen Uebermuth, · wohl mit Recht bei Seite ſtellt.“ // Darüber zürnte mächtig · der Held von Niederland: // „Nicht wider mich vermeßen · darf ſich deine Hand: // Ich bin ein reicher König, · du biſt in Königs Lehn; // Deiner zwölfe dürften · mich nicht im Streite beſtehn.“ // Nach Schwertern rief da heftig · von Metz Herr Ortewein: // Er durfte Hagens Schweſterſohn · von Tronje wahrlich ſein; // Daß er ſo lang geſchwiegen, · das war dem König leid. // Da ſprach zum Frieden Gernot, · ein Ritter kühn und allbereit. // „Laßt euer Zürnen bleiben,“ · hub er zu Ortwein an, // „Uns hat der edle Siegfried · noch ſolches nicht gethan; // Wir ſcheiden es in Güte · wohl noch, das rath ich ſehr, // Und haben ihn zum Freunde; · es geziemt uns wahrlich mehr.“ // Da ſprach der ſtarke Hagen · „Uns iſt billig leid // und all euern Degen, · daß er je zum Streit // an den Rhein geritten: · was ließ er das nicht ſein? // So übel nie begegnet · wären ihm die Herren mein.“ // Da ſprach wieder Siegfried, · der kraftvolle Held: // „Wenn euch, was ich geſprochen, · Herr Hagen, miſsfällt, // So will ich ſchauen laßen, · wie noch die Hände mein // Gedenken ſo gewaltig · bei den Burgunden zu ſein.“ // „Das hoff ich noch zu wenden,“ · ſprach da Gernot. // Allen ſeinen Degen · zu reden er verbot // In ihrem Uebermuthe, · was ihm wäre leid. // Da gedacht auch Siegfried · an die viel herrliche Maid. // „Wie geziemt' uns mit euch zu ſtreiten?“ · ſprach wieder Gernot // „Wie viel dabei der Helden · auch fielen in den Tod, // Wenig Ehre brächt uns · ſo ungleicher Streit.“ // Die Antwort hielt da Siegfried, · König Siegmunds Sohn, bereit: // Warum zögert Hagen · und auch Ortewein, // Daß er nicht zum Streite · eilt mit den Freunden ſein, // Deren er ſo manchen · bei den Burgunden hat?“ // Sie blieben Antwort ſchuldig, · das war Gernotens Rath. // „Ihr ſollt uns willkommen ſein,“ · ſprach Geiſelher das Kind, // „Und eure Heergeſellen, · die hier bei euch find: // Wir wollen gern euch dienen, · ich und die Freunde mein.“ // Da hieß man den Gäſten · ſchenken König Gunthers Wein. // Da ſprach der Wirth des Landes: · „Alles, was uns gehört, // Verlangt ihr es in Ehren, · das ſei euch unverwehrt; // Wir wollen mit euch theilen · unſer Gut und Blut.“ // Da ward dem Degen Siegfried · ein wenig ſanfter zu Muth. // Da ließ man ihnen wahren · all ihr Wehrgewand; // Man ſuchte Herbergen, · die beſten, die man fand: // Siegfriedens Knappen · ſchuf man gut Gemach. // Man ſah den Fremdling gerne · in Burgundenland hernach. // Man bot ihm große Ehre · darauf in manchen Tagen, // Mehr zu tauſend Malen, · als ich euch könnte ſagen; // Das hatte ſeine Kühnheit · verdient, das glaubt fürwahr. // Ihn ſah wohl ſelten Jemand, · der ihm nicht gewogen war. // Flißen ſich der Kurzweil · die Könge und ihr Lehn, // So war er ſtäts der Beſte, · was man auch ließ geſchehn. // Es konnt ihm Niemand folgen, · ſo groß war ſeine Kraft, // Ob ſie den Stein warfen · oder ſchoßen den Schaft. // Nach höfſcher Sitte ließen · ſich auch vor den Fraun // Der Kurzweile pflegend · die kühnen Ritter ſchaun: // Da ſah man ſtäts den Helden · gern von Niederland; // Er hatt auf hohe Minne · ſeine Sinne gewandt. // Die ſchönen Fraun am Hofe · erfragten Märe, // Wer der ſtolze fremde · Recke wäre. // „Er iſt ſo ſchön gewachſen, · ſo reich iſt ſein Gewand!“ // Da ſprachen ihrer Viele: · „Das iſt der Held von Niederland.“ // Was man beginnen wollte, · er war dazu bereit; // Er trug in ſeinem Sinne · eine minnigliche Maid, // Und auch nur ihn die Schöne, · die er noch nie geſehn, // Und die ſich doch viel Gutes · von ihm ſchon heimlich verſehn. // Wenn man auf dem Hofe · das Waffenſpiel begann, // Ritter ſo wie Knappen, · immer ſah es an // Kriemhild aus den Fenſtern, · die Königstochter hehr; // Keiner andern Kurzweil · hinfort bedurfte ſie mehr. // Und wüſt er, daß ihn ſähe, · die er im Herzen trug, // Davon hätt er Kurzweil · immerdar genug. // Erſähn ſie ſeine Augen, · ich glaube ſicherlich, // Keine andre Freude · hier auf Erden wünſcht' er ſich. // Wenn er bei den Recken · auf dem Hofe ſtand, // Wie man noch zur Kurzweil · pflegt in allem Land, // Wie ſtand dann ſo minniglich · das Sieglindenkind, // Daß manche Frau ihm heimlich · war von Herzen hold geſinnt. // Er gedacht auch manchmal: · „Wie ſoll das geſchehn, // Daß ich das edle Mägdlein · mit Augen möge ſehn, // Die ich von Herzen minne, · wie ich ſchon längſt gethan? // Die iſt mir noch gar fremde; · mit Trauern denk ich daran.“ // So oft die reichen Könige · ritten in ihr Land, // So muſten auch die Recken · mit ihnen all zur Hand. // Auch Siegfried ritt mit ihnen: · das war der Frauen leid; // Er litt von ihrer Minne · auch Beſchwer zu mancher Zeit. // So wohnt' er bei den Herren, · das iſt alles wahr, // In König Gunthers Lande · völliglich ein Jahr, // Daß er die Minnigliche · in all der Zeit nicht ſah, // Durch die ihm bald viel Liebes · und auch viel Leides geſchah. // 4. Viertes Abenteuer. // Wie Siegfried mit den Sachſen ſtritt. Da kamen fremde Mären · in König Gunthers Land // Durch Boten aus der Ferne · ihnen zugeſandt // Von unbekannten Recken, · die ihnen trugen Haß // Als ſie die Rede hörten, · gar ſehr betrübte ſie das. // Die will ich euch nennen: · es war Lüdeger // Aus der Sachſen Lande, · ein mächtger König hehr; // Dazu vom Dänenlande · der König Lüdegaſt: // Die gewannen zu dem Kriege · gar manchen herrlichen Gaſt. // Ihre Boten kamen · in König Gunthers Land, // Die ſeine Widerſacher · hatten hingeſandt. // Da frug man um die Märe · die Unbekannten gleich // Und führte bald die Boten · zu Hofe vor den König reich. // Schön grüßte ſie der König und ſprach: · „Seid willkommen! // Wer euch hieher geſendet, · hab ich noch nicht vernommen: // Das ſollt ihr hören laßen,“ · ſprach der König gut. // Da bangten ſie gewaltig · vor des grimmen Gunther Muth. // „Wollt ihr uns, Herr, erlauben, · daß wir euch Bericht // Von unſrer Märe ſagen, · wir hehlen ſie euch nicht. // Wir nennen euch die Herren, · die uns hieher geſandt: // Lüdegaſt und Lüdeger · die ſuchen heim euer Land. // Ihren Zorn habt ihr verdienet: · wir vernahmen das // Gar wohl, die Herren tragen · euch beide großen Haß. // Sie wollen heerfahrten · gen Worms an den Rhein; // Ihnen helfen viel der Degen: · laßt euch das zur Warnung ſein. // „Binnen zwölf Wochen · muß ihre Fahrt geſchehn; // Habt ihr nun guter Freunde, · ſo laßt es bald erſehn, // Die euch befrieden helfen · die Burgen und das Land: // Hier werden ſie verhauen · manchen Helm und Schildesrand. // „Oder wollt ihr unterhandeln, · ſo macht es offenbar; // So reitet euch ſo nahe · nicht gar manche Schar // Eurer ſtarken Feinde · zu bitterm Herzeleid, // Davon verderben müßen · viel der Ritter kühn im Streit.“ // „Nun harrt eine Weile · (ich künd euch meinen Muth), // Bis ich mich recht bedachte,“ · ſprach der König gut. // „Hab ich noch Getreue, · denen will ichs ſagen, // Dieſe ſchwere Botſchaft · muß ich meinen Freunden klagen.“ // Dem mächtigen Gunther · war es leid genug; // Den Botenſpruch er heimlich · in ſeinem Herzen trug. // Er hieß berufen Hagen · und Andr' in ſeinem Lehn // Und hieß auch gar geſchwinde · zu Hof nach Gernoten gehn. // Da kamen ihm die Beſten, · ſo viel man deren fand. // Er ſprach: „Die Feinde wollen · heimſuchen unſer Land // Mit ſtarken Heerfahrten; · das ſei euch geklagt. // Es iſt gar unverſchuldet, · daß ſie uns haben widerſagt.“ // „Dem wehren wir mit Schwertern,“ · ſprach da Gernot, // „Da ſterben nur, die müßen: · die laßet liegen todt. // Ich werde nicht vergeßen · darum der Ehre mein: // Unſre Widerſacher · ſollen uns willkommen ſein.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Das dünkt mich nicht gut; // Lüdegaſt und Lüdeger · ſind voll Uebermuth. // Wir können uns nicht ſammeln · in ſo kurzen Tagen,“ // So ſprach der kühne Recke: · „ihr ſollt es Siegfrieden ſagen.“ // Da gab man den Boten · Herbergen in der Stadt. // Wie feind ſie ihnen waren, · ſie gut zu pflegen bat // Gunther der reiche, · das war wohlgethan, // Bis er erprobt an Freunden, · wer ihm zu Hülfe zög heran. // Der König trug im Herzen · Sorge doch und Leid. // Da ſah ihn alſo trauern · ein Ritter allbereit, // Der nicht wißen konnte, · was ihm war geſchehn: // Da bat er König Gunthern, · ihm den Grund zu geſtehn. // „Mich nimmt höchlich Wunder,“ · ſprach da Siegfried, // „Wie die frohe Weiſe · ſo völlig von euch ſchied, // Deren ihr ſo lange · mit uns mochtet pflegen.“ // Zur Antwort gab ihm Gunther, · dieſer zierliche Degen: // „Wohl mag ich allen Leuten · nicht von dem Leide ſagen, // Das ich muß verborgen · in meinem Herzen tragen: // Stäten Freunden klagen · ſoll man des Herzens Noth.“ // Siegfriedens Farbe · ward da bleich und wieder roth. // Er ſprach zu dem Könige: · „Was blieb euch je verſagt? // Ich will euch wenden helfen · das Leid, das ihr klagt. // Wollt ihr Freunde ſuchen, · ſo will ich einer ſein // Und getrau es zu vollbringen · mit Ehren bis ans Ende mein.“ // „Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried, · die Rede dünkt mich gut; // Und kann mir auch nicht helfen · eure Kraft und hoher Muth, // So freut mich doch die Märe, · daß ihr ſo hold mir ſeid: // Leb ich noch eine Weile, · ich vergelt es mit der Zeit. // Ich will euch hören laßen, · was mich traurig macht. // Von Boten meiner Feinde · ward mir hinterbracht, // Mit Heerfahrten kämen · ſie mich zu ſuchen hie: // Das geſchah uns von Degen · in dieſen Landen noch nie.“ // „Das laßt euch nicht betrüben,“ · ſprach da Siegfried, // „Sänftet eur Gemüthe · und thut, wie ich euch rieth: // Laßt mich euch erwerben · Ehre ſo wie Frommen, // Bevor eure Feinde · her zu dieſen Landen kommen. // „Und hätten dreißigtauſend · Helfer ſich erſehn // Eure ſtarken Feinde, · doch wollt ich ſie beſtehn, // Hätt ich auch ſelbſt nur tauſend: · verlaßt euch auf mich.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Das verdien ich ſtäts um dich.“ // „So heißt mir eurer Leute · gewinnen tauſend Mann, // Da ich von den Meinen · nicht mehr hier ſtellen kann // Als der Recken zwölfe; · ſo wehr ich euer Land. // Immer ſoll getreulich · euch dienen Siegfriedens Hand. // „Dazu ſoll Hagen helfen · und auch Ortewein, // Dankwart und Sindold, · die lieben Recken dein. // Auch ſoll da mit uns reiten · Volker der kühne Mann: // Der ſoll die Fahne führen: · keinen Beßern trefft ihr an. // „Und laßt die Boten reiten heim · in ihrer Herren Land; // Daß ſie uns bald da ſehen, · macht ihnen das bekannt, // So daß unſre Burgen · befriedet mögen ſein.“ // Der König hieß beſenden · Freund und Mannen insgemein. // Zu Hofe giengen wieder · Die Lüdeger geſandt; // Sie freuten ſich der Reiſe · zurück ins Heimatland. // Ihnen bot da reiche Gabe · Gunther der König gut // Und ſicheres Geleite: · des waren ſie wohlgemuth. // „Nun ſagt,“ ſprach da Gunther, · „meinen ſtarken Feinden an, // Ihre Reiſe bliebe · beßer ungethan; // Doch wollten ſie mich ſuchen · hier in meinem Land, // Wir zerrännen denn die Freunde, · ihnen werde Noth bekannt.“ // Den Boten reiche Gaben · man da zur Stelle trug: // Deren hatte Gunther · zu geben genug. // Das durften nicht verſchmähen · Die Lüdeger geſandt. // Sie baten um Urlaub · und räumten fröhlich das Land. // Als die Boten waren · gen Dänemark gekommen, // Und der König Lüdegaſt · den Bericht vernommen, // Was ſie am Rhein geredet, · als das ihm ward geſagt, // Seine übermüthge Botſchaft · ward da bereut und beklagt. // Sie ſagten ihm, ſie hätten · manch kühnen Mann im Lehn: // „Darunter ſah man Einen · vor König Gunthern ſtehn, // Der war geheißen Siegfried, · ein Held aus Niederland.“ // Leid wars Lüdegaſten, · als er die Dinge ſo befand. // Als Die vom Dänenlande · hörten dieſe Mär, // Da eilten ſie, der Helfer · zu gewinnen deſto mehr, // Bis der König Lüdegaſt · zwanzigtauſend Mann // Seiner kühnen Degen · zu ſeiner Heerfahrt gewann. // Da beſandte ſich von Sachſen · auch König Lüdeger, // Bis ſie vierzigtauſend · hatten und wohl mehr, // Die mit ihnen ritten · gen Burgundenland. // Da hatt auch ſchon zu Hauſe · der König Gunther geſandt // Zu ſeinen nächſten Freunden · und ſeiner Brüder Heer, // Womit ſie fahren wollten · im Kriegszug einher, // Und auch mit Hagens Recken: · das that den Helden Noth. // Darum muſten Degen · bald erſchauen den Tod. // Sie ſchickten ſich zur Reiſe; · ſie wollten nun hindann. // Die Fahne muſte führen · Volker der kühne Mann, // Da ſie reiten wollten · von Worms über Rhein; // Hagen von Tronje · der muſte Scharmeiſter ſein. // Mit ihnen ritt auch Sindold · und der kühne Hunold, // Die wohl verdienen konnten · reicher Könge Gold. // Dankwart, Hagens Bruder, · und auch Ortewein // Die mochten wohl mit Ehren · bei dem Heerzuge ſein. // „Herr König,“ ſprach da Siegfried, · „bleibet ihr zu Haus: // Da mir eure Degen · folgen zu dem Strauß, // So weilt bei den Frauen · und tragt hohen Muth: // Ich will euch wohl behüten · die Ehre ſo wie das Gut. // „Die euch heimſuchen wollten · zu Worms an dem Rhein, // Will euch davor bewahren, · daß ſie euch ſchädlich ſei'n: // Wir wollen ihnen reiten · ſo nah ins eigne Land, // Daß ihnen bald in Sorge · der Uebermuth wird gewandt.“ // Vom Rheine ſie durch Heſſen · mit ihren Helden ritten // Nach dem Sachſenlande: · da wurde bald geſtritten. // Mit Raub und mit Brande · verheerten ſie das Land, // Daß bald den Fürſten beiden · ward Noth und Sorge bekannt. // Sie kamen an die Marke; · die Knechte rückten an. // Siegfried der ſtarke · zu fragen da begann: // „Wer ſoll nun der Hüter · des Geſindes ſein?“ // Wohl konnte nie den Sachſen · ein Heerzug übler gedeihn. // Sie ſprachen: „Laßt der Knappen · hüten auf den Wegen // Dankwart den kühnen, · das iſt ein ſchneller Degen: // Wir verlieren deſto minder · durch Die in Lüdgers Lehn; // Laßt ihn mit Ortweinen · hie die Nachhut verſehn.“ // „So will ich ſelber reiten,“ · ſprach Siegfried der Degen, // „Den Feinden gegenüber · der Warte zu pflegen, // Bis ich recht erkunde, · wo die Recken ſind.“ // Da ſtand bald in den Waffen · der ſchönen Siegelinde Kind. // Das Volk befahl er Hagen, · als er zog hindann, // Ihm und Gernoten, · dieſem kühnen Mann. // So ritt er hin alleine · in der Sachſen Land, // Wo er die rechte Märe · wohl bald mit Ehren befand. // Er ſah ein groß Geſchwader, · das auf dem Felde zog, // Und die Kraft der Seinen · gewaltig überwog: // Es waren vierzigtauſend · oder wohl noch mehr. // Siegfried in hohem Muthe · ſah gar fröhlich das Heer. // Da hatte ſich ein Recke · auch aus der Feinde Schar // Erhoben auf die Warte, · der wohl gewappnet war: // Den ſah der Degen Siegfried · und ihn der kühne Mann; // Jedweder auf den andern · mit Zorn zu blicken begann. // Ich ſag euch, wer der wäre, · der hier der Warte pflag; // Ein lichter Schild von Golde · ihm vor der Linken lag. // Es war der König Lüdegaſt, · der hütete ſein Heer. // Der edle Fremdling ſprengte · herrlich wider ihn einher. // Nun hatt auch ihn Herr Lüdegaſt · ſich feindlich erkoren: // Ihre Roſſe reizten Beide · zur Seite mit den Sporen; // Sie neigten auf die Schilde · mit aller Macht den Schaft: // Da kam der hehre König · darob in großer Sorgen Haft. // Dem Stich gehorſam trugen · die Roſſe pfeilgeſchwind // Die Könige zuſammen, · als wehte ſie der Wind; // Dann mit den Zäumen wandten · ſie ritterlich zurück: // Die grimmen Zwei verſuchten · da mit dem Schwerte das Glück. // Da ſchlug der Degen Siegfried, · das Feld erſcholl umher. // Aus dem Helme ſtoben, · als obs von Bränden wär, // Die feuerrothen Funken · von des Helden Hand; // Da ſtritt mit großen Kräften · der kühne Vogt von Niederland. // Auch ihm ſchlug Herr Lüdegaſt · manch grimmen Schlag; // Jedweder auf dem Schilde · mit ganzer Stärke lag. // Da hatten es wohl dreißig · erſpäht aus ſeiner Schar: // Eh die ihm Hülfe brachten, · der Sieg doch Siegfrieden war // Mit drei ſtarken Wunden, · die er dem König ſchlug // Durch einen lichten Harniſch; · der war doch feſt genug. // Das Schwert mit ſeiner Schärfe · entlockte Wunden Blut; // Da gewann König Lüdegaſt · einen traurigen Muth. // Er bat ihn um ſein Leben · und bot ihm all ſein Land // Und ſagt' ihm, er wäre · Lüdegaſt genannt. // Da kamen ſeine Recken: · die hatten wohl geſehn, // Was da von ihnen beiden · auf der Warte war geſchehn. // Er führt' ihn gern von dannen: · da ward er angerannt // Von dreißig ſeiner Mannen; · doch wehrte ſeine Hand // Seinen edeln Geiſel · mit ungeſtümen Schlägen. // Bald that noch größern Schaden · dieſer zierliche Degen. // Die Dreißig zu Tode · wehrlich er ſchlug; // Ihrer Einen ließ er leben: · der ritt da ſchnell genug // Und brachte hin die Märe · von dem, was hier geſchehn; // Auch konnte man die Wahrheit · an ſeinem rothen Helme ſehn. // Gar leid wars den Recken · aus dem Dänenland, // Als ihres Herrn Gefängniſs · ihnen ward bekannt. // Man ſagt' es ſeinem Bruder: · der fieng zu toben an // In ungeſtümem Zorne: · ihm war gar wehe gethan. // Lüdegaſt der König · war hinweggebracht // Zu Gunthers Ingeſinde · von Siegfrieds Uebermacht. // Er befahl ihn Hagen: · der kühne Recke gut, // Als er vernahm die Märe, · da gewann er fröhlichen Muth. // Man gebot den Burgunden: · „Die Fahne bindet an.“ // „Wohlauf,“ ſprach da Siegfried, · „hier wird noch mehr gethan // Vor Abendzeit, verlier ich · Leben nicht und Leib: // Das betrübt im Sachſenlande · noch manches waidliche Weib. // „Ihr Helden vom Rheine, · ihr ſollt mein nehmen wahr: // Ich kann euch wohl geleiten · zu Lüdegers Schar. // Da ſeht ihr Helme hauen · von guter Helden Hand: // Eh wir uns wieder wenden, · wird ihnen Sorge bekannt.“ // Zu den Roſſen ſprangen Gernot · und Die ihm unterthan. // Die Heerfahne faßte · der kühne Spielmann, // Volker der Degen, · und ritt der Schar vorauf. // Da war auch das Geſinde · zum Streite muthig und wohlauf. // Sie führten doch der Degen · nicht mehr denn tauſend Mann, // Darüber zwölf Recken. · Zu ſtieben da begann // Der Staub von den Straßen: · ſie ritten über Land; // Man ſah von ihnen ſcheinen · manchen ſchönen Schildesrand. // Nun waren auch die Sachſen · gekommen und ihr Heer // Mit Schwertern wohlgewachſen; · die Klingen ſchnitten ſehr, // Das hab ich wohl vernommen, · den Helden an der Hand: // Da wollten ſie die Gäſte · von Burgen wehren und Land. // Der Herren Scharmeiſter · führten das Volk heran. // Da war auch Siegfried kommen · mit den zwölf Mann, // Die er mit ſich führte · aus dem Niederland. // Des Tags ſah man im Sturme · manche blutige Hand. // Sindold und Hunold · und auch Gernot // Die ſchlugen in dem Streite · viel der Helden todt, // Eh ſie ihrer Kühnheit · noch ſelber mochten traun: // Das muſten bald beweinen · viel der waidlichen Fraun. // Volker und Hagen · und auch Ortwein // Leſchten in dem Streite · manches Helmes Schein // Mit fließendem Blute, · die Kühnen in der Schlacht. // Von Dankwarten wurden · viel große Wunder vollbracht. // Da verſuchten auch die Dänen · waidlich ihre Hand; // Von Stößen laut erſchallte · mancher Schildesrand // Und von den ſcharfen Schwertern, · womit man Wunden ſchlug. // Die ſtreitkühnen Sachſen · thaten Schadens auch genug. // Als die Burgunden · drangen in den Streit, // Von ihnen ward gehauen · manche Wunde weit: // Ueber die Sättel fließen · ſah man das Blut; // So warben um die Ehre · dieſe Ritter kühn und gut. // Man hörte laut erhallen · den Helden an der Hand // Ihre ſcharfen Waffen, · als Die von Niederland // Ihrem Herrn nachdrangen · in die dichten Reihn; // Die zwölfe kamen ritterlich · zugleich mit Siegfried hinein. // Deren vom Rheine · kam ihnen Niemand nach. // Man konnte fließen ſehen · den blutrothen Bach // Durch die lichten Helme · von Siegfriedens Hand, // Eh er Lüdegeren · vor ſeinen Heergeſellen fand. // Dreimal die Kehre · hat er nun genommen // Bis an des Heeres Ende; · da war auch Hagen kommen: // Der half ihm wohl vollbringen · im Kampfe ſeinen Muth. // Da muſte bald erſterben · vor ihnen mancher Ritter gut. // Als der ſtarke Lüdeger · Siegfrieden fand, // Wie er ſo erhaben · trug in ſeiner Hand // Balmung den guten · und da ſo Manchen ſchlug, // Darüber ward der Kühne · vor Zorn ingrimmig genug. // Da gab es ſtark Gedränge · und lauten Schwerterklang, // Wo ihr Ingeſinde · auf einander drang. // Da verſuchten deſto heftiger · die beiden Recken ſich; // Die Scharen wichen beide: · der Kämpen Haß ward fürchterlich. // Dem Vogt vom Sachſenlande · war es wohl bekannt, // Sein Bruder ſei gefangen: · drum war er zornentbrannt; // Nicht wuſt er, ders vollbrachte, · ſei der Sieglindenſohn. // Man zeihte des Gernoten; · hernach befand er es ſchon. // Da ſchlug ſo ſtarke Schläge · Lüdegers Schwert, // Siegfrieden unterm Sattel · niederſank das Pferd; // Doch bald erhob ſichs wieder: · der kühne Siegfried auch // Gewann jetzt im Sturme · einen furchtbaren Brauch. // Dabei half ihm Hagen · wohl und Gernot, // Dankwart und Volker: · da lagen Viele todt. // Sindold und Hunold · und Ortwein der Degen // Die konnten in dem Streite · zum Tode Manchen niederlegen. // Untrennbar im Kampfe · waren die Fürſten hehr. // Ueber die Helme fliegen · ſah man manchen Sper // Durch die lichten Schilde · von der Helden Hand; // Auch ward von Blut geröthet · mancher herrliche Rand. // In dem ſtarken Sturme · ſank da mancher Mann // Von den Roſſen nieder. · Einander rannten an // Siegfried der kühne · und König Lüdeger; // Man ſah da Schäfte fliegen · und manchen ſchneidigen Sper. // Der Schildbeſchlag des Königs · zerſtob vor Siegfrieds Hand. // Sieg zu erwerben dachte · der Held von Niederland // An den kühnen Sachſen; · die litten Ungemach. // Hei! was da lichte Panzer · der kühne Dankwart zerbrach! // Da hatte König Lüdeger · auf einem Schild erkannt // Eine gemalte Krone · vor Siegfriedens Hand: // Da ſah er wohl, es wäre · der kraftreiche Mann. // Laut auf zu ſeinen Freunden · der Held zu rufen begann: // „Begebt euch des Streites, · ihr all mir unterthan! // Den Sohn König Siegmunds · traf ich hier an, // Siegfried den ſtarken · hab ich hier erkannt; // Den hat der üble Teufel · her zu den Sachſen gefandt.“ // Er gebot die Fahnen · zu ſenken in dem Streit. // Friedens er begehrte: · der ward ihm nach der Zeit; // Doch muſt er Geiſel werden · in König Gunthers Land: // Das hatt an ihm erzwungen · des kühnen Siegfriedes Hand. // Nach allgemeinem Rathe · ließ man ab vom Streit. // Viel zerſchlagner Helme · und der Schilde weit // Legten ſie aus Händen; · ſo viel man deren fand, // Die waren blutgeröthet · von der Burgunden Hand. // Sie fiengen, wen ſie wollten: · ſie hatten volle Macht. // Gernot und Hagen, · die ſchnellen, hatten Acht, // Daß man die Wunden bahrte; · da führten ſie hindann // Gefangen nach dem Rheine · der Kühnen fünfhundert Mann. // Die ſiegloſen Recken · zum Dänenlande ritten. // Da hatten auch die Sachſen · ſo tapfer nicht geſtritten, // Daß man ſie loben ſollte: · das war den Helden leid. // Da beklagten ihre Freunde · die Gefallnen in dem Streit. // Sie ließen ihre Waffen · aufſäumen nach dem Rhein. // Es hatte wohl geworben · mit den Gefährten ſein // Siegfried der ſtarke · und hatt es gut vollbracht: // Das muſt ihm zugeſtehen · König Gunthers ganze Macht. // Gen Worms ſandte Boten · der König Gernot: // Daheim in ſeinem Lande · den Freunden er entbot, // Wie ihm gelungen wäre · und all ſeinem Lehn: // Es war da von den Kühnen · nach allen Ehren geſchehn. // Die Botenknaben liefen; · ſo ward es angeſagt. // Da freuten ſich in Liebe, · die eben Leid geklagt, // Dieſer frohen Märe, · die ihnen war gekommen. // Da ward von edlen Frauen · großes Fragen vernommen, // Wie es den Herrn gelungen · wär in des Königs Heer. // Man rief der Boten Einen · zu Kriemhilden her. // Das geſchah verſtohlen, · ſie durfte es wohl nicht laut: // Denn Einer war darunter, · dem ſie längſt ihr Herz vertraut. // Als ſie in ihre Kammer · den Boten kommen ſah, // Kriemhild die ſchöne · gar gütlich ſprach ſie da: // „Nun ſag mir liebe Märe, · ſo geb ich dir mein Gold, // Und thuſt dus ohne Trügen, · will ich dir immer bleiben hold. // „Wie ſchied aus dem Streite · mein Bruder Gernot // Und meine andern Freunde? · Blieb uns nicht Mancher todt? // Wer that da das Beſte? · das ſollſt du mir ſagen“ // Da ſprach der biedre Bote: · „Wir hatten nirgend einen Zagen. // „Zuvorderſt in dem Streite · ritt Niemand ſo wohl, // Hehre Königstochter, · wenn ich es ſagen ſoll, // Als der edle Fremdling · aus dem Niederland: // Da wirkte große Wunder · des kühnen Siegfriedes Hand. // „Was von den Recken allen · im Streit da geſchehn, // Dankwart und Hagen · und des Königs ganzem Lehn, // Wie wehrlich ſie auch ſtritten, · das war doch wie ein Wind // Nur gegen Siegfrieden, · König Siegmundens Kind. // „Sie haben in dem Sturme · der Helden viel erſchlagen; // Doch möcht euch dieſer Wunder · ein Ende Niemand ſagen, // Die da Siegfried wirkte, · ritt er in den Streit. // Den Fraun an ihren Freunden · that er mächtiges Leid. // „Auch muſte vor ihm fallen · der Friedel mancher Braut. // Seine Schläge ſchollen · auf Helmen alſo laut, // Daß ſie aus Wunden brachten · das fließende Blut: // Er iſt in allen Dingen · ein Ritter kühn und auch gut. // „Da hat auch viel begangen · von Metz Herr Ortewein: // Was er nur mocht erlangen · mit dem Schwerte ſein, // Das fiel vor ihm verwundet · oder meiſtens todt. // Da ſchuf euer Bruder · die allergrößeſte Noth, // „Die jemals in Stürmen · mochte ſein geſchehn; // Man muß dem Auserwählten · die Wahrheit zugeſtehn. // Die ſtolzen Burgunden · beſtanden ſo die Fahrt, // Daß ſie vor allen Schanden · die Ehre haben bewahrt. // „Man ſah von ihren Händen · der Sättel viel geleert, // Als ſo laut das Feld erhallte · von manchem lichten Schwert. // Die Recken vom Rheine · die ritten allezeit, // Daß ihre Feinde beßer · vermieden hätten den Streit. // „Auch die kühnen Tronjer · ſchufen großes Leid, // Als mit Volkskräften · das Heer ſich traf im Streit. // Da ſchlug ſo Manchen nieder des kühnen Hagen Hand, // Es wäre viel zu ſagen · davon in der Burgunden Land. // „Sindold und Hunold · in Gernotens Heer // Und Rumold der kühne · ſchufen ſo viel Beſchwer, // König Lüdger mag es · beklagen allezeit, // Daß er meine Herren · am Rhein berief in den Streit. // „Kampf, den allerhöchſten, · der irgend da geſchah, // Vom Erſten bis zum Letzten, · den Jemand nur ſah, // Hat Siegfried gefochten · mit wehrlicher Hand: // Er bringt reiche Geiſel · her in König Gunthers Land. // „Die zwang mit ſeinen Kräften · der ſtreitbare Held, // Wovon der König Lüdegaſt · den Schaden nun behält // Und vom Sachſenlande · ſein Bruder Lüdeger. // Nun hört meine Märe, · viel edle Königin hehr! // „Gefangen hat ſie beide · Siegfriedens Hand: // Nie ſo mancher Geiſel · kam in dieſes Land, // Als nun ſeine Kühnheit · bringt an den Rhein.“ // Ihr konnten dieſe Mären · nicht willkommener ſein. // „Man führt der Geſunden · fünfhundert oder mehr // Und der zum Sterben Wunden, · wißt, Königin hehr, // Wohl achtzig blutge Bahren · her in unſer Land: // Die hat zumeiſt verhauen · des kühnen Siegfriedes Hand. // „Die uns im Uebermuthe · widerſagten hier am Rhein, // Die müßen nun Gefangene · König Gunthers ſein; // Die bringt man mit Freuden · her in dieſes Land.“ // Ihre lichte Farb erblühte, · als ihr die Märe ward bekannt. // Ihr ſchönes Antlitz wurde · vor Freuden roſenroth, // Da lebend war geſchieden · aus ſo großer Noth // Der waidliche Recke, · Siegfried der junge Mann. // Sie war auch froh der Freunde · und that wohl weislich daran. // Die Schöne ſprach: „Du machteſt · mir frohe Mär bekannt: // Ich laße dir zum Lohne · geben reich Gewand, // Und zehn Mark von Golde · heiß ich dir tragen.“ // Drum mag man ſolche Botſchaft · reichen Frauen gerne ſagen. // Man gab ihm zum Lohne · das Gold und auch das Kleid. // Da trat an die Fenſter · manche ſchöne Maid // Und ſchaute nach der Straße, · wo man reiten fand // Viel hochherzge Degen · in der Burgunden Land. // Da kamen die Geſunden, · der Wunden Schar auch kam: // Die mochten grüßen hören · von Freunden ohne Scham. // Der Wirth ritt ſeinen Gäſten · entgegen hocherfreut: // Mit Freuden war beendet · all ſein mächtiges Leid. // Da empfieng er wohl die Seinen, · die Fremden auch zugleich, // Wie es nicht anders ziemte · dem Könige reich, // Als denen gütlich danken, · die da waren kommen, // Daß ſie den Sieg mit Ehren · im Sturme hatten genommen. // Herr Gunther ließ ſich Kunde · von ſeinen Freunden ſagen, // Wer ihm auf der Reiſe · zu Tode wär erſchlagen, // Da hatt er nicht verloren · mehr als ſechzig Mann; // Die muſte man verſchmerzen, · wie man noch Manchen gethan. // Da brachten die Geſunden · zerhauen manchen Rand // Und viel zerſchlagener Helme · in König Gunthers Land. // Das Volk ſprang von den Roſſen · vor des Königs Saal; // Zu liebem Empfange · vernahm man fröhlichen Schall. // Da gab man Herbergen · den Recken in der Stadt. // Der König ſeine Gäſte · wohl zu verpflegen bat; // Die Wunden ließ er hüten · und warten fleißiglich. // Wohl zeigte ſeine Milde · auch an ſeinen Feinden ſich. // Er ſprach zu Lüdegeren: · „Nun ſeid mir willkommen! // Ich bin zu großem Schaden · durch eure Schuld gekommen: // Der wird mir nun vergolten, · wenn ich das ſchaffen kann. // Gott lohne meinen Freunden: · ſie haben wohl an mir gethan.“ // „Wohl mögt ihr ihnen danken,“ · ſprach da Lüdeger, // „Solche hohe Geiſel · gewann kein König mehr. // Um ritterlich Gewahrſam · bieten wir großes Gut // Und bitten, daß ihr gnädiglich · an euern Widerſachern thut.“ // „Ich will euch,“ ſprach er, „Beide · ledig laßen gehn; // Nur daß meine Feinde · hier bei mir beſtehn, // Dafür verlang ich Bürgſchaft, · damit ſie nicht mein Land // Räumen ohne Frieden.“ · Darauf boten ſie die Hand. // Man brachte ſie zur Ruhe, · wo man ſie wohl verpflag. // Und bald auf guten Betten · mancher Wunde lag. // Man ſchenkte den Geſunden · Meth und guten Wein; // Da konnte das Geſinde · nicht wohl fröhlicher ſein. // Die zerhaunen Schilde · man zum Verſchluße trug; // Blutgefärbter Sättel · ſah man da genug. // Die ließ man verbergen, · ſo weinten nicht die Fraun. // Da waren reiſemüde · viel gute Ritter zu ſchaun. // Seiner Gäſte pflegen · hieß der König wohl; // Von Heimiſchen und Fremden · lag das Land ihm voll; // Er ließ die Fährlichwunden · gütlich verpflegen: // Wie hart war darnieder · nun ihr Uebermuth gelegen! // Die Arzneikunſt wuſten, · denen bot man reichen Sold, // Silber ungewogen, · dazu das lichte Gold, // Wenn ſie die Helden heilten · nach des Streites Noth. // Dazu viel große Gaben · der König ſeinen Gäſten bot. // Wer wieder heimzureiſen · ſann in ſeinem Muth, // Den bat man noch zu bleiben, · wie man mit Freunden thut. // Der König gieng zu Rathe, · wie er lohne ſeinem Lehn: // Durch ſie war ſein Wille · nach allen Ehren geſchehn. // Da ſprach der König Gernot: · „Laßt ſie jetzt hindann; // Ueber ſechs Wochen, · das kündigt ihnen an, // Sollten ſie wiederkehren · zu einem Hofgelag: // Heil iſt dann wohl Mancher, · der jetzt ſchwer verwundet lag.“ // Da bat auch um Urlaub · Siegfried von Niederland. // Als dem König Gunther · ſein Wille ward bekannt, // Bat er ihn gar minniglich, · noch bei ihm zu beſtehn; // Wenn nicht um ſeine Schweſter, · ſo wär es nimmer geſchehn. // Dazu war er zu mächtig, · daß man ihm böte Sold, // So ſehr er es verdiente. · Der König war ihm hold // Und all ſeine Freunde, · die das mit angeſehn, // Was da von ſeinen Händen · war im Streite geſchehn. // Er dachte noch zu bleiben · um die ſchöne Maid; // Vielleicht, daß er ſie ſähe. · Das geſchah auch nach der Zeit: // Wohl nach ſeinem Wunſche · ward ſie ihm bekannt. // Dann ritt er reich an Freuden · heim in ſeines Vaters Land. // Der Wirth bat alle Tage · des Ritterſpiels zu pflegen; // Das that mit gutem Willen · mancher junge Degen. // Auch ließ er Sitz' errichten · vor Worms an dem Strand // Für Die da kommen ſollten · in der Burgunden Land. // Nun hatt auch in den Tagen, · als ſie ſollten kommen, // Kriemhild die ſchöne · die Märe wohl vernommen, // Er ſtell ein Hofgelage · mit lieben Freunden an. // Da dachten ſchöne Frauen · mit großem Fleiße daran, // Gewand und Band zu ſuchen, das ſie wollten tragen. // Ute die reiche · vernahm die Märe ſagen // Von den ſtolzen Recken, · die da ſollten kommen: // Da wurden aus dem Einſchlag · viele reiche Kleider genommen. // Ihrer Kinder halb bereiten · ließ ſie Rock und Kleid, // Womit ſich da zierten · viel Fraun und manche Maid // Und viel der jungen Recken · aus Burgundenland. // Sie ließ auch manchem Fremden · bereiten herrlich Gewand. // 5. Fünftes Abenteuer. // Wie Siegfried Kriemhilden zuerſt erſah. Man ſah die Helden täglich · nun reiten an den Rhein, // Die bei dem Hofgelage · gerne wollten ſein // Und den Königen zu Liebe · kamen in das Land. // Man gab ihrer Vielen · beides, Roſs und Gewand. // Es war auch das Geſtühle · allen ſchon bereit, // Den Höchſten und den Beſten, · ſo hörten wir Beſcheid, // Zweiunddreißig Fürſten · zu dem Hofgelag: // Da zierten um die Wette · ſich die Frauen für den Tag. // Gar geſchäftig ſah man · Geiſelher das Kind. // Die Heimiſchen und Fremden · empfieng er holdgeſinnt // Mit Gernot ſeinem Bruder · und beider Mannen da. // Wohl grüßten ſie die Degen, · wie es nach Ehren geſchah. // Viel goldrother Sättel · führten ſie ins Land, // Zierliche Schilde · und herrlich Gewand // Brachten ſie zu Rheine · bei dem Hofgelag. // Mancher Ungeſunde · hieng der Freude wieder nach. // Die wund zu Bette liegend · vordem gelitten Noth, // Die durften nun vergeßen, · wie bitter ſei der Tod; // Die Siechen und die Kranken · vergaß man zu beklagen. // Es freute ſich ein Jeder · entgegen feſtlichen Tagen: // Wie ſie da leben wollten · in gaſtlichem Genuß! // Wonnen ohne Maßen, · der Freuden Ueberfluß // Hatten alle Leute, · ſo viel man immer fand: // Da hub ſich große Wonne · über Gunthers ganzes Land. // An einem Pfingſtmorgen · ſah man ſie alle gehn // Wonniglich gekleidet, · viel Degen auserſehn, // Fünftauſend oder drüber, · dem Hofgelag entgegen. // Da hub um die Wette · ſich viel Kurzweil allerwegen. // Der Wirth hatt im Sinne, · was er ſchon längſt erkannt, // Wie von ganzem Herzen · der Held von Niederland // Seine Schweſter liebe, · ſah er ſie gleich noch nie, // Der man das Lob der Schönheit · vor allen Jungfrauen lieh. // Er ſprach: „Nun rathet Alle, · Freund oder Unterthan, // Wie wir das Hofgelage · am beſten ſtellen an, // Daß man uns nicht ſchelte · darum nach dieſer Zeit; // Zuletzt doch an den Werken · liegt das Lob, das man uns beut.“ // Da ſprach zu dem Könige · von Metz Herr Ortewein: // „Soll dieß Hofgelage · mit vollen Ehren ſein, // So laßt eure Gäſte · die ſchönen Kinder ſehn, // Denen ſo viel Ehren · in Burgundenland geſchehn. // „Was wäre Mannes Wonne, · was freut' er ſich zu ſchaun, // Wenn nicht ſchöne Mägdelein · und herrliche Fraun? // Drum laßt eure Schweſter · vor die Gäſte gehn.“ // Der Rath war manchem Helden · zu hoher Freude geſchehn. // „Dem will ich gerne folgen,“ · der König ſprach da ſo. // Alle, die's erfuhren, · waren darüber froh. // Er entbot es Frauen Uten · und ihrer Tochter ſchön, // Daß ſie mit ihren Maiden · hin zu Hofe ſollten gehn. // Da ward aus den Schreinen · geſucht gut Gewand, // So viel man eingeſchlagen · der lichten Kleider fand, // Der Borten und der Spangen; · des lag genug bereit. // Da zierte ſich gar minniglich · manche waidliche Maid. // Mancher junge Recke · wünſchte heut ſo ſehr, // Daß er wohlgefallen · möchte den Frauen hehr, // Das er dafür nicht nähme · ein reiches Königsland: // Sie ſahen die gar gerne, · die ſie nie zuvor gekannt. // Da ließ der reiche König · mit ſeiner Schweſter gehn // Hundert ſeiner Recken, · zu ihrem Dienſt erſehn // Und dem ihrer Mutter, · die Schwerter in der Hand: // Das war das Hofgeſinde · in der Burgunden Land. // Ute die reiche · ſah man mit ihr kommen, // Die hatte ſchöner Frauen · ſich zum Geleit genommen // Hundert oder drüber, · geſchmückt mit reichem Kleid. // Auch folgte Kriemhilden · manche waidliche Maid. // Aus einer Kemenate · ſah man ſie alle gehn: // Da muſte heftig Drängen · von Helden bald geſchehn, // Die alle harrend ſtanden, · ob es möchte ſein, // Daß ſie da fröhlich ſähen · dieſes edle Mägdelein. // Da kam die Minnigliche, · wie das Morgenroth // Tritt aus trüben Wolken. · Da ſchied von mancher Noth, // Der ſie im Herzen hegte, · was lange war geſchehn. // Er ſah die Minnigliche · nun gar herrlich vor ſich ſtehn. // Von ihrem Kleide leuchtete · mancher edle Stein; // Ihre roſenrothe Farbe · gab wonniglichen Schein. // Was Jemand wünſchen mochte, · er muſte doch geſtehn, // Daß er hier auf Erden · noch nicht ſo Schönes geſehn. // Wie der lichte Vollmond · vor den Sternen ſchwebt, // Des Schein ſo hell und lauter · ſich aus den Wolken hebt, // So glänzte ſie in Wahrheit · vor andern Frauen gut: // Das mochte wohl erhöhen · den zieren Helden den Muth. // Die reichen Kämmerlinge · ſchritten vor ihr her; // Die hochgemuthen Degen · ließen es nicht mehr: // Sie drängten, daß ſie ſähen · die minnigliche Maid. // Siegfried dem Degen · war es lieb und wieder leid. // Er ſann in ſeinem Sinne: · „Wie dacht ich je daran, // Daß ich dich minnen ſollte? · das iſt ein eitler Wahn; // Soll ich dich aber meiden, · ſo wär ich ſanfter todt.“ // Er ward von Gedanken · oft bleich und oft wieder roth. // Da ſah man den Sigelindenſohn · ſo minniglich da ſtehn, // Als wär er entworfen · auf einem Pergamen // Von guten Meiſters Händen: · gern man ihm zugeſtand, // Daß man nie im Leben · ſo ſchönen Helden noch fand. // Die mit Kriemhilden giengen, · die hießen aus den Wegen // Allenthalben weichen: · dem folgte mancher Degen. // Die hochgetragnen Herzen · freute man ſich zu ſchaun: // Man ſah in hohen Züchten · viel der herrlichen Fraun. // Da ſprach von Burgunden · der König Gernot: // „Dem Helden, der ſo gütlich · euch ſeine Dienſte bot, // Gunther, lieber Bruder, · dem bietet hier den Lohn // Vor allen dieſen Recken: · des Rathes ſpricht man mir nicht Hohn. // „Heißet Siegfrieden · zu meiner Schweſter kommen, // Daß ihn das Mägdlein grüße: · das bringt uns immer Frommen: // Die niemals Recken grüßte, · ſoll ſein mit Grüßen pflegen, // Daß wir uns ſo gewinnen · dieſen zierlichen Degen.“ // Des Wirthes Freunde giengen dahin, · wo man ihn fand; // Sie ſprachen zu dem Recken · aus dem Niederland: // „Der König will erlauben, · ihr ſollt zu Hofe gehn, // Seine Schweſter ſoll euch grüßen: · die Ehre ſoll euch geſchehn.“ // Der Rede ward der Degen · in ſeinem Muth erfreut: // Er trug in ſeinem Herzen · Freude ſonder Leid, // Daß er der ſchönen Ute · Tochter ſollte ſehn. // In minniglichen Züchten · empfieng ſie Siegfrieden ſchön. // Als ſie den Hochgemuthen · vor ſich ſtehen ſah, // Ihre Farbe ward entzündet; · die Schöne ſagte da: // „Willkommen, Herr Siegfried, · ein edler Ritter gut.“ // Da ward ihm von dem Gruße · gar wohl erhoben der Muth. // Er neigte ſich ihr minniglich, · als er den Dank ihr bot. // Da zwang ſie zu einander · ſehnender Minne Noth; // Mit liebem Blick der Augen · ſahn einander an // Der Held und auch das Mägdelein; · das ward verſtohlen gethan. // Ward da mit ſanftem Drucke · geliebkoſt weiße Hand // In herzlicher Minne, · das iſt mir unbekannt. // Doch kann ich auch nicht glauben, · ſie hättens nicht gethan. // Liebebedürftige Herzen · thäten Unrecht daran. // Zu des Sommers Zeiten · und in des Maien Tagen // Durft er in ſeinem Herzen · nimmer wieder tragen // So viel hoher Wonne, · als er da gewann, // Da die ihm an der Hand gieng, · die der Held zu minnen ſann. // Da gedachte mancher Recke: · „Hei! wär mir ſo geſchehn, // Daß ich ſo bei ihr gienge, · wie ich ihn geſehn, // Oder bei ihr läge! · das nähm ich willig hin.“ // Es diente nie ein Recke · ſo gut noch einer Königin. // Aus welchen Königs Landen · ein Gaſt gekommen war, // Er nahm im ganzen Saale · nur dieſer beiden wahr. // Ihr ward erlaubt zu küſſen · den waidlichen Mann: // Ihm ward in ſeinem Leben · nie ſo Liebes gethan. // Von Dänemark der König · hub an und ſprach zur Stund: // „Des hohen Grußes willen · liegt gar Mancher wund, // Wie ich wohl hier gewahre, · von Siegfriedens Hand: // Gott laß ihn nimmer wieder · kommen in der Dänen Land.“ // Da hieß man allenthalben · weichen aus den Wegen // Kriemhild der Schönen; · manchen kühnen Degen // Sah man wohlgezogen · mit ihr zur Kirche gehn. // Bald ward von ihr geſchieden · dieſer Degen auserſehn. // Da gieng ſie zu dem Münſter · und mit ihr viel der Fraun. // Da war in ſolcher Zierde · die Königin zu ſchaun, // Daß da hoher Wünſche · mancher ward verloren; // Sie war zur Augenweide · viel der Recken auserkoren. // Kaum erharrte Siegfried, · bis ſchloß der Meſsgeſang; // Er mochte ſeinem Heile · des immer ſagen Dank, // Daß ihm ſo gewogen war, · die er im Herzen trug: // Auch war er der Schönen · nach Verdienſten hold genug. // Als ſie aus dem Münſter · nach der Meſſe kam, // Lud man wieder zu ihr · den Helden lobeſam. // Da begann ihm erſt zu danken · die minnigliche Maid, // Daß er vor allen Recken · ſo kühn gefochten im Streit. // „Nun lohn euch Gott, Herr Siegfried,“ · ſprach das ſchöne Kind, // „Daß ihr das verdientet, · daß euch die Recken ſind // So hold mit ganzer Treue, · wie ſie zumal geſtehn.“ // Da begann er Frau Kriemhilden · minniglich anzuſehn. // „Stäts will ich ihnen dienen,“ · ſprach Stegfried der Degen, // „Und will mein Haupt nicht eher · zur Ruhe niederlegen, // Bis ihr Wunſch geſchehen, · ſo lang mein Leben währt: // Das thu ich, Frau Kriemhild, · daß ihr mir Minne gewährt.“ // Innerhalb zwölf Tagen, · ſo oft es neu getagt, // Sah man bei dem Degen · die wonnigliche Magd, // So ſie zu Hofe durfte · vor ihren Freunden gehn. // Der Dienſt war dem Recken · aus großer Liebe geſchehn. // Freude und Wonne · und lauten Schwerterſchall // Vernahm man alle Tage · vor König Gunthers Saal, // Davor und darinnen · von manchem kühnen Mann. // Von Ortwein und Hagen · wurden Wunder viel gethan. // Was man zu üben wünſchte, · dazu ſah man bereit // In völligem Maße · die Degen kühn im Streit. // Da machten vor den Gäſten · die Recken ſich bekannt; // Es war eine Zierde · König Gunthers ganzem Land. // Die lange wund gelegen, · wagten ſich an den Wind: // Sie wollten kurzweilen · mit des Königs Ingeſind, // Schirmen mit den Schilden · und ſchießen manchen Schaft. // Des halfen ihnen Viele; · ſie hatten größliche Kraft. // Bei dem Hofgelage · ließ ſie der Wirth verpflegen // Mit der beſten Speiſe; · es durfte ſich nicht regen // Nur der kleinſte Tadel, · der Fürſten mag entſtehn; // Man ſah ihn jetzo freundlich · hin zu ſeinen Gäſten gehn. // Er ſprach: „Ihr guten Recken, · bevor ihr reitet hin, // So nehmt meine Gaben: · alſo fleht mein Sinn, // Ich will euch immer danken; · verſchmäht nicht mein Gut: // Es unter euch zu theilen · hab ich willigen Muth.“ // Die vom Dänenlande · ſprachen gleich zur Hand: // „Bevor wir wieder reiten · heim in unſer Land, // Gewährt uns ſtäten Frieden: · das iſt uns Recken noth; // Uns ſind von euern Degen · viel der lieben Freunde todt.“ // Geneſen von den Wunden · war Lüdegaſt derweil; // Der Vogt des Sachſenlandes · war bald vom Kampfe heil. // Etliche Todte · ließen ſie im Land. // Da gieng der König Gunther · hin, wo er Siegfrieden fand. // Er ſprach zu dem Recken: · „Nun rath mir, wie ich thu. // Unſre Gäſte wollen · reiten morgen fruh // Und gehn um ſtäte Sühne · mich und die Meinen an: // Nun rath, kühner Degen, · was dich dünke wohlgethan. // „Was mir die Herrn bieten, · das will ich dir ſagen: // Was fünfhundert Mähren · an Gold mögen tragen, // Das bieten ſie mir gerne · für ihre Freiheit an.“ // Da ſprach aber Siegfried: · „Das wär übel gethan. // „Ihr ſollt ſie beide ledig · von hinnen laßen ziehn; // Nur daß die edeln Recken · ſich hüten fürderhin // Vor feindlichem Reiten · her in euer Land, // Laßt euch zu Pfande geben · der beiden Könige Hand.“ // „Dem Rathe will ich folgen.“ · So giengen ſie hindann. // Seinen Widerſachern · ward es kundgethan, // Des Golds begehre Niemand, · das ſie geboten eh. // Daheim den lieben Freunden · war nach den heermüden weh. // Viel Schilde ſchatzbeladen · trug man da herbei: // Das theilt' er ungewogen · ſeinen Freunden frei, // An fünfhundert Marken · und Manchem wohl noch mehr; // Gernot rieth es Gunthern, · dieſer Degen kühn und hehr. // Um Urlaub baten alle, · ſie wollten nun hindann. // Da kamen die Gäſte · vor Kriemhild heran // Und dahin auch, wo Frau Ute · ſaß, die Königin. // Es zogen nie mehr Degen · ſo wohl beurlaubt dahin. // Die Herbergen leerten ſich, · als ſie von dannen ritten. // Doch verblieb im Lande · mit herrlichen Sitten // Der König mit den Seinen · und mancher edle Mann: // Die giengen alle Tage · zu Frau Kriemhild heran. // Da wollt auch Urlaub nehmen · Siegfried der gute Held, // Verzweifelnd zu erwerben, · worauf ſein Sinn geſtellt. // Der König hörte ſagen, · er wolle nun hindann: // Geiſelher der junge · ihn von der Reiſe gewann. // „Wohin, edler Siegfried, · wohin reitet ihr? // Hört meine Bitte, · bleibt bei den Recken hier, // Bei Gunther dem König · und bei ſeinem Lehn: // Hier ſind viel ſchöne Frauen, · die läßt man euch gerne ſehn.“ // Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „So laßt die Roſſe ſtehn. // Von hinnen wollt ich reiten, · das laß ich mir vergehn. // Tragt auch hinweg die Schilde: · wohl wollt ich in mein Land: // Davon hat mich Herr Geiſelher · mit großen Treuen gewandt.“ // So verblieb der Kühne · dem Freund zu Liebe dort. // Auch wär ihm in den Landen · an keinem andern Ort // So wohl als hier geworden: · daher es nun geſchah, // Daß er alle Tage · die ſchöne Kriemhild erſah. // Ihrer hohen Schönheit willen · der Degen da verblieb. // Mit mancher Kurzweile · man nun die Zeit vertrieb; // Nur zwang ihn ihre Minne, · die ſchuf ihm oftmals Noth; // Darum hernach der Kühne · lag zu großem Jammer todt. // 6. Sechstes Abenteuer. // Wie Gunther um Brunhild gen Iſenland fuhr. Wieder neue Märe · erhob ſich über Rhein: // Man ſagte ſich, da wäre · manch ſchönes Mägdelein. // Sich eins davon zu werben · ſann König Gunthers Muth. // Das dauchte ſeine Recken · und die Herren alle gut. // Es war eine Königin · geſeßen über Meer, // Ihr zu vergleichen · war keine andre mehr. // Schön war ſie aus der Maßen, · gar groß war ihre Kraft; // Sie ſchoß mit ſchnellen Degen · um ihre Minne den Schaft. // Den Stein warf ſie ferne, · nach dem ſie weithin ſprang; // Wer ihrer Minne gehrte, · der muſte ſonder Wank // Drei Spiel' ihr abgewinnen, · der Frauen wohlgeboren; // Gebrach es ihm an Einem, · ſo war das Haupt ihm verloren. // Die Königstochter hatte · das manchesmal gethan. // Das erfuhr am Rheine · ein Ritter wohlgethan. // Der ſeine Sinne wandte · auf das ſchöne Weib. // Drum muſten bald viel Degen · verlieren Leben und Leib. // Als einſt mit ſeinen Leuten · ſaß der König hehr, // Ward es von allen Seiten · berathen hin und her, // Welche ihr Herr ſich ſollte · zum Gemahl erſchaun, // Die er zum Weibe wollte · und dem Land geziemte zur Fraun. // Da ſprach der Vogt vom Rheine: „Ich will an die See // Hin zu Brunhilden, · wie es mir ergeh. // Um ihre Minne wag ich · Leben und Leib, // Die will ich verlieren, · gewinn ich nicht ſie zum Weib.“ // „Das möcht ich widerrathen,“ · ſprach Siegfried wider ihn: // „So grimmiger Sitte · pflegt die Königin, // Um ihre Minne werben, · das kommt hoch zu ſtehn: // Drum mögt ihrs wohl entrathen, · auf dieſe Reiſe zu gehn.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Ein Weib ward noch nie // So ſtark und kühn geboren, · im Streit wollt ich ſie // Leichtlich überwinden · allein mit meiner Hand.“ // „Schweigt,“ ſprach da Siegfried, · „ſie iſt euch noch unbekannt. // „Und wären eurer viere, · die könnten nicht gedeihn // Vor ihrem grimmen Zorne: · drum laßt den Willen ſein, // Das rath ich euch in Treuen: · entgeht ihr gern dem Tod, // So macht um ihre Minne · euch nicht vergebliche Noth.“ // „Sei ſie ſo ſtark ſie wolle, · die Reiſe muß ergehn // Hin zu Brunhilden, · mag mir was will geſchehn. // Ihrer hohen Schönheit willen · gewagt muß es ſein: // Vielleicht daß Gott mir füget, · daß ſie uns folgt an den Rhein.“ // „So will ich euch rathen,“ · begann da Hagen, // „Bittet Siegfrieden, · mit euch zu tragen // Die Laſt dieſer Sorge; · das iſt der beſte Rath, // Weil er von Brunhilden · ſo gute Kunde doch hat.“ // Er ſprach: „Viel edler Siegfried, · willſt du mir Helfer ſein // Zu werben um die Schöne? · Thu nach der Bitte mein; // Und gewinn ich mir zur Trauten · das herrliche Weib, // So verwag ich deinetwillen · Ehre, Leben und Leib.“ // Zur Antwort gab ihm Siegfried, · König Siegmunds Sohn: // „Ich will es thun, verſprichſt du · die Schweſter mir zum Lohn, // Kriemhild die ſchöne, · eine Königin hehr: // So begehr ich keines Dankes · nach meinen Arbeiten mehr.“ // „Das gelob ich,“ ſprach Gunther, · „Siegfried, dir an die Hand. // Und kommt die ſchöne Brunhild · hieher in dieſes Land, // So will ich dir zum Weibe · meine Schweſter geben: // So magſt du mit der Schönen · immer in Freuden leben.“ // Des ſchwuren ſich Eide · dieſe Recken hehr. // Da ſchuf es ihnen beiden · viel Müh und Beſchwer, // Eh ſie die Wohlgethane · brachten an den Rhein. // Es muſten die Kühnen · darum in großen Sorgen ſein. // Von wilden Gezwergen · hab ich hören ſagen, // Daß ſie in hohlen Bergen · wohnen und Schirme tragen, // Die heißen Tarnkappen, · von wunderbarer Art; // Wer ſie am Leibe trage, · der ſei gar wohl darin bewahrt // Vor Schlägen und vor Stichen; · ihn mög auch Niemand ſehn, // So lang er drin verweile; · hören doch und ſpähn // Mag er nach feinem Willen, · daß Niemand ihn erſchaut; // Ihm wachſen auch die Kräfte, · wie uns die Märe vertraut. // Die Tarnkappe führte · Siegfried mit hindann, // Die der kühne Degen · mit Sorgen einſt gewann // Von einem Gezwerge · mit Namen Alberich. // Da ſchickten ſich zur Reiſe · Recken kühn und ritterlich. // Wenn der ſtarke Siegfried · die Tarnkappe trug, // So gewann er drinnen · der Kräfte genug, // Zwölf Männer Stärke, · ſo wird uns geſagt. // Er erwarb mit großen Liſten · dieſe herrliche Magd. // Auch war ſo beſchaffen · die Nebelkappe gut, // Ein Jeder mochte drinnen · thun nach ſeinem Muth, // Was er immer wollte, · daß ihn doch Niemand ſah. // Damit gewann er Brunhild, · durch die ihm bald viel Leid geſchah. // „Nun ſage mir, Siegfried, · eh unſre Fahrt geſcheh, // Wie wir mit vollen Ehren · kommen über See? // Sollen wir Ritter führen · in Brunhildens Land? // Dreißigtauſend Degen · die werden eilends beſandt.“ // „Wie viel wir Volkes führten,“ · ſprach Siegfried wider ihn, // „So grimmiger Sitte · pflegt die Königin, // Das müſte doch erſterben · vor ihrem Uebermuth. // Ich will euch beßer rathen, · Degen ihr kühn und gut. // „In Reckenweiſe fahren · laßt uns zu Thal den Rhein. // Die will ich euch nennen, · die das ſollen ſein: // Zu uns zwein noch zweie · und Niemand anders mehr, // Daß wir die Frau erwerben, · was auch geſchehe nachher. // „Der Geſellen bin ich einer, · du ſollſt der andre ſein, // Und Hagen ſei der dritte: · wir mögen wohl gedeihn; // Der vierte das ſei Dankwart, · dieſer kühne Mann. // Es dürfen Andrer tauſend · zum Streite nimmer uns nahn.“ // „Die Märe wüſt ich gerne,“ · der König ſprach da ſo, // „Eh wir von hinnen führen, · des wär ich herzlich froh, // Was wir für Kleider ſollten · vor Brunhilden tragen, // Die uns geziemen möchten: · Siegfried, das ſollſt du mir ſagen.“ // „Gewand das allerbeſte, · das man irgend fand, // Trägt man zu allen Zeiten · in Brunhildens Land: // Drum laß uns reiche Kleider · vor der Frauen tragen, // Daß wirs nicht Schande haben, · hört man künftig von uns ſagen.“ // Da ſprach der gute Degen: · „So will ich ſelber gehn // Zu meiner lieben Mutter, · ob es nicht mag geſchehn, // Daß ihre ſchönen Mägde · uns ſchaffen ſolch Gewand, // Das wir mit Ehren tragen · in der hehren Jungfrau Land.“ // Da Sprach von Tronje Hagen · mit herrlichen Sitten: // „Was wollt ihr eure Mutter · um ſolche Dienſte bitten? // Laßt eure Schweſter hören · euern Sinn und Muth: // Die iſt ſo kunſtreich, · unſre Kleider werden gut.“ // Da entbot er ſeiner Schweſter, · er wünſche ſie zu ſehn // Und auch der Degen Siegfried. · Eh ſie das ließ geſchehn, // Da hatte ſich die Schöne · geſchmückt mit reichem Kleid. // Daß die Herren kamen, · ſchuf ihr wenig Herzeleid. // Da war auch ihr Geſinde · geziert nach ſeinem Stand. // Die Fürſten kamen beide; · als ſie das befand, // Erhob ſie ſich vom Sitze: · wie höfiſch ſie da gieng, // Als ſie den edeln Fremdling · und ihren Bruder empfieng! // „Willkommen ſei mein Bruder · und der Geſelle ſein. // Nun möcht ich gerne wiſſen,“ · Sprach das Mägdelein, // „Was euch Herrn geliebe, · daß ihr zu Hofe kommt: // Laßt mich doch hören, · was euch edeln Recken frommt.“ // Da ſprach König Gunther: · „Frau, ich wills euch ſagen. // Wir müßen große Sorge · bei hohem Muthe tragen: // Wir wollen werben reiten · fern in fremdes Land // Und hätten zu der Reiſe · gerne zierlich Gewand.“ // „Nun ſitzt, lieber Bruder,“ · ſprach das Königskind, // „Und laßt mich erſt erfahren, · Wer die Frauen ſind, // Die ihr begehrt zu minnen · in fremder Könge Land.“ // Die Auserwählten beide · nahm das Mägdlein bei der Hand: // Hin gieng ſie mit den Beiden, · wo ſie geſeßen war // Auf prächtgen Ruhebetten, · das glaubt mir fürwahr, // Mit eingewirkten Bildern, · in Gold wohl erhaben. // Sie mochten bei der Frauen · gute Kurzweile haben. // Freundliche Blicke · und gütliches Sehn, // Des mochte von den Beiden · da wohl viel geſchehn. // Er trug ſie in dem Herzen, · ſie war ihm wie ſein Leben. // Er erwarb mit großem Dienſte, · daß ſie ihm ward zu Weib gegeben. // Da ſprach der edle König: · „Viel liebe Schweſter mein, // Ohne deine Hülfe · kann es nimmer ſein. // Wir wollen abenteuern · in Brunhildens Land; // Da müßen wir vor Frauen · tragen herrlich Gewand.“ // Da ſprach die Königstochter: · „Viel lieber Bruder mein, // Kann euch an meiner Hülfe · dabei gelegen ſein, // So ſollt ihr inne werden, · ich bin dazu bereit; // Verſagte ſie ein Andrer euch, · das wäre Kriemhilden leid. // „Ihr ſollt mich, edler Ritter, · nicht in Sorgen bitten, // Ihr ſollt nur gebieten · mit herrlichen Sitten: // Was euch gefallen möge, · dazu bin ich bereit // Und thus mit gutem Willen,“ · ſprach die wonnigliche Maid. // „Wir wollen, liebe Schweſter, · tragen gut Gewand: // Das ſoll bereiten helfen · eure weiße Hand. // Laßt eure Mägdlein ſorgen, · daß es uns herrlich ſteht, // Da man uns dieſe Reiſe · doch vergebens widerräth.“ // Da begann die Jungfrau: · „Nun hört, was ich ſage, // Wir haben ſelber Seide: · befehlt, daß man uns trage // Geſtein auf den Schilden, · ſo ſchaffen wir das Kleid, // Das ihr mit Ehren traget · vor der herrlichen Maid.“ // „Wer ſind die Geſellen,“ · ſprach die Königin, // „Die mit euch gekleidet · zu Hofe ſollen ziehn?“ // „Das bin ich ſelbvierter; · noch Zwei aus meinem Lehn, // Dankwart und Hagen, · ſollen mit uns zu Hofe gehn. // „Nun merkt, liebe Schweſter, · wohl, was wir euch ſagen: // Sorgt, daß wir vier Geſellen · zu vier Tagen tragen // Je der Kleider dreierlei · und alſo gut Gewand, // Daß wir ohne Schande · räumen Brunhildens Land.“ // Das gelobte ſie den Recken; · die Herren ſchieden hin. // Da berief der Jungfraun · Kriemhild die Königin // Aus ihrer Kemenate · dreißig Mägdelein, // Die gar ſinnreich mochten · zu ſolcher Kunſtübung ſein. // In arabiſche Seide, · ſo weiß als der Schnee, // Und gute Zazamanker, · ſo grün als der Klee, // Legten ſie Geſteine: · das gab ein gut Gewand; // Kriemhild die ſchöne · ſchnitts mit eigener Hand. // Von ſeltner Fiſche Häuten · Bezüge wohlgethan, // Zu ſchauen fremd den Leuten, · ſo viel man nur gewann, // Bedeckten ſie mit Seide: · darein ward Gold getragen: // Man mochte große Wunder · von den lichten Kleidern ſagen. // Aus dem Land Marocco · und auch von Libya // Der allerbeſten Seide, · die man jemals ſah // Königskinder tragen, · der hatten ſie genug. // Wohl ließ ſie Kriemhild ſchauen, · wie ſie Liebe für ſie trug. // Da ſie ſo theure Kleider · begehrt zu ihrer Fahrt, // Hermelinfelle · wurden nicht geſpart, // Darauf von Kohlenſchwärze · mancher Flecken lag: // Das trügen ſchnelle Helden · noch gern bei einem Hofgelag. // Aus arabiſchem Golde · glänzte mancher Stein; // Der Frauen Unmuße · war nicht zu klein. // Sie ſchufen die Gewände · in ſieben Wochen Zeit; // Da war auch ihr Gewaffen · den guten Degen bereit. // Als ſie gerüſtet ſtanden, · ſah man auf dem Rhein // Fleißiglich gezimmert · ein ſtarkes Schiffelein, // Das ſie da tragen ſollte · hernieder an die See. // Den edeln Jungfrauen · war von Arbeiten weh. // Da ſagte man den Recken, · es ſei für ſie zur Hand, // Das ſie tragen ſollten, · das zierliche Gewand. // Was ſie erbeten hatten, · das war nun geſchehn; // Da wollten ſie nicht länger · mehr am Rheine beſtehn. // Zu den Heergeſellen · ein Bote ward geſandt, // Ob ſie ſchauen wollten · ihr neues Gewand, // Ob es den Helden wäre · zu kurz oder lang. // Es war von rechtem Maße; · des ſagten ſie den Frauen Dank. // Vor wen ſie immer kamen, · die muſten all geſtehn, // Sie hätten nie auf Erden · ſchöner Gewand geſehn. // Drum mochten ſie es gerne · da zu Hofe tragen; // Von beßerm Ritterſtaate · wuſte Niemand mehr zu ſagen. // Den edeln Maiden wurde · höchlich Dank geſagt. // Da baten um Urlaub · die Recken unverzagt; // In ritterlichen Züchten · thaten die Herren das. // Da wurden lichte Augen · getrübt von Weinen und naß. // Sie ſprach: „Viel lieber Bruder, · ihr bliebet beßer hier // Und würbt andre Frauen: · klüger ſchien' es mir, // Wo ihr nicht wagen müſtet · Leben und Leib. // Ihr fändet in der Nähe · wohl ein ſo hochgeboren Weib.“ // Sie ahnten wohl im Herzen · ihr künftig Ungemach. // Sie muſten alle weinen, · was da auch Einer ſprach. // Das Gold vor ihren Brüſten · ward von Thränen fahl; // Die fielen ihnen dichte · von den Augen zuthal. // Da ſprach ſie: „Herr Siegfried, · laßt euch befohlen ſein // Auf Treu und auf Gnade · den lieben Bruder mein, // Daß ihn nichts gefährde · in Brunhildens Land.“ // Das verſprach der Kühne · Frau Kriemhilden in die Hand. // Da ſprach der edle Degen: · „So lang mein Leben währt, // So bleibt von allen Sorgen, · Herrin, unbeſchwert; // Ich bring ihn euch geborgen · wieder an den Rhein. // Das glaubt bei Leib und Leben.“ · Da dankt' ihm ſchön das Mägdelein. // Die goldrothen Schilde · trug man an den Strand // Und ſchaffte zu dem Schiffe · all ihr Rüſtgewand; // Ihre Roſſe ließ man bringen: · ſie wollten nun hindann. // Wie da von ſchönen Frauen · ſo großes Weinen begann! // Da ſtellte ſich ins Fenſter · manch minnigliches Kind. // Das Schiff mit ſeinem Segel · ergriff ein hoher Wind. // Die ſtolzen Heergeſellen · ſaßen auf dem Rhein; // Da ſprach der König Gunther: · „Wer ſoll nun Schiffmeiſter ſein?“ // „Das will ich,“ ſprach Siegfried: · „ich kann euch auf der Flut // Wohl von hinnen führen, · das wißt, Helden gut; // Die rechten Waſſerſtraßen · ſind mir wohl bekannt.“ // So ſchieden ſie mit Freuden · aus der Burgunden Land. // Eine Ruderſtange · Siegfried ergriff; // Vom Geſtade ſchob er · kräftig das Schiff. // Gunther der kühne · ein Ruder ſelber nahm. // Da huben ſich vom Lande · die ſchnellen Ritter lobeſam. // Sie führten reichlich Speiſe, · dazu guten Wein, // Den beſten, den ſie finden · mochten um den Rhein. // Ihre Roſſe ſtanden · ſtill in guter Ruh; // Das Schiff gieng ſo eben, · kein Ungemach ſtieß ihnen zu. // Ihre ſtarken Segelſeile · ſtreckte die Luft mit Macht; // Sie fuhren zwanzig Meilen, · eh niederſank die Nacht, // Mit günſtigem Winde · nieder nach der See; // Ihr ſtarkes Arbeiten · that noch ſchönen Frauen weh. // An dem zwölften Morgen, · wie wir hören ſagen, // Da hatten ſie die Winde · weit hinweggetragen // Nach Iſenſtein der Veſte · in Brunhildens Land, // Das ihrer Keinem · außer Siegfried bekannt. // Als der König Gunther · ſo viel der Burgen ſah // Und auch der weiten Marken, · wie bald ſprach er da: // „Nun ſagt mir, Freund Siegfried, · iſt euch das bekannt? // Wem ſind dieſe Burgen · und wem das herrliche Land? // „Ich hab all mein Leben, · das muß ich wohl geſtehn, // So wohlgebauter Burgen · nie ſo viel geſehn // Irgend in den Landen, · als wir hier erſahn; // Der ſie erbauen konnte, · war wohl ein mächtiger Mann.“ // Zur Antwort gab ihm Siegfried: · „Das iſt mir wohlbekannt; // Brunhilden ſind ſie, · die Burgen wie das Land // Und Iſenſtein die Veſte, · glaubt mir fürwahr: // Da mögt ihr heute ſchauen · ſchöner Frauen große Schar. // „Ich will euch Helden rathen: · ſeid all von einem Muth // Und ſprecht in gleichem Sinne, · ſo dünkt es mich gut. // Denn wenn wir heute · vor Brunhilden gehn, // So müßen wir in Sorgen · vor der Königstochter ſtehn. // „Wenn wir die Minnigliche · bei ihren Leuten ſehn, // Sollt ihr erlauchte Helden · nur Einer Rede ſtehn: // Gunther ſei mein Lehnsherr · und ich ihm unterthan; // So wird ihm ſein Verlangen · nach ſeinem Wunſche gethan.“ // Sie waren all willfährig · zu thun, wie er ſie hieß: // In ſeinem Uebermuthe · es auch nicht Einer ließ. // Sie ſprachen, wie er wollte; · wohl frommt' es ihnen da, // Als der König Gunther · die ſchöne Brunhild erſah. // „Wohl thu ichs nicht ſo gerne · dir zu lieb allein, // Als um deine Schweſter, · das ſchöne Mägdelein. // Die iſt mir wie die Seele · und wie mein eigner Leib; // Ich will es gern verdienen, · daß ſie werde mein Weib.“ // 7. Siebentes Abenteuer. // Wie Gunther Brunhilden gewann. Ihr Schifflein unterdeſſen · war auf dem Meer // Zur Burg heran gefloßen: · da ſah der König hehr // Oben in den Fenſtern · manche ſchöne Maid. // Daß er ſie nicht erkannte, · das war in Wahrheit ihm leid. // Er fragte Siegfrieden, · den Geſellen ſein: // „Hättet ihr wohl Kunde · um dieſe Mägdelein, // Die dort hernieder ſchauen · nach uns auf die Flut? // Wie ihr Herr auch heiße, · ſo tragen ſie hohen Muth.“ // Da ſprach der kühne Siegfried: · „Nun ſollt ihr heimlich ſpähn // Nach den Jungfrauen · und ſollt mir dann geſtehn, // Welche ihr nehmen wolltet, · wär euch die Wahl verliehn.“ // „Das will ich,“ ſprach Gunther, · dieſer Ritter ſchnell und kühn. // „So ſchau ich ihrer Eine · in jenem Fenſter an, // Im ſchneeweißen Kleide, · die iſt ſo wohlgethan: // Die wählen meine Augen, · ſo ſchön iſt ſie von Leib. // Wenn ich gebieten dürfte, · ſie müſte werden mein Weib.“ // „Dir hat recht erkoren · deiner Augen Schein: // Es iſt die edle Brunhild, · das ſchöne Mägdelein, // Nach der das Herz dir ringet, · der Sinn und auch der Muth.“ // All ihr Gebaren dauchte · König Gunthern gut. // Da hieß die Königstochter · von den Fenſtern gehn // Die minniglichen Maide: · ſie ſollten da nicht ſtehn // Zum Anblick für die Fremden; · ſie folgten unverwandt. // Was da die Frauen thaten, · das iſt uns auch wohl bekannt. // Sie zierten ſich entgegen · den unkunden Herrn, // Wie es immer thaten · ſchöne Frauen gern. // Dann an die engen Fenſter · traten ſie heran, // Wo ſie die Helden ſahen: · das ward aus Neugier gethan. // Nur ihrer Viere waren, · die kamen in das Land. // Siegfried der kühne · ein Roſs zog auf den Strand. // Das ſahen durch die Fenſter · die ſchönen Frauen an: // Große Ehre dauchte · ſich König Gunther gethan. // Er hielt ihm bei dem Zaume · das zierliche Roſs, // Das war gut und ſtattlich, · ſtark dazu und groß, // Bis der König Gunther · feſt im Sattel ſaß. // Alſo dient' ihm Siegfried, · was er hernach doch ganz vergaß. // Dann zog er auch das ſeine · aus dem Schiff heran: // Er hatte ſolche Dienſte · gar ſelten ſonſt gethan, // Daß er am Steigreif · Helden geſtanden wär. // Das ſahen durch die Fenſter · die ſchönen Frauen hehr. // Es war in gleicher Weiſe · den Helden allbereit // Von ſchneeblanker Farbe · das Roſs und auch das Kleid, // Dem einen wie dem andern, · und ſchön der Schilde Rand: // Die warfen hellen Schimmer · an der edeln Recken Hand. // Ihre Sättel wohlgeſteinet, · die Bruſtriemen ſchmal: // So ritten ſie herrlich · vor Brunhildens Saal; // Daran hiengen Schellen · von lichtem Golde roth. // Sie kamen zu dem Lande, · wie ihr Hochſinn gebot, // Mit Speren neu geſchliffen, · mit wohlgeſchaffnem Schwert, // Das bis auf die Sporen gieng · den Helden werth. // Die Wohlgemuthen führten · es ſcharf genug und breit. // Das alles ſah Brunhild, · dieſe herrliche Maid. // Mit ihnen kam auch Dankwart · und ſein Bruder Hagen: // Dieſe beide trugen, · wie wir hören ſagen, // Von rabenſchwarzer Farbe · reichgewirktes Kleid; // Neu waren ihre Schilde, · gut, dazu auch lang und breit. // Von India dem Lande · trugen ſie Geſtein, // Das warf an ihrem Kleide · auf und ab den Schein. // Sie ließen unbehütet · das Schifflein bei der Flut; // So ritten nach der Veſte · dieſe Helden kühn und gut. // Sechsundachtzig Thürme · ſahn ſie darin zumal, // Drei weite Pfalzen · und einen ſchönen Saal // Von edelm Marmelſteine, · ſo grün wie das Gras, // Darin die Königstochter · mit ihrem Ingefinde ſaß. // Die Burg war erſchloßen · und weithin aufgethan, // Brunhildes Mannen · liefen alsbald heran // Und empfiengen die Gäſte · in ihrer Herrin Land. // Die Roſſe nahm man ihnen · und die Schilde von der Hand. // Da ſprach der Kämmrer Einer: · „Gebt uns euer Schwert // Und die lichten Panzer.“ · „Das wird euch nicht gewährt,“ // Sprach Hagen von Tronje, · „wir wollens ſelber tragen.“ // Da begann ihm Siegfried · von des Hofs Gebrauch zu ſagen: // „In dieſer Burg iſt Sitte, · das will ich euch ſagen, // Keine Waffen dürfen · da die Gäſte tragen: // Laßt ſie von hinnen bringen, · das iſt wohlgethan.“ // Ihm folgte wider Willen · Hagen, König Gunthers Mann. // Man ließ den Gäſten ſchenken · und ſchaffen gute Ruh. // Manchen ſchnellen Recken · ſah man dem Hofe zu // Allenthalben eilen · in fürſtlichem Gewand; // Doch wurden nach den Kühnen · ringsher die Blicke geſandt. // Nun wurden auch Brunhilden · geſagt die Mären, // Daß unbekannte Recken · gekommen wären // In herrlichem Gewande · gefloßen auf der Flut. // Da begann zu fragen · dieſe Jungfrau ſchön und gut: // „Ihr ſollt mich hören laßen,“ · ſprach das Mägdelein, // „Wer die unbekannten · Recken mögen ſein, // Die ich dort ſtehen ſehe · in meiner Burg ſo hehr, // Und wem zu Lieb die Helden · wohl gefahren ſind hieher.“ // Des Geſindes ſprach da Einer: · „Frau, ich muß geſtehn, // Daß ich ihrer Keinen · je zuvor geſehn; // Doch Einer ſteht darunter, · der Siegfrieds Weiſe hat: // Den ſollt ihr wohl empfangen, · das iſt in Treuen mein Rath. // „Der andre der Geſellen, · gar löblich dünkt er mich; // Wenn er die Macht beſäße, · zum König ziemt' er ſich // Ob weiten Fürſtenlanden, · ſollt er die verſehn. // Man ſieht ihn bei den Andern · ſo recht herrlich da ſtehn. // „Der dritte der Geſellen, · der hat gar herben Sinn, // Doch ſchönen Wuchs nicht minder, · reiche Königin. // Die Blicke ſind gewaltig, · deren ſo viel er thut: // Er trägt in ſeinem Sinne, · wähn ich, grimmigen Muth. // „Der jüngſte darunter, · gar löblich dünkt er mich: // Man ſieht den reichen Degen · ſo recht minniglich // In jungfräulicher Sitte · und edler Haltung ſtehn: // Wir müſtens alle fürchten, · wär ihm ein Leid hier geſchehn. // „So freundlich er gebahre, · ſo wohlgethan ſein Leib, // Er brächte doch zum Weinen · manch waidliches Weib, // Wenn er zürnen ſollte; · ſein Wuchs iſt wohl ſo gut, // Er iſt an allen Tugenden · ein Degen kühn und wohlgemuth.“ // Da ſprach die Königstochter: · „Nun bringt mir mein Gewand: // Und iſt der ſtarke Siegfried · gekommen in mein Land // Um meiner Minne willen, · es geht ihm an den Leib: // Ich fürcht ihn nicht ſo heftig, · daß ich würde ſein Weib.“ // Brunhild die ſchöne · trug bald erleſen Kleid. // Auch gab ihr Geleite · manche ſchöne Maid, // Wohl hundert oder drüber, · ſie all in reicher Zier. // Die Gäſte kam zu ſchauen · manches edle Weib mit ihr. // Mit ihnen giengen · Degen aus Iſenland, // Brunhildens Recken, · die Schwerter in der Hand, // Fünfhundert oder drüber; · das war den Gäſten leid. // Aufſtanden von den Sitzen · die kühnen Helden allbereit. // Als die Königstochter · Siegfrieden ſah, // Wohlgezogen ſprach ſie · zu dem Gaſte da: // „Seid willkommen, Siegfried, · hier in dieſem Land. // Was meint eure Reiſe? · das macht mir, bitt ich, bekannt.“ // „Viel Dank muß ich euch ſagen, · Frau Brunhild, // Daß ihr mich geruht zu grüßen, · Fürſtentochter mild, // Vor dieſem edeln Recken, · der hier vor mir ſteht: // Denn der iſt mein Lehnsherr; · der Ehre Siegfried wohl enträth. // „Er iſt am Rheine König: · was ſoll ich ſagen mehr? // Dir nur zu Liebe · fuhren wir hierher. // Er will dich gerne minnen, · was ihm geſchehen mag. // Nun bedenke dich bei Zeiten: · mein Herr läßt nimmermehr nach. // „Er iſt geheißen Gunther, · ein König reich und hehr. // Erwirbt er deine Minne, · nicht mehr iſt ſein Begehr. // Deinthalb mit ihm · that ich dieſe Fahrt; // Wenn er mein Herr nicht wäre, · ich hätt es ſicher geſpart.“ // Sie ſprach: „Wenn er dein Herr iſt · und du in ſeinem Lehn, // Will er, die ich ertheile, · meine Spiele dann beſtehn // Und bleibt darin der Meiſter, · ſo werd ich ſein Weib; // Doch iſts, daß ich gewinne, · es geht euch allen an den Leib.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „So zeig uns, Königin, // Was ihr für Spiel' ertheilet. · Eh euch den Gewinn // Mein Herr Gunther ließe, · ſo müſt es übel ſein: // Er mag wohl noch erwerben · ein ſo ſchönes Mägdelein.“ // „Den Stein ſoll er werfen · und ſpringen darnach, // Den Sper mit mir ſchießen: · drum ſei euch nicht zu jach. // Ihr verliert hier mit der Ehre · Leben leicht und Leib: // Drum mögt ihr euch bedenken,“ · ſprach das minnigliche Weib. // Siegfried der ſchnelle · gieng zu dem König hin // Und bat ihn, frei zu reden · mit der Königin // Ganz nach ſeinem Willen; · angſtlos ſoll er ſein: // „Ich will dich wohl behüten · vor ihr mit den Liſten mein.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Königstochter hehr, // Ertheilt mir, was ihr wollet, · und wär es auch noch mehr, // Eurer Schönheit willen · beſtünd ich Alles gern. // Mein Haupt will ich verlieren, · gewinnt ihr mich nicht zum Herrn.“ // Als da ſeine Rede · vernahm die Königin, // Bat ſie, wie ihr ziemte, · das Spiel nicht zu verziehn. // Sie ließ ſich zum Streite · bringen ihr Gewand, // Einen goldnen Panzer · und einen guten Schildesrand. // Ein ſeiden Waffenhemde · zog ſich an die Maid, // Das ihr keine Waffe · verletzen konnt im Streit, // Von Zeugen wohlgeſchaffen · aus Libya dem Land: // Lichtgewirkte Borten · erglänzten rings an dem Rand. // Derweil hatt ihr Uebermuth · den Gäſten ſchwer gedräut. // Dankwart und Hagen · die ſtanden unerfreut. // Wie es dem Herrn ergienge, · ſorgte ſehr ihr Muth. // Sie dachten: „Unſre Reiſe · bekommt uns Recken nicht gut.“ // Derweilen gieng Siegfried, · der liſtige Mann, // Eh es wer bemerkte, · an das Schiff heran, // Wo er die Tarnkappe · verborgen liegen fand, // In die er hurtig ſchlüpfte: · da war er Niemand bekannt. // Er eilte bald zurücke · und fand hier Recken viel: // Die Königin ertheilte · da ihr hohes Spiel. // Da gieng er hin verſtohlen · und daß ihn Niemand ſah // Von Allen, die da waren, · was durch Zauber geſchah. // Es war ein Kreis gezogen, · wo das Spiel geſchehn // Vor kühnen Recken ſollte, · die es wollten ſehn. // Wohl ſiebenhundert · ſah man Waffen tragen: // Wer das Spiel gewänne, · das ſollten ſie nach Wahrheit ſagen. // Da war gekommen Brunhild, · die man gewaffnet fand, // Als ob ſie ſtreiten wolle · um aller Könge Land. // Wohl trug ſie auf der Seide · viel Golddrähte fein; // Ihre minnigliche Farbe · gab darunter holden Schein. // Nun kam ihr Geſinde, · das trug herbei zuhand // Aus allrothem Golde · einen Schildesrand // Mit hartem Stahlbeſchlage, · mächtig groß und breit, // Worunter ſpielen wollte · dieſe minnigliche Maid. // An einer edeln Borte · ward der Schild getragen, // Auf der Edelſteine, · grasgrüne, lagen; // Die tauſchten mannigfaltig · Gefunkel mit dem Gold. // Er bedurfte großer Kühnheit, · dem die Jungfrau wurde hold. // Der Schild war untern Buckeln, · ſo ward uns geſagt, // Von dreier Spannen Dicke; · den trug hernach die Magd. // An Stahl und auch an Golde · war er reich genug, // Den ihrer Kämmrer Einer · mit Mühe ſelbvierter trug. // Als der ſtarke Hagen · den Schild hertragen ſah, // In großem Unmuthe · ſprach der Tronjer da: // „Wie nun, König Gunther? · An Leben gehts und Leib: // Die ihr begehrt zu minnen, · die iſt ein teufliſches Weib.“ // Hört noch von ihren Kleidern: · deren hatte ſie genug. // Von Azagauger Seide · einen Wappenrock ſie trug, // Der koſtbar war und edel: · daran warf hellen Schein // Von der Königstochter · gar mancher herrliche Stein. // Da brachten ſie der Frauen · mächtig und breit // Einen ſcharfen Wurfſpieß; · den verſchoß ſie allezeit, // Stark und ungefüge, · groß dazu und ſchwer. // An ſeinen beiden Seiten · ſchnitt gar grimmig der Sper. // Von des Spießes Schwere · höret Wunder ſagen: // Wohl hundert Pfund Eiſen · war dazu verſchlagen. // Ihn trugen mühſam Dreie · von Brunhildens Heer: // Gunther der edle · rang mit Sorgen da ſchwer. // Er dacht in ſeinem Sinne: · „Was ſoll das ſein hier? // Der Teufel aus der Hölle, · wie ſchützt' er ſich vor ihr? // War ich mit meinem Leben · wieder an dem Rhein, // Sie dürfte hier wohl lange · meiner Minne ledig ſein.“ // Er trug in ſeinen Sorgen, · das wißet, Leid genug. // All ſeine Rüſtung · man ihm zur Stelle trug. // Gewappnet Stand der reiche · König bald darin. // Vor Leid hätte Hagen · ſchier gar verwandelt den Sinn. // Da ſprach Hagens Bruder, · der kühne Dankwart: // „Mich reut in der Seele · her zu Hof die Fahrt. // Nun hießen wir einſt Recken! · wie verlieren wir den Leib! // Soll uns in dieſem Lande · nun verderben ein Weib? // „Des muß mich ſehr verdrießen, · daß ich kam in dieſes Land. // Hätte mein Bruder Hagen · ſein Schwert an der Hand // Und auch ich das meine, · ſo ſollten ſachte gehn // Mit ihrem Uebermuthe · Die in Brunhildens Lehn. // Sie ſollten ſich beſcheiden, · das glaubet mir nur. // Hätt ich den Frieden tauſendmal · beſtärkt mit einem Schwur, // Bevor ich ſterben ſähe · den lieben Herren mein, // Das Leben müſte laßen · dieſes ſchöne Mägdelein.“ // „Wir möchten ungefangen · wohl räumen dieſes Land,“ // Sprach ſein Bruder Hagen, · „hätten wir das Gewand, // Des wir zum Streit bedürfen, · und die Schwerter gut, // So ſollte ſich wohl ſänften · der ſchönen Fraue Uebermuth.“ // Wohl hörte, was er ſagte, · die Fraue wohlgethan; // Ueber die Achſel · ſah ſie ihn lächelnd an. // „Nun er ſo kühn ſich dünket, · ſo bringt doch ihr Gewand, // Ihre ſcharfen Waffen · gebt den Helden an die Hand. // „Es kümmert mich ſo wenig, · ob ſie gewaffnet ſind, // Als ob ſie bloß da ſtünden,“ · ſo ſprach das Königskind. // „Ich fürchte Niemands Stärke, · den ich noch je gekannt: // Ich mag auch wohl geneſen · im Streit vor des Königs Hand.“ // Als man die Waffen brachte, · wie die Maid gebot, // Dankwart der kühne · ward vor Freuden roth. // „Nun ſpielt, was ihr wollet,“ · ſprach der Degen werth, // „Gunther iſt unbezwungen: · wir haben wieder unſer Schwert.“ // Brunhildens Stärke · zeigte ſich nicht klein: // Man trug ihr zu dem Kreiſe · einen ſchweren Stein, // Groß und ungefüge, · rund dabei und breit. // Ihn trugen kaum zwölfe · dieſer Degen kühn im Streit. // Den warf ſie allerwegen, · wie ſie den Sper verſchoß. // Darüber war die Sorge · der Burgunden groß. // „Wen will der König werben?“ · ſprach da Hagen laut: // „Wär ſie in der Hölle · doch des übeln Teufels Braut!“ // An ihre weißen Arme · ſie die Ärmel wand, // Sie ſchickte ſich und faßte · den Schild an die Hand, // Sie ſchwang den Spieß zur Höhe: das war des Kampfe Beginn. // Gunther und Siegfried bangten vor Brunhildens grimmem Sinn. // Und wär ihm da Siegfried · zu Hülfe nicht gekommen, // So hätte ſie dem König · das Leben wohl benommen. // Er trat hinzu verſtohlen · und rührte ſeine Hand; // Gunther ſeine Künſte · mit großen Sorgen befand. // „Wer wars, der mich berührte?“ · dachte der kühne Mann, // Und wie er um ſich blickte, · da traf er Niemand an. // Er ſprach: „Ich bin es, Siegfried, · der Geſelle dein: // Du ſollſt ganz ohne Sorge · vor der Königin ſein.“ // (Er ſprach:) „Gieb aus den Händen den Schild, laß mich ihn tragen // Und behalt im Sinne, · was du mich höreſt ſagen: // Du habe die Gebärde, · ich will das Werk begehn.“ // Als er ihn erkannte, · da war ihm Liebes geſchehn. // „Verhehl auch meine Künſte, · das iſt uns beiden gut: // So mag die Königstochter · den hohen Uebermuth // Nicht an dir vollbringen, · wie ſie geſonnen iſt: // Nun ſieh doch, welcher Kühnheit · ſie wider dich ſich vermißt.“ // Da ſchoß mit ganzen Kräften · die herrliche Maid // Den Sper nach einem neuen Schild, · mächtig und breit; // Den trug an der Linken · Sieglindens Kind. // Das Feuer ſprang vom Stahle, · als ob es wehte der Wind. // Des ſtarken Spießes Schneide · den Schild ganz durchdrang, // Daß das Feuer lohend · aus den Ringen ſprang. // Von dem Schuße fielen · die kraftvollen Degen: // War nicht die Tarnkappe, · ſie wären beide da erlegen. // Siegfried dem kühnen · vom Munde brach das Blut. // Bald ſprang er auf die Füße: · da nahm der Degen gut // Den Sper, den ſie geſchoßen · ihm hatte durch den Rand: // Den warf ihr jetzt zurücke · Siegfried mit kraftvoller Hand. // Er dacht: „Ich will nicht ſchießen · das Mägdlein wonniglich.“ // Des Spießes Schneide kehrt' er · hinter den Rücken ſich; // Mit der Sperſtange · ſchoß er auf ihr Gewand, // Daß es laut erhallte · von ſeiner kraftreichen Hand. // Das Feuer ſtob vom Panzer, · als trieb' es der Wind. // Es hatte wohl geſchoßen · der Sieglinde Kind: // Sie vermochte mit den Kräften · dem Schuße nicht zu ſtehn; // Das war von König Gunthern · in Wahrheit nimmer geſchehn. // Brunhild die ſchöne · bald auf die Füße ſprang: // „Gunther, edler Ritter, · des Schußes habe Dank!“ // Sie wähnt', er hätt es ſelber · mit ſeiner Kraft gethan // Nein, zu Boden warf ſie · ein viel ſtärkerer Mann. // Da gieng ſie hin geſchwinde, · zornig war ihr Muth, // Den Stein hoch erhub ſie, · die edle Jungfrau gut; // Sie ſchwang ihn mit Kräften · weithin von der Hand, // Dann ſprang ſie nach dem Wurfe, · daß laut erklang ihr Gewand. // Der Stein fiel zu Boden · von ihr zwölf Klafter weit: // Den Wurf überholte · im Sprung die edle Maid. // Hin gieng der ſchnelle Siegfried, · wo der Stein nun lag: // Gunther muſt ihn wägen, · des Wurfs der Verholne pflag. // Siegfried war kräftig, · kühn und auch lang; // Den Stein warf er ferner, · dazu er weiter ſprang. // Ein großes Wunder war es · und künſtlich genug, // Daß er in dem Sprunge · den König Gunther noch trug. // Der Sprung war ergangen, · am Boden lag der Stein: // Gunther wars, der Degen, · den man ſah allein. // Brunhild die ſchöne · ward vor Zorne roth; // Gewendet hatte Siegfried · dem König Gunther den Tod. // Zu ihrem Ingeſinde · ſprach die Königin da, // Als ſie geſund den Helden · an des Kreiſes Ende ſah: // „Ihr, meine Freund und Mannen, · tretet gleich heran: // Ihr ſollt dem König Gunther · alle werden unterthan.“ // Da legten die Kühnen · die Waffen von der Hand // Und boten ſich zu Füßen · von Burgundenland // Gunther dem reichen, · ſo mancher kühne Mann: // Sie wähnten, die Spiele · hätt er mit eigner Kraft gethan. // Er grüßte ſie gar minniglich; · wohl trug er höfſchen Sinn. // Da nahm ihn bei der Rechten · die ſchöne Königin: // Sie erlaubt' ihm, zu gebieten · in ihrem ganzen Land. // Des freute ſich da Hagen, · der Degen kühn und gewandt. // Sie bat den edeln Ritter · mit ihr zurück zu gehn // Zu dem weiten Saale, · wo mancher Mann zu ſehn, // Und mans aus Furcht dem Degen · nun deſto beßer bot. // Siegfrieds Kräfte hatten · ſie erledigt aller Noth. // Siegfried der ſchnelle · war wohl ſchlau genug, // Daß er die Tarnkappe · aufzubewahren trug. // Dann gieng er zu dem Saale, · wo manche Fraue ſaß: // Er ſprach zu dem König, · gar liſtiglich that er das: // „Was ſäumt ihr, Herr König, · und beginnt die Spiele nicht, // Die euch aufzugeben · die Königin verſpricht? // Laßt uns doch bald erſchauen, · wie es damit beſtellt.“ // Als wüſt er nichts von allem, · ſo that der liſtige Held. // Da ſprach die Königstochter: · „Wie konnte das geſchehn, // Daß ihr nicht die Spiele, · Herr Siegfried, habt geſehn, // Worin hier Sieg errungen hat · König Gunthers Hand?“ // Zur Antwort gab ihr Hagen · aus der Burgunden Land: // Er ſprach: „Da habt ihr, Königin, · uns betrübt den Muth: // Da war bei dem Schiffe · Siegfried der Degen gut, // Als der Vogt vom Rheine · das Spiel euch abgewann; // Drum iſt es ihm unkundig,“ · ſprach da Gunthers Unterthan, // „Nun wohl mir dieſer Märe,“ · ſprach Siegfried der Held, // „Daß hier eure Hochfahrt · alſo ward gefällt, // Und Jemand lebt, der euer · Meiſter möge ſein. // Nun ſollt ihr, edle Jungfrau, · uns hinnen folgen an den Rhein.“ // Da ſprach die Wohlgethane: · „Das mag noch nicht geſchehn. // Erſt frag ich meine Vettern · und Die in meinem Lehn. // Ich darf ja nicht ſo leichthin · räumen dieß mein Land: // Meine höchſten Freunde · die werden erſt noch beſandt.“ // Da ließ ſie ihre Boten · nach allen Seiten gehn: // Sie beſandte ihre Freunde · und Die in ihrem Lehn, // Daß ſie zum Iſenſteine · kämen unverwandt; // Einem jeden ließ ſie geben · reiches, herrliches Gewand. // Da ritten alle Tage · Beides, ſpat und fruh, // Der Veſte Brunhildens · die Recken ſcharweis zu. // „Nun ja doch,“ ſprach da Hagen, · „was haben wir gethan! // Wir erwarten uns zum Schaden hier · Die Brunhild unterthan.“ // „Wenn ſie mit ihren Kräften · kommen in dieß Land, // Der Königin Gedanken · die ſind uns unbekannt: // Wie, wenn ſie uns zürnte? · ſo wären wir verloren, // Und wär das edle Mägdlein uns · zu großen Sorgen geboren!“ // Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Dem will ich widerſtehn. // Was euch da Sorge ſchaffet, · das laß ich nicht geſchehn. // Ich will euch Hülfe bringen · her in dieſes Land // Durch auserwählte Degen: · die ſind euch noch unbekannt. // „Ihr ſollt nach mir nicht fragen, · ich will von hinnen fahren; // Gott möge eure Ehre · derweil wohl bewahren. // Ich komme bald zurücke · und bring euch tauſend Mann // Der allerbeſten Degen, · deren Jemand Kunde gewann.“ // „So bleibt nur nicht zu lange,“ · der König ſprach da ſo, // „Wir ſind eurer Hülfe · nicht unbillig froh.“ // Er ſprach: „Ich komme wieder · gewiſs in wenig Tagen. // Ihr hättet mich verſendet, · ſollt ihr der Königin ſagen.“ // 8. Achtes Abenteuer. // Wie Siegfried nach den Nibelungen fuhr. Von dannen gieng da Siegfried · zum Hafen an den Strand // In ſeiner Tarnkappe, · wo er ein Schifflein fand. // Darin ſtand verborgen · König Siegmunds Kind: // Er führt' es bald von dannen, · als ob es wehte der Wind. // Den Steuermann ſah Niemand, · wie ſchnell das Schifflein floß // Von Siegfriedens Kräften, · die waren alſo groß. // Da wähnten ſie, es trieb es · ein eigner ſtarker Wind: // Nein, es führt' es Siegfried, · der ſchönen Sieglinde Kind. // Nach des Tags Verlaufe · und in der einen Nacht // Kam er zu einem Lande · von gewaltger Macht: // Es war wohl hundert Raſten · und noch darüber lang, // Das Land der Nibelungen, · wo er den großen Schatz errang. // Der Held fuhr alleine · nach einem Werder breit: // Sein Schiff band er feſte, · der Ritter allbereit. // Er fand auf einem Berge · eine Burg gelegen // Und ſuchte Herberge, · wie die Wegemüden pflegen. // Da kam er vor die Pforte, · die ihm verſchloßen ſtand: // Sie bewachten ihre Ehre, · wie Sitte noch im Land. // Ans Thor begann zu klopfen · der unbekannte Mann: // Das wurde wohl behütet; · da traf er innerhalben an // Einen Ungefügen, · der da der Wache pflag, // Bei dem zu allen Zeiten · ſein Gewaffen lag. // Der ſprach: „Wer pocht ſo heftig · da draußen an das Thor?“ // Da wandelte die Stimme · der kühne Siegfried davor // Und ſprach: „Ich bin ein Recke: · thut mir auf alsbald, // Sonſt erzürn ich Etlichen · hier außen mit Gewalt, // Der gern in Ruhe läge · und hätte ſein Gemach.“ // Das verdroß den Pförtner, · als da Siegfried alſo ſprach. // Der kühne Rieſe hatte · die Rüſtung angethan, // Den Helm aufs Haupt gehoben, · der gewaltge Mann: // Den Schild alsbald ergriffen · und ſchwang nun auf das Thor. // Wie lief er Siegfrieden · da ſo grimmig an davor! // Wie er zu wecken wage · ſo manchen kühnen Mann? // Da wurden ſchnelle Schläge · von ſeiner Hand gethan. // Der edle Fremdling ſchirmte · ſich vor manchem Schlag; // Da hieb ihm der Pförtner in Stücke · ſeines Schilds Beſchlag // Mit einer Eiſenſtange: · ſo litt der Degen Noth. // Schier begann zu fürchten · der Held den grimmen Tod, // Als der Thürhüter · ſo mächtig auf ihn ſchlug. // Dafür war ihm gewogen · ſein Herre Siegfried genug. // Sie ſtritten ſo gewaltig, · die Burg gab Widerhall: // Man hörte fern das Toſen · in König Niblungs Saal. // Doch zwang er den Pförtner · zuletzt, daß er ihn band; // Kund ward dieſe Märe · in allem Nibelungenland. // Das Streiten hatte ferne · gehört durch den Berg // Alberich der kühne, · ein wildes Gezwerg. // Er waffnete ſich balde · und lief hin, wo er fand // Dieſen edeln Fremdling, · als er den Rieſen eben band. // Alberich war muthig, · dazu auch ſtark genug. // Helm und Panzerringe · er am Leibe trug // Und eine ſchwere Geiſel · von Gold an ſeiner Hand. // Da lief er hin geſchwinde, · wo er Siegfrieden fand. // Sieben ſchwere Knöpfe · hiengen vorn daran, // Womit er vor der Linken · den Schild dem kühnen Mann // So bitterlich zergerbte, · in Splitter gieng er faſt. // In Sorgen um ſein Leben · gerieth der herrliche Gaſt. // Den Schild er ganz zerbrochen · ſeiner Hand entſchwang: // Da ſtieß er in die Scheide · eine Waffe, die war lang. // Seinen Kammerwärter · wollt er nicht ſchlagen todt: // Er ſchonte ſeiner Leute, · wie ihm die Treue gebot. // Mit den ſtarken Händen · Albrichen lief er an, // Und erfaßte bei dem Barte · den altgreiſen Mann. // Den zuckt' er ungefüge: · der Zwerg ſchrie auf vor Schmerz. // Des jungen Helden Züchtigung · gieng Alberichen ans Herz. // Laut rief der Kühne: · „Nun laßt mir das Leben: // Und hätt ich einem Helden · mich nicht ſchon ergeben, // Dem ich ſchwören muſte, · ich war ihm unterthan, // Ich dient euch, bis ich ſtürbe,“ · ſo ſprach der liſtige Mann. // Er band auch Alberichen · wie den Rieſen eh: // Siegfriedens Kräfte · thaten ihm gar weh. // Der Zwerg begann zu fragen: · „Wie ſeid ihr genannt?“ // Er ſprach: „Ich heiße Siegfried: · ich wähnt, ich wär euch bekannt.“ // „So wohl mir dieſe Kunde,“ · ſprach da Alberich, // „An euern Heldenwerken · ſpürt ich nun ſicherlich, // Daß ihrs wohl verdientet, · des Landes Herr zu ſein. // Ich thu, was ihr gebietet, · laßt ihr nur mich gedeihn.“ // Da ſprach der Degen Siegfried: · „So macht euch auf geſchwind // Und bringt mir her der Beſten, · die in der Veſte ſind, // Tauſend Nibelungen; · die will ich vor mir ſehn. // So laß ich euch kein Leides · an euerm Leben geſchehn.“ // Albrichen und den Rieſen · löſt' er von dem Band. // Hin lief der Zwerg geſchwinde, · wo er die Recken fand. // Sorglich erweckt' er · Die in Niblungs Lehn // Und ſprach: „Wohlauf, ihr Helden, · ihr ſollt zu Siegfrieden gehn.“ // Sie ſprangen von den Betten · und waren gleich bereit: // Tauſend ſchnelle Ritter · ſtanden im Eiſenkleid. // Er brachte ſie zur Stelle, · wo er Siegfried fand: // Der grüßte ſchön die Degen · und gab Manchem die Hand. // Viel Kerzen ließ man zünden; · man ſchenkt' ihm lautern Trank. // Daß ſie ſo bald gekommen, · des ſagt' er Allen Dank. // Er ſprach: „Ihr ſollt von hinnen · mir folgen über Flut.“ // Dazu fand er willig · dieſe Helden kühn und gut. // Wohl dreißig hundert Recken · kamen ungezählt: // Von denen wurden tauſend · der beſten auserwählt, // Man brachte ihre Helme · und ander Rüſtgewand, // Da er ſie führen wollte · hin zu Brunhildens Land. // Er ſprach: „Ihr guten Ritter, · Eins laßt euch ſagen: // Ihr ſollt reiche Kleider · dort am Hofe tragen, // Denn uns wird da ſchauen · manch minnigliches Weib: // Darum ſollt ihr zieren · mit guten Kleidern den Leib.“ // Nun möchten mich die Thoren · vielleicht der Lüge zeihn: // Wie konnten ſo viel Ritter · wohl beiſammen ſein? // Wo nähmen ſie die Speiſe? · Wo nähmen ſie Gewand? // Und beſäß er dreißig Lande, · er brächt es nimmer zu Stand. // Ihr habt doch wol vernommen, · Siegfried war gar reich. // Sein war der Nibelungenhort, · dazu das Königreich. // Drum gab er ſeinen Degen · völliglich genug; // Es ward ja doch nicht minder, · wie viel man von dem Schatze trug. // Eines frühen Morgens · begannen ſie die Fahrt: // Was ſchneller Mannen hatte · da Siegfried ſich geſchart! // Sie führten gute Roſſe · und herrlich Gewand: // Sie kamen ſtolz gezogen · hin zu Brunhildens Land. // Da ſtand in den Zinnen · manch minnigliches Kind. // Da ſprach die Königstochter: · „Weiß Jemand, wer die ſind, // Die ich dort fließen ſehe · ſo fern auf der See? // Sie führen reiche Segel, · die ſind noch weißer als der Schnee.“ // Da ſprach der Vogt vom Rheine: · „Es iſt mein Heergeleit, // Das ich auf der Reiſe · verließ von hier nicht weit: // Ich habe ſie beſendet: · nun ſind ſie, Frau, gekommen.“ // Der herrlichen Gäſte · ward mit Züchten wahrgenommen. // Da ſah man Siegfrieden · im Schiffe ſtehn voran // In herrlichem Gewande · mit manchem andern Mann. // Da ſprach die Königstochter: · „Herr König, wollt mir ſagen: // Soll ich die Gäſte grüßen · oder ihnen Gruß verſagen?“ // Er ſprach: „Ihr ſollt entgegen · ihnen vor den Pallas gehn, // Ob ihr ſie gerne ſehet, · daß ſie das wohl verſtehn.“ // Da that die Königstochter, · wie ihr der König rieth; // Siegfrieden mit dem Gruße · ſie von den Andern unterſchied. // Herberge gab man ihnen · und wahrt' ihr Gewand. // Da waren ſo viel Gäſte · gekommen in das Land, // Daß ſie ſich allenthalben · drängten mit den Scharen: // Da wollten heim die Kühnen · zu den Burgunden fahren. // Da ſprach die Königstochter: · „Dem blieb ich immer hold, // Der zu vertheilen wüſte · mein Silber und mein Gold // Meinen Gäſten und des Königs, · des ich ſo viel gewann.“ // Zur Antwort gab ihr Dankwart, · des kühnen Geiſelher Mann: // „Viel edle Königstochter, · laßt mich der Schlüßel pflegen; // Ich will es ſo vertheilen,“ · ſprach der kühne Degen, // „Wenn ich mir Schand erwerbe, · die treffe mich allein.“ // Daß er milde wäre, · das leuchtete da wohl ein. // Als ſich Hagens Bruder · der Schlüßel unterwand, // So manche reiche Gabe · bot des Helden Hand: // Wer Einer Mark begehrte, · dem ward ſo viel gegeben, // Daß die Armen alle · da in Freuden mochten leben. // Wohl mit hundert Pfunden · gab er ohne Wahl. // Da gieng in reichem Kleide · Mancher aus dem Saal, // Der nie zuvor im Leben · ſo hehr Gewand noch trug. // Die Königin erfuhr es: · da war es ihr leid genug. // Sie ſprach zu dem König: · „Des hätt ich gerne Rath, // Daß nichts mir ſoll verbleiben · von meinem Kleiderſtaat // Vor euerm Kämmerlinge: · er verſchwendet all mein Gold. // Wer dem noch widerſtände, · dem wollt ich immer bleiben hold. // „Er giebt ſo reiche Gaben: · der Degen wähnet eben, // Ich habe nach dem Tode · geſandt: ich will noch leben // Und kann wol ſelbſt verſchwenden · meines Vaters Gut.“ // Nie hatt einer Königin · Kämmerer ſo milden Muth. // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Frau, euch ſei bekannt: // Der König vom Rheine · hat Gold und Gewand // Zu geben ſolche Fülle, · daß es nicht Noth ihm thut, // Von hier hinweg zu führen · einen Theil von Brunhilds Gut.“ // „Nein, wenn ihr mich liebet,“ · ſprach ſie zu den Herrn, // „Zwanzig Reiſeſchreine · füllt ich mir gern // Mit Gold und mit Seide: · das ſoll meine Hand // Vertheilen, ſo wir kommen · heim in der Burgunden Land.“ // Da lud man ihr die Kiſten · mit edelm Geſtein. // Der Frauen Kämmerlinge · muſten zugegen ſein: // Sie wollt es nicht vertrauen · Geiſelhers Unterthan. // Gunther und Hagen · darob zu lachen begann. // Da ſprach die Königstochter: · „Wem laß ich nun mein Land? // Das ſoll hier erſt beſtimmen · mein und eure Hand.“ // Da ſprach der edle König: · „So rufet wen herbei, // Der euch dazu gefalle, · daß er zum Vogt geordnet ſei.“ // Ihrer nächſten Freunde Einen · die Jungfrau bei ſich ſah; // Es war ihr Mutterbruder, · zu dem begann ſie da: // „Nun laßt euch ſein befohlen · die Burgen und das Land, // Bis ſeine Amtleute · der König Gunther geſandt.“ // Aus dem Geſinde wählte ſie · zweitauſend Mann, // Die mit ihr fahren ſollten · gen Burgund hindann // Mit jenen tauſend Recken · aus Nibelungenland. // Sie ſchickten ſich zur Reiſe: · man ſah ſie reiten nach dem Strand. // Sie führte mit von dannen · ſechsundachtzig Fraun, // Dazu wol hundert Mägdelein, · die waren ſchön zu ſchaun. // Sie ſäumten ſich nicht länger, · ſie eilten nun hindann: // Die ſie zu Hauſe ließen, · wie Manche hub zu weinen an! // In höfiſchen Züchten · räumte die Frau ihr Land, // Die nächſten Freunde küſſend, · die ſie bei ſich fand. // Mit gutem Urlaube · kamen ſie aufs Meer; // Ihres Vaters Lande · ſah die Jungfrau nimmermehr. // Auf ihrer Fahrt ertönte · vielfaches Freudenſpiel; // Aller Kurzweile · hatten ſie da viel. // Auch hob ſich zu der Reiſe · der rechte Waſſerwind. // Sie fuhren ab vom Lande: · das beweinte mancher Mutter Kind. // Doch wollte ſie den König · nicht minnen auf der Fahrt: // Ihre Kurzweil wurde · bis in ſein Haus geſpart // Zu Worms in der Veſte · zu einem Hofgelag, // Dahin mit ihren Helden · ſie fröhlich kamen hernach. // 9. Neuntes Abenteuer. // Wie Siegfried nach Worms geſandt wird. Da ſie gefahren waren · voll neun Tage, // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Nun hört, was ich ſage. // Wir ſäumen mit der Kunde · nach Worms an den Rhein: // Nun ſollten eure Boten · ſchon bei den Burgunden ſein.“ // Da ſprach König Gunther: · „Ihr redet recht daran; // Auch hätt uns wohl Niemand · die Fahrt ſo gern gethan // Als ihr ſelbſt, Freund Hagen: · nun reitet in mein Land, // Unſre Hofreiſe · macht Niemand beßer da bekannt.“ // „Nun wißt, lieber Herre, · ich bin kein Bote gut: // Laßt mich der Kammer pflegen · und bleiben auf der Flut. // Ich will hier bei den Frauen · behüten ihr Gewand, // Bis daß wir ſie bringen · in der Burgunden Land. // „Nein, bittet Siegfrieden · um die Botſchaft dahin: // Der mag ſie wohl verrichten · mit zuchtreichem Sinn. // Verſagt er euch die Reiſe, · ihr ſollt mit guten Sitten // Bei eurer Schweſter Liebe · um die Fahrt ihn freundlich bitten.“ // Er ſandte nach dem Recken: · der kam, als man ihn fand. // Er ſprach zu ihm: „Wir nahen · uns ſchon meinem Land; // Da ſollt ich Boten ſenden · der lieben Schweſter mein // Und auch meiner Mutter, · daß wir kommen an den Rhein. // „So bitt ich euch, Herr Siegfried, · daß ihr die Reiſe thut, // Ich wills euch immer danken,“ · ſo ſprach der Degen gut. // Da weigerte ſich Siegfried, · dieſer kühne Mann, // Bis ihn König Gunther · ſehr zu flehen begann. // Er ſprach: „Ihr ſollt reiten · um den Willen mein, // Dazu auch um Kriemhild, · das ſchöne Mägdelein, // Daß es mit mir vergelte · die herrliche Maid.“ // Als Siegfried das hörte, · da war der Recke bald bereit. // „Entbietet, was ihr wollet, · es ſoll gemeldet ſein: // Ich will es gern beſtellen · um das ſchöne Mägdelein. // Die ich im Herzen trage, · verzichtet' ich auf die? // Leiſten will ich Alles, · was ihr gebietet, um ſie.“ // „So ſagt meiner Mutter, · Ute der Königin, // Daß ich auf dieſer Reiſe · hohes Muthes bin. // Wie wir geworben haben, · ſagt meinen Brüdern an; // Auch unſern Freunden werde · dieſe Märe kund gethan. // Ihr ſollt auch nichts verſchweigen · der ſchönen Schweſter mein, // Ich woll ihr mit Brunhild · ſtäts zu Dienſten ſein; // So ſagt auch dem Geſinde · und wer mir unterthan, // Was je mein Herz ſich wünſchte, · daß ich das Alles gewann. // „Und ſaget Ortweinen, · dem lieben Neffen mein, // Daß er Geſtühl errichten · laße bei dem Rhein; // Den Mannen auch und Freunden · ſei es kund gethan, // Ich ſtelle mit Brunhilden · eine große Hochzeit an. // „Und bittet meine Schweſter, · werd ihr das bekannt, // Daß ich mit meinen Gäſten · gekommen ſei ins Land, // Daß ſie dann wohl empfange · die liebe Traute mein: // So woll ich Kriemhilden · ſtäts zu Dienſt erbötig ſein.“ // Da bat bei Brunhilden · und ihrem Ingeſind // Alsbald um den Urlaub · Siegfried, Sigmunds Kind, // Wie es ihm geziemte: · da ritt er an den Rhein. // Es könnt in allen Landen · ein beßrer Bote nicht ſein. // Mit vierundzwanzig Recken · zu Worms kam er an; // Ohne den König kam er, · das wurde kund gethan. // Da mühten all die Degen · in Jammer ſich und Noth, // Beſorgt, daß dort der König · gefunden habe den Tod. // Sie ſtiegen von den Roſſen · und trugen hohen Muth; // Da kam alsbald Herr Geiſelher, · der junge König gut, // Und Gernot, ſein Bruder, · wie hurtig ſprach er da, // Als er den König Gunther · nicht bei Siegfrieden ſah: // „Willkommen, Herr Siegfried, · ich bitte, ſagt mir an: // Wo habt ihr meinen Bruder, · den König, hingethan? // Brunhildens Stärke · hat ihn uns wol benommen; // So wär uns ſehr zu Schaden · ihre hohe Minne gekommen.“ // „Die Sorge laßt fahren: · euch und den Freunden ſein // Entbietet ſeine Dienſte · der Heergeſelle mein. // Ich verließ ihn wohlgeborgen: · er hat mich euch geſandt, // Daß ich ſein Bote würde, · mit Mären her in euer Land. // „Nun helft mir es fügen, · wie es auch geſcheh, // Daß ich die Königin Ute · und eure Schweſter ſeh; // Die ſoll ich hören laßen, · was ihr zu wißen thut // Gunther und Frau Brunhild; · um ſie beide ſteht es gut.“ // Da ſprach der junge Geiſelher: · „So ſprecht bei ihnen an; // Da habt ihr meiner Schweſter · einen Liebesdienſt gethan. // Sie trägt noch große Sorge · um den Bruder mein: // Die Maid ſieht euch gerne: · dafür will ich euch Bürge ſein.“ // Da ſprach der Degen Siegfried: · „Wo ich ihr dienen kann, // Das ſoll immer treulich · und willig ſein gethan. // Wer ſagt nun, daß ich komme, · den beiden Frauen an?“ // Da warb die Botſchaft Geiſelher, · dieſer waidliche Mann. // Geiſelher der junge · ſprach zu der Mutter da // Und auch zu ſeiner Schweſter, · als er die beiden ſah: // „Uns iſt gekommen Siegfried, · der Held aus Niederland; // Ihn hat mein Bruder Gunther · her zum Rheine geſandt. // „Er bringt uns die Kunde, · wie's um den König ſteht; // Nun ſollt ihr ihm erlauben, · daß er zu Hofe geht: // Er bringt die rechten Mären · uns her von Iſenland.“ // Noch war den edeln Frauen · große Sorge nicht gewandt. // Sie ſprangen nach dem Staate · und kleideten ſich drein // Und luden Siegfrieden · nach Hof zu kommen ein. // Das that der Degen williglich, · weil er ſie gerne ſah. // Kriemhild die edle · ſprach zu ihm in Güte da: // „Willkommen, Herr Siegfried, · ein Ritter ohne Gleich. // Wo blieb mein Bruder Gunther, · der edle König reich? // Durch Brunhilds Stärke, fürcht' ich, · gieng er uns verloren: // O weh mir armen Mägdelein, · daß ich je ward geboren!“ // Da ſprach der kühne Ritter: · „Nun gebt mir Botenbrot, // Ihr zwei ſchönen Frauen · weinet ohne Noth. // Ich verließ ihn wohlgeborgen, · das thu ich euch bekannt: // Sie haben mich euch beiden · mit der Märe hergeſandt. // „Mit freundlicher Liebe, · viel edle Herrin mein, // Entbeut euch ſeine Dienſte · er und die Traute ſein. // Nun laßt euer Weinen: · ſie wollen balde kommen.“ // Sie hatte lange Tage · ſo liebe Märe nicht vernommen. // Mit ſchneeweißem Kleide · aus Augen wohlgethan // Wiſchte ſie die Thränen; · zu danken hub ſie an // Dem Boten dieſer Märe, · die ihr war gekommen. // Ihr war die große Trauer · und auch ihr Weinen benommen. // Sie hieß den Boten ſitzen: · des war er gern bereit. // Da ſprach die Minnigliche: · „Es wäre mir nicht leid, // Wenn ich euch geben dürfte · zum Botenlohn mein Gold. // Dazu ſeid ihr zu vornehm: · ſo bleib ich ſonſt denn euch hold. // „Und würden dreißig Lande,“ · ſprach er, „mein genannt, // So empfieng' ich Gabe · doch gern aus eurer Hand.“ // Da ſprach die Wohlgezogne: · „Wohlan, es ſoll geſchehn.“ // Da hieß ſie ihren Kämmerer · nach dem Botenlohne gehn. // Vierundzwanzig Spangen · mit Edelſteinen gut // Gab ſie ihm zum Lohne. · So ſtund des Helden Muth: // Er wollt es nicht behalten: · er gab es unverwandt // Ihren ſchönen Maiden, · die er in der Kammer fand. // Ihre Dienſte bot ihm · die Mutter gütlich an. // „Ich ſoll euch ferner ſagen,“ · ſprach der kühne Mann, // „Um was der König bittet, · gelangt er an den Rhein: // Wenn ihr das, Fraue, leiſtet, · er will euch ſtäts gewogen ſein. // „Seine reichen Gäſte, · das iſt ſein Begehr, // Sollt ihr wohl empfangen; · auch bittet er euch ſehr, // Entgegen ihm zu reiten · vor Worms ans Geſtad. // Das iſts, warum der König · euch in Treun gebeten hat.“ // „Das will ich gern vollbringen,“ · ſprach die ſchöne Magd: // „Worin ich ihm kann dienen, · das iſt ihm unverſagt. // Mit freundlicher Treue · wird all ſein Wunſch gethan.“ // Da mehrte ſich die Farbe, · die ſie vor Freude gewann. // Nie ſah man Fürſtenboten · beßer wohl empfahn: // Wenn ſie ihn küſſen durfte, · ſie hätt es gern gethan; // Minniglich er anders · doch von der Frauen ſchied. // Da thaten die Burgunden, · wie da Siegfried ihnen rieth. // Sindold und Hunold · und Rumold der Degen // Großer Unmuße · muſten ſie da pflegen, // Als ſie die Sitze richteten · vor Worms an dem Strand: // Die Schaffner des Königs · man ſehr beflißen da fand. // Ortwein und Gere · ſäumten auch nicht mehr, // Sie ſandten nach den Freunden · allwärts umher, // Die Hochzeit anzuſagen, · die da ſollte ſein; // Der zierten ſich entgegen · viel der ſchönen Mägdelein. // Der Pallas und die Wände · waren allzumal // Verziert der Gäſte wegen; · König Gunthers Saal // Ward herrlich ausgerüſtet · für manchen fremden Mann; // Das große Hofgelage · mit hohen Freuden begann. // Da ritten allenthalben · die Wege durch das Land // Der drei Könge Freunde; · die hatte man beſandt, // Die Gäſte zu empfangen, · die da ſollten kommen. // Da wurden aus dem Einſchlag · viel reicher Kleider genommen. // Bald brachte man die Kunde, · daß man ſchon reiten ſah // Brunhilds Gefolge: · Gedränge gab es da // Von des Volkes Menge · in Burgundenland. // Hei! was man kühner Degen · da zu beiden Seiten fand! // Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „Ihr, meine Mägdelein, // Die bei dem Empfange · mit mir wollen ſein, // Die ſuchen aus den Kiſten · ihr allerbeſt Gewand: // So wird uns Lob und Ehre · von den Gäſten zuerkannt.“ // Da kamen auch die Recken · und ließen vor ſich her // Schöne Sättel tragen · von rothem Golde ſchwer, // Daß drauf die Frauen ritten · von Worms an den Rhein. // Beßer Pferdgeräthe · konnte wohl nimmer ſein. // Wie warf da von den Mähren · den Schein das lichte Gold! // Viel Edelſteine glänzten · von den Zäumen hold; // Die goldenen Schemel · auf lichtem Teppich gut // Brachte man den Frauen: · ſie hatten fröhlichen Muth. // Die Frauenpferde ſtanden · auf dem Hof bereit, // Wie gemeldet wurde, · für manche edle Maid. // Die ſchmalen Bruſtriemen · ſah man die Mähren tragen // Von der beſten Seide, · davon man je hörte ſagen. // Sechsundachtzig Frauen · traten da heraus, // Die Kopfgebinde trugen; · zu Kriemhild vor das Haus // Zogen die Schönen · jetzt in reichem Kleid; // Da kam in vollem Schmucke · auch manche waidliche Maid, // Fünfzig und viere · aus Burgundenland: // Es waren auch die beſten, · die man irgend fand. // Man ſah ſie gelblockig · unter lichten Borten gehn. // Was ſich bedingt der König, · das ſah er fleißig geſchehn. // Von koſtbaren Zeugen, · den beſten, die man fand, // Trugen ſie vor den Gäſten · manch herrlich Gewand. // Zu ihrer ſchönen Farbe · ſtand es ihnen gut: // Wer Einer abhold wäre, · litte wohl an ſchwachem Muth. // Von Hermelin und Zobel · viel Kleider man da fand. // Da ſchmückte ſich gar Manche · den Arm und auch die Hand // Mit Spangen auf der Seide, · die ſie ſollten tragen. // Es könnt euch dieß Befleißen · Niemand wohl zu Ende ſagen. // Viel Gürtel kunſtgeſchaffen, · koſtbar und lang, // Ueber lichte Kleider · die Hand der Frauen ſchwang // Um edle Ferransröcke · von Zeug aus Arabia, // Wie man ſie beſſer · in aller Welt nicht erſah. // Man ſah in Bruſtgeſchmeide · manch ſchöne Maid // Minniglich ſich ſchnüren. · Die mochte tragen Leid, // Deren lichte Farbe · das Kleid nicht überſchien. // So ſchönes Ingeſinde · hat nun keine Königin. // Als die Minniglichen · nun trugen ihr Gewand, // Die ſie da führen ſollten, · die kamen unverwandt, // Die hochgemuthen Recken · in großer Zahl daher; // Man bracht auch hin viel Schilde · und manchen eſchenen Sper. // 10. Zehntes Abenteuer. // Wie Gunther mit Brunhild Hochzeit hielt. Jenſeits des Rheins · ſah man dem Geſtad // Mit allen ſeinen Gäſten · den König ſchon genaht. // Da ſah man auch am Zaume · leiten manche Maid: // Die ſie empfangen ſollten, · die waren alle bereit. // Als bei den Schiffen ankam · von Iſenland die Schar // Und die der Nibelungen, · die Siegfried eigen war, // Sie eilten an das Ufer; · wohl fliß ſich ihre Hand, // Als man des Königs Freunde · jenſeits am Geſtade fand. // Nun hört auch die Märe · von der Königin, // Ute der reichen, · wie ſie die Mägdlein hin // Brachte von der Veſte · und ſelber ritt zum Strand. // Da wurden mit einander · viel Maid' und Ritter bekannt. // Der Markgraf Gere führte · am Zaum Kriemhildens Pferd // Bis vor das Thor der Veſte; · Siegfried der Degen werth // Durft ihr weiter dienen; · ſie war ſo ſchön und hehr. // Das ward ihm wohl vergolten · von der Jungfrau nachher. // Ortwein der kühne führte · Ute die Königin, // Und ſo ritt mancher Ritter · neben den Frauen hin. // Zu feſtlichem Empfange, · das mag man wohl geſtehn, // Wurden nie der Frauen · ſo viel beiſammen geſehn. // Viel hohe Ritterſpiele · wurden da getrieben // Von preiswerthen Helden · (wie wär es unterblieben?) // Vor Kriemhild der ſchönen, · die zu den Schiffen kam. // Da hub man von den Mähren · viel der Frauen lobeſam. // Der König war gelandet · mit fremder Ritterſchaft. // Wie brach da vor den Frauen · mancher ſtarke Schaft! // Man hört' auf den Schilden · erklingen Stoß auf Stoß. // Hei! reicher Buckeln Schallen · ward im Gedränge da groß! // Vor dem Hafen ſtanden · die Frauen minniglich; // Gunther mit ſeinen Gäſten · hub von den Schiffen ſich: // Er führte Brunhilden · ſelber an der Hand. // Wider einander leuchtete · ſchön Geſtein und licht Gewand. // In höfiſchen Züchten · hin Frau Kriemhild gieng, // Wo ſie Frau Brunhilden · und ihr Geſind empfieng. // Man konnte lichte Hände · am Kränzlein rücken ſehn, // Da ſich die Beiden küſſten: · das war aus Liebe geſchehn. // Da ſprach wohlgezogen · Kriemhild das Mägdelein: // „Ihr ſollt uns willkommen · in dieſem Lande ſein, // Mir und meiner Mutter, · und Allen, die uns treu // Von Mannen und von Freunden.“ · Da verneigten ſich die Zwei. // Oftmals mit den Armen · umfiengen ſich die Fraun. // So minniglich Empfangen · war nimmer noch zu ſchaun, // Als die Frauen beide · der Braut da thaten kund, // Frau Ute mit der Tochter: · ſie küſſten oft den ſüßen Mund. // Da Brunhilds Frauen alle · nun ſtanden auf dem Strand, // Von waidlichen Recken · wurden bei der Hand // Freundlich genommen · viel Frauen auserſehn. // Man ſah die edeln Maide · vor Frau Brunhilden ſtehn. // Bis der Empfang vorüber war, · das währte lange Zeit, // Manch roſigem Munde war · da ein Kuß bereit. // Noch ſtanden bei einander · die Königinnen reich: // Das freuten ſich zu ſchauen · viel der Recken ohne Gleich. // Da ſpähten mit den Augen, · die oft gehört vorher, // Man hab alſo Schönes · geſehen nimmermehr // Als die Frauen beide: · das fand man ohne Lug. // Man ſah an ihrer Schöne · auch nicht den mindeſten Trug. // Wer Frauen ſchätzen konnte · und minniglichen Leib, // Der pries um ihre Schöne · König Gunthers Weib; // Doch ſprachen da die Kenner, · die es recht beſehn, // Man müße vor Brunhilden · den Preis Kriemhilden zugeſtehn. // Nun giengen zu einander · Mägdelein und Fraun; // Es war in hoher Zierde · manch ſchönes Weib zu ſchaun. // Da ſtanden ſeidne Hütten · und manches reiche Zelt, // Womit man erfüllt ſah · hier vor Worms das ganze Feld. // Des Könige Freunde drängten · ſich, um ſie zu ſehn. // Da hieß man Brunhilden · und Kriemhilden gehn // Und all die Fraun mit ihnen · hin, wo ſich Schatten fand; // Es führten ſie die Degen · aus der Burgunden Land. // Nun waren auch die Gäſte · zu Roſs geſeßen all; // Da gabs beim Lanzenbrechen · durch Schilde lauten Schall. // Das Feld begann zu ſtäuben, · als ob das ganze Land // Entbrannt wär in der Lohe: · da machten Helden ſich bekannt. // Was da die Recken thaten, · ſah manche Maid mit an. // Wohl ritt mit ſeinen Degen · Siegfried der kühne Mann // In mancher Wiederkehre · vorbei an dem Gezelt; // Der Nibelungen führte · tauſend Degen der Held. // Da kam von Tronje Hagen, · wie ihm der König rieth; // Der Held mit guter Sitte · die Ritterſpiele ſchied, // Daß ſie nicht beſtaubten · die ſchönen Mägdelein: // Da mochten ihm die Gäſte · gerne wohl gehorſam ſein. // Da ſprach der edle Gernot: · „Die Roſſe laßt ſtehn, // Bis es beginnt zu kühlen, · daß wir die Frauen ſchön // Mit unſerm Dank geleiten · bis vor den weiten Saal; // Will dann der König reiten, · find er euch bereit zumal.“ // Das Kampfſpiel war vergangen · über all dem Feld: // Da giengen kurzweilen · in manches hohe Zelt // Die Ritter zu den Frauen · um hoher Luſt Gewinn: // Da vertrieben ſie die Stunden, · bis ſie weiter ſollten ziehn. // Vor des Abends Nahen, · als ſank der Sonne Licht // Und es begann zu kühlen, · ließ man es länger nicht: // Zu der Veſte huben · Fraun und Ritter ſich; // Mit Augen ward geliebkoſt · mancher Schönen minniglich. // Von guten Knechten wurden · viel Pferde müd geritten // Vor den Hochgemuthen · nach des Landes Sitten, // Bis vor dem Saale · abſtieg der König werth. // Da diente man den Frauen · und hob ſie nieder vom Pferd. // Da wurden auch geſchieden · die Königinnen reich. // Hin gieng Frau Ute · und Kriemhild zugleich // Mit ihrem Ingeſinde · in ein weites Haus: // Da vernahm man allenthalben · der Freude rauſchenden Braus. // Man richtete die Stühle: · der König wollte gehn // Zu Tiſch mit den Gäſten. · Da ſah man bei ihm ſtehn // Brunhild die ſchöne, · die da die Krone trug // In des Königs Lande: · ſie erſchien wohl reich genug. // Da ſah man ſchöne Sitze · und gute Tafeln breit // Mit Speiſen beladen, · ſo hörten wir Beſcheid. // Was ſie da haben ſollten, · wie wenig fehlte dran! // Da ſah man bei dem König · gar manchen herrlichen Mann. // Des Wirthes Kämmerlinge · im Becken goldesroth // Reichten ihnen Waſſer. · Das wär vergebne Noth, // Sagte wer, man hätte · je fleißgern Dienſt gethan // Bei eines Fürſten Hochzeit: · ich glaubte ſchwerlich daran. // Eh der Vogt am Rheine · hier das Waſſer nahm, // Zu Gunthern trat da Siegfried, · er durft es ohne Scham, // Und mahnt' ihn ſeiner Treue, · die er ihm gab zu Pfand, // Bevor er Brunhilden · daheim geſehn in Iſenland. // Er ſprach zu ihm: „Gedenket, · mir ſchwur eure Hand, // Wenn wir Frau Brunhild · brächten in dieß Land, // Ihr gäbt mir eure Schweſter: · wo blieb nun der Eid? // Ihr wißt, bei eurer Reiſe · war keine Mühe mir leid.“ // Da ſprach der Wirth zum Gaſte: · „Recht, daß ihr mich mahnt. // Ich will den Eid nicht brechen, · den ich ſchwur mit Mund und Hand, // Ich helf es euch fügen, · ſo gut es mag geſchehn.“ // Da hieß man Kriemhilden · zu Hof vor den König gehn. // Mit ihren ſchönen Maiden · kam ſie vor den Saal. // Da ſprang von einer Stiege · Geiſelher zu Thal: // „Nun heißt wiederkehren · dieſe Mägdelein: // Meine Schweſter ſoll alleine · hier bei dem Könige ſein.“ // Hin brachten ſie Kriemhilden, · wo man den König fand: // Da ſtanden edle Ritter · von mancher Fürſten Land. // In dem weiten Saale · hieß man ſie ſtille ſtehn; // Frau Brunhilden ſah man · eben auch zu Tiſche gehn. // Sie hatte keine Kunde, · was da im Werke war. // Da ſprach König Dankrats Sohn · zu ſeiner Mannen Schar: // „Helft mir, daß meine Schweſter · Siegfrieden nimmt zum Mann.“ // Sie ſprachen einhellig: · „Das wäre gar wohl gethan.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Schweſter, edle Maid, // Bei deiner Zucht und Güte · löſe meinen Eid. // Ich ſchwur dich einem Recken, · und nimmſt du ihn zum Mann, // So haſt du meinen Willen · mit großen Treuen gethan.“ // Die edle Maid verſetzte: · „Lieber Bruder mein, // Ihr ſollt mich nicht flehen, · ich will gehorſam ſein. // Wie ihr mir gebietet, · ſo ſoll es ſein gethan: // Dem will ich mich verloben, · den ihr, Herr, mir gebt zum Mann.“ // Von lieber Augenweide · Ward Siegfrieds Farbe roth: // Zu Dienſten ſich der Recke · Frau Kriemhilden bot. // Man ließ ſie mit einander · in einem Kreiſe ſtehn, // Und frug ſie, ob ſie wolle · dieſen Recken auserſehn? // Scheu, wie Mädchen pflegen, · ſchämte ſie ſich ein Theil; // Jedoch war Siegfrieden · ſo günſtig Glück und Heil, // Daß ſie nicht verſchmähen · wollte ſeine Hand. // Auch verſprach ſich ihr zum Manne · der edle Held von Niederland. // Da er ſich ihr verlobte · und ſich ihm die Maid, // Ein gütlich Umfangen · war da alsbald bereit // Von Siegfriedens Armen · dem ſchönen Mägdlein zart: // Die edle Königin küſſt' er · in der Helden Gegenwart. // Sich ſchied das Geſinde. · Als das geſchah, // Auf dem Ehrenplatze · man Siegfrieden ſah, // Mit Kriemhilden ſitzen; · da dient' ihm mancher Mann. // Man ſah die Nibelungen · mit ihm den Sitzen ſich nahm. // Der König ſaß zu Tiſche · bei Brunhild der Maid. // Da ſah ſie Kriemhilden · (nichts war ihr je ſo leid) // Bei Siegfrieden ſitzen: · zu weinen hub ſie an, // Daß ihr manch heiße Thräne · über lichte Wangen rann. // Da ſprach der Wirth des Landes: · „Was iſt euch, Fraue mein, // Daß ihr ſo trüben laßet · lichter Augen Schein? // Ihr ſolltet recht euch freuen: · euch iſt unterthan // Mein Land und reiche Burgen · und mancher waidliche Mann.“ // „Recht weinen ſollt ich eher,“ · ſprach die ſchöne Maid. // „Deiner Schweſter wegen · trag ich Herzeleid. // Ich ſeh ſie ſitzen neben · dem Eigenholden dein: // Wohl muß ich immer weinen, · ſoll ſie ſo erniedrigt ſein.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Schweigt davon jetzt ſtill, // Da ich euch ein andermal · die Kunde ſagen will, // Warum meine Schweſter · Siegfrieden ward gegeben. // Wohl mag ſie mit dem Recken · allezeit in Freuden leben.“ // Sie ſprach: „Mich jammern immer · ihre Schönheit, ihre Zucht; // Wüſt ich, wohin ich ſollte, · ich nähme gern die Flucht // Und wollt euch nimmer eher · nahe liegen bei, // Bis ich wüſte, weshalb Kriemhild · die Braut von Siegfrieden ſei.“ // Da ſprach König Gunther: · „Ich mach es euch bekannt: // Er hat ſelber Burgen · wie ich und weites Land. // Das dürft ihr ſicher glauben, · er iſt ein König reich: // Drum gönn ich ihm zum Weibe · die ſchöne Magd ohne Gleich.“ // Was ihr der König ſagte, · traurig blieb ihr Muth. // Da eilte von den Tiſchen · mancher Ritter gut: // Das Kampfſpiel ward ſo heftig, · daß rings die Burg erklang. // Dem Wirth bei ſeinen Gäſten · ward die Weile viel zu lang. // Er dacht: „Ich läge ſanfter · der ſchönen Frauen bei.“ // Er wurde des Gedankens · nicht mehr im Herzen frei, // Von ihrer Minne müße · ihm Liebes viel geſchehn. // Da begann er freundlich · Frau Brunhilden anzuſehn. // Vom Ritterſpiel die Gäſte · bat man abzuſtehn: // Mit ſeinem Weibe wollte · zu Bett der König gehn. // Vor des Saales Stiege · begegneten da // Sich Kriemhild und Brunhild; · noch in Güte das geſchah. // Da kam ihr Ingeſinde; · ſie ſäumten länger nicht: // Ihre reichen Kämmerlinge · brachten ihnen Licht. // Es theilten ſich die Recken · in beider Könge Lehn. // Da ſah man viel der Degen · hinweg mit Siegfrieden gehn. // Die Helden kamen beide · hin, wo ſie ſollten liegen. // Da dachte Jedweder · mit Minnen obzuſiegen // Den minniglichen Frauen: · des freute ſich ihr Muth. // Siegfriedens Kurzweil · die wurde herrlich und gut. // Als Siegfried der Degen · bei Kriemhilden lag // Und er da der Jungfrau · ſo minniglich pflag // Mit ſeinem edeln Minnen, · ſie ward ihm wie ſein Leben: // Er hätte nicht die eine · für tauſend andre gegeben. // Ich ſag euch nicht weiter, · wie er der Frauen pflag. // Nun hört dieſe Märe, · wie König Gunther lag // Bei Brunhild der Frauen; · der zierliche Degen // Hätte leichtlich ſanfter · bei andern Frauen gelegen. // Das Volk hatt ihn verlaßen · zumal, ſo Frau als Mann: // Da ward die Kemenate · balde zugethan. // Er wähnt', er ſolle koſen · ihren minniglichen Leib: // Da währt' es noch gar lange, · bevor ſie wurde ſein Weib. // Im weißen Linnenhemde · gieng ſie ins Bett hinein. // Der edle Ritter dachte: · „Nun iſt das alles mein, // Wes mich je verlangte · in allen meinen Tagen.“ // Sie muſt ob ihrer Schöne · mit großem Recht ihm behagen. // Das Licht begann zu bergen · des edeln Königs Hand. // Hin gieng der kühne Degen, · wo er die Jungfrau fand. // Er legte ſich ihr nahe: · ſeine Freude die war groß, // Als die Minnigliche · der Held mit Armen umſchloß. // Minnigliches Koſen · möcht er da viel begehn, // Ließe das willig · die edle Frau geſchehn. // Doch zürnte ſie gewaltig: · den Herrn betrübte das. // Er wähnt, er fände Freude, · da fand er feindlichen Haß. // Sie ſprach: „Edler Ritter, · laßt euch das vergehn: // Was ihr da habt im Sinne, · das kann nicht geſchehn. // Ich will noch Jungfrau bleiben, · Herr König, merkt euch das, // Bis ich die Mär erfahre.“ · Da faßte Gunther ihr Haß. // Er rang nach ihrer Minne · und zerrauft' ihr Kleid. // Da griff nach einem Gürtel · die herrliche Maid, // Einer ſtarken Borte, · die ſie um ſich trug: // Da that ſie dem König · großen Leides genug. // Die Füß und die Hände · ſie ihm zuſammenband, // Zu einem Nagel trug ſie ihn · und hieng ihn an die Wand. // Als er im Schlaf ſie ſtörte, · ſein Minnen ſie verbot. // Von ihrer Stärke hätt er · beinah gewonnen den Tod. // Da begann zu flehen, · der Meiſter ſollte ſein: // „Nun löſt mir die Bande, · viel edle Fraue mein. // Ich getrau euch, ſchöne Herrin, · doch nimmer obzuſiegen // Und will auch wahrlich ſelten · mehr ſo nahe bei euch liegen.“ // Sie frug nicht, wie ihm wäre, · da ſie in Ruhe lag. // Dort muſt er hangen bleiben · die Nacht bis an den Tag, // Bis der lichte Morgen · durchs Fenſter warf den Schein: // Hatt er je Kraft beſeßen, · die ward an ſeinem Leibe klein. // „Nun ſagt mir, Herr Gunther, · iſt euch das etwa leid, // Wenn euch gebunden finden,“ · ſprach die ſchöne Maid, // „Eure Kämmerlinge · von einer Frauen Hand?“ // Da ſprach der edle Ritter: · „Das würd euch übel gewandt. // „Auch wär mirs wenig Ehre,“ · ſprach der edle Mann: // „Bei eurer Zucht und Güte · nehmt mich nun bei euch an. // Und iſt euch meine Minne · denn ſo mächtig leid, // So will ich nie berühren · mit meiner Hand euer Kleid.“ // Da löſte ſie den König, · daß er nicht länger hieng; // Wieder an das Bette · er zu der Frauen gieng. // Er legte ſich ſo ferne, · daß er ihr Hemde fein // Nicht oft darnach berührte: · auch wollte ſie des ledig ſein. // Da kam auch ihr Geſinde, · das brachte neu Gewand: // Des war heute Morgen · genug für ſie zur Hand. // Wie froh man da gebahrte, · traurig war genug // Der edle Wirth des Landes, · wie er des Tags die Krone trug. // Nach des Landes Sitte, · die zu begehen Pflicht, // Unterließ es Gunther · mit Brunhild länger nicht: // Sie giengen nach dem Münſter, · wo man die Meſſe ſang. // Dahin auch kam Herr Siegfried; · da hob ſich mächtiger Drang. // Nach königlichen Ehren · war da für ſie bereit, // Was ſie haben ſollten, · die Krone wie das Kleid. // Da ließen ſie ſich weihen: · als das war geſchehn, // Da ſah man unter Krone · alle Viere herrlich ſtehn. // Das Schwert empfiengen Knappen, · ſechshundert oder mehr, // Den Königen zu Ehren · auf meines Worts Gewähr. // Da hob ſich große Freude · in Burgundenland: // Man hörte Schäfte brechen · an der Schwertdegen Hand. // Da ſaßen in den Fenſtern · die ſchönen Mägdelein. // Sie ſahen vor ſich leuchten · manches Schildes Schein. // Nun hatte ſich der König · getrennt von ſeinem Lehn: // Was man beginnen mochte, · er ließ es trauernd geſchehn. // Ihm und Siegfrieden · ungleich ſtand der Muth: // Wohl wuſte, was ihm fehlte, · der edle Ritter gut. // Da gieng er zu dem König, · zu fragen er begann: // „Wie iſts euch gelungen · die Nacht, das ſaget mir an.“ // Da ſprach der Wirth zum Gaſte: · „Den Schimpf und den Schaden // Hab ich an meiner Frauen · in mein Haus geladen. // Ich wähnte ſie zu minnen, · wie ſchnell ſie mich da band! // Zu einem Nagel trug ſie mich · und hieng mich hoch an die Wand. // „Da hieng ich ſehr in Aengſten · die Nacht bis an den Tag. // Eh ſie mich wieder löſte, · wie ſanft ſie da lag! // Das ſei dir in der Stille · geklagt in Freundlichkeit.“ // Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Das iſt in Wahrheit mir leid. // „Das will ich euch beweiſen, · verſchmerzt ihr den Verdruß. // Ich ſchaffe, daß ſie heute Nacht · ſo nah euch liegen muß, // Daß ſie euch ihre Minne · nicht länger vorenthält.“ // Die Rede hörte gerne · nach ſeinem Leide der Held. // „Nun ſchau meine Hände, · wie die geſchwollen ſind: // Die drückte ſie ſo mächtig, · als wär ich ein Kind, // Daß Blut mir allenthalben · aus den Nägeln drang. // Ich hegte keinen Zweifel, · mein Leben währe nicht lang.“ // Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Es wird noch Alles gut. // Uns Beiden war wohl ungleich · heute Nacht zu Muth. // Mir iſt deine Schweſter · wie Leben lieb und Leib! // So muß nun auch Frau Brunhild · noch heute werden dein Weib. // „Ich komme heut Abend · zu deinem Kämmerlein // Alſo wohl verborgen · in der Tarnkappe mein, // Daß ſich meiner Künſte · Niemand mag verſehn. // Laß dann die Kämmerlinge · zu ihren Herbergen gehn: // „So leſch ich den Knappen · die Lichter an der Hand: // Bei dieſem Wahrzeichen · ſei dir bekannt, // Daß ich hereingetreten. · Wohl zwing ich dir dein Weib, // Daß du ſie heute minneſt, · ich verlör' denn Leben und Leib.“ // „Wenn du ſie nicht minneſt,“ · der König ſprach da ſo, // „Meine liebe Fraue: · des Andern bin ich froh; // Was du auch thuſt und nähmſt du · Leben ihr und Leib, // Das wollt ich wohl verſchmerzen: · ſie iſt ein ſchreckliches Weib.“ // „Das nehm ich,“ ſprach da Siegfried, · „auf die Treue mein, // Daß ich ſie nicht berühre; · die liebe Schweſter dein // Geht mir über alle, · die ich jemals ſah.“ // Wohl glaubte König Gunther · der Rede Siegfriedens da. // Da gabs von Ritterſpielen · Freude ſo wie Noth. // Den Buhurd und das Lärmen · man allzumal verbot. // Als die Frauen ſollten · nach dem Saale gehn, // Geboten Kämmerlinge · den Leuten, nicht im Weg zu ſtehn. // Von Roſſen und von Leuten · räumte man den Hof. // Der Frauen Jedwede · führt' ein Biſchof, // Als ſie vor den Königen · zu Tiſche ſollten gehn. // Ihnen folgten zu den Stühlen · viel der Degen auserſehn. // Bei ſeinem Weib der König · in froher Hoffnung ſaß: // Was Siegfried ihm verheißen, · im Sinne lag ihm das. // Der eine Tag ihn dauchte · wohl dreißig Tage lang: // Nach Brunhildens Minne · all ſein Denken ihm rang. // Er konnt es kaum erwarten, · bis vorbei das Mahl. // Brunhild die ſchöne · rief man aus dem Saal // Und auch Kriemhilden: · ſie ſollten ſchlafen gehn: // Hei! was man kühner Degen · ſah vor den Königinnen ſtehn! // Siegfried der Herre · gar minniglich ſaß // Bei ſeinem ſchönen Weibe · mit Freuden ohne Haß. // Sie kos'te ſeine Hände · mit ihrer weißen Hand, // Bis er ihr vor den Augen, · ſie wuſte nicht wie, verſchwand. // Da ſie mit ihm ſpielte · und ſie ihn nicht mehr ſah, // Zu ſeinem Ingeſinde · ſprach die Königin da: // „Mich wundert ſehr, wo iſt doch · der König hingekommen? // Wer hat ſeine Hände · mir aus den meinen genommen?“ // Sie ließ die Rede bleiben. · Da eilt' er hinzugehn, // Wo er die Kämmerlinge · fand mit Lichtern ſtehn: // Die leſcht' er unverſehens · den Knappen an der Hand: // Daß es Siegfried wäre, · das war da Gunthern bekannt. // Wohl wuſt er, was er wolle: · er ließ von dannen gehn // Mägdelein und Frauen. · Als das war geſchehn, // Der edle König ſelber · verſchloß der Kammer Thür: // Starker Riegel zweie · die warf er eilends dafür. // Hinterm Bettvorhange · barg er der Kerzen Licht. // Ein Spiel ſogleich begannen, · vermeiden ließ ſichs nicht, // Siegfried der ſtarke · und die ſchöne Maid: // Das war dem König Gunther · beides lieb und auch leid. // Da legte ſich Siegfried · der Königin bei. // Sie ſprach: „Nun laßt es, Gunther, · wie lieb es euch auch ſei, // Daß ihr nicht Noth erleidet · heute ſo wie eh: // Oder euch geſchieht hier · von meinen Händen wieder Weh.“ // Er hehlte ſeine Stimme, · kein Wörtlein ſprach er da. // Wohl hörte König Gunther, · obgleich er ſie nicht ſah, // Daß Heimliches von Beiden · wenig geſchehen ſei; // Nicht viel bequeme Ruhe · im Bette fanden die Zwei. // Er ſtellte ſich, als wär er · Gunther der König reich; // Er umſchloß mit Armen · das Mägdlein ohne Gleich. // Sie warf ihn aus dem Bette · dabei auf eine Bank, // Daß laut an einem Schemel · ihm das Haupt davon erklang. // Wieder auf mit Kräften · ſprang der kühne Mann, // Es beßer zu verſuchen: · wie er das begann, // Daß er ſie zwingen wollte, · da widerfuhr ihm Weh. // Ich glaube nicht, daß ſolche Wehr · von Frauen je wieder geſcheh. // Da ers nicht laßen wollte, · das Mägdlein aufſprang: // „Euch ziemt nicht zu zerraufen · mein Hemd alſo blank. // Ihr ſeid ungezogen: · das wird euch noch leid. // Des bring ich euch wohl inne,“ · ſprach die waidliche Maid. // Sie umſchloß mit den Armen · den theuerlichen Degen // Und wollt ihn auch in Bande · wie den König legen, // Daß ſie im Bette läge · mit Gemächlichkeit. // Wie grimmig ſie das rächte, · daß er zerzerret ihr Kleid! // Was half ihm da die Stärke, · was ſeine große Kraft? // Sie erwies dem Degen · ihres Leibes Meiſterſchaft. // Sie trug ihn übermächtig, · das muſte nur ſo ſein, // Und drückt ihn ungefüge · bei dem Bett an einen Schrein. // „O weh,“ gedacht er, „ſoll ich · Leben nun und Leib // Von einer Maid verlieren, · ſo mag jedes Weib // In allen künftgen Zeiten · tragen Frevelmuth // Dem Mann gegenüber, · die es ſonſt wohl nimmer thut.“ // Der König hörte Alles; · er bangte für den Mann. // Da ſchämte ſich Siegfried, · zu zürnen fieng er an. // Mit ungefügen Kräften · ihr widerſetzt' er ſich // Und verſuchte ſeine Stärke · an Brunhilden ängſtiglich. // Wie ſie ihn niederdrückte, · ſein Zorn erzwang es noch // Und ſeine ſtarken Kräfte, · daß ihr zum Trotz er doch // Sich aufrichten konnte; · ſeine Angſt war groß. // Sie gaben in der Kammer · ſich her und hin manchen Stoß. // Auch litt König Gunther · Sorgen und Beſchwer: // Er muſte manchmal flüchten · vor ihnen hin und her. // Sie rangen ſo gewaltig, · daß es Wunder nahm, // Wie Eins vor dem Andern · mit dem Leben noch entkam. // Den König Gunther ängſtigte · beiderſeits die Noth; // Doch fürchtet' er am meiſten · Siegfriedens Tod. // Wohl hätte ſie dem Degen · das Leben ſchier benommen: // Dürft er nur, er wär ihm · gern zu Hülfe gekommen. // Gar lange zwiſchen Beiden · dauerte der Streit; // Da bracht er an das Bette · zuletzt zurück die Maid: // Wie ſehr ſie ſich auch wehrte, · die Wehr ward endlich ſchwach. // Gunther in ſeinen Sorgen · hieng mancherlei Gedanken nach. // Es währte lang dem König, · bis Siegfried ſie bezwang. // Sie drückte ſeine Hände, · daß aus den Nägeln ſprung // Das Blut von ihren Kräften; · das war dem Helden leid. // Da zwang er zu verläugnen · dieſe herrliche Maid // Den ungeſtümen Willen, · den ſie erſt dargethan. // Alles vernahm der König, · doch hört ers ſchweigend an. // Er drückte ſie ans Bette, · daß ſie aufſchrie laut: // Des ſtarken Siegfrieds Kräfte · ſchmerzten übel die Braut. // Da griff ſie nach der Hüfte, · wo ſie die Borte fand, // Und dacht' ihn zu binden: · doch wehrt' es ſeine Hand, // Daß ihr die Glieder krachten, · dazu der ganze Leib. // Da war der Streit zu Ende: · da wurde ſie Gunthers Weib. // Sie ſprach: „Edler König, · nimm mir das Leben nicht: // Was ich dir that zu Leide, · vergüt ich dir nach Pflicht. // Ich wehre mich nicht wieder · der edeln Minne dein: // Ich hab es wohl erfahren, · daß du magſt Frauen Meiſter ſein.“ // Aufſtand da Siegfried, · liegen blieb die Maid, // Als dächt er abzuwerfen · eben nur das Kleid. // Er zog ihr vom Finger · ein Ringlein von Gold, // Daß es nicht gewahrte · die edle Königin hold, // Auch nahm er ihren Gürtel, · eine Borte gut. // Ich weiß nicht, geſchah es · aus hohem Uebermuth. // Er gab ihn ſeinem Weibe: · das ward ihm ſpäter leid. // Da lagen bei einander · der König und die ſchöne Maid. // Er pflag der Frauen minniglich, · wie es geziemend war: // Scham und Zorn verſchmerzen · muſte ſie da gar. // Von ſeinen Heimlichkeiten · ihre lichte Farb erblich. // Hei! wie von der Minne · die große Kraft ihr entwich! // Da war auch ſie nicht ſtärker · als ein ander Weib. // Minniglich umfieng er · ihren ſchönen Leib; // Wenn ſie noch widerſtände, · was könnt es ſie verfahn? // Das hatt ihr Alles Gunther · mit ſeinem Minnen gethan. // Wie minniglich der Degen · da bei der Frauen lag // In freundlicher Liebe · bis an den lichten Tag! // Inzwiſchen war Herr Siegfried · längſt ſchon hindann: // Da ward er wohl empfangen · von einer Frauen wohlgethan. // Er wich allen Fragen aus, · die ſie erdacht, // Und hehlt' ihr noch lang, · was er mitgebracht, // Bis er daheim das Kleinod · ihr doch am Ende gab: // Das brachte viel der Degen · mit ihm ſelber ins Grab. // Dem Wirth am andern Morgen · viel höher ſtand der Muth, // Als am erſten Tage: · da ward die Freude gut // In allen ſeinen Landen · bei manchem edeln Mann. // Die er zu Hof geladen, · denen ward viel Dienſt gethan. // Vierzehn Tage währte · dieſe Luſtbarkeit, // Daß ſich der Schall nicht legte · in ſo langer Zeit // Von aller Luſt und Kurzweil, · die man erdenken mag. // Wohl verwandte hohe Koſten · der König bei dem Hofgelag. // Des edeln Wirthes Freunde, · wie es der Herr gewollt, // Verſchenkten ihm zu Ehren · Kleider und rothes Gold, // Silber auch und Roſſe · an manchen fremden Mann. // Die gerne Gaben nahmen, · die ſchieden fröhlich hindann. // Auch der kühne Siegfried · aus dem Niederland // Mit ſeinen tauſend Mannen · — all das Gewand, // Das ſie gebracht zum Rheine, · ward ganz dahin gegeben, // Schöne Roſs' und Sättel: · ſie wuſten herrlich zu leben. // Bevor die reiche Gabe · noch alle war verwandt, // Schon daucht es die zu lange, · die wollten in ihr Land. // Nie ſah man ein Geſinde · mehr ſo wohl verpflegen. // So endete die Hochzeit: · da ſchied von dannen mancher Degen. // 11. Eilftes Abenteuer. // Wie Siegfried mit ſeinem Weibe heimkehrte. Als die Gäſte waren · gefahren all davon, // Da ſprach zu dem Geſinde · König Siegmunds Sohn: // „Wir wollen auch uns rüſten · zur Fahrt in unſer Land.“ // Lieb ward es ſeinem Weibe, · als ihr die Märe ward bekannt. // Sie ſprach zu ihrem Manne: · „Wann ſollen wir nun fahren? // So ſehr damit zu eilen · will ich mich bewahren: // Erſt ſollen mit mir theilen · meine Brüder dieſes Land.“ // Leid war es Siegfrieden, · als ers an Kriemhilden fand. // Die Fürſten giengen zu ihm · und ſprachen alle drei: // „Wißt nun, Herr Siegfried, · daß euch immer ſei // Unſer Dienſt mit Treue · bereit bis in den Tod.“ // Er neigte ſich den Herren, · da mans ſo wohl ihm erbot. // „Wir wolln auch mit euch theilen,“ · ſprach Geiſelher das Kind, // „Das Land und die Burgen, · die unſer eigen ſind, // Und was der weiten Reiche · uns iſt unterthan; // Ihr empfangt mit Kriemhild · euer volles Theil daran.“ // Der Sohn König Siegmunds · ſprach zu den Fürſten da, // Als er den guten Willen · der Herren hört und ſah: // „Gott laß euch euer Erbe · geſegnet immer ſein // Und auch die Leute drinnen: · es mag die liebe Fraue mein // „Des Theils wohl entrathen, · den ihr ihr wolltet geben: // Wo ſie ſoll Krone tragen, · mögen wirs erleben, // Da muß ſie reicher werden, · als wer iſt auf der Welt. // Was ihr ſonſt gebietet, · ich bin euch dienſtlich geſellt.“ // Da ſprach aber Kriemhild: · „Wenn ihr mein Land verſchmäht, // Um die Burgundendegen · es ſo gering nicht fleht; // Die mag ein König gerne · führen in ſein Land: // Wohl ſoll ſie mit mir theilen · meiner lieben Brüder Hand.“ // Da ſprach König Gernot: · „Nimm, die du willſt, mit dir. // Die gerne mit dir reiten, · du findeſt Viele hier. // Von dreißighundert Recken · nimm dir tauſend Mann // Zu deinem Hausgeſinde.“ · Kriemhild zu ſenden begann // Nach Hagen von Tronje · und nach Ortwein, // Ob ſie und ihre Freunde · Kriemhildens wollten ſein. // Da gewann darüber Hagen · ein zorniges Leben: // Er ſprach: „Uns kann Gunther · in der Welt an Niemand vergeben. // „Ander Ingeſinde · nehmt zu eurer Fahrt; // Ihr werdet ja wohl kennen · der Tronejer Art. // Wir müßen bei den Königen · bleiben ſo fortan // Und denen ferner dienen, · deren Dienſt wir ſtäts verſahn.“ // Sie ließen es bewenden · und machten ſich bereit. // Ihres edeln Ingeſindes · nahm Kriemhild zum Geleit // Zweiunddreißig Mägdelein · und fünfhundert Mann; // Eckewart der Markgraf · zog mit Kriemhild hindann. // Da nahmen alle Urlaub, · Ritter ſo wie Knecht, // Mägdelein und Frauen: · ſo war es Fug und Recht. // Unter Küſſen ſcheiden · ſah man ſie unverwandt, // Und jene räumten fröhlich · dem König Gunther das Land. // Da geleiteten die Freunde · ſie fern auf ihren Wegen. // Allenthalben ließ man · ihnen Nachtherberge legen, // Wo ſie die nehmen wollten · in der Könge Land. // Da wurden bald auch Boten · dem König Siegmund geſandt, // Damit er wißen ſollte · und auch Frau Siegelind, // Sein Sohn ſolle kommen · mit Frau Utens Kind, // Kriemhild der ſchönen, · von Worms über Rhein. // Dieſe Mären konnten · ihnen nimmer lieber ſein. // „Wohl mir,“ ſprach da Siegmund, · „daß ich den Tag ſoll ſehn, // Da hier die ſchöne Kriemhild · ſoll unter Krone gehn! // Das erhöht im Werthe · mir all das Erbe mein: // Mein Sohn Siegfried · ſoll nun ſelbſt hier König ſein.“ // Da gab ihnen Siegelind · zu Kleidern Sammet roth // Und ſchweres Gold und Silber: · das war ihr Botenbrot. // Sie freute ſich der Märe, · die ſie da vernahm. // All ihr Ingeſinde · ſich mit Fleiß zu kleiden begann. // Man ſagt' ihr, wer da käme · mit Siegfried in das Land. // Da hieß ſie Geſtühle · errichten gleich zur Hand, // Wo er vor den Freunden · ſollt unter Krone gehn. // Entgegen ritten ihnen · Die in König Siegmunds Lehn. // Wer beßer wäre empfangen, · mir iſt es unbekannt, // Als die Helden wurden · in Siegmundens Land. // Kriemhilden ſeine Mutter · Sieglind entgegenritt // Mit viel der ſchönen Frauen; · kühne Ritter zogen mit // Wohl eine Tagereiſe, · bis man die Gäſte ſah. // Die Heimiſchen und Fremden · litten Beſchwerde da, // Bis ſie endlich kamen · zu einer Veſte weit, // Die Santen war geheißen, · wo ſie Krone trugen nach der Zeit. // Mit lachendem Munde · Siegmund und Siegelind // Manche liebe Weile · küſſten ſie Utens Kind // Und Siegfried den Degen; · ihnen war ihr Leid benommen. // All ihr Ingeſinde · hieß man fröhlich willkommen. // Da brachten ſie die Gäſte · vor König Siegmunds Saal. // Die ſchönen Jungfrauen · hub man allzumal // Von den Mähren nieder; · da war mancher Mann, // Der den ſchönen Frauen · mit Fleiß zu dienen begann. // So prächtig ihre Hochzeit · am Rhein war bekannt, // Doch gab man hier den Helden · köſtlicher Gewand, // Als ſie all ihr Leben · je zuvor getragen. // Man mochte große Wunder · von ihrem Reichthume ſagen. // So ſaßen ſie in Ehren · und hatten genug. // Was goldrothe Kleider · ihr Ingeſinde trug! // Edel Geſtein und Borten · ſah man gewirkt darin. // So verpflag ſie fleißig · Sieglind die edle Königin. // Da ſprach vor ſeinen Freunden · der König Siegmund: // „Allen meinen Freunden · thu ichs heute kund, // Daß Siegfried meine Krone · hier hinfort ſoll tragen.“ // Die Märe hörten gerne · Die von Niederlanden ſagen. // Er befahl ihm ſeine Krone · mit Gericht und Land: // Da war er Herr und König. · Wem er den Rechtsſpruch fand // Und wen er ſtrafen ſollte, · das wurde ſo gethan, // Daß man wohl fürchten durfte · der ſchönen Kriemhilde Mann. // In dieſen hohen Ehren · lebt' er, das iſt wahr, // Und richtet' unter Krone · bis an das zehnte Jahr, // Da die ſchöne Königin · einen Sohn gewann, // An dem des Königs Freunde · ihren Wunſch und Willen ſahn. // Alsbald ließ man ihn taufen · und einen Namen nehmen: // Gunther, nach ſeinem Oheim, · des dürft er ſich nicht ſchämen. // Gerieth' er nach den Freunden, · er würd ein kühner Mann. // Man erzog ihn ſorgſam: · ſie thaten auch recht daran. // In denſelben Zeiten · ſtarb Frau Siegelind: // Da nahm die volle Herrſchaft · der edeln Ute Kind, // Wie ſo reicher Frauen · geziemte wohl im Land. // Es ward genug betrauert, · daß der Tod ſie hatt entwandt. // Nun hatt auch dort am Rheine, · wie wir hören ſagen, // Gunther dem reichen · einen Sohn getragen // Brunhild die ſchöne · in Burgundenland. // Dem Helden zu Liebe · ward er Siegfried genannt. // Mit welchen Sorgen immer · man ſein hüten hieß! // Von Hofmeiſtern Gunther · ihn Alles lehren ließ, // Was er bedürfen möchte, · erwüchs' er einſt zum Mann. // Hei, was ihm bald das Unglück · der Verwandten abgewann! // Zu allen Zeiten Märe · war ſo viel geſagt, // Wie doch ſo herrlich · die Degen unverzagt // Zu allen Stunden lebten · in Siegmundens Land: // So lebt' auch König Gunther · mit ſeinen Freunden auserkannt. // Das Land der Nibelungen · war Siegfried unterthan // (Keiner ſeiner Freunde · je größern Schatz gewann) // Mit Schilbungens Recken · und der Beiden Gut. // Darüber trug der Kühne · deſto höher den Muth. // Hort den allermeiſten, · den je ein Held gewann, // Nach den erſten Herren, · beſaß der kühne Mann, // Den vor einem Berge · ſeine Hand erwarb im Streit: // Er ſchlug darum zu Tode · manchen Ritter allbereit. // Vollauf beſaß er Ehre, · und hätt ers halb entbehrt, // Doch müſte man geſtehen · dem edeln Recken werth, // Daß er der Beſte wäre, · der je auf Roſſen ſaß. // Man ſcheute ſeine Stärke, · mit allem Grunde that man das. // 12. Zwölftes Abenteuer. // Wie Gunther Siegfrieden zum Hofgelage lud. Da dacht auch alle Tage · Brunhild die Königin: // „Wie trägt nur Frau Kriemhild · ſo übermüthgen Sinn! // Nun iſt doch unſer Eigen · Siegfried ihr Mann: // Der hat uns nun ſchon lange · wenig Dienſte gethan.“ // Das trug ſie im Herzen · in großer Heimlichkeit; // Daß ſie ihr fremde blieben, · das war der Frauen leid. // Daß man ihr nicht zinſte · von des Fürſten Land, // Woher das wohl käme, · das hätte ſie gern erkannt. // Sie verſucht' es bei dem König, · ob es nicht geſchehn // Möchte, daß ſie Kriemhild · noch ſollte wiederſehn. // Sie vertraut' ihm heimlich, · worauf ihr ſann der Muth; // Da dauchte den König · der Frauen Rede nicht gut. // „Wie könnten wir ſie bringen,“ · ſprach der König hehr, // „Her zu dieſem Lande? · das fügt ſich nimmermehr. // Sie wohnen uns zu ferne: · ich darf ſie nicht drum bitten.“ // Da gab ihm Brunhild Antwort · mit gar hochfährtgen Sitten: // „Und wäre noch ſo mächtig · eines Königs Mann, // Was ihm ſein Herr gebietet, · das muß doch ſein gethan.“ // Lächeln muſte Gunther · ihrer Rede da: // Er nahm es nicht als Dienſt an, · wenn er Siegfrieden ſah. // Sie ſprach: „Lieber Herre, · bei der Liebe mein, // Hilf mir, daß Siegfried · und die Schweſter dein // Zu dieſem Lande kommen · und wir ſie hier erſehn: // So könnte mir auf Erden · nimmer lieber geſchehn. // „Deiner Schweſter Güte, · ihr wohlgezogner Muth, // Wenn ich daran gedenke, · wie wohl mirs immer thut; // Wie wir beiſammen ſaßen, · als ich dir ward vermählt! // Sie hat ſich mit Ehren · den kühnen Siegfried erwählt.“ // Da bat ſie ihn ſo lange, · bis der König ſprach: // „Nun wißt, daß ich Gäſte · nicht lieber ſehen mag. // Ihr mögt mich leicht erbitten: · ich will die Boten mein // Zu ihnen beiden ſenden, · daß ſie kommen an den Rhein.“ // Da ſprach die Königstochter: · „So ſollt ihr mir ſagen, // Wann ihr ſie wollt beſenden, · oder zu welchen Tagen // Die lieben Freunde ſollen · kommen in dieß Land; // Die ihr dahin wollt ſenden, · die macht zuvor mir bekannt.“ // „Das will ich,“ ſprach der König: · „dreißig aus meinem Lehn // Laß ich zu ihnen reiten.“ · Die hieß er vor ſich gehn: // Durch ſie entbot er Märe · in Siegfriedens Land. // Da beſchenkte ſie Frau Brunhild · mit manchem reichen Gewand. // Der König ſprach: „Ihr Recken · ſollt von mir ſagen // Und nichts von dem verſchweigen, · was ich euch aufgetragen, // Siegfried dem ſtarken · und der Schweſter mein, // Ihnen dürf auf Erden · nimmer Jemand holder ſein. // „Und bittet, daß ſie beide · uns kommen an den Rhein: // Dafür will ich und Brunhild · ihnen ſtäts gewogen ſein. // Vor dieſer Sonnenwende · ſoll er hier Manchen ſehn, // Er und ſeine Mannen, · die ihm Ehre laßen geſchehn. // „Vermeldet auch dem König · Siegmund die Dienſte mein, // Daß ich und meine Freunde · ihm ſtäts gewogen ſei'n. // Und bittet meine Schweſter, · daß ſie's nicht unterläßt // Und zu den Freunden reitet: · nie ziemt' ihr ſo ein Freudenfeſt.“ // Brunhild und Ute · und was man Frauen fand, // Die entboten ihre Dienſte · in Siegfriedens Land // Den minniglichen Frauen · und manchem kühnen Mann. // Nach Wunſch des Königs hoben · ſich bald die Boten hindann. // Sie ſtanden reiſefertig; · ihr Roſs und ihr Gewand // War ihnen angekommen: · da räumten ſie das Land. // Sie eilten zu dem Ziele, · dahin ſie wollten fahren. // Der König hieß die Boten · durch Geleite wohl bewahren. // Innerhalb zwölf Tagen · kamen ſie in das Land, // Zu Nibelungens Veſte, · wohin man ſie geſandt, // In der Mark zu Norweg · fanden ſie den Degen: // Roſs und Leute waren · müde von den langen Wegen. // Siegfried und Kriemhilden · war eilends hinterbracht, // Daß Ritter kommen waren, · die trügen ſolche Tracht, // Wie bei den Burgunden · man trug der Sitte nach. // Sie ſprang von einem Bette, · darauf die Ruhende lag. // Zu einem Fenſter ließ ſie · eins ihrer Mägdlein gehn; // Die ſah den kühnen Gere · auf dem Hofe ſtehn, // Ihn und die Gefährten, · die man dahin geſandt. // Ihr Herzeleid zu ſtillen, · wie liebe Kunde ſie fand! // Sie ſprach zu dem Könige: · „Seht ihr, wie ſie ſtehn, // Die mit dem ſtarken Gere · auf dem Hofe gehn, // Die uns mein Bruder Gunther · nieder ſchickt den Rhein.“ // Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Die ſollen uns willkommen ſein.“ // All ihr Ingeſinde · lief hin, wo man ſie ſah. // Jeder an ſeinem Theile · gütlich ſprach er da // Das Beſte, was er konnte, · zu den Boten hehr. // Ihres Kommens freute · der König Siegmund ſich ſehr. // Herbergen ließ man Geren · und Die ihm unterthan // Und ihrer Roſſe warten. · Die Boten brachte man // Dahin, wo Herr Siegfried · bei Kriemhilden ſaß. // Sie ſahn den Boten gerne · ſicherlich ohne allen Haß. // Der Wirth mit ſeinem Weibe · erhob ſich gleich zur Hand. // Wohl ward empfangen Gere · aus Burgundenland // Mit ſeinen Fahrtgenoſſen · in König Gunthers Lehn. // Den Markgrafen Gere · bat man nicht länger zu ſtehn. // „Erlaubt uns die Botſchaft, · eh wir uns ſetzen gehn; // Uns wegemüde Gäſte, · laßt uns ſo lange ſtehn, // So melden wir die Märe, · die euch zu wißen thut // Gunther mit Brunhilden: · es geht ihnen beiden gut. // „Und was euch Frau Ute, · eure Mutter, her entbot, // Geiſelher der junge · und auch Herr Gernot // Und eure nächſten Freunde: · die haben uns geſandt // Und entbieten euch viele Dienſte · aus der Burgunden Land.“ // „Lohn ihnen Gott,“ ſprach Siegfried; · „ich verſah zu ihnen wohl // Mich aller Lieb und Treue, · wie man zu Freunden ſoll. // So thut auch ihre Schweſter; · ihr ſollt uns ferner ſagen, // Ob unſre lieben Freunde · hohen Muth daheim noch tragen. // „Hat ihnen, ſeit wir ſchieden, · Jemand ein Leid gethan // Meiner Fraue Brüdern? · Das ſaget mir an. // Ich wollt es ihnen immer · mit Treue helfen tragen, // Bis ihre Widerſacher · meine Dienſte müſten beklagen.“ // Antwort gab der Markgraf · Gere, ein Ritter gut: // „Sie ſind in allen Züchten · mit Freuden wohlgemuth. // Sie laden euch zum Rheine · zu einer Luſtbarkeit // Sie ſähn euch gar gerne, · daß ihr des außer Zweifel ſeid. // „Sie bitten meine Fraue · auch mit euch zu kommen. // Wenn nun der Winter · ein Ende hat genommen, // Vor dieſer Sonnenwende · da möchten ſie euch ſehn.“ // Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Das könnte ſchwerlich geſchehn.“ // Da ſprach wieder Gere · von Burgundenland: // „Eure Mutter Ute · hat euch ſehr gemahnt // Mit Gernot und Geiſelher, · ihr ſollt es nicht verſagen. // Daß ihr ſo ferne wohnet, · hör ich ſie täglich beklagen. // „Brunhild meine Herrin · und ihre Mägdelein // Freuen ſich der Kunde, · und könnt es jemals ſein, // Daß ſie euch wiederſähen, · ihnen ſchuf es hohen Muth.“ // Da dauchten dieſe Mären · die ſchöne Kriemhilde gut. // Gere war ihr Vetter: · der Wirth ihn ſitzen hieß; // Den Gäſten hieß er ſchenken, · nicht länger man das ließ. // Da kam dazu auch Siegmund: · als der die Boten ſah, // Freundlich ſprach der König · zu den Burgunden da: // „Willkommen uns, ihr Recken · in König Gunthers Lehn. // Da ſich Kriemhilden · zum Weibe hat erſehn // Mein Sohn Siegfried, · man ſollt euch öfter ſchaun // In dieſem Lande, dürften wir · bei euch auf Freundſchaft vertraun. // Sie ſprachen: Wenn er wolle, · ſie würden gerne kommen. // Ihnen ward mit Freuden · die Müdigkeit benommen. // Man hieß die Boten ſitzen; · Speiſe man ihnen trug: // Deren ſchuf da Siegfried · den lieben Gäſten genug. // Sie muſten da verweilen · volle neun Tage. // Darob erhoben endlich · die ſchnellen Ritter Klage, // Daß ſie nicht wieder reiten · durften in ihr Land. // Da hatt auch König Siegfried · zu ſeinen Freunden geſandt: // Er fragte, was ſie riethen: · er ſolle nach dem Rhein. // „Es ließ mich entbieten · Gunther der Schwager mein, // Er und ſeine Brüder, · zu einer Luſtbarkeit: // Ich möcht ihm gerne kommen, · liegt gleich ſein Land mir ſo weit. // „Sie bitten Kriemhilden, · mit mir zu ziehn. // Nun rathet, liebe Freunde, · wie kommen wir dahin? // Und ſollt ich Heerfahrten · durch dreißig Herren Land, // Gern dienſtbereit erwieſe · ſich ihnen Siegfriedens Hand.“ // Da ſprachen ſeine Recken: · „Steht euch zur Fahrt der Muth // Nach dem Hofgelage, · wir rathen, was ihr thut: // Ihr ſollt mit tauſend Recken · reiten an den Rhein: // So mögt ihr wohl mit Ehren · bei den Burgunden ſein.“ // Da ſprach von Niederlanden · der König Siegmund: // „Wollt ihr zum Hofgelage, · was thut ihr mirs nicht kund? // Ich will mit euch reiten, · wenn ihrs zufrieden ſeid; // Hundert Degen führ ich, · damit mehr ich eur Geleit.“ // „Wollt ihr mit uns reiten, · lieber Vater mein,“ // Sprach der kühne Siegfried, · „des will ich fröhlich ſein. // Binnen zwölf Tagen · räum ich unſer Land.“ // Die ſie begleiten ſollten, · denen gab man Roſs' und Gewand. // Als dem edeln König · zur Reiſe ſtand der Muth, // Da ließ man wieder reiten · die ſchnellen Degen gut. // Seiner Frauen Brüdern · entbot er an den Rhein, // Daß er gerne wolle · bei ihrem Hofgelage ſein. // Siegfried und Kriemhild, · ſo hörten wir ſagen, // Beſchenkten ſo die Boten, · es mochten es nicht tragen // Die Pferde nach der Heimat: · er war ein reicher Mann. // Ihre ſtarken Säumer · trieb man zur Reiſe fröhlich an. // Da ſchuf dem Volke Kleider · Siegfried und Siegemund. // Eckewart der Markgraf · ließ da gleich zur Stund // Frauenkleider ſuchen, · die beſten, die man fand // Und irgend mocht erwerben · in Siegfriedens ganzem Land. // Die Sättel und die Schilde · man da bereiten ließ. // Den Rittern und den Frauen, · die er ſich folgen hieß, // Gab man, was ſie wollten; · nichts gebrach daran. // Er brachte ſeinen Freunden · manchen herrlichen Mann. // Nun wandten ſich die Boten · zurück und eilten ſehr. // Da kam zu den Burgunden · Gere, der Degen hehr, // Und wurde ſchön empfangen: · ſie ſchwangen ſich zu Thal // Von Roſſen und von Mähren · dort vor König Gunthers Saal. // Die Jungen und die Alten · kamen, wie man thut, // Und fragten nach der Märe. · Da ſprach der Ritter gut: // „Wenn ichs dem König ſage, · wird es auch euch bekannt.“ // Er gieng mit den Geſellen · dahin, wo er Gunthern fand. // Der König vor Freude · von dem Seßel ſprang; // Daß ſie ſo bald gekommen, · ſagt' ihnen Dank // Brunhild die Schöne. · Zu den Boten ſprach er da: // „Wie gehabt ſich Siegfried, · von dem mir Liebe viel geſchah?“ // Da ſprach der kühne Gere: · „Er ward vor Freuden roth, // Er und eure Schweſter. · So holde Mär entbot // Seinen Freunden nimmer · noch zuvor ein Mann, // Als euch der edle Siegfried · und ſein Vater hat gethan.“ // Da ſprach zum Markgrafen · des reichen Königs Weib: // „Nun ſagt mir, kommt uns Kriemhild? · Hat noch ihr ſchöner Leib // Die hohe Zier behalten, · deren ſie mochte pflegen?“ // Er ſprach: „Sie kommen beide; · mit ihnen mancher kühne Degen.“ // Ute ließ die Boten · alsbald vor ſich gehn. // Da wars an ihrem Fragen · leichtlich zu verſtehn, // Was ſie zu wißen wünſche: · „War Kriemhild noch wohlauf?“ // Er gab Beſcheid, ſie kam auch · nach kurzer Tage Verlauf. // Da blieb auch nicht verhohlen · am Hof der Botenſold, // Den ihnen Siegfried ſchenkte, · die Kleider und das Gold: // Die ließ man alle ſchaun · in der drei Fürſten Lehn. // Da muſten ſie ihm Ehre · wohl für Milde zugeſtehn. // „Er mag,“ ſprach da Hagen, · „mit vollen Händen geben: // Er könnt es nicht verſchwenden, · und ſollt er ewig leben. // Den Hort der Nibelungen · beſchließt des Königs Hand; // Hei! daß er jemals käme · her in der Burgunden Land!“ // Da freuten ſich die Degen · am Hof im Voraus, // Daß ſie kommen ſollten. · Beflißen überaus // Sah man ſpät und frühe · Die in der Könge Lehn. // Welch herrlich Geſtühle · ließ man vor der Burg erſtehn! // Hunold der kühne · und Sindold der Degen // Hatten wenig Muße: · des Amtes muſte pflegen // Truchſeß auch und Schenke · und richten manche Bank; // Auch Ortwein war behülflich: · des ſagt' ihnen Gunther Dank. // Rumold der Küchenmeiſter, · wie herrſcht' er in der Zeit // Ob ſeinen Unterthanen, · gar manchem Keßel weit, // Häfen und Pfannen; · hei! was man deren fand! // Denen ward da Koſt bereitet, · die da kamen in das Land. // Der Frauen Arbeiten · waren auch nicht klein: // Sie bereiteten die Kleider, · darauf manch edler Stein, // Des Stralen ferne glänzten, · gewirkt war in das Gold; // Wenn ſie die anlegten, · ward ihnen Männiglich hold. // 13. Dreizehntes Abenteuer. // Wie ſie zum Hofgelage fuhren. All ihr Bemühen · laßen wir nun ſein // Und ſagen, wie Frau Kriemhild · und ihre Mägdelein // Hin zum Rheine fuhren · von Nibelungenland. // Niemals trugen Roſſe · ſo viel herrlich Gewand. // Viel Saumſchreine wurden · verſendet auf den Wegen. // Da ritt mit ſeinen Freunden · Siegfried der Degen // Und die Königstochter · in hoher Freuden Wahn; // Da war es ihnen Allen · zu großem Leide gethan. // Sie ließen in der Heimat · Siegfrieds Kindelein // Und Kriemhildens bleiben; · das muſte wohl ſo ſein. // Aus ihrer Hofreiſe · erwuchs ihm viel Beſchwer: // Seinen Vater, ſeine Mutter · erſah das Kindlein nimmermehr. // Mit ihnen ritt von dannen · Siegmund der König hehr. // Hätt er ahnen können, · wie es ihm nachher // Beim Hofgelag ergienge, · er hätt es nicht geſehn: // Ihm konnt an lieben Freunden · größer Leid nicht geſchehn. // Vorausgeſandte Boten · verhießen ſie bei Zeit. // Entgegen ritten ihnen · in herrlichem Geleit // Von Utens Freunden viele · und König Gunthers Lehn. // Der Wirth ließ großen Eifer · für die lieben Gäſte ſehn. // Er gieng zu Brunhilden, · wo er ſie ſitzen fand: // „Wie empfieng euch meine Schweſter, da ihr kamet in dieß Land? // So will ich, daß ihr Siegfrieds · Gemahl empfangen ſollt.“ // „Das thu ich“, ſprach ſie, „gerne: ich bin ihr billiglich hold.“ // Da ſprach der mächtige König: · „Sie kommen morgen fruh; // Wollt ihr ſie empfangen, · ſo greift nur bald dazu, // Daß ſie uns in der Veſte · nicht überraſchen hie: // Mir ſind ſo liebe Gäſte · nicht oft gekommen wie ſie.“ // Ihre Mägdelein und Frauen · ließ ſie da zur Hand // Gute Kleider ſuchen, · die beſten, die man fand, // Die ihr Ingeſinde · vor Gäſten mochte tragen. // Das thaten ſie doch gerne: · das mag man für Wahrheit ſagen. // Sie zu empfangen eilten · auch Die in Gunthers Lehn; // All ſeine Recken · hieß er mit ſich gehn. // Da ritt die Königstochter · hinweg in ſtolzem Zug. // Die lieben Gäſte grüßte · ſie alle freudig genug. // Mit wie hohen Ehren · da empfieng man ſie! // Sie dauchte, daß Frau Kriemhild · Brunhilden nie // So wohl empfangen habe · in Burgundenland. // Allen, die es ſahen, · war hohe Wonne bekannt. // Nun war auch Siegfried kommen · mit ſeiner Leute Heer. // Da ſah man die Helden · ſich wenden hin und her // Im Feld allenthalben · mit ungezählten Scharen. // Vor Staub und Drängen konnte · ſich da Niemand bewahren. // Als der Wirth des Landes · Siegfrieden ſah // Und Siegmund den König, · wie gütlich ſprach er da: // „Nun ſeid mir hochwillkommen · und all den Freunden mein; // Wir wollen hohen Muthes · ob eurer Hofreiſe ſein.“ // „Nun lohn euch Gott,“ ſprach Siegmund, · der ehrbegierge Mann. // „Seit mein Sohn Siegfried · euch zum Freund gewann, // Rieth mir all mein Sinnen, · wie ich euch möchte ſehn.“ // Da ſprach König Gunther: · „Nun freut mich, daß es geſchehn.“ // Siegfried ward empfangen, · wie man das wohl geſollt, // Mit viel großen Ehren; · ein Jeder ward ihm hold. // Des half mit Ritterſitten · Gernot und Geiſelher; // Man bot es lieben Gäſten · ſo gütlich wohl nimmermehr. // Nun konnten ſich einander · die Königinnen ſchaun. // Da ſah man Sättel leeren · und viel der ſchönen Fraun // Von der Helden Händen · gehoben auf das Gras: // Wer gerne Frauen diente, · wie ſelten der da müßig ſaß! // Da giengen zu einander · die Frauen minniglich. // Darüber höchlich freuten · viel der Ritter ſich, // Daß der Beiden Grüßen · ſo minniglich ergieng. // Man ſah da manchen Recken, · der Frauendienſte begieng. // Das herrliche Geſinde · nahm ſich bei der Hand; // Züchtiglich ſich neigen · man allerorten fand // Und minniglich ſich küſſen · viel Frauen wohlgethan. // Das ſahen gerne Gunthers und · Siegfrieds Mannen mit an. // Sie ſäumten da nicht länger · und ritten nach der Stadt. // Der Wirth ſeinen Gäſten · zu erweiſen hat, // Daß man ſie gerne ſähe · in der Burgunden Land. // Manches ſchöne Kampfſpiel · man vor den Jungfrauen fand. // Da ließ von Tronje Hagen · und auch Ortewein, // Wie ſie gewaltig waren, · wohl offenkundig ſein. // Was ſie gebieten mochten, · das ward alsbald gethan. // Man ſah die lieben Gäſte · viel Dienſt von ihnen empfahn. // Man hörte Schilde hallen · vor der Veſte Thor // Von Stichen und von Stößen. · Lange hielt davor // Der Wirth mit ſeinen Gäſten, · bis alle waren drin, // In mancher Kurzweil giengen · ihnen ſchnell die Stunden hin. // Vor den weiten Gäſteſaal · ſie nun in Freuden ritten. // Viel kunſtvolle Decken, · reich und wohlgeſchnitten, // Sah man von den Sätteln · den Frauen wohlgethan // Allenthalben hangen; · da kamen Diener heran. // Zu Gemache wieſen · ſie die Gäſte da. // Hin und wieder blicken · man Brunhilden ſah // Nach Kriemhild der Frauen; · ſchön war ſie genug: // Den Glanz noch vor dem Golde · ihre hehre Farbe trug. // Da vernahm man allenthalben · zu Worms in der Stadt // Den Jubel des Geſindes. · König Gunther bat // Dankwart, ſeinen Marſchall, · es wohl zu verpflegen: // Da ließ er die Gäſte · in gute Herbergen legen. // Draußen und darinnen · beköſtigte man ſie: // So wohl gewartet wurde · fremder Gäſte nie. // Was Einer wünſchen mochte, · das war ihm gern gewährt: // So reich war der König, · es blieb Keinem was verwehrt. // Man dient' ihnen freundlich · und ohn allen Haß. // Der König zu Tiſche · mit ſeinen Gäſten ſaß; // Siegfrieden ließ man ſitzen, · wie er ſonſt gethan. // Mit ihm gieng zu Tiſche · gar mancher waidliche Mann. // Zwölfhundert Recken · ſetzten ſich dahin // Mit ihm an der Tafel. · Brunhild die Königin // Gedachte, wie ein Dienſtmann · nicht reicher möge ſein. // Noch war ſie ihm günſtig, · ſie ließ ihn gerne gedeihn. // Es war an einem Abend, · da ſo der König ſaß, // Viel reiche Kleider wurden · da vom Weine naß, // Als die Schenken ſollten · zu den Tiſchen gehn: // Da ſah man volle Dienſte · mit großem Fleiße geſchehn. // Wie bei Hofgelagen · Sitte mochte ſein, // Ließ man zur Ruh geleiten · Fraun und Mägdelein. // Von wannen wer gekommen, · der Wirth ihm Sorge trug; // In gütlichen Ehren · gab man Allen genug. // Die Nacht war zu Ende, · ſich hob des Tages Schein, // Aus den Saumſchreinen · mancher Edelſtein // Erglänzt' auf gutem Kleide; · das ſchuf der Frauen Hand. // Aus der Lade ſuchten ſie · manches herrliche Gewand. // Eh es noch völlig tagte, · kamen vor den Saal // Ritter viel und Knechte: · da hob ſich wieder Schall // Vor einer Frühmeſſe, · die man dem König ſang. // So ritten junge Helden, · der König ſagt' ihnen Dank. // Da klangen die Poſaunen · von manchem kräftgen Stoß; // Von Flöten und Drommeten · ward der Schall ſo groß, // Worms die weite Veſte · gab lauten Widerhall. // Auf die Roſſe ſprangen · die kühnen Helden überall. // Da hob ſich in dem Lande · ein hohes Ritterſpiel // Von manchem guten Recken: · man fand ihrer viel, // Deren junge Herzen · füllte froher Muth. // Unter Schilden ſah man · manchen zieren Ritter gut. // Da ließen in den Fenſtern · die herrlichen Fraun // Und viel der ſchönen Maide · ſich im Schmucke ſchaun. // Sie ſahen kurzweilen · manchen kühnen Mann: // Der Wirth mit ſeinen Freunden · zu reiten ſelber begann. // So vertrieben ſie die Weile, · die dauchte ſie nicht lang. // Da lud zu dem Dome · mancher Glocke Klang: // Den Frauen kamen Roſſe, · da ritten ſie hindann; // Den edeln Königinnen · folgte mancher kühne Mann. // Sie ſtiegen vor dem Münſter · nieder auf das Gras. // Noch hegte zu den Gäſten · Brunhild keinen Haß. // Sie giengen unter Krone · in das Münſter weit. // Bald ſchied ſich dieſe Liebe: · das wirkte grimmiger Neid. // Als die Meſſe war geſungen, · ſah man ſie weiter ziehn // Unter hohen Ehren. · Sie giengen heiter hin // Zu des Königs Tiſchen. · Ihre Freude nicht erlag // Bei dieſen Luſtbarkeiten · bis gegen den eilften Tag. // Die Königin gedachte: · „Ich wills nicht länger tragen. // Wie ich es fügen möge, · Kriemhild muß mir ſagen, // Warum uns ſo lange · den Zins verſaß ihr Mann: // Der iſt doch unſer Eigen: · der Frag ich nicht entrathen kann.“ // So harrte ſie der Stunde, · bis es der Teufel rieth, // Daß ſie das Hofgelage · und die Luſt mit Leide ſchied. // Was ihr lag am Herzen, · zu Lichte muſt es kommen: // Drum ward in manchen Landen · durch ſie viel Jammer vernommen. // 14. Vierzehntes Abenteuer. // Wie die Königinnen ſich ſchalten. Es war vor einer Veſper, · als man den Schall vernahm, // Der von manchem Recken · auf dem Hofe kam: // Sie ſtellten Ritterſpiele · der Kurzweil willen an. // Da eilten es zu ſchauen · Frauen viel und mancher Mann. // Da ſaßen beiſammen · die Königinnen reich // Und gedachten zweier Recken, · die waren ohne Gleich. // Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „Ich hab einen Mann, // Dem wären dieſe Reiche · alle billig unterthan.“ // Da ſprach zu ihr Frau Brunhild: · „Wie könnte das wohl ſein? // Wenn Anders Niemand lebte · als du und er allein, // So möchten ihm die Reiche · wohl zu Gebote ſtehn: // So lange Gunther lebte, · ſo könnt es nimmer geſchehn.“ // Da ſprach Kriemhild wieder: · „Siehſt du, wie er ſteht, // Wie er da ſo herrlich · vor allen Recken geht, // Wie der lichte Vollmond · vor den Sternen thut! // Darob mag ich wohl immer · tragen fröhlichen Muth.“ // Da ſprach wieder Brunhild: · „Wie waidlich ſei dein Mann, // Wie ſchön und wie bieder, · ſo ſteht ihm doch voran // Gunther der Recke, · der edle Bruder dein: // muß vor allen Königen, · das wiße du wahrlich, ſein.“ // Da ſprach Kriemhild wieder: · „So werth iſt mein Mann, // Daß er ohne Grund nicht · ſolch Lob von mir gewann. // An gar manchen Dingen · iſt ſeine Ehre groß. // Glaubſt du das, Brunhild? · er iſt wohl Gunthers Genoß!“ // „Das ſollſt du mir, Kriemhild, · im Argen nicht verſtehn; // Es iſt auch meine Rede · nicht ohne Grund geſchehn. // Ich hört' es Beide ſagen, · als ich zuerſt ſie ſah, // Und als des Königs Willen · in meinen Spielen geſchah. // „Und da er meine Minne · ſo ritterlich gewann, // Da ſagt' es Siegfried ſelber, · er ſei des Königs Mann: // Drum halt ich ihn für eigen: · ich hört' es ihn geſtehn.“ // Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „So wär mir übel geſchehn. // „Wie hätten ſo geworben · die edeln Brüder mein, // Daß ich des Eigenmannes · Gemahl ſollte ſein? // Darum will ich, Brunhild, · gar freundlich dich bitten, // Laß mir zu Lieb die Rede · hinfort mit gütlichen Sitten.“ // Die Königin verſetzte: · „Sie laßen mag ich nicht: // Wie thät ich auf ſo manchen · Ritter wohl Verzicht, // Der uns mit dem Degen · zu Dienſt iſt unterthan?“ // Kriemhild die Schöne · hub da ſehr zu zürnen an. // „Dem muſt du wohl entſagen, · daß er in der Welt // Dir irgend Dienſte leiſte. · Werther iſt der Held // Als mein Bruder Gunther, · der Degen unverzagt. // Erlaß mich der Dinge, · die du mir jetzo geſagt. // „Auch muß mich immer wundern, · wenn er dein Dienſtmann iſt // Und du ob uns Beiden · So gewaltig biſt, // Warum er dir ſo lange · den Zins verſeßen hat; // Deines Uebermuthes · wär ich billig nun ſatt.“ // „Du willſt dich überheben,“ · ſprach da die Königin. // „Wohlan, ich will doch ſchauen, · ob man dich fürderhin // So hoch in Ehren halte, · als man mich ſelber thut.“ // Die Frauen waren beide · in ſehr zornigem Muth. // Da ſprach wieder Kriemhild: · „Das wird dir wohl bekannt: // Da du meinen Siegfried · dein eigen haſt genannt, // So ſollen heut die Degen · der beiden Könge ſehen, // Ob ich vor der Königin · wohl zur Kirche dürfe gehn. // „Ich laße dich wohl ſchauen, · daß ich edel bin und frei, // Und daß mein Mann viel werther · als der deine ſei. // Ich will damit auch ſelber · nicht beſcholten ſein: // Du ſollſt noch heute ſehen, · wie die Eigenholde dein // „Zu Hof geht vor den Helden · in Burgundenland. // Ich will höher gelten, · als man je gekannt // Eine Königstochter, · die noch die Krone trug.“ // Unter den Frauen hob ſich · der Haß da grimm genug. // Da ſprach Brunhild wieder: · „Willſt du nicht eigen ſein, // So muſt du dich ſcheiden · mit den Frauen dein // Von meinem Ingeſinde, · wenn wir zum Münſter gehn.“ // „In Treuen,“ ſprach da Kriemhild, · „alſo ſoll es geſchehn.“ // „Nun kleidet euch, ihr Maide,“ · hub da Kriemhild an: // „Ob ich frei von Schande · hier nicht verbleiben kann, // Laßt es heute ſchauen, · beſitzt ihr reichen Staat; // Sie ſoll es noch verläugnen, · was ihr Mund geſprochen hat.“ // Ihnen war das leicht zu rathen; · ſie ſuchten reich Gewand. // Wie bald man da im Schmucke · viel Fraun und Maide fand! // Da gieng mit dem Geſinde · des edeln Wirths Gemahl; // Zu Wunſch gekleidet ward auch · die ſchöne Kriemhild zumal // Mit dreiundvierzig Maiden, · die ſie zum Rhein gebracht; // Die trugen lichte Zeuge, · in Arabien gemacht. // So kamen zu dem Münſter · die Mägdlein wohlgethan. // Ihrer harrten vor dem Hauſe · Die Siegfrieden unterthan. // Die Leute nahm es Wunder, · warum das geſchah, // Daß man die Königinnen · ſo geſchieden ſah, // Und daß ſie bei einander · nicht giengen ſo wie eh. // Das gerieth noch manchem Degen · zu Sorgen und großem Weh. // Nun ſtand vor dem Münſter · König Gunthers Weib. // Da fanden viel der Ritter · genehmen Zeitvertreib // Bei den ſchönen Frauen, · die ſie da nahmen wahr. // Da kam die edle Kriemhild · mit mancher herrlichen Schar. // Was Kleider je getragen · eines edeln Ritters Kind, // Gegen ihr Geſinde · war alles nur wie Wind. // Sie war ſo reich an Gute, · dreißig Königsfraun // Mochten die Pracht nicht zeigen, · die da an ihr war zu ſchaun. // Was man auch wünſchen mochte, · Niemand konnte ſagen, // Daß er ſo reiche Kleider · je geſehen tragen, // Als da zur Stunde trugen · ihre Mägdlein wohlgethan. // Brunhilden wars zu Leide, · ſonſt hätt es Kriemhild nicht gethan. // Nun kamen ſie zuſammen · vor dem Münſter weit. // Die Hausfrau des Königs · aus ingrimmem Neid // Hieß da Kriemhilden · unwirſch ſtille ſtehn: // „Es ſoll vor Königsweibe · die Eigenholde nicht gehn.“ // Da ſprach die ſchöne Kriemhild, · zornig war ihr Muth: // „Hätteſt du noch geſchwiegen, · das wär dir wohl gut. // Du haſt geſchändet ſelber · deinen ſchönen Leib: // Mocht eines Mannes Kebſe · je werden Königesweib?“ // „Wen willſt du hier verkebſen?“ · ſprach des Königs Weib. // „Das thu ich dich,“ ſprach Kriemhild: · „deinen ſchönen Leib // Hat Siegfried erſt geminnet, · mein geliebter Mann: // Wohl war es nicht mein Bruder, · der dein Magdthum gewann. // „Wo blieben deine Sinne? · Es war doch arge Liſt: // Was ließeſt du ihn minnen, · wenn er dein Dienſtmann iſt? // Ich höre dich,“ ſprach Kriemhild, · „ohn alle Urſach klagen.“ // „In Wahrheit,“ ſprach da Brunhild, „das will ich doch Gunthern ſagen.“ // „Wie mag mich das gefährden? · Dein Uebermuth hat dich betrogen: // Du haſt mich mit Reden · in deine Dienſte gezogen, // Daß wiße du in Treuen, · es iſt mir immer leid: // Zu trauter Freundſchaft bin ich · dir nimmer wieder bereit.“ // Brunhild begann zu weinen; · Kriemhild es nicht verhieng, // Vor des Königs Weibe · ſie in das Münſter gieng // Mit ihrem Ingeſinde. · Da hub ſich großer Haß; // Es wurden lichte Augen · ſehr getrübt davon und naß. // Wie man da Gott auch diente · oder Jemand ſang, // Brunhilden währte · die Weile viel zu lang. // War allzutrübe · der Sinn und auch der Muth: // Des muſte bald entgelten · mancher Degen kühn und gut. // Brunhild mit ihren Frauen · gieng vor das Münſter ſtehn. // Sie gedachte: „Ich muß von Kriemhild · mehr zu hören ſehn, // Wes mich ſo laut hier zeihte · das wortſcharfe Weib: // Und wenn er ſichs gerühmt hat, gehts ihm an Leben und Leib!“ // Nun kam die edle Kriemhild · mit manchem kühnen Mann. // Da begann Frau Brunhild: · „Haltet hier noch an. // Ihr wolltet mich verkebſen: · laßt uns Beweiſe ſehn, // Mir iſt von euern Reden, · das wißet, übel geſchehn.“ // Da ſprach die ſchöne Kriemhild: · „Was laßt ihr mich nicht gehn? // Ich bezeug es mit dem Golde, · an meiner Hand zu ſehn. // Das brachte mir Siegfried, · nachdem er bei euch lag.“ // Nie erlebte Brunhild · wohl einen leidigen Tag. // Sie ſprach: „Dieß Gold das edle, · das ward mir geſtohlen // Und blieb mir lange · Jahre übel verhohlen: // Ich komme nun dahinter, · wer mir es hat genommen.“ // Die Frauen waren beide · in großen Unmuth gekommen. // Da ſprach wieder Kriemhild: · „Ich will nicht ſein der Dieb. // Du hätteſt ſchweigen ſollen, · wär dir Ehre lieb. // Ich bezeug es mit dem Gürtel, · den ich umgethan, // Ich habe nicht gelogen: · wohl wurde Siegfried dein Mann.“ // Von Niniveer Seide · ſie eine Borte trug // Mit edelm Geſteine, · die war wohl ſchön genug. // Als Brunhild ſie erblickte, · zu weinen hub ſie an. // Das muſte Gunther wißen · und alle Die ihm unterthan. // Da ſprach des Landes Königin: · „Sendet her zu mir // Den König vom Rheine: · hören ſoll er hier, // Wie ſehr ſeine Schweſter · ſchändet meinen Leib: // Sie ſagt vor allen Leuten, · ich ſei Siegfriedens Weib.“ // Der König kam mit Recken: · als er weinen ſah // Brunhild ſeine Traute, · gütlich ſprach er da: // „Von wem, liebe Fraue, · iſt euch ein Leid geſchehn?“ // Sie ſprach zu dem König: · „Unfröhlich muß ich hier ſtehn. // Aller meiner Ehren · hat die Schweſter dein // Mich berauben wollen. · Geklagt ſoll dir ſein, // Sie ſagt: ich ſei die Kebſe · von Siegfried ihrem Mann.“ // Da ſprach König Gunther: · „So hat ſie übel gethan.“ // „Sie trägt hier meinen Gürtel, · den ich längſt verloren, // Und mein Gold das rothe. · Daß ich je ward geboren, // Des muß mich ſehr gereuen: · befreiſt du, Herr, mich nicht // Solcher großen Schande, · ich minne nie wieder dich.“ // Da ſprach König Gunther: · „So ruft ihn herbei: // Hat er ſichs gerühmet, · das geſteh er frei, // Er woll es denn läugnen, · der Held von Niederland.“ // Da ward der kühne Siegfried · bald hin zu ihnen geſandt. // Als Siegfried der Degen · die Unmuthvollen ſah // Und den Grund nicht wuſte, · balde ſprach er da: // „Was weinen dieſe Frauen? · das macht mir bekannt: // Oder weſſentwegen · wurde hier nach mir geſandt“ // Da ſprach König Gunther: · „Groß Herzleid fand ich hier. // Eine Märe ſagte · mein Weib Frau Brunhild mir: // Du habeſt dich gerühmet, · du wärſt ihr erſter Mann. // So ſpricht dein Weib Frau Kriemhild: · haſt du, Degen, das gethan?“ // „Niemals,“ ſprach da Siegfried; · „und hat ſie das geſagt, // Nicht eher will ich ruhen, · bis ſie es beklagt, // Und will davon mich reinigen · vor deinem ganzen Heer // Mit meinen hohen Eiden, · ich ſagte Solches nimmermehr.“ // Da ſprach der Fürſt vom Rheine: · „Wohlan, das zeige mir. // Der Eid, den du geboten, · geſchieht der allhier, // Aller falſchen Dinge · laß ich dich ledig gehn.“ // Man ließ in einem Ringe · die ſtolzen Burgunden ſtehn. // Da bot der kühne Siegfried · zum Eide hin die Hand. // Da ſprach der reiche König: · „Jetzt hab ich wohl erkannt, // Ihr ſeid hieran unſchuldig · und ſollt des ledig gehn: // Des euch Kriemhild zeihte, · das iſt nicht von euch geſchehn.“ // Da ſprach wieder Siegfried: · „Und kommt es ihr zu Gut, // Daß deinem ſchönen Weibe · ſie ſo betrübt den Muth, // Das wäre mir wahrlich · aus der Maßen leid.“ // Da blickten zu einander · die Ritter kühn und allbereit. // „Man ſoll ſo Frauen ziehen,“ · ſprach Siegfried der Degen, // „Daß ſie üppge Reden · laßen unterwegen; // Verbiet es deinem Weibe, · ich will es meinem thun. // Solchen Uebermuthes · in Wahrheit ſchäm ich mich nun.“ // Viel ſchöne Frauen wurden · durch Reden ſchon entzweit. // Da erzeigte Brunhild · ſolche Traurigkeit, // Daß es erbarmen muſte · Die in Gunthers Lehn. // Von Tronje Hagen ſah man · zu der Königin gehn. // Er fragte, was ihr wäre, · da er ſie weinend fand. // Sie ſagt' ihm die Märe. · Er gelobt' ihr gleich zur Hand, // Daß es büßen ſollte · der Kriemhilde Mann, // Oder man treff ihn nimmer · unter Fröhlichen an. // Ueber die Rede kamen · Ortwein und Gernot, // Allda die Helden riethen · zu Siegfriedens Tod. // Dazu kam auch Geiſelher, · der ſchönen Ute Kind; // Als er die Rede hörte, · ſprach der Getreue geſchwind: // „O weh, ihr guten Knechte, · warum thut ihr das? // Siegfried verdiente · ja niemals ſolchen Haß, // Daß er darum verlieren · Leben ſollt und Leib: // Auch ſind es viel Dinge, · um die wohl zürnet ein Weib.“ // „Sollen wir Gäuche ziehen?“ · ſprach Hagen entgegen: // „Das brächte wenig Ehre · ſolchen guten Degen. // Daß er ſich rühmen durfte · der lieben Frauen mein, // Ich will des Todes ſterben · oder es muß gerochen ſein.“ // Da ſprach der König ſelber: · „Er hat uns nichts gethan // Als Liebes und Gutes: · leb er denn fortan. // Was ſollt ich dem Recken · hegen ſolchen Haß? // Er bewies uns immer Treue, · gar williglich that er das.“ // Da begann der Degen · von Metz Herr Ortewein: // „Wohl kann ihm nicht mehr helfen · die große Stärke ſein. // Will es mein Herr erlauben, · ich thu ihm alles Leid.“ // Da waren ihm die Helden · ohne Grund zu ſchaden bereit. // Dem folgte doch Niemand, · außer daß Hagen // Alle Tage pflegte · zu Gunthern zu ſagen: // Wenn Siegfried nicht mehr lebte, · ihm würden unterthan // Manches Königs Lande. · Da hub der Held zu trauern an. // Man ließ es bewenden · und gieng dem Kampfſpiel nach. // Hei! was man ſtarker Schäfte · vor dem Münſter brach // Vor Siegfriedens Weibe · bis hinan zum Saal! // Mit Unmuth ſah es Mancher, · dem König Gunther befahl. // Der König ſprach: „Laßt fahren · den mordlichen Zorn. // Er iſt uns zu Ehren · und zum Heil geborn; // Auch iſt ſo grimmer Stärke · der wunderkühne Mann, // Wenn ers inne würde, · ſo dürfte Niemand ihm nahn.“ // „Nicht doch,“ ſprach da Hagen, · „da dürft ihr ruhig ſein: // Wir leiten in der Stille · alles ſorglich ein. // Brunhildens Weinen · ſoll ihm werden leid. // Immer ſei ihm Hagen · zu Haß und Schaden bereit.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Wie möcht es geſchehn?“ // Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Das ſollt ihr bald verſtehn: // Wir laßen Boten reiten · her in dieſes Land, // Uns offnen Krieg zu künden, · die hier Niemand ſind bekannt. // „Dann ſagt ihr vor den Gäſten, · ihr wollt mit euerm Lehn // Euch zur Heerfahrt rüſten. · Sieht er das geſchehn, // So verſpricht er euch zu helfen; · dann gehts ihm an den Leib, // Erfahr ich nur die Märe · von des kühnen Recken Weib.“ // Der König folgte leider · ſeines Dienſtmanns Rath. // So huben an zu ſinnen · auf Untreu und Verrath, // Eh es wer erkannte, · die Ritter auserkoren: // Durch zweier Frauen Zanken · gieng da mancher Held verloren. // 15. Fünfzehntes Abenteuer. // Wie Siegfried verrathen ward. Man ſah am vierten Morgen · zweiunddreißig Mann // Hin zu Hofe reiten: · da ward es kund gethan // Gunther dem reichen, · es droh ihm neuer Streit. // Die Lüge ſchuf den Frauen · das allergrößeſte Leid. // Sie gewannen Urlaub, · an den Hof zu gehn. // Da ſagten ſie, ſie ſtänden · in Lüdegers Lehn, // Den einſt bezwungen hatte · Siegfriedens Hand // Und ihn als Geiſel brachte · König Gunthern in das Land. // Die Boten grüßte Gunther · und hieß ſie ſitzen gehn. // Einer ſprach darunter: · „Herr König, laßt uns ſtehn, // Daß wir die Mären ſagen, · die euch entboten ſind. // Wohl habt ihr zu Feinden, · das wißt, mancher Mutter Kind. // „Euch wiederſagen Lüdegaſt · und König Lüdeger: // Denen ſchuft ihr weiland · grimmige Beſchwer; // Nun wollen ſie mit Heereskraft · reiten in dieß Land.“ // Gunther begann zu zürnen, · als wär es ihm unbekannt. // Man ließ die falſchen Boten · zu den Herbergen gehn. // Wie mochte da Siegfried · der Tücke ſich verſehn, // Er oder anders Jemand, · die man ſo liſtig ſpann? // Doch war es ihnen ſelber · zu großem Leide gethan. // Der König mit den Freunden · gieng raunend ab und zu: // Hagen von Tronje · ließ ihm keine Ruh, // Noch wollt es Mancher wenden · in des Königs Lehn; // Doch nicht vermocht er Hagen · von ſeinen Räthen abzuſtehn. // Eines Tages Siegfried · die Degen raunend fand. // Da begann zu fragen · der Held der Niederland: // „Wie traurig geht der König · und Die ihm unterthan? // Das helf ich immer rächen, · hat ihnen wer ein Leid gethan.“ // Da ſprach König Gunther: · „Wohl hab ich Herzeleid: // Lüdegaſt und Lüdeger · drohn mir wieder Streit. // Mit Heerfahrten wollen ſie · reiten in mein Land.“ // Da ſprach der kühne Degen: · „Dem ſoll Siegfriedens Hand // „Nach allen euern Ehren · mit Kräften widerſtehn; // Von mir geſchieht den Degen, · was ihnen einſt geſchehn. // Ihre Burgen leg ich wüſte · und dazu ihr Land, // Eh ich ablaße: · des ſei mein Haupt euer Pfand. // „Ihr mit euern Mannen · nehmt der Heimat wahr; // Laßt mich zu ihnen reiten · mit meiner Leute Schar. // Daß ich euch gerne diene, · laß ich euch wohl ſehn: // Von mir ſoll euern Feinden, · das wißet, übel geſchehn.“ // „Nun wohl mir dieſer Märe,“ · der König ſprach da ſo, // Als wär er ſeiner Hülfe · alles Ernſtes froh. // Tief neigte ſich in Falſchheit · der ungetreue Mann. // Da ſprach der edle Siegfried: · „Laßt euch keine Sorge nahn.“ // Sie ſchickten mit den Knechten · zu der Fahrt ſich an: // Siegfrieden und den Seinen · ward es zum Schein gethan. // Da hieß er ſich rüſten · Die von Niederland: // Siegfriedens Recken · ſuchten ihr Streitgewand. // Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Mein Vater Siegmund, // Bleibt ihr hier im Lande: · wir kehren bald geſund, // Will Gott uns Glück verleihen, · wieder an den Rhein. // Ihr ſollt bei dem König · unterdeſſen fröhlich ſein.“ // Da wollten ſie von dannen: · die Fähnlein band man an. // Umher ſtanden Viele, · die Gunthern unterthan // Und hatten nicht erfahren, · wie es damit bewandt. // Groß Heergeſinde war es, · das da bei Siegfrieden ſtand. // Die Panzer und die Helme · man auf die Roſſe lud; // Aus dem Lande wollten · viel ſtarke Recken gut. // Da gieng von Tronje Hagen · hin, wo er Kriemhild fand; // Er bat ſie um Urlaub: · ſie wollten räumen das Land. // „Nun wohl mir,“ ſprach Kriemhild, · „daß ich den Mann gewann.“ // Der meine lieben Freunde · ſo wohl beſchützen kann, // Wie hier mein Herr Siegfried · an meinen Brüdern thut: // Darum trag ich,“ ſprach die Königin, · „immer fröhlichen Muth. // „Lieber Freund Hagen, · nun hoff ich, ihr gedenkt, // Daß ich euch gerne diene; · ich hab euch nie gekränkt. // Das komme mir zu Gute · an meinem lieben Mann: // Laßt es ihn nicht entgelten, · was ich Brunhilden gethan. // „Des hat mich ſchon gereuet,“ · ſprach das edle Weib, // „Auch hat er ſo zerbleuet · zur Strafe mir den Leib, // Daß ich je beſchwerte · mit Reden ihr den Muth, // Er hat es wohl gerochen, · dieſer Degen kühn und gut.“ // Da ſprach er: „Ihr verſöhnt euch · wohl nach wenig Tagen. // Kriemhild, liebe Herrin, · nun ſollt ihr mir ſagen, // Wie ich euch dienen möge · an Siegfried euerm Herrn. // Ich gönn es niemand beßer · und thu es, Königin, gern.“ // „Ich wär ohn alle Sorge,“ · ſprach da das edle Weib, // „Daß man ihm im Kampfe · Leben nähm und Leib, // Wenn er nicht folgen wollte · ſeinem Uebermuth; // So wär immer ſicher · dieſer Degen kühn und gut.“ // „Fürchtet ihr, Herrin,“ · Hagen da begann, // „Daß er verwundet werde, · ſo vertraut mir an, // Wie ſoll ichs beginnen, · dem zu widerſtehn? // Ihn zu ſchirmen will ich immer · bei ihm reiten und gehn.“ // Sie ſprach: „Du biſt mir Sippe, · ſo will ich dir es ſein: // Ich befehle dir auf Treue · den holden Gatten mein. // Daß du mir behüteſt · den geliebten Mann.“ // Was beßer wär verſchwiegen, · vertraute da ſie ihm an. // Sie ſprach: „Mein Mann iſt tapfer, · dazu auch ſtark genug. // Als er den Linddrachen · an dem Berge ſchlug, // Da badet' in dem Blute · der Degen allbereit, // Daher ihn keine Waffe · je verſehren mocht im Streit. // „Jedoch bin ich in Sorgen, · wenn er im Kampfe ſteht // Und aus der Helden Hände · mancher Sperwurf geht, // Daß ich da verliere · meinen lieben Mann. // Hei! was ich Sorgen · oft um Siegfried gewann! // „Mein lieber Freund, ich meld es · nun auf Gnade dir, // Daß du deine Treue · bewähren mögſt an mir, // Wo man mag verwunden · meinen lieben Mann. // Das ſollſt du nun vernehmen: · es iſt auf Gnade gethan. // „Als von des Drachen Wunden · floß das heiße Blut, // Und ſich darinne badete · der kühne Recke gut, // Da fiel ihm auf die Achſeln · ein Lindenblatt ſo breit: // Da kann man ihn verwunden; · das ſchafft mir Sorgen und Leid.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „So näht auf ſein Gewand // Mir ein kleines Zeichen · mit eigener Hand, // Wo ich ihn ſchirmen müße, · mag ich daran verſtehn.“ // Sie wähnt' ihn ſo zu friſten; · auf ſeinen Tod wars abgeſehn. // Sie ſprach: „Mit feiner Seide · näh ich auf ſein Gewand // Insgeheim ein Kreuzchen: · da ſoll, Held, deine Hand // Mir den Mann behüten, · wenns ins Gedränge geht, // Und er vor ſeinen Feinden · in den ſtarken Stürmen ſteht.“ // „Das thu ich,“ ſprach da Hagen, · „viel liebe Herrin mein.“ // Wohl wähnte da die Gute, · ſein Frommen ſollt es ſein: // Da war hiemit verrathen · der Kriemhilde Mann. // Urtaub nahm da Hagen: · da gieng er fröhlich hindann. // Was er erfahren hatte, · bat ihn ſein Herr zu ſagen. // „Mögt ihr die Reiſe wenden, · ſo laßt uns reiten jagen. // Ich weiß nun wohl die Kunde, · wie ich ihn tödten ſoll. // Wollt ihr die Jagd beſtellen?“ · „Das thu ich,“ ſprach der König, „wohl.“ // Der Dienſtmann des Königs · war froh und wohlgemuth. // Gewiſs, daß ſolche Bosheit · kein Recke wieder thut // Bis zum jüngſten Tage, · als da von ihm geſchah, // Da ſich ſeiner Treue · die ſchöne Königin verſah. // Früh des andern Morgens · mit wohl tauſend Mann // Ritt Siegfried der Degen · mit frohem Muth hindann: // Er wähnt', er ſolle rächen · ſeiner Freunde Leid. // So nah ritt ihm Hagen, · daß er beſchaute ſein Kleid. // Als er erſah das Zeichen, · da ſchickt' er ungeſehn, // Andre Mär zu bringen, · zwei aus ſeinem Lehn: // In Frieden ſollte bleiben · König Gunthers Land; // Es habe ſie Herr Lüdeger · zu dem König geſandt. // Wie ungerne Siegfried · abließ vom Streit, // Eh er gerochen hatte · ſeiner Freunde Leid! // Kaum hielten ihn zurücke · Die Gunthern unterthan. // Da ritt er zu dem König, · der ihm zu danken begann: // „Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, · den willigen Sinn, // Daß ihr ſo gerne thatet, · was mir vonnöthen ſchien: // Das will ich euch vergelten, · wie ich billig ſoll. // Vor allen meinen Freunden · vertrau ich euch immer wohl. // „Da wir uns der Heerfahrt · ſo entledigt ſehn, // So laßt uns nun Bären · und Schweine jagen gehn // Nach dem Odenwalde, · wie ich oft gethan.“ // Gerathen hatte Hagen das, · dieſer ungetreue Mann. // „Allen meinen Gäſten · ſoll man das nun ſagen, // Ich denke früh zu reiten: · die mit mir wollen jagen, // Die laßt ſich fertig halten; · die aber hier beſtehn, // Kurzweilen mit den Frauen: · ſo ſei mir Liebes geſchehn.“ // Mit herrlichen Sitten · ſprach da Siegfried: // „Wenn ihr jagen reitet, · da will ich gerne mit. // So ſollt ihr mir leihen · einen Jägersmann // Mit etlichen Bracken: · So reit ich mit euch in den Tann.“ // „Wollt ihr nur Einen?“ · frug Gunther zuhand; // „Ich leih euch, wollt ihr, viere, · denen wohl bekannt // Der Wald iſt und die Steige, · wo viel Wildes iſt, // Daß ihr des Wegs unkundig · nicht ledig wieder heimwärts müßt.“ // Da ritt zu ſeinem Weibe · der Degen unverzagt. // Derweil hatte Hagen · dem König geſagt, // Wie er verderben wolle · den herrlichen Degen. // So großer Untreue · ſollt ein Mann nimmer pflegen. // Als die Ungetreuen · beſchloßen ſeinen Tod, // Da wuſten ſie es Alle. · Geiſelher und Gernot // Wollten nicht mit jagen. · Weiß nicht, aus welchem Groll // Sie ihn nicht verwarnten; · doch des entgalten ſie voll. // 16. Sechzehntes Abenteuer. // Wie Siegfried erſchlagen ward. Gunther und Hagen, · die Recken wohlgethan // Gelobten mit Untreuen · ein Birſchen in den Tann. // Mit ihren ſcharfen Spießen · wollten ſie jagen Schwein' // Und Bären und Wiſende: · was mochte Kühneres ſein? // Da ritt auch mit ihnen · Siegfried mit ſtolzem Sinn. // Man bracht ihnen Speiſe · aller Art dahin. // An einem kühlen Brunnen · ließ er da das Leben: // Den Rath hatte Brunhild, · König Gunthers Weib, gegeben. // Da gieng der kühne Degen · hin, wo er Kriemhild fand. // Schon war aufgeladen · das edle Birſchgewand // Ihm und den Gefährten: · ſie wollten über Rhein. // Da konnte Kriemhilden · nicht leider zu Muthe ſein. // Seine liebe Traute · küſſt' er auf den Mund: // „Gott laße mich dich, Liebe, · noch wiederſehn geſund // Und deine Augen mich auch; · mit holden Freunden dein // Kürze dir die Stunden: · ich kann nun nicht bei dir ſein.“ // Da gedachte ſie der Märe, · ſie durft es ihm nicht ſagen, // Nach der ſie Hagen fragte: · da begann zu klagen // Die edle Königstochter, · daß ihr das Leben ward: // Ohne Maßen weinte · die wunderſchöne Fraue zart. // Sie ſprach zu dem Recken: · „Laßt euer Jagen ſein: // Mir träumte heunt von Leide, · wie euch zwei wilde Schwein // Ueber die Haide jagten: · da wurden Blumen roth. // Daß ich ſo bitter weine, · das thut mir armem Weibe Noth. // „Wohl muß ich fürchten · Etlicher Verrath, // Wenn man den und jenen · vielleicht beleidigt hat, // Die uns verfolgen könnten · mit feindlichem Haß. // Bleibt hier, lieber Herre, · mit Treuen rath ich euch das.“ // Er ſprach: „Liebe Traute, · ich kehr in kurzer Zeit; // Ich weiß nicht, daß hier Jemand · mir Haß trüg oder Neid. // Alle deine Freunde · ſind insgemein mir hold; // Auch verdient' ich von den Degen · wohl nicht anderlei Sold.“ // „Ach nein, lieber Siegfried: · wohl fürcht ich deinen Fall. // Mir träumte heunt von Leide, · wie über dir zu Thal // Fielen zwei Berge, · daß ich dich nie mehr ſah: // Und willſt du von mir ſcheiden, · das geht mir inniglich nah.“ // Er umfieng mit Armen · das zuchtreiche Weib, // Mit holden Küſſen herzt' er · ihr den ſchönen Leib. // Da nahm er Urlaub · und ſchied in kurzer Stund: // Sie erſah ihn leider · darnach nicht wieder geſund. // Da ritten ſie von dannen · in einen tiefen Tann // Der Kurzweile willen; · manch kühner Rittersmann // Ritt mit dem König; · hinaus geſendet ward // Auch viel der edeln Speiſe, · die ſie brauchten zu der Fahrt. // Manch Saumroſs zog beladen · vor ihnen überrhein, // Das den Jagdgeſellen · das Brot trug und den Wein, // Das Fleiſch mit den Fiſchen · und Vorrath aller Art, // Wie ſie ein reicher König · wohl haben mag auf der Fahrt. // Da ließ man herbergen · bei dem Walde grün // Vor des Wildes Wechſel · die ſtolzen Jäger kühn, // Wo ſie da jagen wollten, · auf breitem Angergrund. // Auch Siegfried war gekommen: · das ward dem Könige kund. // Von den Jagdgeſellen · ward umhergeſtellt // Die Wart an allen Enden: · da ſprach der kühne Held, // Siegfried der ſtarke: · „Wer ſoll uns in den Wald // Nach dem Wilde weiſen, · ihr Degen kühn und wohlgeſtalt?“ // „Wollen wir uns ſcheiden,“ · hub da Hagen an, // „Eh wir beginnen · zu jagen hier im Tann: // So mögen wir erkennen, · ich und der Herre mein, // Wer die beſten Jäger · bei dieſer Waldreiſe ſei'n. // „Leute ſo wie Hunde, · wir theilen uns darein: // Dann fährt, wohin ihm lüſtet, · Jeglicher allein“ // Und wer das Beſte jagte, · dem ſagen wir den Dank.“ // Da weilten die Jäger · bei einander nicht mehr lang. // Da ſprach der edle Siegfried: · „Der Hunde hab ich Rath // Bis auf einen Bracken, · der ſo genoßen hat, // Daß er die Fährte ſpüre · der Thiere durch den Tann. // Wir kommen wohl zum Jagen!“ · ſprach der Kriemhilde Mann. // Da nahm ein alter Jäger · einen Spürhund hinter ſich // Und brachte den Herren, · eh lange Zeit verſtrich, // Wo ſie viel Wildes fanden: · was des erſtöbert ward, // Das erjagten die Geſellen, · wie heut noch guter Jäger Art. // Was da der Brack erſprengte, · das ſchlug mit ſeiner Hand // Siegfried der kühne, · der Held von Niederland. // Sein Roſs lief ſo geſchwinde, · daß ihm nicht viel entrann: // Das Lob er bei dem Jagen · vor ihnen allen gewann. // Er war in allen Dingen · mannhaft genug. // Das erſte der Thiere, · die er zu Tode ſchlug, // War ein ſtarker Büffel, · den traf des Helden Hand: // Nicht lang darauf der Degen · einen grimmen Leuen fand. // Als den der Hund erſprengte, · ſchoß er ihn mit dem Bogen // Und dem ſcharfen Pfeile, · den er darauf gezogen; // Der Leu lief nach dem Schuße · nur dreier Sprünge lang. // Seine Jagdgeſellen, · die ſagten Siegfrieden Dank. // Einen Wiſend ſchlug er wieder · darnach und einen Elk, // Vier ſtarker Auer nieder · und einen grimmen Schelk, // So ſchnell trug ihn die Mähre, · daß ihm nichts entſprang: // Hinden und Hirſche · wurden viele ſein Fang. // Einen großen Eber · trieb der Spürhund auf. // Als der flüchtig wurde, · da kam in ſchnellem Lauf // Alles Jagens Meiſter · und nahm zum Ziel ihn gleich. // Anlief das Schwein im Zorne · dieſen Helden tugendreich. // Da ſchlug es mit dem Schwerte · der Kriemhilde Mann: // Das hätt ein andrer Jäger · nicht ſo leicht gethan. // Als er nun gefällt lag, · fieng man den Spürhund. // Seine reiche Beute wurde · den Burgunden allen kund. // Da ſprachen ſeine Jäger: · „Kann es füglich ſein, // So laßt uns, Herr Siegfried, · des Wilds ein Theil gedeihn: // Ihr wollt uns heute leeren · den Berg und auch den Tann.“ // Darob begann zu lächeln · der Degen kühn und wohlgethan. // Da vernahm man allenthalben · Lärmen und Getos. // Von Leuten und von Hunden · ward der Schall ſo groß, // Man hörte widerhallen · den Berg und auch den Tann. // Vierundzwanzig Meuten · hatten die Jäger losgethan. // Da wurde viel des Wildes · vom grimmen Tod ereilt. // Sie wähnten es zu fügen, · daß ihnen zugetheilt // Der Preis des Jagens würde: · das konnte nicht geſchehn, // Als bei der Feuerſtätte · der ſtarke Siegfried ward geſehn. // Die Jagd war zu Ende, · doch nicht ſo ganz und gar, // Zu der Feuerſtelle · brachte der Jäger Schar // Häute mancher Thiere · und des Wilds genug. // Hei! was des zur Küche · des Königs Ingeſinde trug! // Da ließ der König künden · den Jägern wohlgeborn, // Daß er zum Imbiß wolle; · da wurde laut ins Horn // Einmal geſtoßen: · ſo machten ſie bekannt, // Daß man den edeln Fürſten · nun bei den Herbergen fand. // Da ſprach ein Jäger Siegfrieds: · „Mit eines Hornes Schall // Ward uns kund gegeben, · Herr, daß wir nun all // Zur Herberge ſollen: · erwiedre ichs, das behagt.“ // Da ward nach den Geſellen · mit Blaſen lange gefragt. // Da ſprach der edle Siegfried: · „Nun räumen wir den Wald.“ // Sein Roſs trug ihn eben; · die Andern folgten bald. // Sie erſprengten mit dem Schalle · ein Waldthier fürchterlich, // Einen wilden Bären; · da ſprach der Degen hinter ſich: // „Ich ſchaff uns Jagdgeſellen · eine Kurzweil. // Da ſeh ich einen Bären: · den Bracken löſt vom Seil. // Zu den Herbergen · ſoll mit uns der Bär: // Er kann uns nicht entrinnen, · und flöh er auch noch ſo ſehr.“ // Da lös'ten ſie den Bracken: · der Bär ſprang hindann. // Da wollt ihn erreiten · der Kriemhilde Mann. // Er kam in eine Bergſchlucht: · da konnt er ihm nicht bei: // Das ſtarke Thier wähnte · von den Jägern ſchon ſich frei. // Da ſprang von ſeinem Roſſe · der ſtolze Ritter gut // Und begann ihm nachzulaufen. · Das Thier war ohne Hut, // ES konnt ihm nicht entrinnen: · er fieng es allzuhand; // Ohn es zu verwunden, · der Degen eilig es band. // Kratzen oder beißen · konnt es nicht den Mann. // Er band es an den Sattel; · auf ſaß der Schnelle dann // Und bracht es an die Feuerſtatt · in ſeinem hohen Muth // Zu einer Kurzweile, · dieſer Degen kühn und gut. // Er ritt zur Herberge · in welcher Herrlichkeit! // Sein Sper war gewaltig, · ſtark dazu und breit; // Eine ſchmucke Waffe hieng ihm · herab bis auf den Sporn; // Von rothem Golde führte · der Held ein herrliches Horn. // Von beßerm Birſchgewande · hört ich niemals ſagen. // Einen Rock von ſchwarzem Zeuge · ſah man ihn tragen // Und einen Hut von Zobel, · der reich war genug. // Hei! was edler Borten · an ſeinem Köcher er trug! // Ein Vlies von einem Panther · war darauf gezogen // Des Wohlgeruches wegen. · Auch trug er einen Bogen: // Mit einer Winde · muſt ihn ziehen an, // Wer ihn ſpannen wollte, · er hätt es ſelbſt denn gethan. // Von fremden Tierhäuten · war all ſein Gewand, // Das man von Kopf zu Füßen · bunt überhangen fand. // Aus dem lichten Rauchwerk · zu beiden Seiten hold // An dem kühnen Jägermeiſter · ſchien manche Flitter von Gold. // Auch führt' er Balmungen, · das breite ſchmucke Schwert: // Das war ſolcher Schärfe, · nichts blieb unverſehrt, // Wenn man es ſchlug auf Helme: · ſeine Schneiden waren gut. // Der herrliche Jäger · trug gar hoch ſeinen Muth. // Wenn ich euch der Märe · ganz beſcheiden ſoll, // So war ſein edler Köcher · guter Pfeile voll, // Mit goldenen Röhren, · die Eiſen händebreit. // Was er traf mit Schießen, · dem war das Ende nicht weit. // Da ritt der edle Ritter · ſtattlich aus dem Tann. // Gunthers Leute ſahen, · wie er ritt heran. // Sie liefen ihm entgegen · und hielten ihm das Roſs: // Da trug er an dem Sattel · einen Bären ſtark und groß. // Als er vom Roſs geſtiegen, · löſt' er ihm das Band // Vom Mund und von den Füßen: · die Hunde gleich zur Hand // Begannen laut zu heulen, · als ſie den Bären ſahn. // Das Thier zu Walde wollte: · das erſchreckte manchen Mann. // Der Bär durch die Küche · von dem Lärm gerieth: // Hei! was er Küchenknechte · da vom Feuer ſchied! // Geſtürzt ward mancher Keßel, · verſchleudert mancher Brand; // Hei! was man guter Speiſen · in der Aſche liegen fand! // Da ſprang von den Sitzen · Herr und Knecht zumal. // Der Bär begann zu zürnen; · der König gleich befahl // Der Hunde Schar zu löſen, · die an den Seilen lag; // Und war es Wohl geendet, · ſie hätten fröhlichen Tag. // Mit Bogen und mit Spießen, · man ſäumte ſich nicht mehr, // Liefen hin die Schnellen, · wo da gieng der Bär; // Doch wollte Niemand ſchießen, · von Hunden wars zu voll. // So laut war das Getöſe, · daß rings der Bergwald erſcholl. // Der Bär begann zu fliehen · vor der Hunde Zahl; // Ihm konnte Niemand folgen · als Kriemhilds Gemahl. // Er erlief ihn mit dem Schwerte, · zu Tod er ihn da ſchlug. // Wieder zu dem Feuer · das Geſind den Bären trug. // Da ſprachen, die es ſahen, · er wär ein ſtarker Mann. // Die ſtolzen Jagdgeſellen · rief man zu Tiſch heran. // Auf ſchönem Anger ſaßen · der Helden da genug. // Hei! was man Ritterſpeiſe · vor die ſtolzen Jäger trug! // Die Schenken waren ſäumig, · ſie brachten nicht den Wein; // So gut bewirthet mochten · ſonſt Helden nimmer ſein. // Wären manche drunter · nicht ſo falſch dabei, // So wären wohl die Degen · aller Schanden los und frei. // Des wurde da nicht inne · der verrathne kühne Mann, // Daß man ſolche Tücke · wider ſein Leben ſpann. // Er war in höfſchen Züchten · alles Truges bar; // Seines Todes muſt entgelten, · dem es nie ein Frommen war. // Da ſprach der edle Siegfried: · „Mich verwundert ſehr, // Man trägt uns aus der Küche · doch ſo viel daher, // Was bringen uns die Schenken · nicht dazu den Wein? // Pflegt man ſo der Jäger, · will ich nicht Jagdgeſelle ſein. // „Ich möcht es doch verdienen, · bedächte man mich gut.“ // Von ſeinem Tiſch der König · ſprach mit falſchem Muth: // „Wir büßen euch ein andermal, · was heut uns muß entgehn; // Die Schuld liegt an Hagen, · der will uns verdurſten ſehn.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Lieber Herre mein, // Ich wähnte, das Birſchen · ſollte heute ſein // Fern im Spechtsharte: · den Wein hin ſandt ich dort. // Heute giebt es nichts zu trinken, · doch vermeid ich es hinfort.“ // Da ſprach der edle Siegfried: · „Dem weiß ich wenig Dank: // Man ſollte ſieben Laſten · mit Meth und Lautertrank // Mir hergeſendet haben; · konnte das nicht ſein, // So ſollte man uns näher · geſiedelt haben dem Rhein.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Ihr edeln Ritter ſchnell, // Ich weiß hier in der Nähe · einen kühlen Quell: // Daß ihr mir nicht zürnet, · da rath, ich hinzugehn.“ // Der Rath war manchem Degen · zu großem Leide geſchehn. // Siegfried den Recken · zwang des Durſtes Noth; // Den Tiſch hinwegzurücken · der Held alsbald gebot: // Er wollte vor die Berge · zu dem Brunnen gehn. // Da war der Rath aus Argliſt · von den Degen geſchehn. // Man hieß das Wild auf Wagen · führen in das Land, // Das da verhauen hatte · Siegfriedens Hand. // Wer es auch ſehen mochte, · ſprach großen Ruhm ihm nach. // Hagen ſeine Treue · ſehr an Siegfrieden brach. // Als ſie von dannen wollten · zu der Linde breit, // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Ich hörte jederzeit, // Es könne Niemand folgen · Kriemhilds Gemahl, // Wenn er rennen wolle; · hei! ſchauten wir das einmal!“ // Da ſprach von Niederlanden · der Degen kühn und gut: // „Das mögt ihr wohl verſuchen: · wenn ihr mit mir thut // Einen Wettlauf nach dem Brunnen? · Soll das geſchehn, // So habe der gewonnen, · den wir den vorderſten ſehn.“ // „Wohl, laßt es uns verſuchen,“ · ſprach Hagen der Degen. // Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „So will ich mich legen, // Verlier ich, euch zu Füßen · nieder in das Gras.“ // Als er das erhörte, · wie lieb war König Gunthern das! // Da ſprach der kühne Degen: · „Noch mehr will ich euch ſagen: // Gewand und Gewaffen · will ich bei mir tragen, // Den Wurfſpieß ſamt dem Schilde · und all mein Birſchgewand.“ // Das Schwert und den Köcher · um die Glieder ſchnell er band. // Die Kleider vom Leibe · zogen die Andern da: // In zwei weißen Hemden · man beide ſtehen ſah. // Wie zwei wilde Panther · liefen ſie durch den Klee; // Man ſah bei dem Brunnen · den ſchnellen Siegfried doch eh. // Den Preis in allen Dingen · vor Manchem man ihm gab. // Da löſt' er ſchnell die Waffe, · den Köcher legt' er ab, // Den ſtarken Spieß lehnt' er · an den Lindenaſt. // Bei des Brunnens Fluße · ſtand der herrliche Gaſt. // Die höfſche Zucht erwies da · Siegfried daran; // Den Schild legt' er nieder, · wo der Brunnen rann; // Wie ſehr ihn auch dürſtete, · der Held nicht eher trank // Bis der König getrunken; · dafür gewann er übeln Dank. // Der Brunnen war lauter, · kühl und auch gut; // Da neigte ſich Gunther · hernieder zu der Flut. // Als er getrunken hatte, · erhob er ſich hindann: // Alſo hätt auch gerne · der kühne Siegfried gethan. // Da entgalt er ſeiner höfſchen Zucht; · den Bogen und das Schwert // Trug beiſeite Hagen · von dem Degen werth. // Dann ſprang er zurücke, · wo er den Wurfſpieß fand, // Und ſah nach einem Zeichen · an des Kühnen Gewand. // Als der edle Siegfried · aus dem Brunnen trank, // Er ſchoß ihn durch das Kreuze, · daß aus der Wunde ſprang // Das Blut von ſeinem Herzen · an Hagens Gewand. // Kein Held begeht wohl wieder · ſolche Unthat nach der Hand. // Den Gerſchaft im Herzen · ließ er ihm ſtecken tief. // Wie im Fliehen Hagen · da ſo grimmig lief, // So lief er wohl auf Erden · nie vor einem Mann! // Als da Siegfried Kunde · der ſchweren Wunde gewann, // Der Degen mit Toben · von dem Brunnen ſprang; // Ihm ragte von der Achſel · eine Gerſtange lang. // Nun wähnt' er da zu finden · Bogen oder Schwert, // Gewiß, ſo hätt er Hagnen · den verdienten Lohn gewährt. // Als der Todwunde · da ſein Schwert nicht fand, // Da blieb ihm nichts weiter · als der Schildesrand. // Den rafft' er von dem Brunnen · und rannte Hagen an: // Da konnt ihm nicht entrinnen · König Gunthers Unterthan. // Wie wund er war zum Tode, · ſo kräftig doch er ſchlug, // Daß von dem Schilde nieder · wirbelte genug // Des edeln Geſteines; · der Schild zerbrach auch faſt: // So gern gerochen hätte · ſich der herrliche Gaſt. // Da muſte Hagen fallen · von ſeiner Hand zu Thal; // Der Anger von den Schlägen · erſcholl im Wiederhall. // Hätt er ſein Schwert in Händen, · ſo wär er Hagens Tod. // Sehr zürnte der Wunde, · es zwang ihn wahrhafte Noth. // Seine Farbe war erblichen; · er konnte nicht mehr ſtehn. // Seines Leibes Stärke · muſte ganz zergehn, // Da er des Todes Zeichen · in lichter Farbe trug. // Er ward hernach betrauert · von ſchönen Frauen genug. // Da fiel in die Blumen · der Kriemhilde Mann. // Das Blut von ſeiner Wunde · ſtromweis nieder rann. // Da begann er die zu ſchelten, · ihn zwang die große Noth // Die da gerathen hatten · mit Untreue ſeinen Tod. // Da ſprach der Todwunde: · „Weh, ihr böſen Zagen, // Was helfen meine Dienſte, · da ihr mich habt erſchlagen? // Ich war euch ſtäts gewogen · und ſterbe nun daran. // Ihr habt an euern Freunden · leider übel gethan. // „Die ſind davon beſcholten, · ſo viele noch geborn // Werden nach dieſem Tage: · ihr habt euern Zorn // Allzuſehr gerochen · an dem Leben mein. // Mit Schanden geſchieden · ſollt ihr von guten Recken ſein.“ // Hinliefen all die Ritter, · wo er erſchlagen lag. // Es war ihrer Vielen · ein freudeloſer Tag. // Wer Treue kannt und Ehre, · der hat ihn beklagt: // Das verdient' auch wohl um Alle · dieſer Degen unverzagt. // Der König der Burgunden · klagt' auch ſeinen Tod. // Da ſprach der Todwunde: · „Das thut nimmer Noth, // Daß der um Schaden weine, · von dem man ihn gewann: // Er verdient groß Schelten, · er hätt es beßer nicht gethan.“ // Da ſprach der grimme Hagen: · „Ich weiß nicht, was euch reut: // Nun hat doch gar ein Ende, · was uns je gedräut. // Es gibt nun nicht manchen, · der uns darf beſtehn; // Wohl mir, daß ſeiner Herrſchaft · durch mich ein End iſt geſchehn.“ // „Ihr mögt euch leichtlich rühmen,“ · ſprach Der von Niederland. // „Hätt ich die mörderiſche · Weis an euch erkannt, // Vor euch behütet hätt ich · Leben wohl und Leib. // Mich dauert nichts auf Erden · als Frau Kriemhild mein Weib. // „Nun mög es Gott erbarmen, · daß ich gewann den Sohn, // Der jetzt auf alle Zeiten · den Vorwurf hat davon, // Daß ſeine Freunde Jemand · meuchleriſch erſchlagen: // Hätt ich Zeit und Weile, · das müſt ich billig beklagen. // „Wohl nimmer hat begangen · ſo großen Mord ein Mann,“ // Sprach er zu dem König, · „als ihr an mir gethan. // Ich erhielt euch unbeſcholten · in großer Angſt und Noth; // Ihr habt mir ſchlimm vergolten, · daß ich ſo wohl es euch bot.“ // Da ſprach im Jammer weiter · der todwunde Held: // „Wollt ihr, edler König, · noch auf dieſer Welt // An Jemand Treue pflegen, · ſo laßt befohlen ſein // Doch auf eure Gnade · euch die liebe Traute mein. // „Es komm ihr zu Gute, · daß ſie eure Schweſter iſt: // Sei aller Fürſten Tugend · helft ihr zu jeder Friſt. // Mein mögen lange harren · mein Vater und mein Lehn: // Nie iſt an liebem Freunde · einem Weibe ſo leid geſchehn.“ // Er krümmte ſich in Schmerzen, · wie ihm die Noth gebot, // Und ſprach aus jammerndem Herzen: · „Mein mordlicher Tod // Mag euch noch gereuen · in der Zukunft Tagen: // Glaubt mir in rechten Treuen, · daß ihr euch ſelber habt erſchlagen. // Die Blumen allenthalben · waren vom Blute naß. // Da rang er mit dem Tode, · nicht lange that er das, // Denn des Todes Waffe · ſchnitt ihn allzuſehr. // Da konnte nicht mehr reden · dieſer Degen kühn und hehr. // Als die Herren ſahen · den edlen Helden todt, // Sie legten ihn auf einen Schild, · der war von Golde roth. // Da giengen ſie zu Rathe, · wie ſie es ſtellten an, // Daß es verhohlen bliebe, · Hagen hab es gethan. // Da ſprachen ihrer Viele: · „Ein Unfall iſt geſchehn; // Ihr ſollt es alle hehlen · und Einer Rede ſtehn: // Als er allein ritt jagen, · der Kriemhilde Mann, // Erſchlugen ihn Schächer, · als er fuhr durch den Tann.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Ich bring ihn in das Land. // Mich ſoll es nicht kümmern, · wird es ihr auch bekannt, // Die ſo betrüben konnte · der Königin hohen Muth; // Ich werde wenig fragen, · wie ſie nun weinet und thut.“ // Von denſelben Brunnen, · wo Siegfried ward erſchlagen, // Sollt ihr die rechte Wahrheit · von mir hören ſagen. // Vor dem Odenwalde · ein Dorf liegt Odenheim. // Da fließt noch der Brunnen, · kein Zweifel kann daran ſein. // 17. Siebzehntes Abenteuer. // Wie Siegfried beklagt und begraben ward. Da harrten ſie des Abends · und fuhren über Rhein; // Es mochte nie von Helden · ein ſchlimmer Jagen ſein. // Ihr Beutewild beweinte · noch manches edle Weib: // Sein muſte bald entgelten · viel guter Weigande Leib. // Von großem Uebermuthe · mögt ihr nun hören ſagen // Und ſchrecklicher Rache. · Bringen ließ Hagen // Den erſchlagen Siegfried · von Nibelungenland // Vor eine Kemenate, · darin ſich Kriemhild befand. // Er ließ ihn ihr verſtohlen · legen vor die Thür, // Daß ſie ihn finden müße, · wenn morgen ſie herfür // Zu der Mette gienge · frühe vor dem Tag, // Deren Frau Kriemhild · wohl ſelten eine verlag. // Da hörte man wie immer · zum Münſter das Geläut: // Kriemhild die ſchöne · weckte manche Maid. // Ein Licht ließ ſie ſich bringen, · dazu auch ihr Gewand; // Da kam der Kämmrer Einer · hin, wo er Siegfrieden fand. // Er ſah ihn roth von Blute, · all ſein Gewand war naß: // Daß ſein Herr es wäre, · mit Nichten wuſt er das. // Da trug er in die Kammer · das Licht in ſeiner Hand, // Bei dem da Frau Kriemhild · viel leide Märe befand. // Als ſie mit den Frauen · zum Münſter wollte gehn, // „Frau,“ ſprach der Kämmerer, · „wollt noch ſtille ſtehn: // Es liegt vor dem Gemache · ein Ritter todtgeſchlagen.“ // „O weh,“ ſprach da Kriemhild, · „was willſt du ſolche Botſchaft ſagen?“ // Eh ſie noch ſelbſt geſehen, · es ſei ihr lieber Mann, // An die Frage Hagens · hub ſie zu denken an, // Wie er ihn ſchützen möchte: · da ahnte ſie ihr Leid. // Mit ſeinem Tod entſagte · ſie nun aller Fröhlichkeit. // Da ſank ſie zur Erden, · kein Wort mehr ſprach ſie da; // Die ſchöne Freudenloſe · man da liegen ſah. // Kriemhildens Jammer · wurde groß und voll; // Sie ſchrie nach der Ohnmacht, · daß all die Kammer erſcholl. // Da ſprach ihr Geſinde: · „Es kann ein Fremder ſein.“ // Das Blut ihr aus dem Munde · brach vor Herzenspein. // „Nein, es iſt Siegfried, · mein geliebter Mann: // Brunhild hats gerathen · und Hagen hat es gethan.“ // Sie ließ ſich hingeleiten, · wo ſie den Helden fand; // Sein ſchönes Haupt erhob ſie · mit ihrer weißen Hand. // So roth er war von Blute, · ſie hat ihn gleich erkannt: // Da lag zu großem Jammer · der Held von Nibelungenland. // Da rief in Jammerlauten · die Königin mild: // „O weh mir dieſes Leides! · Nun iſt dir doch dein Schild // Mit Schwertern nicht verhauen! · dich fällte Meuchelmord. // Und wüſt ich, wer der Thäter wär, ich wollt es rächen immerfort.“ // All ihr Ingeſinde · klagte laut und ſchrie // Mit ſeiner lieben Frauen; · heftig ſchmerzte ſie // Ihr edler Herr und König, · den ſie da ſahn verlorn. // Gar übel hatte Hagen · gerochen Brunhildens Zorn. // Da ſprach die Jammerhafte: · „Nun ſoll Einer gehn // Und mir in Eile wecken · Die in Siegfrieds Lehn // Und ſoll auch Siegmunden · meinen Jammer ſagen, // Ob er mir helfen wolle · den kühnen Siegfried beklagen.“ // Da lief dahin ein Bote, · wo er ſie liegen fand, // Siegfriedens Helden · von Nibelungenland. // Mit den leiden Mären · die Freud er ihnen nahm; // Sie wollten es nicht glauben, · bis man das Weinen vernahm. // Auch kam dahin der Bote, · wo der König lag. // Siegmund der Herre · keines Schlafes pflag, // Als ob das Herz ihm ſagte, · was ihm wär geſchehn, // Er ſollte ſeinen lieben Sohn · lebend nimmer wiederſehn. // „Wacht auf, König Siegmund, · mich hieß nach euch gehn // Kriemhild, meine Herrin; · der iſt ein Leid geſchehn, // Das ihr vor allem Leide · wohl das Herz verſehrt; // Das ſollt ihr klagen helfen, · da es auch euch widerfährt.“ // Auf richtete ſich Siegmund · und ſprach: „Was beklagt // Denn die ſchöne Kriemhild, · wie du mir haſt geſagt?“ // Der Bote ſprach mit Weinen: · „Sie hat wohl Grund zu klagen // Es liegt von Niederlanden · der kühne Siegfried erſchlagen.“ // Da ſprach König Siegmund: · „Laßt das Scherzen ſein // Mit ſo böſer Märe · von dem Sohne mein // Und ſagt es Niemand wieder, · daß er ſei erſchlagen, // Denn ich könnt ihn nie genug · bis an mein Ende beklagen.“ // „Und wollt ihr nicht glauben, · was ihr mich höret ſagen, // So vernehmet ſelber · Kriemhilden klagen // Und all ihr Ingeſinde · um Siegfriedens Tod.“ // Wie erſchrak da Siegmund: · es ſchuf ihm wahrhafte Noth. // Mit hundert ſeiner Mannen · er von dem Bette ſprang. // Sie zuckten zu den Händen · die ſcharfen Waffen lang // Und liefen zu dem Wehruf · jammersvoll heran. // Da kamen tauſend Recken, · dem kühnen Siegfried unterthan. // Als ſie ſo jämmerlich · die Frauen hörten klagen, // Da kam Vielen erſt in Sinn, · ſie müſten Kleider tragen. // Wohl mochten ſie vor Schmerzen · des Sinnes Macht nicht haben: // Es lag in ihrem Herzen · große Schwere begraben. // Da kam der König Siegmund · hin, wo er Kriemhild fand. // Er ſprach: „O weh der Reiſe · hierher in dieſes Land! // Wer hat euch euern Gatten, · wer hat mir mein Kind // So mordlich entrißen, · da wir bei guten Freunden ſind?“ // „Ja, kennt ich Den,“ · verſetzte die edle Königin, // „Hold würd ihm nimmer · mein Herz noch mein Sinn: // Ich rieth' ihm ſo zum Leide, · daß all die Freunde ſein // Mit Jammer weinen müſten, · glaubt mir, von wegen mein.“ // Siegmund mit Armen · den Fürſten umſchloß; // Da ward von ſeinen Freunden · der Jammer alſo groß, // Daß von dem lauten Wehruf · Palas und Saal // Und Worms die weite Veſte · rings erſcholl im Widerhall. // Da konnte Niemand tröſten · Siegfriedens Weib, // Man zog aus den Kleidern · ſeinen ſchönen Leib, // Wuſch ihm ſeine Wunde · und legt' ihn auf die Bahr; // Allen ſeinen Leuten · wie weh vor Jammer da war! // Es ſprachen ſeine Recken · aus Nibelungenland: // „Immer ihn zu rächen · bereit iſt unſre Hand. // Er iſt in dieſem Hauſe, · von dem es iſt geſchehn.“ // Da eilten ſich zu waffnen · die Degen in Siegfrieds Lehn. // Die Auserwählten kamen · in ihrer Schilde Wehr, // Elfhundert Recken; · die hatt in ſeinem Heer // Siegmund der König: · ſeines Sohnes Tod // Hätt er gern gerochen, · wie ihm die Treue gebot. // Sie wuſten nicht, wen ſollten · ſie im Streit beſtehn, // Wenn es nicht Gunther wäre · und Die in ſeinem Lehn, // Die zur Jagd mit Siegfried · geritten jenen Tag. // Kriemhild ſah ſie gewaffnet: · das ſchuf ihr großes Ungemach. // Wie ſtark auch ihr Jammer, · wie groß war ihre Noth, // Sie beſorgte doch ſo heftig · der Nibelungen Tod // Von ihrer Brüder Mannen, · daß ſie dawider ſprach: // Sie warnte ſie in Liebe, wie immer Freund mit Freunden pflag. // Da ſprach die Jammerreiche: · „Herr König Siegmund, // Was wollt ihr beginnen? · Euch iſt wohl nicht kund, // Es hat der König Gunther · ſo manchen kühnen Mann: // Ihr wollt euch all verderben, · greift ihr ſolche Recken an.“ // Mit auferhobnen Schilden · that ihnen Streiten Noth. // Die edle Königstochter · bat und gebot, // Daß es meiden ſollten · die Recken allbereit. // Daß ſie's nicht laßen wollten, · das war ein grimmiges Leid. // Sie ſprach: „Herr König Siegmund, · ſteht damit noch an, // Bis es ſich beßer fügte: · ſo will ich meinen Mann // Euch immer rächen helfen. · Der mir ihn hat benommen, // Wird es mir bewieſen, · es muß ihm noch zu Schaden kommen. // „Es ſind der Uebermüthigen · hier am Rhein ſo viel, // Daß ich euch zum Streite · jetzt nicht rathen will: // Sie haben wider Einen · immer dreißig Mann; // Laß ihnen Gott gelingen, · wie ſie uns haben gethan. // „Bleibt hier im Hauſe · und tragt mit mir das Leid, // Bis es beginnt zu tagen, · ihr Helden allbereit: // Dann helft ihr mir beſargen · meinen lieben Mann.“ // Da ſprachen die Degen: · „Liebe Frau, das ſei gethan.“ // Es könnt euch des Wunders · ein Ende Niemand ſagen, // Die Ritter und die Frauen, · wie man ſie hörte klagen, // Bis man des Wehrufs · ward in der Stadt gewahr. // Die edeln Bürger kamen · daher in eilender Schar. // Sie klagten mit den Gäſten: · ſie ſchmerzte der Verluſt. // Was Siegfried verſchulde, · war ihnen unbewuſt, // Weshalb der edle Recke · Leben ließ und Leib. // Da weinte mit den Frauen · manchen guten Bürgers Weib. // Schmiede hieß man eilen · und würken einen Sarg // Von Silber und von Golde, · mächtig und ſtark, // Und ließ ihn wohl beſchlagen · mit Stahl, der war gut. // Da war allen Leuten · das Herz beſchwert und der Muth. // Die Nacht war vergangen: · man ſagt', es wolle tagen. // Da ließ die edle Königin · hin zum Münſter tragen // Dieſen edeln Todten, · ihren lieben Mann. // Mit ihr giengen weinend, · was ſie der Freunde gewann. // Da ſie zum Münſter kamen, · wie manche Glocke klang! // Allenthalben hörte · man der Pfaffen Sang. // Da kam der König Gunther · hinzu mit ſeinem Lehn // Und auch der grimme Hagen; · es wäre klüger nicht geſchehn. // Er ſprach: „Liebe Schweſter, · o weh des Leides dein; // Daß wir nicht ledig mochten · ſo großen Schadens ſein! // Wir müßen immer klagen · um Siegfriedens Tod.“ // „Daran thut ihr Unrecht,“ · ſprach die Frau in Jammersnoth. // „Wenn euch das betrübte, · ſo wär es nicht geſchehn. // Ihr hattet mein vergeßen, · das muß ich wohl geſtehn, // Als ich ſo geſchieden ward · von meinem lieben Mann. // Wollte Gott vom Himmel, · mir ſelber war es gethan.“ // Sie hielten ſich am Läugnen. · Da hub Kriemhild an: // „Wer unſchuldig ſein will, · leicht iſt es dargethan, // Er darf nur zu der Bahre · hier vor dem Volke gehn: // Da mag man gleich zur Stelle · ſich der Wahrheit verſehn.“ // Das iſt ein großes Wunder, · wie es noch oft geſchieht, // Wenn man den Mordbefleckten · bei dem Todten ſieht, // So bluten ihm die Wunden, · wie es auch hier geſchah; // Daher man nun der Unthat · ſich zu Hagen verſah. // Die Wunden floßen wieder · ſo ſtark als je vorher. // Die erſt ſchon heftig klagten, · die weinten nun noch mehr. // Da ſprach König Gunther: · „Nun hört die Wahrheit an: // Ihn erſchlugen Schächer; · Hagen hat es nicht gethan.“ // Sie ſprach: „Dieſe Schächer · ſind mir wohl bekannt: // Nun laß es Gott noch rächen · von ſeiner Freunde Hand! // Gunther und Hagen, · ja ihr habt es gethan.“ // Da wollten wieder ſtreiten · Die Siegfrieden unterthan. // Da ſprach aber Kriemhild: · „Ertragt mit mir die Noth.“ // Da kamen auch die Beiden, · wo ſie ihn fanden todt, // Gernot ihr Bruder · und Geiſelher das Kind. // Sie beklagten ihn in Treuen; · ihre Augen wurden thränenblind. // Sie weinten von Herzen · um Kriemhildens Mann. // Man wollte Meſſe ſingen: · zum Münſter heran // Sah man allenthalben · Frauen und Männer ziehn, // Die ihn doch leicht verſchmerzten, · weinten alle jetzt um ihn. // Geiſelher und Gernot · ſprachen: „Schweſter mein, // Nun tröſte dich des Todes, · es muß wohl alſo ſein. // Wir wollen dirs erſetzen, · ſo lange wir leben.“ // Da wuſt ihr auf Erden · Niemand doch Troſt zu geben. // Sein Sarg war geſchmiedet · wohl um den hohen Tag; // Man hob ihn von der Bahre, · darauf der Todte lag. // Da wollt ihn noch die Königin · nicht laßen begraben: // Es muſten alle Leute · große Mühſal erſt haben. // In koſtbare Zeuge · man den Todten wand. // Gewiſs daß man da Niemand · ohne Weinen fand. // Aus ganzem Herzen klagte · Ute das edle Weib // Und all ihr Ingeſinde · um Siegfrieds herrlichen Leib. // Als die Leute hörten, · daß man im Münſter ſang // Und ihn beſargt hatte, · da hob ſich großer Drang: // Um ſeiner Seele willen · was man da Opfer trug! // Er hatte bei den Feinden · doch guter Freunde genug. // Kriemhild die arme · zu den Kämmerlingen ſprach: // „Ihr ſollt mir zu Liebe · leiden Ungemach: // Die ihm Gutes gönnen · und mir blieben hold, // Um Siegfriedens Seele · verteilt an dieſe ſein Gold.“ // Da war kein Kind ſo kleine, · mocht es Verſtand nur haben, // Das nicht zum Opfer gienge, · eh er ward begraben. // Wohl an hundert Meſſen · man des Tages ſang. // Von Siegfriedens Freunden · hob ſich da mächtiger Drang. // Als die geſungen waren, · verlief die Menge ſich. // Da ſprach wieder Kriemhild: · „Nicht einſam ſollt ihr mich // Heunt bewachen laßen · den auserwählten Degen: // Es iſt an ſeinem Leibe · all meine Freude gelegen. // „Drei Tag und drei Nächte · will ich verwachen dran, // Bis ich mich erſättige · an meinem lieben Mann. // Vielleicht daß Gott gebietet, · daß mich auch nimmt der Tod: // So wäre wohl beendet · der armen Kriemhilde Noth.“ // Zur Herberge giengen · die Leute von der Stadt. // Die Pfaffen und die Mönche · ſie zu verweilen bat // Und all ſein Ingeſinde, · das ſein billig pflag. // Sie hatten üble Nächte · und gar mühſelgen Tag. // Ohne Trank und Speiſe · verblieb da mancher Mann. // Wers nicht gern entbehrte, · dem ward kund gethan, // Man gab ihm gern die Fülle: · das ſchuf Herr Siegmund. // Da ward den Nibelungen · viel Noth und Beſchwerde kund. // In dieſen dreien Tagen, · ſo hörten wir ſagen, // Muſte mit Kriemhilden · viel Mühſal ertragen, // Wer da ſingen konnte. · Was man auch Opfer trug! // Die eben arm geweſen, · die wurden nun reich genug. // Was man fand der Armen, · die es nicht mochten haben, // Die ließ ſie mit dem Golde · bringen Opfergaben // Aus ſeiner eignen Kammer: · er durfte nicht mehr leben, // Da ward um ſeine Seele · manches Tauſend Mark gegeben. // Güter und Gefälle · vertheilte ſie im Land, // So viel man der Klöſter · und guter Leute fand. // Silber gab man und Gewand · den Armen auch genug. // Sie ließ es wohl erkennen, · wie holde Liebe ſie ihm trug. // An dem dritten Morgen · zur rechten Meſſezeit // Sah man bei dem Münſter · den ganzen Kirchhof weit // Von der Landleute · Weinen alſo voll: // Sie dienten ihm im Tode, · wie man lieben Freunden ſoll. // In dieſen vier Tagen, · ſo hört ich immerdar, // Wol an dreißigtauſend Mark · oder mehr noch gar // Ward um ſeine Seele · den Armen hingegeben, // Indes war gar zerronnen · ſeine große Schöne wie ſein Leben. // Als vom Gottesdienſte · verhallt war der Geſang, // Mit ungefügem Leide · des Volkes Menge rang. // Man ließ ihn aus dem Münſter · zu dem Grabe tragen. // Da hörte man auch anders · nichts als Weinen und Klagen. // Das Volk mit lautem Wehruf · ſchloß im Zug ſich an: // Froh war da Niemand, · weder Weib noch Mann. // Eh er beſtattet wurde, · las und ſang man da: // Hei! was man guter Pfaffen · bei ſeiner Beſtattung ſah! // Bevor da zu dem Grabe · kam das getreue Weib, // Rang ſie mit ſolchem Jammer · um Siegfriedens Leib, // Daß man ſie mit Waſſer · vom Brunnen oft begoß: // Ihres Herzens Kummer · war über die Maßen groß. // Es war ein großes Wunder, · daß ſie zu Kräften kam. // Es halfen ihr mit Klagen · viel Frauen lobeſam. // „Ihr, meines Siegfrieds Mannen,“ · ſprach die Königin, // „Erweiſt mir eine Gnade · aus erbarmendem Sinn. // „Laßt mir nach meinem Leide · die kleinſte Gunſt geſchehn“, // Daß ich ſein ſchönes Angeſicht · noch einmal dürfe ſehn,“ // Da bat ſie im Jammer · ſo lang und ſo ſtark, // Daß man zerbrechen muſte · den ſchön geſchmiedeten Sarg. // Hin brachte man die Königin, · wo ſie ihn liegen fand. // Sein ſchönes Haupt erhob ſie · mit ihrer weißen Hand // Und küſſte ſo den Todten, · den edeln Ritter gut: // Ihre lichten Augen · vor Leide weinten ſie Blut. // Ein jammervolles Scheiden · ſah man da geſchehn. // Man trug ſie von dannen, · ſie vermochte nicht zu gehn. // Da lag ohne Sinne · das herrliche Weib: // Vor Leid wollt erſterben · ihr viel wonniglicher Leib. // Als der edle Degen · alſo begraben war, // Sah man in großem Leide · die Helden immerdar, // Die ihn begleitet hatten · aus Nibelungenland: // Fröhlich gar ſelten · man da Siegmunden fand. // Wohl Mancher war darunter, · der drei Tage lang // Vor dem großen Leide · weder aß noch trank; // Da konnten ſie's nicht länger · dem Leib entziehen mehr: // Sie genaſen von den Schmerzen, · wie noch Mancher wohl ſeither. // Kriemhild der Sinne ledig · in Ohnmächten lag // Den Tag und den Abend · bis an den andern Tag. // Was Jemand ſprechen mochte, · es ward ihr gar nicht kund. // Es lag in gleichen Nöthen · auch der König Siegmund. // Kaum daß ihn zur Beſinnung · zu bringen noch gelang. // Seine Kräfte waren · von ſtarkem Leide krank: // Das war wohl kein Wunder. · Die in ſeiner Pflicht // ſprachen: „Laßt uns heimziehn: · es duldet uns hier länger nicht.“ // 18. Achtzehntes Abenteuer. // Wie Siegmund heimkehrte und Kriemhild daheim blieb. Der Schwäher Kriemhildens · gieng hin, wo er ſie fand. // Er ſprach zu der Königin: · „Laßt uns in unſer Land: // Wir ſind unliebe Gäſte, · wähn ich, hier am Rhein. // Kriemhild, liebe Fraue, · nun folgt uns zu dem Lande mein. // „Daß man in dieſen Landen · uns ſo verwaiſet hat // Eures edeln Mannes · durch böslichen Verrath, // Ihr ſollt es nicht entgelten: · hold will ich euch ſein // Aus Liebe meines Sohnes · und des edeln Kindes ſein. // „Ihr ſollt auch, Frau, gebieten · mit all der Gewalt, // Die Siegfried euch verſtattete, · der Degen wohlgeſtalt. // Das Land und auch die Krone · ſoll euch zu Dienſten ſtehn. // Euch ſollen gern gehorchen · Die in Siegfriedens Lehn.“ // Da ſagte man den Knechten: · „Wir reiten heim vor Nacht.“ // Da ſah man nach den Roſſen · eine ſchnelle Jagd: // Bei den verhaßten Feinden · zu leben war ein Leid. // Den Frauen und den Maiden · ſuchte man ihr Reiſekleid. // Als König Siegmund gerne · weggeritten wär, // Da bat ihre Mutter · Kriemhilden ſehr, // Sie ſollte bei den Freunden · im Lande doch beſtehn. // Da ſprach die Freudenarme: · „Das könnte ſchwerlich geſchehn. // „Wie vermocht ichs, mit den Augen · den immer anzuſehn, // Von dem mir armen Weibe · ſo leid iſt geſchehn?“ // Da ſprach der junge Geiſelher: · „Liebe Schweſter mein, // Du ſollſt bei deiner Treue · hier mit deiner Mutter ſein. // „Die dir das Herz beſchwerten · und trübten dir den Muth, // Du bedarfſt nicht ihrer Dienſte, · du zehrſt von meinem Gut.“ // Sie ſprach zu dem Recken: · „Wie könnte das geſchehn? // Vor Leide müſt ich ſterben, · wenn ich Hagen ſollte ſehn.“ // „Deſſen überheb ich dich, · viel liebe Schweſter mein. // Du ſollſt bei deinem Bruder · Geiſelher hier ſein; // Ich will dir wohl vergüten · deines Mannes Tod.“ // Da ſprach die Freudenloſe: · „Das wäre Kriemhilden Noth.“ // Als es ihr der Junge · ſo gütlich erbot, // Da begannen auch zu flehen · Ute und Gernot // Und ihre treuen Freunde, · ſie möchte da beſtehn: // Sie hätte wenig Sippen · unter Siegfriedens Lehn. // „Sie ſind euch alle fremde,“ · ſprach da Gernot. // „Wie ſtark auch einer gelte, · ſo rafft ihn doch der Tod. // Bedenkt das, liebe Schweſter, · und tröſtet euern Muth: // Bleibt hier bei euern Freunden, · es geräth euch wahrlich gut.“ // Da gelobte ſie dem Bruder, · im Lande zu beſtehn. // Man zog herbei die Roſſe · Denen in Siegmunds Lehn, // Als ſie reiten wollten · gen Nibelungenland; // Da war auch aufgeladen · der Recken Zeug und Gewand. // Da gieng König Siegmund · vor Kriemhilden ſtehn // Und ſprach zu der Frauen: · „Die in Siegfrieds Lehn // Warten bei den Roſſen: · reiten wir denn hin, // Da ich gar ſo ungern · hier bei den Burgunden bin.“ // Frau Kriemhild ſprach: „Mir rathen · hier die Freunde mein, // Die beſten, die ich habe, · bei ihnen ſoll' ich ſein. // Ich habe keinen Blutsfreund · in Nibelungenland.“ // Leid war es Siegmunden, · da er dieß an Kriemhild fand. // Da ſprach König Siegmund: · „Das laßt euch Niemand ſagen: // Vor allen meinen Freunden · ſollt ihr die Krone tragen // Nach rechter Königswürde, · wie ihr vordem gethan: // Ihr ſollt es nicht entgelten, · daß ihr verloren habt den Mann. // „Fahrt auch mit uns zur Heimat · um euer Kindelein: // Das ſollt ihr eine Waiſe, · Frau, nicht laßen ſein. // Iſt euer Sohn erwachen, · er tröſtet euch den Muth. // Derweil ſoll euch dienen · mancher Degen kühn und gut.“ // Sie ſprach: „Mein Herr Siegmund, · ich kann nicht mit euch gehn. // Ich muß hier verbleiben, · was halt mir mag geſchehn, // Bei meinen Anverwandten, · die mir helfen klagen.“ // Da wollten dieſe Mären · den guten Recken nicht behagen. // Sie ſprachen einhellig: · „So möchten wir geſtehn, // Es ſei in dieſer Stunde · uns erſt ein Leid geſchehn. // Wollt ihr hier im Lande · bei unſern Feinden ſein, // So könnte Helden niemals · eine Hoffahrt übler gedeihn.“ // „Ihr ſollt ohne Sorge · Gott befohlen fahren: // Ich ſchaff euch gut Geleite · und heiß euch wohl bewahren // Bis zu euerm Lande; · mein liebes Kindelein // Das ſoll euch guten Recken · auf Gnade befohlen ſein.“ // Als ſie das recht vernahmen, · ſie wolle nicht hindann, // Da huben Siegfrieds Mannen · all zu weinen an. // Mit welchem Herzensjammer · nahm da Siegmund // Urlaub von Kriemhilden! · Da ward ihm Unfreude kund. // „Weh dieſes Hofgelages!“ · ſprach der König hehr. // „Einem König und den Seinen · geſchieht wohl nimmermehr // Einer Kurzweil willen, · was uns hier iſt geſchehn: // Man ſoll uns nimmer wieder · hier bei den Burgunden ſehn.“ // Da ſprachen laut die Degen · in Siegfriedens Heer: // „Wohl möchte noch die Reiſe · geſchehen hieher, // Wenn wir den nur fanden, · der uns den Herrn erſchlug. // Sie haben Todfeinde · bei ſeinen Freunden genug.“ // Er küſſte Kriemhilden: · kläglich ſprach er da, // Als er daheim zu bleiben · ſie ſo entſchloßen ſah: // „Wir reiten arm an Freuden · nun heim in unſer Land! // All mein Kummer · iſt mir erſt jetzo bekannt.“ // Sie ritten ungeleitet · von Worms an den Rhein: // Sie mochten wohl des Muthes · in ihrem Sinne ſein, // Wenn ſie in Feindſchaft · würden angerannt, // Daß ſich ſchon wehren ſolle · der kühnen Niblungen Hand. // Sie erbaten Urlaub · von Niemanden ſich. // Da ſah man Geiſelheren · und Gernot minniglich // Zu dem König kommen; · ihnen war ſein Schade leid: // Das ließen ihn wohl ſchauen · die kühnen Helden allbereit. // Da ſprach wohlgezogen · der kühne Gernot: // „Wohl weiß es Gott im Himmel, · an Siegfriedens Tod // Bin ich ganz unſchuldig: · ich hört auch niemals ſagen, // Wer ihm Feind hier wäre: · ich muß ihn billig beklagen.“ // Da gab ihm gut Geleite · Geiſelher das Kind. // Er bracht ohne Sorgen, · die ſonſt bei Leide ſind, // Den König und die Recken · heim nach Niederland. // Wie wenig der Verwandten · man dort fröhlich wiederfand! // Wie's ihnen nun ergangen iſt, · weiß ich nicht zu ſagen. // Man hörte hier Kriemhilden · zu allen Zeiten klagen, // Daß ihr Niemand tröſtete · das Herz noch den Muth // Als ihr Bruder Geiſelher: · der war getreu und auch gut. // Brunhild die ſchöne · des Uebermuthes pflag: // Wie viel Kriemhild weinte, · was fragte ſie darnach! // Sie war zu Lieb und Treue · ihr nimmermehr bereit; // Bald ſchuf auch ihr Frau Kriemhild · wohl ſo ungefüges Leid. // 19. Neunzehntes Abenteuer. // Wie der Nibelungenhort nach Worms kam. Als die edle Kriemhild · ſo verwitwet ward, // Blieb bei ihr im Lande · der Markgraf Eckewart // Zurück mit ſeinen Mannen, · wie ihm die Treu gebot. // Er diente ſeiner Frauen · willig bis an ſeinen Tod. // Zu Worms am Münſter wies man · ihr ein Gezimmer an, // Weit und geräumig, · reich und wohlgethan, // Wo mit dem Geſinde · die Freudenloſe ſaß. // Sie gieng zur Kirche gerne, · mit großer Andacht that ſie das. // Wo ihr Freund begraben lag, · wie fleißig gieng ſie // Sie that es alle Tage · mit trauerndem Sinn // Und bat ſeiner Seele · Gott den Herrn zu pflegen: // Gar oft bejammert wurde · mit großer Treue der Degen. // Ute und ihr Geſinde · ſprachen ihr immer zu, // Und doch im wunden Herzen · fand ſie ſo wenig Ruh, // Es konnte nicht verfangen · der Troſt, den man ihr bot. // Sie hatte nach dem Freunde · die allergrößeſte Noth, // Die nach liebem Manne · je ein Weib gewann: // Ihre große Treue · erſah man wohl daran. // Sie klagt' ihn bis zu Ende, · da ſie zu ſterben kam. // Bald rächte ſie gewaltig · mit großer Treue den Gram. // Sie ſaß in ihrem Leide, · das iſt alles wahr, // Nach ihres Mannes Tode · bis in das vierte Jahr // Und hatte nie zu Gunthern · geſprochen einen Laut // Und auch Hagen ihren Feind · in all der Zeit nicht erſchaut. // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Könnte das geſchehn, // Daß ihr euch die Schweſter · gewogen möchtet ſehn, // So käm zu dieſem Lande · der Nibelungen Gold: // Des mögt ihr viel gewinnen, · wird uns die Königin hold.“ // „Wir wollen es verſuchen,“ · ſprach der König hehr. // „Es ſollen für uns bitten · Gernot und Geiſelher, // Bis ſie es erlangen, · daß ſie das gerne ſieht.“ // „Ich glaube nicht,“ ſprach Hagen, · „daß es jemals geſchieht.“ // Da befahl er Ortweinen · hin an Hof zu gehn // Und dem Markgrafen Gere: · als das war geſchehn, // Brachte man auch Gernot · und Geiſelhern das Kind: // Da verſuchten bei Kriemhilden · ſie es freundlich und gelind. // Da ſprach von Burgunden · der kühne Gernot: // „Frau, ihr klagt zu lange · um Siegfriedens Tod. // Der König will euch zeigen, · er hab ihn nicht erſchlagen: // Man hört zu allen Zeiten · euch ſo heftig um ihn klagen.“ // Sie ſprach: „Des zeiht ihn Niemand, · ihn ſchlug Hagens Hand. // Wo er verwundbar wäre, · macht ich ihm bekannt. // Wie konnt ich michs verſehen, · er trüg ihm Haß im Sinn! // Sonſt hätt ichs wohl vermieden,“ · ſprach die edle Königin, // „Daß ich verraten hätte · ſeinen ſchönen Leib: // So ließ' ich nun mein Weinen, · ich unſelig Weib! // Hold werd ich ihnen nimmer, · die das an ihm gethan!“ // Zu flehn begann da Geiſelher, · dieſer waidliche Mann. // Sie ſprach: „Ich muß ihn grüßen, · ihr liegt zu ſehr mir an. // Von euch iſt's große Sünde: · Gunther hat mir gethan // So viel Herzeleides · ganz ohne meine Schuld: // Mein Mund ſchenkt ihm Verzeihung, · mein Herz ihm nimmer die Huld.“ // „Hernach wird es beßer,“ · ihre Freunde ſprachen ſo. // „Wenn ers zu Wege brächte, · daß wir ſie ſähen froh!“ // „Er mags ihr wohl vergüten,“ · ſprach da Gernot. // Da ſprach die Jammersreiche: · „Seht, nun leiſt ich eur Gebot: // „Ich will den König grüßen.“ · Als er das vernahm, // Mit ſeinen beſten Freunden · der König zu ihr kam. // Da getraute Hagen · ſich nicht, zu ihr zu gehn: // Er kannte ſeine Schuld wohl: · ihr war Leid von ihm geſchehn. // Als ſie verſchmerzen wollte · auf Gunther den Haß, // Daß er ſie küſſen ſollte, · wohl ziemte ſich ihm das. // Wär ihr mit ſeinem Willen · ſo leid nicht geſchehn, // So dürft er dreiſten Muthes · immer zu Kriemhilden gehn. // Es ward mit ſo viel Thränen · nie eine Sühne mehr // Geſtiftet unter Freunden. · Sie ſchmerzt' ihr Schade ſehr. // Doch verzieh ſie allen · bis auf den Einen Mann: // Niemand hätt ihn erſchlagen, · hätt es Hagen nicht gethan. // Nun währt' es nicht mehr lange, · ſo ſtellten ſie es an, // Daß die Königstochter · den großen Hort gewann // Vom Nibelungenlande · und bracht ihn an den Rhein: // Ihre Morgengabe war es · und muſt ihr billig eigen ſein. // Nach dieſem fuhr da Geiſelher · und auch Gernot. // Achtzighundert Mannen · Frau Kriemhild gebot, // Daß ſie ihn holen ſollten, · wo er verborgen lag // Und ſein der Degen Alberich · mit ſeinen beſten Freunden pflag. // Als man des Schatzes willen · vom Rhein ſie kommen ſah, // Alberich der kühne · ſprach zu den Freunden da: // „Wir dürfen ihr wohl billig · den Hort nicht entziehn, // Da ſein als Morgengabe · heiſcht die edle Künigin. // „Dennoch ſollt es nimmer,“ · ſprach Alberich, „geſchehn, // Müſten wir nicht leider · uns verloren ſehn // Die gute Tarnkappe · mit Siegfried zumal, // Die immer hat getragen · der ſchönen Kriemhild Gemahl. // „Nun iſt es Siegfrieden · leider ſchlimm bekommen, // Daß die Tarnkappe · der Held uns hat genommen, // Und daß ihm dienen muſte · all dieſes Land.“ // Da gieng dahin der Kämmerer, · wo er die Schlüßel liegen fand. // Da ſtanden vor dem Berge, · die Kriemhild geſandt, // Und mancher ihrer Freunde: · man ließ den Schatz zur Hand // Zu dem Meere bringen · an die Schiffelein // Und führt' ihn auf den Wellen · bis zu Berg in den Rhein. // Nun mögt ihr von dem Horte · Wunder hören ſagen: // Zwölf Leiterwagen konnten · ihn kaum von dannen tragen // In vier Tag und Nächten · aus des Berges Schacht, // Hätten ſie des Tages · den Weg auch dreimal gemacht. // Es war auch nichts anders · als Geſtein und Gold. // Und hätte man die ganze Welt · erkauft mit dieſem Gold, // Um keine Mark vermindern · möcht es ſeinen Werth. // Wahrlich Hagen hatte · nicht ohne Grund ſein begehrt. // Der Wunſch lag darunter, · ein golden Rüthelein: // Wer es hätt erkundet, · der möchte Meiſter ſein // Auf der weiten Erde · wohl über jeden Mann. // Von Albrichs Freunden zogen · mit Gernot Viele hinan. // Als Gernot der Degen · und der junge Geiſelher // Des Horts ſich unterwanden, · da wurden ſie auch Herr // Des Landes und der Burgen · und der Recken wohlgeſtalt: // Die muſten ihnen dienen · zumal durch Furcht und Gewalt. // Als ſie den Hort gewannen · in König Gunthers Land, // Und ſich darob die Königin · der Herrſchaft unterwand, // Kammern und Thürme · die wurden voll getragen; // Man hörte nie von Schätzen · ſo große Wunder wieder ſagen. // Und wären auch die Schätze · noch größer tauſendmal, // Und wär der edle Siegfried · erſtanden von dem Fall, // Gern wäre bei ihm Kriemhild · geblieben hemdebloß. // Nie war zu einem Helden · eines Weibes Treue ſo groß. // Als ſie den Hort nun hatte, · da brachte ſie ins Land // Viel der fremden Recken; · wohl gab der Frauen Hand, // Daß man ſo große Milde · nie zuvor geſehn. // Sie übte hohe Güte: · das muſte man ihr zugeſtehn. // Den Armen und den Reichen · zu geben ſie begann. // Hagen ſprach zum König: · „Läßt man ſie ſo fortan // Noch eine Weile ſchalten, · ſo wird ſie in ihr Lehn // So manchen Degen bringen, · daß es uns übel muß ergehn.“ // Da ſprach König Gunther: · „Ihr gehört das Gut: // Wie darf ich mich drum kümmern, · was ſie mit ihm thut? // Ich konnt es kaum erlangen, · daß ſie mir wurde hold; // Nicht frag ich, wie ſie theilet · ihr Geſtein und rohes Gold.“ // Hagen ſprach zum König: · „Es vertraut ein kluger Mann // Doch ſolche Schätze billig · keiner Frauen an: // Sie bringt es mit Gaben · wohl noch an den Tag, // Da es ſehr gereuen · die kühnen Burgunden mag.“ // Da ſprach König Gunther: · „Ich ſchwur ihr einen Eid, // Daß ich ihr nie wieder · fügen wollt ein Leid, // Und will es künftig meiden: · ſie iſt die Schweſter mein.“ // Da ſprach wieder Hagen: · „Laßt mich den Schuldigen ſein.“ // Sie nahmen ihre Eide · meiſtens ſchlecht in Hut: // Da raubten ſie der Witwe · das mächtige Gut. // Hagen aller Schlüßel · dazu ſich unterwand. // Ihr Bruder Gernot zürnte, · als ihm das wurde bekannt. // Da ſprach der junge Geiſelher: · „Viel Leides iſt geſchehn // Von Hagen meiner Schweſter: · dem ſollt ich widerſtehn: // Wär er nicht mein Blutsfreund, · es gieng' ihm an den Leib.“ // Wieder neues Weinen · begann da Siegfriedens Weib. // Da ſprach König Gernot: · „Eh wir ſolche Pein // Um dieſes Gold erlitten, · wir ſolltens in den Rhein // All verſenken laßen: · ſo gehört' es Niemand an.“ // Sie kam mit Klaggebärde · da zu Geiſelher heran. // Sie ſprach: „Lieber Bruder, · du ſollſt gedenken mein, // Lebens und Gutes · ſollſt du ein Vogt mir ſein.“ // Da ſprach er zu der Schweſter: · „Gewiſs, es ſoll geſchehn, // Wenn wir wiederkommen: · eine Fahrt iſt zu beſtehn.“ // Gunther und ſeine Freunde · räumten das Land, // Die allerbeſten drunter, · die man irgend fand; // Hagen nur alleine · verblieb um ſeinen Haß, // Den er Kriemhilden hegte: · ihr zum Schaden that er das. // Eh der reiche König · wieder war gekommen, // Derweil hatte Hagen · den ganzen Schatz genommen: // Er ließ ihn bei dem Loche · verſenken in den Rhein. // Er wähnt', er ſollt ihn nutzen; · das aber konnte nicht ſein. // Bevor von Tronje Hagen · den Schatz alſo verbarg, // Da hatten ſie's beſchworen · mit Eiden hoch und ſtark, // Daß er verhohlen bliebe, · ſo lang ſie möchten leben: // So konnten ſie's ſich ſelber · noch auch Jemand anders geben. // Die Fürſten kamen wieder, · mit ihnen mancher Mann. // Kriemhild den großen Schaden · zu klagen da begann // Mit Mägdlein und Frauen; · ſie hatten Herzensnoth. // Da ſtellten ſich die Degen, · als ſännen ſie auf ſeinen Tod. // Sie ſprachen einhellig: · „Er hat nicht wohlgethan.“ // Bis er zu Freunden wieder · die Fürſten ſich gewann, // Entwich er ihrem Zorne: · ſie ließen ihn geneſen; // Aber Kriemhild konnt ihm · wohl nicht feinder ſein geweſen. // Mit neuem Leide wieder · belaſtet war ihr Muth, // Erſt um des Mannes Leben · und nun, da ſie das Gut // Ihr ſo gar benahmen: · da ruht' auch ihre Klage, // So lang ſie lebte, nimmer · bis zu ihrem jüngſten Tage. // Nach Siegfriedens Tode, · das iſt alles wahr, // Lebte ſie im Leide · noch dreizehen Jahr, // Daß ihr der Tod des Recken · ſtäts im Sinne lag: // Sie wahrt' ihm immer Treue; · das rühmen ihr die Meiſten nach. // Eine reiche Fürſtenabtei · hatte Frau Ute // Nach Dankrats Tod geſtiftet · von ihrem Gute // Mit großen Einkünften, · die es noch heute zieht: // Dort zu Lorſch das Kloſter, · das man in hohen Ehren ſieht. // Dazu gab auch Kriemhild · hernach ein großes Theil // Um Siegfriedens Seele · und aller Seelen Heil // Gold und Edelſteine · mit williger Hand; // Getreuer Weib auf Erden · ward uns ſelten noch bekannt. // Seit Kriemhild König Gunthern · wieder ſchenkte Huld // Und dann doch den großen Hort · verlor durch ſeine Schuld, // Ihres Herzeleides · ward da noch viel mehr: // Da zöge gern von dannen · die Fraue edel und hehr. // Nun war Frau Uten · ein Sedelhof bereit // Zu Lorſch bei ihrem Kloſter, · reich, groß und weit, // Dahin von ihren Kindern · ſie zog und ſich verbarg, // Wo noch die hehre Königin · begraben liegt in einem Sarg. // Da ſprach die Königswitwe: · „Liebe Tochter mein, // Hier magſt du nicht verbleiben: · bei mir denn ſollſt du ſein, // Zu Lorſch in meinem Hauſe, · und läſt dein Weinen dann.“ // Kriemhild gab zur Antwort: · „Wo ließ' ich aber meinen Mann?“ // „Den laß nur hier verbleiben,“ · ſprach Frau Ute. // „Nicht woll es Gott vom Himmel,“ · ſprach da die Gute. // „Nein, liebe Mutter, · davor will ich mich wahren: // „ein Mann muß von hinnen · in Wahrheit auch mit mir fahren.“ // Da ſchuf die Jammersreiche, · daß man ihn erhub // Und ſein Gebein, das edle, · wiederum begrub // Zu Lorſch bei dem Münſter · mit Ehren mannigfalt: // Da liegt im langen Sarge · noch der Degen wohlgeſtalt. // Zu denſelben Zeiten, · da Kriemhild geſollt // Zu ihrer Mutter ziehen, · wohin ſie auch gewollt, // Da muſte ſie verbleiben, · weil es nicht ſollte ſein: // Das ſchufen neue Mären, · die da kamen über Rhein. // 20. Zwanzigſte Abenteuer. // Wie König Etzel um Kriemhilden ſandte. Das war in jenen Zeiten, · als Frau Helke ſtarb // Und der König Etzel · um andre Frauen warb, // Da riethen ſeine Freunde · in Burgundenland // Zu einer ſtolzen Witwe, · die war Frau Kriemhild genannt. // Seit ihm die ſchöne Helke · erſtarb, die Königin, // Sie ſprachen: „Sinnt ihr wieder · auf edler Frau Gewinn, // Der höchſten und der beſten, · die je ein Fürſt gewann, // So nehmet Kriemhilden; · der ſtarke Siegfried war ihr Mann.“ // Da ſprach der reiche König: · „Wie gienge das wohl an? // Ich bin ein Heide, · ein ungetaufter Mann, // Sie jedoch iſt Chriſtin · ſie thut es nimmermehr. // Ein Wunder müſt es heißen, · käm ſie jemals hieher.“ // Die Schnellen ſprachen wieder: · „Vielleicht, daß ſie es thut // Um euern hohen Namen · und euer großes Gut. // Man ſoll es doch verſuchen · bei dem edeln Weib: // Euch ziemte wohl zu minnen · ihren wonniglichen Leib.“ // Da ſprach der edle König: · „Wem iſt nun bekannt // Unter euch am Rheine · das Volk und auch das Land?“ // Da ſprach von Bechlaren · der gute Rüdiger: // „Kund von Kindesbeinen · ſind mir die edeln Könige hehr, // „Gunther und Gernot, · die edeln Ritter gut; // Der dritte heißt Geiſelher: · ein Jeglicher thut, // Was er nach Zucht und Ehren · am beſten mag begehn: // Auch iſt von ihren Ahnen · noch ſtäts dasſelbe geſchehn.“ // Da ſprach wieder Etzel: · „Freund, nun ſage mir, // Ob ihr wohl die Krone · ziemt zu tragen hier; // Und hat ſie ſolche Schöne, · wie man ſie zeiht, // Meinen beſten Freunden · ſollt es nimmer werden leid.“ // „Sie vergleicht ſich an Schöne · wohl der Frauen mein, // Helke der reichen: · nicht ſchöner könnte ſein // Auf der weiten Erde · eine Königin: // Wen ſie erwählt zum Freunde, · der mag wohl tröſten den Sinn.“ // Er ſprach: „So wirb ſie, Rüdiger, · ſo lieb als ich dir ſei. // Und darf ich Kriemhilden · jemals liegen bei, // Das will ich dir lohnen, · ſo gut ich immer kann; // Auch haſt du meinen Willen · mit großer Treue gethan. // „Von meinem Kammergute · laß ich ſo viel dir geben, // Daß du mit den Gefährten · in Freude mögeſt leben; // Von Roſſen und von Kleidern, · was ihr nur begehrt, // Des wird zu der Botſchaft · euch die Genüge gewährt.“ // Zur Antwort gab der Markgraf, · der reiche Rüdiger: // „Begehrt' ich deines Gutes, · das ziemte mir nicht ſehr. // Ich will dein Bote gerne · werden an den Rhein // Mit meinem eignen Gute; · ich hab es aus den Händen dein.“ // Da ſprach der reiche König: · „Wann denkt ihr zu fahren // Nach der Minniglichen? · So ſoll euch Gott bewahren // Dabei an allen Ehren · und auch die Fraue mein; // Und möge Glück mir helfen, · daß ſie uns gnädig möge ſein.“ // Da ſprach wieder Rüdiger: · „Eh wir räumen dieſes Land, // Müßen wir uns rüſten · mit Waffen und Gewand, // Daß wir vor den Königen · mit Ehren dürfen ſtehn: // Ich will zum Rheine führen · fünfhundert Degen auserſehn. // „Wenn man bei den Burgunden · mich und die Meinen ſeh, // Daß dann einſtimmig · das Volk im Land geſteh, // Es habe nie ein König · noch ſo manchen Mann // So fern daher geſendet, · als du zum Rheine gethan. // „Und wiß, edler König, · ſtehſt du darob nicht an, // Sie war dem beſten Manne, · Siegfrieden unterthan, // Siegmundens Sohne; · du haſt ihn hier geſehn: // Man mocht ihm große Ehre · wohl in Wahrheit zugeſtehn.“ // Da ſprach der König Etzel: · „War ſie dem Herrn vermählt, // Sie war ſo hohes Namens · der edle Fürſt erwählt, // Daß ich nicht verſchmähen · darf die Königin. // Ob ihrer großen Schönheit · gefällt ſie wohl meinem Sinn.“ // Da ſprach der Markgraf wieder: · „Wohlan, ich will euch ſagen, // Wir heben uns von hinnen · in vierundzwanzig Tagen. // Ich entbiet es Gotelinden, · der lieben Fraue mein, // Daß ich zu Kriemhilden · ſelber wolle Bote ſein.“ // Hin gen Bechelaren · ſandte Rüdiger // Boten ſeinem Weibe, · der Markgräfin hehr, // Er werbe für den König · um eine Königin: // Der guten Helke dachte · ſie da mit freundlichem Sinn. // Als die Botenkunde · die Markgräfin gewann, // Leid war es ihr zum Theile, · zu ſorgen hub ſie an, // Ob ſie wohl eine Herrin · gewänne ſo wie eh. // Gedachte ſie an Helke, · das that ihr inniglich weh. // Nach ſieben Tagen Rüdiger · ritt aus Heunenland, // Worüber frohgemuthet · man König Etzeln fand. // Man fertigte die Kleider · in der Stadt zu Wien; // Da wollt er mit der Reiſe · auch nicht länger mehr verziehn. // Zu Bechlaren harrte · ſein Frau Gotelind // Und die junge Markgräfin, · Rüdigers Kind, // Sah ihren Vater gerne · und Die ihm unterthan; // Da ward ein liebes Harren · von ſchönen Frauen gethan. // Eh der edle Rüdiger · aus der Stadt zu Wien // Ritt nach Bechlaren, · da waren hier für ihn // Kleider und Gewaffen · auf Säumern angekommen. // Sie fuhren ſolcherweiſe, · daß ihnen wenig ward genommen. // Als ſie zu Bechlaren · kamen in die Stadt, // Für ſeine Heergeſellen · um Herbergen bat // Der Wirth mit holden Worten: · die gab man ihnen da. // Gotelind die reiche · den Wirth gar gerne kommen ſah. // Auch ſeine liebe Tochter, · die Marfgräfin jung, // Ob ihres Vaters Kommen · war ſie froh genung, // Aus Heunenland die Helden, · wie gern ſie die ſah! // Mit lachendem Muthe · ſprach die edle Jungfrau da: // „Willkommen ſei mein Vater · und Die ihm unterthan.“ // Da ward ein ſchönes Danken · von manchem werthen Mann // Freundlich geboten · der jungen Markgräfin. // Wohl kannte Frau Gotlind · des edeln Rüdiger Sinn. // Als ſie des Nachts nun · bei Rüdigern lag, // Mit holden Worten fragte · die Markgräfin nach, // Wohin ihn denn geſendet · der Fürſt von Heunenland? // „Meine Frau Gotlind,“ ſprach er, · „ich mach es gern euch bekannt. // „Meinem Herren werben · ſoll ich ein ander Weib, // Da ihm iſt erſtorben · der ſchönen Helke Leib. // Nun will ich nach Kriemhilden · reiten an den Rhein: // Die ſoll hier bei den Heunen · gewaltge Königin ſein.“ // „Das wollte Gott!“ ſprach Gotlind, · „möcht uns dies Heil geſchehn, // Da wir ſo hohe Ehren · ihr hören zugeſtehn. // Sie erſetzt uns Helken · vielleicht in alten Tagen; // Wir mögen bei den Heunen · ſie gerne ſehen Krone tragen.“ // Da ſprach Markgraf Rüdiger: · „Liebe Fraue mein, // Die mit mir reiten ſollen · von hinnen an den Rhein, // Denen ſollt ihr freundlich · bieten euer Gut: // Wenn Helden reichlich leben, · ſo tragen ſie hohen Muth.“ // Sie ſprach: „Da iſt nicht Einer, · wenn er es gerne nähm, // Ich wollt ihm willig bieten, · was Jeglichem genehm, // Eh ihr von hinnen ſcheidet · und Die euch unterthan.“ // Da ſprach der Markgraf wieder: · „Ihr thut mir Liebe daran.“ // Hei! was man reicher Zeuge · von ihrer Kammer trug! // Da ward den edeln Recken · Gewand zu Theil genug // Mit allem Fleiß gefüttert · vom Hals bis auf die Sporen; // Die ihm davon gefielen, · hatte Rüdger ſich erkoren. // Am ſiebenten Morgen · von Bechlaren ritt // Der Wirth mit ſeinen Degen. · Sie führten Waffen mit // Und Kleider auch die Fülle · durch der Baiern Land. // Sie wurden auf der Straße · von Räubern ſelten angerannt. // Binnen zwölf Tagen · kamen ſie an den Rhein. // Da konnte dieſe Märe · nicht lang verborgen ſein: // Dem König und den Seinen · ward es kund gethan, // Es kämen fremde Gäſte. · Der Wirth zu fragen begann, // Ob ſie Jemand kennte? · das ſollte man ihm ſagen. // Man ſah die Saumroſſe · ſchwere Laſten tragen: // Wie reich die Helden waren, · ward daran erkannt. // Herberge ſchuf man ihnen · in der weiten Stadt zuhand. // Als die Gäſte waren · in die Stadt gekommen, // Ihres Aufzugs hatte man · mit Neugier wahrgenommen. // Sie wunderte, von wannen · ſie kämen an den Rhein. // Der Wirth fragte Hagen, · wer die Herren möchten ſein? // Da ſprach der Held von Tronje: · „Ich ſah ſie noch nicht; // Wenn ich ſie erſchaue, · mag ich euch Bericht // Wohl geben, von wannen · ſie ritten in dies Land. // Sie wären denn gar fremde, · ſo ſind ſie gleich mir bekannt.“ // Herbergen hatten · die Gäſte nun empfahn. // Der Bote hatte reiche · Gewänder angethan // Mit ſeinen Heergeſellen, · als ſie zu Hofe ritten. // Sie trugen gute Kleider, · die waren zierlich geſchnitten. // Da ſprach der ſchnelle Hagen: · „So viel ich mag verſtehn, // Da ich ſeit langen Tagen · den Herrn nicht hab erſehn, // So ſind ſie ſo zu ſchauen, · als wär es Rüdiger // Aus der Heunen Lande, · dieſer Degen kühn und hehr.“ // „Wie ſollt ich das glauben,“ · der König ſprachs zuhand, // „Daß der von Bechelaren · kam in dieſes Land?“ // Kaum hatte König Gunther · das Wort geſprochen gar, // So nahm der kühne Hagen · den guten Rüdiger wahr. // Er und ſeine Freunde · liefen ihm entgegen: // Da ſprangen von den Roſſen · fünfhundert ſchnelle Degen. // Wohl empfangen wurden · die von Heunenland; // Niemals trugen Boten · wohl ſo herrlich Gewand. // Da rief von Tronje Hagen · mit lauter Stimme Schall: // „Nun ſei'n uns hochwillkommen · dieſe Degen all, // Der Vogt von Bechelaren · mit ſeiner ganzen Schar.“ // Man empfieng mit Ehren · die ſchnellen Heunen fürwahr. // Des Königs nächſte Freunde · drängten ſich heran: // Da hub von Metzen Ortewein · zu Rüdigern an: // „Wir haben lange Tage · hier nicht mehr geſehn // Alſo liebe Gäſte, · das muß ich wahrlich geſtehn!“ // Sie dankten des Empfanges · den Recken allzumal. // Mit dem Heergeſinde · giengen ſie zum Saal, // Wo ſie den König fanden · bei manchem kühnen Mann. // Der ſtand empor vom Sitze: · das ward aus höfſcher Zucht gethan. // Wie freundlich dem Boten · er entgegengieng // Und allen ſeinen Degen! · Gernot auch empfieng // Den Gaſt mit hohen Ehren · und Die ihm unterthan. // Den guten Rüdger führte · der König an der Hand heran. // Er bracht' ihn zu dem Sitze, · darauf er ſelber ſaß. // Den Gäſten ließ er ſchenken · (gerne that man das) // Von dem guten Methe · und von dem beſten Wein, // Den man mochte finden · in den Landen um den Rhein. // Geiſelher und Gere · waren auch gekommen, // Dankwart und Volker, · die hatten bald vernommen // Von den werthen Gäſten. · Sie waren wohlgemuth: // Sie empfiengen vor dem König · die Ritter edel und gut. // Da ſprach von Tronje Hagen · zu Gunthern ſeinem Herrn: // „Mit Dienſt vergelten ſollten · ſtäts eure Degen gern, // Was uns der Markgraf · zu Liebe hat gethan; // Des ſollte Lohn empfangen · der ſchönen Gotlinde Mann.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Ich laße nicht das Fragen: // Wie beide ſich gehaben, · das ſollt ihr mir ſagen, // Etzel und Frau Helke · in der Heunen Land?“ // Der Markgraf gab zur Antwort: · „Ich mach es gern euch bekannt.“ // Da erhob er ſich vom Sitze · und Die ihm unterthan // Und ſprach zu dem König: · „Laßt mich Erlaub empfahn, // Daß ich die Märe ſage, · um die mich hat geſandt // Etzel der König · hieher in der Burgunden Land.“ // Er ſprach: „Was man uns immer · durch euch entboten hat, // Erlaub ich euch zu ſagen · ohne der Freunde Rath. // Die Märe laßt vernehmen · mich und die Degen mein: // Euch ſoll nach allen Ehren · zu werben hier geſtattet ſein.“ // Da ſprach der biedre Bote: · „Euch entbietet an den Rhein // Seine treuen Dienſte · der große König mein, // Dazu den Freunden allen, · die euch zugethan; // Auch wird euch dieſe Botſchaft · mit großer Treue gethan. // „Euch läßt der edle König · klagen ſeine Noth: // Sein Volk iſt ohne Freude, · meine Frau die iſt todt, // Helke die reiche, · meines Herrn Gemahl: // An der ſind ſchöne Jungfraun · nun verwaiſt in großer Zahl, // „Edler Fürſten Kinder, · die ſie erzogen hat; // Darum hat im Lande · nun große Trauer Statt: // Sie haben leider Niemand mehr, · der ſie ſo treulich pflegt, // Drum wähn ich auch, daß ſelten · des Königs Sorge ſich legt.“ // „Nun lohn ihm Gott,“ ſprach Gunther, · „daß er die Dienſte ſein // So williglich entbietet · mir und den Freunden mein. // Ich hörte gern die Grüße, · die ihr mir kund gethan; // Auch wollen ſie verdienen · Die mir treu und unterthan.“ // Da ſprach von Burgunden · der edle Gernot: // „Die Welt mag wohl beklagen · der ſchönen Helke Tod // Um manche höfſche Tugend, · der ſie gewohnt zu pflegen.“ // Das beſtätigte Hagen · und mancher andre Degen. // Da ſprach wieder Rüdiger, · der edle Bote hehr: // „Erlaubt ihr mir, Herr König, · ſo ſag ich euch noch mehr, // Was mein lieber Herre · euch hieher entbot: // Er lebt in großem Kummer · ſeit der Königin Helke Tod. // „Man ſagte meinem Herren, · Kriemhild ſei ohne Mann, // Da Siegfried geſtorben: · und ſprach man wahr daran, // Und wollt ihr ihrs vergönnen, · ſo ſoll ſie Krone tragen // Vor König Etzels Recken: · das gebot mein Herr ihr zu ſagen.“ // Da ſprach König Gunther · mit wohlgezognem Muth: // „Sie hört meinen Willen, · wenn ſie es gerne thut. // Das will ich euch berichten · von heut in dreien Tagen: // Wenn ſie es nicht weigert, · wie ſollt ichs Etzel verſagen?“ // Man ließ Gemach beſcheiden · den Gäſten allzuhand. // Sie fanden ſolche Pflege, · daß Rüdiger geſtand, // Er habe gute Freunde · in König Gunthers Lehn. // Gerne dient' ihm Hagen: · ihm war einſt Gleiches geſchehn. // So verweilte Rüdiger · bis an den dritten Tag. // Der Fürſt berief die Räthe, · wie er weislich pflag, // Und fragte ſeine Freunde, · ob ſie es gut gethan // Däuchte, daß Kriemhild · Herrn Etzeln nähme zum Mann. // Da riethen ſie es alle; · nur Hagen ſtands nicht an. // Er ſprach zu König Gunther, · dieſem kühnen Mann: // „Habt ihr kluge Sinne, · ſo ſeid wohl auf der Hut, // Wenn ſie auch folgen wollte, · daß ihr doch nimmer es thut.“ // „Warum,“ ſprach da Gunther, · „ließ' ich es nicht ergehn? // Was künftig noch der Königin · Liebes mag geſchehn, // Will ich ihr gerne gönnen: · ſie iſt die Schweſter mein. // Wir müſten ſelbſt drum werben, · ſollt es ihr zur Ehre ſein.“ // Da ſprach aber Hagen: · „Das ſprecht ihr unbedacht. // Wenn ihr Etzeln kenntet · wie ich und ſeine Macht, // Und ließt ihr ſie ihn minnen, · wie ich euch höre ſagen, // Das müſtet ihr vor Allen · mit großem Rechte beklagen.“ // „Warum?“ ſprach da Gunther, · „leicht vermeid ich das, // Ihm je ſo nah zu kommen, · daß ich durch ſeinen Haß // Leid zu befahren hätte, · würd er auch ihr Mann.“ // Da ſprach wieder Hagen: · „Mich dünkt es nimmer wohlgethan.“ // Da lud man Gernoten · und Geiſelhern heran, // Ob die Herren beide · däuchte wohlgethan, // Wenn Frau Kriemhild nähme · den mächtgen König hehr. // Noch widerrieth es Hagen · und auch anders Niemand mehr. // Da ſprach von Burgunden · Geiſelher der Degen: // „Nun mögt ihr, Freund Hagen, · noch der Treue pflegen: // Entſchädigt ſie des Leides, · das ihr ihr habt gethan. // Was ihr noch mag gelingen, · das ſäht ihr billig neidlos an.“ // „Wohl habt ihr meiner Schweſter · gefügt ſo großes Leid,“ // Sprach da wieder Geiſelher, · der Degen allbereit, // „Ihr hättets wohl verſchuldet, · wäre ſie euch gram: // Noch Niemand einer Frauen · ſo viel der Freuden benahm.“ // „Daß ich das wohl erkenne, · das ſei euch frei bekannt. // Und ſoll ſie Etzeln nehmen · und kommt ſie in ſein Land, // Wie ſie es fügen möge, · viel Leid thut ſie uns an. // Wohl kommt in ihre Dienſte · da mancher waidliche Mann.“ // Dawider ſprach zu Hagen · der kühne Gernot: // „Es mag dabei verbleiben · bis an Beider Tod, // Daß wir niemals kommen · in König Etzels Land. // Laßt uns ihr Treue leiſten: · zu Ehren wird uns das gewandt.“ // Da ſprach Hagen wieder: · „Das laß ich mir Niemand ſagen; // Und ſoll die edle Kriemhild · Helkens Krone tragen, // Viel Leid wird ſie uns ſchaffen, · wo ſie's nur fügen kann: // Ihr ſollt es bleiben laßen, · das ſtänd euch Recken beßer an.“ // Im Zorn ſprach da Geiſelher, · der ſchönen Ute Kind: // Wir wollen doch nicht alle · meineidig ſein geſinnt. // Was ihr geſchieht zu Ehren, · laßt uns froh drum ſein. // Was ihr auch redet, Hagen, · ich dien ihr nach der Treue mein.“ // Als das Hagen hörte, · da trübte ſich ſein Muth. // Geiſelher und Gernot, · die ſtolzen Ritter gut, // Und Gunther der reiche · vereinten endlich ſich, // Wenn es Kriemhild wünſche, · ſie wolltens dulden williglich. // Da ſprach Markgraf Gere: · „So geh ich ihr zu ſagen, // Daß ſie den König Etzel · ſich laße wohlhagen. // Dem iſt ſo mancher Recke · mit Furchten unterthan, // Er mag ihr wohl vergüten, · was ſie je Leides gewann.“ // Hin gieng der ſchnelle Degen, · wo er Kriemhilden ſah. // Sie empfieng ihn gütlich; · wie balde ſprach er da: // „Ihr mögt mich gern begrüßen · und geben Botenbrot, // Es will das Glück euch ſcheiden · nun von all eurer Noth. // „Es hat um eure Minne, · Frau, hiehergeſandt // Der Allerbeſten einer, · der je ein Königsland // Gewann mit vollen Ehren · und Krone durfte tragen: // Es werben edle Ritter: · das läßt euch euer Bruder ſagen.“ // Da ſprach die Jammerreiche: · „Verbiete doch euch Gott // Und allen meinen Freunden, · daß ſie keinen Spott // Mit mir Armen treiben: · was ſollt ich einem Mann, // Der je Herzensliebe · von gutem Weibe gewann?“ // Sie widerſprach es heftig. · Da traten zu ihr her // Gernot ihr Bruder · und der junge Geiſelher. // Sie baten ſie in Minne · zu tröſten ihren Mut. // Und nehme ſie den König, · es gerath ihr wahrlich gut. // Bereden mochte Niemand · doch die Königin // Noch einen Mann zu minnen · auf Erden fürderhin. // Da baten ſie die Degen: · „So laßt es doch geſchehn, // Wenn ihr denn nicht anders wollt, · daß euch der Bote möge ſehn.“ // „Das will ich nicht verſagen,“ · ſprach die Fraue hehr. // Ich empfange gerne · den guten Rüdiger // Ob ſeiner höfſchen Sitte: · wär er nicht hergeſandt, // Jedem andern Boten, · dem blieb' ich immer unbekannt.“ // Sie ſprach: „So ſchickt den Degen · morgen früh heran // Zu meiner Kemenate. · Ich beſcheid ihn dann: // Wes ich mich berathen, · will ich ihm ſelber ſagen.“ // So war ihr jetzt erneuert · das große Weinen und Klagen. // Da wünſchte ſich auch anders nichts · der edle Rüdiger, // Als daß er ſchauen dürfte · die Königin hehr. // Er wuſte ſich ſo weiſe: · könnt es irgend ſein, // So müſt er ſie bereden, · dieſen Recken zu frein. // Früh des andern Morgens · nach dem Meſsgeſang // Kamen die edeln Boten; · da hub ſich großer Drang. // Die mit Rüdigeren · zu Hofe ſollten gehn, // Die ſah man wohlgekleidet, · manchen Degen auserſehn. // Kriemhilde die arme, · in traurigem Muth // Harrte ſie auf Rüdiger, · den edeln Boten gut. // Er fand ſie in dem Kleide, · das ſie für täglich trug: // Dabei hatt ihr Geſinde · reicher Kleider genug. // Sie gieng ihm entgegen · zu der Thüre hin // Und empfieng Etzels Recken · mit gütlichem Sinn. // Nur ſelbzwölfter trat er · herein zu der Fraun; // Man bot ihm große Ehre; · wer möcht auch beßre Boten ſchaun? // Man hieß den Herren ſitzen · und Die in ſeinem Lehn. // Die beiden Markgrafen · ſah man vor ihr ſtehn, // Eckewart und Gere, · die edeln Ritter gut. // Um der Hausfrau willen · ſahn ſie Niemand wohlgemuth. // Sie ſahen vor ihr ſitzen · manche ſchöne Maid. // Da hatte Frau Kriemhild · Jammer nur und Leid. // Ihr Kleid war vor den Brüſten · von heißen Thränen naß. // Das ſah der edle Markgraf, · der nicht länger vor ihr ſaß. // Er ſprach in großen Züchten: · „Viel edles Königskind, // Mir und den Gefährten, · die mit mir kommen ſind, // Sollt ihr, Frau, erlauben, · daß wir vor euch ſtehn // Und euch melden, weshalb · unſre Reiſe ſei geſchehn.“ // „Ich will euch gern erlauben,“ · ſprach die Königin, // „Was ihr wollt, zu reden; · alſo ſteht mein Sinn, // daß ich es gerne höre: · ihr ſeid ein Bote gut.“ // Da merkten wohl die Andern · ihren abgeneigten Muth. // Da ſprach von Bechelaren · der Markgraf Rüdiger: // „Euch läßt entbieten, Herrin, · Etzel der König hehr // Große Lieb und Treue · hierher in dieſes Land; // Er hat um eure Minne · viel gute Recken geſandt. // „Er entbeut euch freundlich · Liebe ſonder Leid; // Er ſei ſtäter Freundſchaft · nun euch hinfort bereit // Wie Helken einſt, der Königin, · die ihm am Herzen lag: // Ihr ſollt die Krone tragen, · deren ſie vor Zeiten pflag.“ // Da ſprach zu ihm die Königin: · „Markgraf Rüdiger, // Wenn meines Herzeleides · Jemand kundig war, // Der würde mir nicht rathen · zu einem zweiten Mann: // Ich verlor der Beſten Einen, · die je ein Weib noch gewann.“ // „Was tröſtet mehr im Leide“, · ſprach der kühne Mann, // „Als freundliche Liebe? · Wer die gewähren kann // Und hat ſich den erkoren, · der ihm zu Herzen kommt, // Der erfährt wohl, daß im Leide · nichts ſo ſehr als Liebe frommt. // „Und geruht ihr zu minnen · den edeln Herren mein, // Zwölf reicher Kronen · ſollt ihr gewaltig ſein. // Dazu von dreißig Fürſten · giebt euch mein Herr das Land, // Die alle hat bezwungen · ſeine vielgewaltge Hand. // „Ihr ſollt auch Herrin werden · über manchen werthen Mann, // Die meiner Frauen Helke · waren unterthan, // Und viel der ſchönen Maide, · einſt ihrem Dienſt geſellt, // Von hoher Fürſten Stamme,“ · ſprach der hochbeherzte Held. // „Dazu giebt euch der König, · gebot er euch zu ſagen, // Wenn ihr geruht die Krone · bei meinem Herrn zu tragen, // Gewalt die allerhöchſte, · die Helke je gewann: // Alle Mannen Etzels · werden euch da unterthan.“ // „Wie möchte jemals wieder,“ · ſprach die Königin, // „Eines Helden Weib zu werden · gelüſten meinem Sinn? // Mir hat der Tod an Einem · ſo bittres Leid gethan, // Daß ichs bis an mein Ende · nimmermehr verſchmerzen kann.“ // Die Heunen ſprachen wieder: · Viel reiche Königin, // Das Leben geht bei Etzeln · ſo herrlich euch dahin, // Daß ihr in Wonnen ſchwebet, · weigert ihr es nicht; // Mancher ziere Degen · ſteht in des reichen Königs Pflicht. // „Helkens Jungfrauen · und eure Mägdelein, // Sollten die beiſammen · je Ein Geſinde ſein, // Dabei möchten Recken · wohl werden wohlgemuth. // Laßt es euch rathen, Fraue, · es bekommt euch wahrlich gut.“ // Sie ſprach mit edler Sitte: · „Nun laßt die Rede ſein // Bis morgen in der Frühe, · dann tretet zu mir ein, // Daß ich auf die Werbung · euch gebe den Beſcheid.“ // Da muſten Folge leiſten · die kühnen Degen allbereit. // Als zu den Herbergen · ſie kamen allzumal, // Nach Geiſelhern zu ſenden · die edle Frau befahl // Und nach ihrer Mutter: · den Beiden ſagte ſie, // Ihr gezieme nur zu weinen · und alles Andere nie. // Da ſprach ihr Bruder Geiſelher: · „Mir ahnt, Schweſter mein, // Und gerne mag ichs glauben, · dein Leid und deine Pein // Wird König Etzel wenden; · und nimmſt du ihn zum Mann, // Was Jemand anders rathe, · ſo dünkt es mich wohlgethan.“ // „Er mag dirs wohl erſetzen,“ · ſprach wieder Geiſelher. // „Vom Rotten bis zum Rheine, · von der Elbe bis ans Meer // Weiß man keinen König · gewaltiger als ihn. // Du magſt dich höchlich freuen, · heiſcht er dich zur Königin.“ // Sie ſprach: „Lieber Bruder, · wie räthſt du mir dazu? // Weinen und Klagen · das käm mir eher zu. // Wie ſollt ich vor den Recken · da zu Hofe gehn? // Hatt ich jemals Schönheit, · um die iſts lange geſchehn.“ // Da redete Frau Ute · der lieben Tochter zu: // „Was deine Brüder rathen, · liebes Kind, das thu. // Folge deinen Freunden, · ſo mag dirs wohlergehn. // Hab ich dich doch ſo lange · in großem Jammer geſehn.“ // Da bat ſie, daß vom Himmel · ihr würde Rath geſandt: // Denn hätte ſie zu geben · Gold, Silber und Gewand // Wie einſt, da er noch lebte, · ihr Mann der Degen hehr, // Sie erlebe doch nicht wieder · ſo frohe Stunden nachher. // Sie dacht in ihrem Sinne: · „Und ſollt ich meinen Leib // Einem Heiden geben? · Ich bin ein Chriſtenweib; // Des müſt ich billig Schelte · von aller Welt empfahn; // Gäb er mir alle Reiche, · es bliebe doch ungethan.“ // Da ließ ſie es bewenden. · Die Nacht bis an den Tag // Die Frau in ihrem Bette · voll Gedanken lag. // Ihre lichten Augen · trockneten ihr nicht, // Bis ſie hin zur Mette · wieder gieng beim Morgenlicht. // Nun waren auch die Könige · zur Meſſezeit gekommen. // Sie hatten ihre Schweſter · an die Hand genommen // Und riethen ihr zu minnen · den von Heunenland. // Niemand doch die Fraue · ein wenig fröhlicher fand. // Da ließ man zu ihr bringen, · die Etzel hingeſandt, // Die nun mit Urlaub wollten · räumen Gunthers Land, // Wie es gerathen möge, · mit Nein oder Ja! // Da kam zu Hofe Rüdiger: · die Gefährten mahnten ihn da, // Recht zu erforſchen · des edeln Fürſten Muth // Und zeitig das zu leiſten; · das dauchte Jeden gut; // Ihre Wege wären ferne · wieder in ihr Land. // Man brachte Rüdigeren · hin, wo er Kriemhilden fand. // Da bat alsbald der Recke · die edle Königin // Mit minniglichen Worten, · zu künden ihren Sinn, // Was ſie entbieten wolle · in König Etzels Land. // Der Held mit ſeinem Werben · bei ihr nur Weigerung fand. // „Sie wolle nimmer wieder · minnen einen Mann.“ // Dawider ſprach der Markgraf: · „Das wär nicht recht gethan: // Was wolltet ihr verderben · ſo minniglichen Leib? // Ihr werdet noch mit Ehren · eines werthen Recken Weib.“ // Nichts half es, was ſie baten, · bis daß Rüdiger // Insgeheim geſprochen · mit der Königin hehr, // Er hoff ihr zu vergüten · all ihr Ungemach. // Da ließ zuletzt ein wenig · ihre hohe Trauer nach. // Er ſprach zu der Königin: · „Laßt euer Weinen ſein; // Hättet ihr bei den Heunen · Niemand als mich allein, // Meine getreuen Freunde · und Die mir unterthan, // Er ſollt es ſchwer entgelten, · hätt euch Jemand Leid gethan.“ // Davon ward erleichtert · der Frauen wohl der Muth. // Sie ſprach: „So ſchwört mir, Rüdiger, · was mir Jemand thut, // Ihr wollt der Erſte werden, · der rächen will mein Leid.“ // Da ſprach zu ihr der Markgraf: · „Dazu bin ich, Frau, bereit.“ // Mit allen ſeinen Mannen · ſchwur ihr da Rüdiger, // Ihr immer treu zu dienen, · und daß die Recken hehr // Ihr nichts verſagen wollten · in König Etzels Land, // Was ihre Ehre heiſche: · das gelobt' ihr Rüdigers Hand. // Da gedachte die Getreue: · „Wenn ich gewinnen kann // So viel ſtäter Freunde, · ſo ſeh ichs wenig an, // Was auch die Leute reden, · in meines Jammers Noth. // Vielleicht wird noch gerochen · meines lieben Mannes Tod.“ // Sie gedachte: „Da Herr Etzel · der Recken hat ſo viel, // Denen ich gebiete, · ſo thu ich, was ich will. // Er hat auch ſolche Schätze, · daß ich verſchenken kann; // Mich hat der leide Hagen · meines Gutes ohne gethan.“ // Sie ſprach zu Rüdigeren: · „Hätt ich nicht vernommen, // Daß er ein Heide wäre, · ſo wollt ich gerne kommen, // Wohin er geböte, · und nähm ihn zum Mann.“ // Da ſprach der Markgraf wieder: · „Steht darauf, Herrin, nicht an. // „Er iſt nicht gar ein Heide, · des dürft ihr ſicher ſein: // Er iſt getauft geweſen, · der liebe Herre mein, // Wenn er auch zu den Heiden · wieder übertrat: // Wollt ihr ihn, Herrin, minnen, · ſo wird darüber noch Rath. // „Ihm dienen ſo viel Recken · in der Chriſtenheit, // Daß euch bei dem König · nie widerfährt ein Leid. // Ihr mögt auch leicht erlangen, · daß der König gut // Zu Gott wieder wendet · ſo die Seele wie den Muth.“ // Da ſprachen ihre Brüder: · „Verheißt es, Schweſter mein, // Und all euern Kummer · laßt in Zukunft ſein.“ // Des baten ſie ſo lange, · bis ſie mit Trauer drein // Vor den Helden willigte, · den König Etzel zu frein. // Sie ſprach: „Ich muß euch folgen, · ich arme Königin! // Ich fahre zu den Heunen, · wann es geſchehe, hin, // Wenn ich Freunde finde, · die mich führen in ſein Land.“ // Darauf bot vor den Helden · die ſchöne Kriemhild die Hand. // Der Markgraf ſprach: „Zwei Recken · ſtehn in eurem Lehn, // Dazu hab ich noch manchen: · ſo kann es wohl geſchehn, // Daß wir euch mit Ehren · bringen überrhein, // Ich laß euch nun nicht länger · hier bei den Burgunden ſein. // „Fünfhundert Mannen hab ich · und der Freunde mein: // Die ſollen euch zu Dienſten · hier und bei Etzeln ſein, // Was ihr auch gebietet; · ich ſelber ſteh euch bei // Und will michs nimmer ſchämen, · mahnt ihr mich künftig meiner Treu. // „Eure Pferdedecken · haltet euch bereit; // Was Rüdiger gerathen hat, · wird euch nimmer leid. // Und ſagt es euern Mägdlein, · die ihr euch geſellt, // Uns begegnet unterwegs · mancher auserwählte Held.“ // Sie hatten noch Geſchmeide, · das ſie zu Siegfrieds Zeit // Beim Reiten getragen, · daß ſie mit mancher Maid // Mit Ehren reiſen mochte, · ſo ſie wollt hindann. // Hei! was man guter Sättel · den ſchönen Frauen gewann! // Hatten ſie ſchon immer · getragen reich Gewand, // So wurde des zur Reiſe · die Fülle nun zur Hand, // Weil ihnen von dem König · ſo viel geprieſen ward; // Sie ſchloßen auf die Kiſten, · ſo lang verſperrt und geſpart. // Sie waren ſehr geſchäftig · wohl fünftehalben Tag // Und ſuchten aus dem Einſchlag, · ſo viel darinne lag. // Ihre Kammer zu erſchließen · hub da Kriemhild an, // Sie Alle reich zu machen, · Die Rüdigern unterthan. // Sie hatte noch des Goldes · von Nibelungenland: // Das ſollte bei den Heunen · vertheilen ihre Hand. // Sechshundert Mäule mochten · es nicht von dannen tragen. // Die Märe hörte Hagen · da von Kriemhilden ſagen. // Er ſprach: „Mir wird Kriemhild · doch nimmer wieder hold: // So muß auch hier verbleiben · Siegfriedens Gold. // Wie ließ' ich meinen Feinden · wohl ſo großes Gut? // Ich weiß gar wohl, was Kriemhild · noch mit dieſem Schatze thut. // „Brächte ſie ihn von hinnen, · ich glaube ſicherlich, // Sie würd ihn nur vertheilen, · zu werben wider mich. // Sie hat auch nicht die Roſſe, · um ihn hinwegzutragen: // Behalten will ihn Hagen, · das ſoll man Kriemhilden ſagen.“ // Als ſie vernahm die Märe, · das ſchuf ihr grimme Pein. // Es ward auch den Königen · gemeldet allen drein: // Sie gedachten es zu wenden. · Als das nicht geſchah, // Rüdiger der edle · ſprach mit frohem Muthe da: // „Reiche Königstochter, · was klagt ihr um das Gold? // Euch iſt König Etzel · ſo zugethan und hold, // Erſehn euch ſeine Augen, · er giebt euch ſolchen Hort, // Daß ihr ihn nie verſchwendet; · das verbürgt euch, Frau, mein Wort.“ // Da ſprach zu ihm die Königin: · „Viel edler Rüdiger, // Nie gewann der Schätze · eine Königstochter mehr // Als die, deren Hagen · mich ohne hat gethan.“ // Da kam ihr Bruder Gernot · zu ihrer Kammer heran. // Mit des Königs Macht den Schlüßel · ſtieß er in die Thür. // Kriemhildens Schätze · reichte man herfür, // An dreißigtauſend Marken · oder wohl noch mehr, // Daß es die Gäſte nähmen: · des freute Gunther ſich ſehr. // Da ſprach von Bechelaren · der Gotelinde Mann: // „Und gehörten all die Schätze · noch Kriemhilden an, // Die man jemals brachte · von Nibelungenland, // Nicht berühren ſollt es · mein noch der Königin Hand. // „Heißt es aufbewahren, · da ichs nicht haben will. // Ich bracht aus unſerm Lande · des Meinen her ſo viel, // Wir mögens unterweges · entrathen wohl mit Fug: // Wir haben zu der Reiſe · genug und übergenug.“ // Zwölf Schreine hatten · noch ihre Mägdelein // Des allerbeſten Goldes, · das irgend mochte ſein, // Bewahrt aus alten Zeiten: · das nun verladen ward // Und viel der Frauenzierde, · die ſie brauchten auf der Fahrt. // Die Macht des grimmen Hagen · bedauchte ſie zu ſtark. // Des Opfergoldes hatte · ſie wohl noch tauſend Mark: // Das gab ſie für die Seele · von ihrem lieben Mann. // Das dauchte Rüdigeren · mit großen Treuen gethan. // Da ſprach die arme Königin: · „Wo ſind die Freunde mein, // Die da mir zu Liebe · im Elend wollen ſein // Und mit mir reiten ſollen · in König Etzels Land? // Die nehmen meines Goldes · und kaufen Roſs' und Gewand.“ // Alsbald gab ihr Antwort · der Markgraf Eckewart: // „Seit ich als Ingeſinde · euch zugewieſen ward, // Hab ich euch ſtäts getreulich · gedient,“ ſprach der Degen, // „Und will bis an mein Ende · des Gleichen immer bei euch pflegen. // „Ich führ auch mit der Meinen · fünfhundert Mann, // Die biet ich euch zu Dienſte · mit rechten Treuen an. // Wir bleiben ungeſchieden, · es thu es denn der Tod.“ // Der Rede dankt' ihm Kriemhild, · da ers ſo wohl ihr erbot. // Da brachte man die Roſſe: · ſie wollten aus dem Land. // Wohl huben an zu weinen · die Freunde all zur Hand. // Ute die reiche · und manche ſchöne Maid // Bezeigten, wie ſie trugen · um Kriemhilden Herzeleid. // Hundert ſchöner Mägdelein · führte ſie aus dem Land; // Die wurden wohl gekleidet, · jede nach ihrem Stand. // Aus lichten Augen fielen, · die Thränen ihnen nieder; // Manche Freud erlebten · ſie auch bei König Etzel wieder. // Da kam der junge Geiſelher · und König Gernot, // Mit ihrem Heergeſinde, · wie es die Zucht gebot: // Die liebe Schweſter wollten ſie · begleiten durch das Land; // Sie hatten im Gefolge · wohl tauſend Degen auserkannt. // Da kam der ſchnelle Gere · und auch Ortewein; // Rumold der Küchenmeiſter · der ließ ſie nicht allein. // Sie ſchufen Nachtlager · der Frauen auf den Wegen: // Als Marſchall ſollte Volker · ihrer Herberge pflegen. // Bei Abſchiedsküſſen hatte · man Weinen viel vernommen, // Eh ſie zu Felde waren · von der Burg gekommen. // Ungebeten gaben Viele · Geleit ihr durch das Land. // Vor der Stadt ſchon hatte · ſich König Gunther gewandt. // Eh ſie vom Rheine führen, · hatten ſie vorgeſandt // Ihre ſchnellen Boten · in der Heunen Land, // Dem Könige zu melden, · daß ihm Rüdiger // Zum Gemahl geworben · die edle Königin hehr. // Die Boten fuhren ſchnelle: · Eil war ihnen Noth // Um die große Ehre · und das reiche Botenbrot. // Als ſie mit ihren Mären · waren heimgekommen, // Da hatte König Etzel · ſo Liebes ſelten vernommen. // Der frohen Kunde willen · ließ der König geben // Den Boten ſolche Gaben, · daß ſie wohl mochten leben // Immerdar in Freuden · hernach bis an den Tod: // Mit Wonne war verſchwunden · des Königs Kummer und Noth. // 21. Einundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Kriemhild zu den Heunen fuhr. Die Boten laßt reiten, · ſo thun wir euch bekannt, // Wie die Königstochter · fuhr durch das Land, // Und wo von ihr Geiſelher · ſchied mit Gernot; // Sie hatten ihr gedienet, · wie ihre Treue gebot. // Sie kamen an die Donau · gen Bergen nun geritten. // Da begannen ſie um Urlaub · die Königin zu bitten, // Weil ſie wieder wollten · reiten an den Rhein. // Da mocht es ohne Weinen · von guten Freunden nicht ſein. // Geiſelher der ſchnelle · ſprach zu der Schweſter ſein: // „Schweſter, wenn du jemals · bedürfen ſollteſt mein, // Was immer dich gefährde, · ſo mach es mir bekannt, // Dann reit ich dir zu dienen · hin in König Etzels Land.“ // Die Verwandten alle küſſte ſie auf den Mund. // Minniglich ſich ſcheiden · ſah man da zur Stund // Die ſchnellen Burgunden · von Rüdigers Geleit. // Da zog mit der Königin · manche wohlgethane Maid, // Hundert und viere; · ſie trugen ſchön Gewand // Von buntgewebten Zeugen; · manch breiten Schildesrand // Führte man der Königin · nach auf ihren Wegen. // Da bat auch um Urlaub · Volker der zierliche Degen. // Ueber die Donau kamen · ſie jetzt gen Baierland: // Da ſagte man die Märe, · es kämen angerannt // Viel unkunder Gäſte. · Wo noch ein Kloſter ſteht // Und der Innfluß mündend · in die Donau niedergeht, // In der Stadt zu Paßau · ſaß ein Biſchof. // Herbergen leerten ſich · und auch des Fürſten Hof: // Den Gäſten entgegen · giengs auf durch Baierland, // Wo der Biſchof Pilgerin · die ſchöne Kriemhild fand. // Den Recken in dem Lande · war es nicht zu leid, // Als ſie ihr folgen ſahen · ſo manche ſchöne Maid. // Da kos'ten ſie mit Augen · manch edeln Ritters Kind. // Gute Herberge · wies man den Gäſten geſchwind. // Dort zu Pledelingen · ſchuf man ihnen Ruh; // Das Volk allenthalben · ritt auf ſie zu. // Man gab, was ſie bedurften, · williglich und froh: // Sie nahmen es mit Ehren; · ſo that man bald auch anderswo. // Der Biſchof mit der Nichte · ritt auf Paßau an. // Als es da den Bürgern · der Stadt ward kund gethan, // Das Schweſterkind des Fürſten, · Kriemhild wolle kommen, // Da ward ſie wohl mit Ehren · von den Kaufherrn aufgenommen. // Als der Biſchof wähnte, · ſie blieben nachts ihm da, // Sprach Eckewart der Markgraf: · „Unmöglich iſt das ja: // Wir müßen abwärts reiten · in Rüdigers Land: // Viel Degen harren unſer: · ihnen allen iſt es bekannt.“ // Nun wuſt auch wohl die Märe · die ſchöne Gotelind: // Sie rüſtete ſich fleißig · und auch ihr edel Kind. // Ihr hatt entboten Rüdiger, · ihn bedünk es gut, // Wenn ſie der Königstochter · damit tröſtete den Muth // Und ihr entgegenritte · mit ſeiner Mannen Schar // Hinauf bis zur Enſe. · Als das im Werke war, // Da ſah man allenthalben · erfüllt die Straßen ſtehn: // Sie wollten ihren Gäſten · entgegen reiten und gehn. // Nun war gen Everdingen · die Königin gekommen. // Man hatt im Baierlande · von Schächern wohl vernommen, // Die auf den Straßen raubten, · wie es ihr Gebrauch: // So hätten ſie die Gäſte · mögen ſchädigen auch. // Das hatte wohl verhütet · der edle Rüdiger: // Er führte tauſend Ritter · oder wohl noch mehr. // Da kam auch Gotelinde, · Rüdigers Gemahl, // Mit ihr in ſtolzem Zuge · kühner Recken große Zahl. // Ueber die Traune kamen ſie · bei Enſe auf das Feld; // Da ſah man aufgeſchlagen · Hütten und Gezelt, // Daß gute Ruhe fänden · die Gäſte bei der Nacht. // Für ihre Koſt zu ſorgen · war der Markgraf bedacht. // Von den Herbergen · ritt ihrer Frau entgegen // Gotelind die ſchöne. · Da zogen auf den Wegen // Mit klingenden Zäumen · viel Pferde wohlgethan. // Sie wurde wohl empfangen; · lieb that man Rüdigern daran. // Die ſie zu beiden Seiten · begrüßten auf dem Feld // Mit kunſtvollem Reiten, · das war mancher Held. // Sie übten Ritterſpiele; · das ſah manch ſchöne Maid. // Auch war der Dienſt der Helden · den ſchönen Frauen nicht leid. // Als zu den Gäſten kamen · Die in Rüdigers Lehn, // Viel Schaftſplitter ſah man · in die Lüfte gehn // Von der Recken Händen · nach ritterlichen Sitten. // Da wurde wohl zu Danke · vor den Frauen geritten. // Sie ließen es bewenden. · Da grüßte mancher Mann // Freundlich den andern. · Nun führten ſie heran // Die ſchöne Gotelinde, · wo ſie Kriemhild ſah. // Die Frauen dienen konnten, · hatten ſelten Muße da. // Der Vogt von Bechelaren · ritt zu Gotlinden hin. // Wenig Kummer ſchuf es · der edeln Markgräfin, // Daß ſie wohl geborgen · ihn ſah vom Rheine kommen. // Ihr war die meiſte Sorge · mit großer Freude benommen. // Als ſie ihn hatt empfangen, · hieß er ſie auf das Feld // Mit den Frauen ſteigen, · die er ihr ſah geſtellt. // Da zeigte ſich geſchäftig · mancher edle Mann: // Den Frauen wurden Dienſte · mit großem Fleiße gethan. // Da erſah Frau Kriemhild · die Markgräfin ſtehn // Mit ihrem Ingeſinde: · ſie ließ nicht näher gehn: // Sie zog mit dem Zaume · das Roſs an, das ſie trug, // Und ließ ſich aus dem Sattel · heben ſchleunig genug. // Den Biſchof ſah man führen · ſeiner Schweſter Kind, // Ihn und Eckewarten, · hin zu Frau Gotelind. // Es muſte vor ihr weichen, · wer im Wege ſtund. // Da küſſte die Fremde · die Markgräfin auf den Mund. // Da ſprach mit holden Worten · die edle Markgräfin: // „Nun wohl mir, liebe Herrin, · daß ich ſo glücklich bin, // Hier in dieſem Lande · mit Augen euch zu ſehn: // Mir könnt in dieſen Zeiten · nimmer lieber geſchehn.“ // „Nun lohn euch Gott,“ ſprach Kriemhild, · „viel edle Gotelind. // So ich geſund verbleibe · mit Botlungens Kind, // Mag euch zu Gute kommen, · daß ihr mich habt geſehn.“ // Noch ahnten nicht die Beiden, · was ſpäter muſte geſchehn. // Mit Züchten zu einander · gieng da manche Maid; // Zu Dienſten waren ihnen · die Recken gern bereit. // Sie ſetzten nach dem Gruße · ſich nieder auf den Klee: // Da lernten ſich kennen, · die ſich fremd geweſen eh. // Man ließ den Frauen ſchenken. · Es war am hohen Tag; // Das edle Ingeſinde · der Ruh nicht länger pflag. // Sie ritten, bis ſie fanden · viel breiter Hütten ſtehn: // Da konnten große Dienſte · den edeln Gäſten geſchehn. // Ueber Nacht da pflegen · ſollten ſie der Ruh. // Die von Bechelaren · ſchickten ſich dazu, // Nach Würden zu bewirthen · ſo manchen werthen Mann. // So hatte Rüdiger geſorgt, · es gebrach nicht viel daran. // Die Fenſter an den Mauern · ſah man offen ſtehn; // Man mochte Bechelaren · weit erſchloßen ſehn. // Da ritten ein die Gäſte, · die man gerne ſah; // Gut Gemach ſchuf ihnen · der edle Rüdiger da. // Des Markgrafen Tochter · mit dem Geſinde gieng // Dahin, wo ſie die Königin · minniglich empfieng. // Da war auch ihre Mutter, · Rüdigers Gemahl: // Liebreich empfangen wurden · die Jungfrauen allzumal. // Sie fügten ihre Hände · in Eins und giengen dann // Zu einem weiten Saale, · der war gar wohlgethan, // Vor dem die Donau unten · die Flut vorübergoß. // Da ſaßen ſie im Freien · und hatten Kurzweile groß. // Ich kann euch nicht beſcheiden, · was weiter noch geſchah. // Daß ſie ſo eilen müſten, · darüber klagten da // Die Recken Kriemhildens; · wohl war es ihnen leid. // Was ihnen guter Degen · aus Bechlarn gaben Geleit! // Viel minnigliche Dienſte · der Markgraf ihnen bot. // Da gab die Königstochter · zwölf Armſpangen roth // Der Tochter Gotlindens · und alſo gut Gewand, // Daß ſie kein beßres brachte · hin in König Etzels Land. // Obwohl ihr war benommen · der Nibelungen Gold, // Alle, die ſie ſahen, · machte ſie ſich hold // Noch mit dem kleinen Gute, · das ihr verblieben war. // Dem Ingeſind des Wirthes · bot ſie große Gaben dar. // Dafür erwies Frau Gotlind · den Gäſten von dem Rhein // Auch ſo hohe Ehre · mit Gaben groß und klein, // Daß man da der Fremden · wohl ſelten einen fand, // Der nicht von ihr Geſteine · trug oder herrlich Gewand. // Als man nach dem Imbiß · fahren ſollt hindann, // Ihre treuen Dienſte · trug die Hausfrau an // Mit minniglichen Worten · Etzels Gemahl. // Die liebkos'te ſcheidend · der ſchönen Jungfrau zumal. // Da ſprach ſie zu der Königin: · „Dünkt es euch nun gut, // So weiß ich, wie gern es · mein lieber Vater thut, // Daß er mich zu euch ſendet · in der Heunen Land.“ // Daß ſie ihr treu geſinnt war, · wie wohl Frau Kriemhild das fand! // Die Roſſe kamen aufgezäumt · vor Bechelaren an. // Als die edle Königin · Urlaub hatt empfahn // Von Rüdigers Weibe · und von der Tochter ſein, // Da ſchieden auch mit Grüßen · viel der ſchönen Mägdelein. // Sie ſahn einander ſelten · mehr nach dieſen Tagen. // Aus Medelick auf Händen · brachte man getragen // Manch ſchönes Goldgefäße · angefüllt mit Wein // Den Gäſten auf die Straße · und hieß ſie willkommen ſein. // Ein Wirth war da geſeßen, · Aſtold genannt, // Der wies ſie die Straße · ins Oeſterreicherland // Gegen Mautaren · an der Donau nieder: // Da ward viel Dienſt erboten · der reichen Königin wieder. // Der Biſchof mit Liebe · von ſeiner Nichte ſchied. // Daß ſie ſich wohl gehabe, · wie ſehr er ihr das rieth, // Und ſich Ehr erwerbe, · wie Helke einſt gethan. // Hei! was ſie großer Ehren · bald bei den Heunen gewann! // An die Traiſem kamen · die Gäſt in kurzer Zeit. // Sie zu pflegen fliß ſich · Rüdigers Geleit, // Bis daß man die Heunen · ſah reiten über Land: // Da ward der Königstochter · erſt große Ehre bekannt. // Bei der Traiſem hatte · der Fürſt von Heunenland // Eine reiche Veſte, · im Lande wohl bekannt, // Mit Namen Traiſenmauer: · einſt wohnte Helke da // Und pflag ſo hoher Milde, · als wohl nicht wieder geſchah, // Es ſei denn von Kriemhilden; · die mochte gerne geben. // Sie durfte wohl die Freude · nach ihrem Leid erleben, // Daß ihre Güte prieſen, · die Etzeln unterthan. // Das Lob ſie bei den Helden · in der Fülle bald gewann. // König Etzels Herrſchaft · war ſo weit erkannt, // Daß man zu allen Zeiten · an ſeinem Hofe fand // Die allerkühnſten Recken, · davon man je vernommen // Bei Chriſten oder Heiden; · die waren all mit ihm gekommen. // Bei ihm war allerwegen, · ſo ſieht mans nimmermehr, // So chriſtlicher Glaube · als heidniſcher Verkehr. // Wozu nach ſeiner Sitte · ſich auch ein Jeder ſchlug, // Das ſchuf des Königs Milde, · man gab doch Allen genug. // 22. Zweiundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Kriemhild bei den Heunen empfangen ward. Sie blieb zu Traiſenmauer · bis an den vierten Tag. // Der Staub in den Straßen · derweil nicht ſtille lag: // Aufſtob er allenthalben · wie in hellem Brand. // Da ritten Etzels Leute · durch das Oeſterreicherland. // Es war dem König Etzel · gemeldet in der Zeit, // Daß ihm vor Gedanken · ſchwand ſein altes Leid, // Wie herrlich Frau Kriemhild · zöge durch das Land. // Da eilte hin der König, · wo er die Minnigliche fand. // Von gar manchen Sprachen · ſah man auf den Wegen // Vor König Etzeln reiten · viel der kühnen Degen, // Von Chriſten und von Heiden · manches breite Heer. // Als ſie die Herrin fanden, · ſie zogen fröhlich einher. // Von Reußen und von Griechen · ritt da mancher Mann; // Die Polen und Walachen · zogen geſchwind heran // Auf den guten Roſſen, · die ſie herrlich ritten. // Da zeigte ſich ein Jeder · in ſeinen heimiſchen Sitten. // Aus dem Land zu Kiew · ritt da mancher Mann // Und die wilden Peſchenegen. · Mit Bogen hub man an // Zu ſchießen nach den Vögeln, · die in den Lüften flogen; // Mit Kräften ſie die Pfeile · bis zu des Bogens Ende zogen. // Eine Stadt liegt an der Donau · im Oeſterreicherland, // Die iſt geheißen Tulna. · Da ward ihr bekannt // Manche fremde Sitte, · die ſie noch niemals ſah. // Da empfiengen ſie gar Viele, · denen noch Leid von ihr geſchah. // Es ritt dem König Etzel · ein Ingeſind voran, // Fröhlich und prächtig, · höfiſch und wohlgethan, // Wohl vierundzwanzig Fürſten, · mächtig und hehr: // Ihre Königin zu ſchauen, · ſie begehrten ſonſt nichts mehr. // Ramung, der Herzog · aus Walachenland, // Mit ſiebenhundert Mannen · kam er vor ſie gerannt. // Wie fliegende Vögel · ſah man ſie alle fahren. // Da kam der Fürſt Gibeke · mit viel herrlichen Scharen. // Hornbog der ſchnelle · ritt mit tauſend Mann // Von des Königs Seite · zu ſeiner Fraun heran. // Sie prangten und ſtolzierten · nach ihres Landes Sitten. // Von den Heunenfürſten · ward auch da herrlich geritten. // Da kam vom Dänenlande · der kühne Hawart // Und Iring der ſchnelle, · vor allem Falſch bewahrt; // Von Thüringen Irnfried, · ein waidlicher Mann: // Sie empfiengen Kriemhilden, · daß ſie viel Ehre gewann, // Mit zwölfhundert Mannen, · die zählte ihre Schar. // Da kam der Degen Blödel · mit dreitauſend gar, // König Etzels Bruder · aus dem Heunenland: // Der ritt in ſtolzem Zuge, · bis er die Königin fand. // Da kam der König Etzel · und Herr Dieterich // Mit ſeinen Helden allen. · Da ſah man ritterlich // Manchen edeln Ritter · bieder und auch gut. // Davon ward Kriemhilden · gar wohl erhoben der Muth. // Da ſprach zu der Königin · der edle Rüdiger: // „Frau, euch will empfangen · hier der König hehr. // Wen ich euch küſſen heiße, · dem ſei der Kuſs gegönnt: // Wißt, daß ihr Etzels Recken · nicht alle gleich empfangen könnt.“ // Da hob man von der Mähre · die Königin hehr. // Etzel der reiche · nicht ſäumt' er länger mehr: // Er ſchwang ſich von dem Roſſe · mit manchem kühnen Mann; // Voller Freuden kam er · zu Frau Kriemhilden heran. // Zwei mächtige Fürſten, · das iſt uns wohlbekannt, // Giengen bei der Frauen · und trugen ihr Gewand, // Als der König Etzel · ihr entgegen gieng // Und ſie den edlen Fürſten · mit Küſſen gütlich empfieng. // Sie ſchob hinauf die Binden: · ihre Farbe wohlgethan // Erglänzt' aus dem Golde. · Da ſagte mancher Mann, // Frau Helke könne ſchöner · nicht geweſen ſein. // Da ſtand in der Nähe · des Königs Bruder Blödelein. // Den rieth ihr zu küſſen · Rüdiger der Markgraf reich // Und den König Gibeke, · Dietrichen auch zugleich: // Zwölf der Recken küſſte · Etzels Königin; // Da blickte ſie mit Grüßen · noch zu manchem Ritter hin. // Während König Etzel · bei Kriemhilden ſtand, // Thaten junge Degen · wie Sitte noch im Land: // Waffenſpiele wurden · ſchön vor ihr geritten; // Das thaten Chriſtenhelden · und Heiden nach ihren Sitten. // Wie ritterlich die Degen · in Dietrichens Lehn // Die ſplitternden Schäfte · in die Lüfte ließen gehn // Hoch über Schilde · aus guter Ritter Hand! // Vor den deutſchen Gäſten · brach da mancher Schildesrand. // Von der Schäfte Krachen · vernahm man lauten Schall. // Da waren aus dem Lande · die Recken kommen all // Und auch des Königs Gäſte, · ſo mancher edle Mann: // Da gieng der reiche König · mit der Königin hindann. // Sie fanden in der Nähe · ein herrlich Gezelt. // Erfüllt war von Hütten · rings das ganze Feld; // Da war nach den Beſchwerden · Raſt für ſie bereit. // Da geleiteten die Helden · darunter manche ſchöne Maid // Zu Kriemhild der Königin, · die dort darnieder ſaß // Auf reichem Stuhlgewande; · der Markgraf hatte das // So prächtig ſchaffen laßen, · ſie fandens ſchön und gut. // Da ſtand dem König Etzel · in hohen Freuden der Muth. // Was ſie zuſammen redeten, · das iſt mir unbekannt; // In ſeiner Rechten ruhte · ihre weiße Hand. // So ſaßen ſie in Minne, · als Rüdiger der Degen // Dem König nicht geſtattete, · Kriemhildens heimlich zu pflegen. // Da ließ man unterbleiben · das Kampfſpiel überall; // Mit Ehren ward beendet · der laute Freudenſchall. // Da giengen zu den Hütten · Die Etzeln unterthan; // Herberge wies man ihnen · ringsum allenthalben an. // Den Abend und nachtüber · fanden ſie Ruhe da, // Bis man den lichten Morgen · wieder ſcheinen ſah. // Da kamen hoch zu Roſſe · viel Helden auserſehn; // Hei! was ſah man Kurzweil · zu des Königs Ehren geſchehn! // Nach Würden es zu ſchaffen · der Fürſt die Heunen bat. // Da ritten ſie von Tulna · gen Wien in die Stadt. // In ſchönem Schmucke fand man · da Frauen ohne Zahl. // Sie empfiengen wohl mit Ehren · König Etzels Gemahl. // In Ueberfluß und Fülle · war da für ſie bereit, // Wes ſie nur bedurften. · Viel Degen allbereit // Sahn froh dem Feſt entgegen. · Herbergen wies man an; // Die Hochzeit des Königs · mit hohen Freuden begann. // Man mochte ſie nicht alle · herbergen in der Stadt: // Die nicht Gäſte waren, · Rüdiger die bat, // Daß ſie Herberge · nahmen auf dem Land. // Wohl weiß ich, daß man immer · den König bei Kriemhilden fand. // Dietrich der Degen · und mancher andre Held // Die hatten ihre Muße · mit Arbeit eingeſtellt, // Auf daß ſie den Gäſten · tröſteten den Muth; // Rüdger und ſeine Freunde · hatten Kurzweile gut. // Die Hochzeit war gefallen · auf einen Pfingſtentag, // Wo der König Etzel · bei Kriemhilden lag // In der Stadt zu Wiene. · Fürwahr ſo manchen Mann // Bei ihrem erſten Manne · ſie nicht zu Dienſten gewann. // Durch Gabe ward ſie Manchem, · der ſie nicht kannte, kund. // Darüber zu den Gäſten · hub Mancher an zur Stund: // „Wir wähnten, Kriemhilden · benommen wär ihr Gut, // Die nun mit ihren Gaben · hier ſo große Wunder thut.“ // Dieſe Hochzeit währte · ſiebzehn Tage lang. // Von keinem andern König · weiß der Heldenſang, // Der ſolche Hochzeit hielte: · es iſt uns unbekannt. // Alle, die da waren, · die trugen neues Gewand. // Sie hatte nie geſeßen · daheim in Niederland // Vor ſo manchem Recken; · auch iſt mir wohlbekannt, // War Siegfried reich an Schätzen, · ſo hatte er doch nicht // So viel der edeln Recken, · als ſie hier ſah in Etzels Pflicht. // Wohl gab auch nie ein König · bei ſeiner Hochzeit // So manchen reichen Mantel, · lang, tief und weit, // Noch ſo gute Kleider, · als man hier gewann, // Die Kriemhildens willen · alle wurden vertan. // Ihre Freunde wie die Gäſte · hatten Einen Muth: // Sie dachten nichts zu ſparen, · und wärs das beſte Gut. // Was Einer wünſchen mochte, · man war dazu bereit; // Da Standen viel der Degen · vor Milde bloß und ohne Kleid. // Wenn ſie daran gedachte, · wie ſie am Rheine ſaß // Bei ihrem edeln Manne, · ihre Augen wurden naß; // Doch hehlte ſie es immer, · daß es Niemand ſah, // Da ihr nach manchem Leide · ſo viel der Ehren geſchah. // Was Einer that aus Milde, · das war doch gar ein Wind // Gegen Dietrichen: · was Botlungens Kind // Ihm gegeben hatte, · das wurde gar verwandt. // Da begieng auch große Wunder · des milden Rüdiger Hand. // Auch aus Ungarlande · der Degen Blödelein // Ließ da ledig machen · manchen Reiſeſchrein // Von Silber und von Golde: · das ward dahin gegeben. // Man ſah des Königs Helden · ſo recht fröhlich alle leben. // Des Königs Spielleute, · Werbel und Schwemmelein, // Wohl an tauſend Marken · nahm Jedweder ein // Bei dem Hofgelage · (oder mehr als das), // Als die ſchöne Kriemhild · bei Etzeln unter Krone ſaß. // Am achtzehnten Morgen · von Wien die Helden ritten. // In Ritterſpielen wurden · der Schilde viel verſchnitten // Von Speren, ſo da führten · die Recken an der Hand: // So kam der König Etzel · mit Freuden in der Heunen Land. // In Heimburg der alten · verblieb man über Nacht. // Da konnte Niemand wißen · recht des Volkes Macht, // Mit welchen Heerkräften · ſie ritten durch das Land. // Hei! was ſchöner Frauen · man in ſeiner Heimat fand! // In Miſenburg der reichen · fieng man zu ſegeln an. // Verdeckt ward das Waſſer · von Roſs und auch von Mann, // Als ob es Erde wäre, · was man doch fließen ſah. // Die wegemüden Frauen · mochten ſich wohl ruhen da. // Zuſammen war gebunden · manches Schifflein gut, // Daß ihnen wenig ſchaden · Woge mocht und Flut; // Darüber ausgebreitet · manch köſtlich Geleit, // Als ob ſie noch immer · beides hatten, Land und Feld. // Nun ward auch in Etzelnburg · die Märe kund gethan: // Da freute ſich darinnen · beides, Weib und Mann. // Etzels Ingeſinde, · des einſt Frau Helke pflag, // Erlebte bei Kriemhilden · noch manchen fröhlichen Tag. // Da ſtand ihrer harrend · gar manche edle Maid, // Die ſeit Helkens Tode · getragen Herzeleid. // Sieben Königstöchter · Kriemhild noch da fand; // Durch die ſo ward gezieret · König Etzels ganzes Land. // Herrat die Jungfrau · noch des Geſindes pflag, // Helkens Schweſtertochter, · in der viel Tugend lag, // Dietrichs Verlobte, · eines edeln Königs Sproß, // Die Tochter Nentweinens, · die noch viel Ehren genoß. // Auf der Gäſte Kommen · freute ſich ihr Muth; // Auch war dazu verwendet · viel koſtbares Gut. // Wer könnt euch des beſcheiden, · wie der König ſaß ſeitdem? // Den Heunen ward nicht wieder · eine Königin ſo genehm. // Als der Fürſt mit ſeinem Weibe · geritten kam vom Strand, // Wer eine Jede führte, · das ward da wohl benannt // Kriemhild der edeln: · ſie grüßte deſto mehr. // Wie ſaß an Helkens Stelle · ſie bald gewaltig und hehr! // Getreulichen Dienſtes · ward ihr viel bekannt. // Die Königin vertheilte · Gold und Gewand, // Silber und Geſteine: · was ſie des überrhein // Zum Heunenlande brachte, · das muſte gar vergeben ſein. // Auch wurden ihr mit Dienſten · ergeben allzumal // Die Freunde des Königs · und denen er befahl, // Daß Helke nie die Königin · ſo gewaltiglich gebot, // Als ſie ihr dienen muſten · bis an Kriemhildens Tod. // Da ſtand in ſolchen Ehren · der Hof und auch das Land, // Daß man zu allen Zeiten · die Kurzweile fand, // Wonach einem Jeden · verlangte Herz und Muth; // Das ſchuf des Königs Liebe, · dazu der Königin Gut. // 23. Dreiundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Kriemhild ihr Leid zu rächen gedachte. In ſo hohen Ehren, · das iſt alles wahr, // Wohnten ſie beiſammen · bis an das ſiebte Jahr. // Eines Sohns war geneſen · derweil die Königin: // Das ſchien König Etzel · der allergröſte Gewinn. // Bis ſie es erlangte, · ließ ſie nicht ab davon, // Die Taufe muſt empfangen · König Etzels Sohn // Nach chriſtlichem Brauche: · Ortlieb ward er genannt. // Darob war große Freude · über Etzels ganzem Land. // Der Zucht, deren jemals · zuvor Frau Helke pflag, // Fliß ſich Frau Kriemhild · darauf gar manchen Tag. // Es lehrte ſie die Sitte · Herrat die fremde Maid; // Die trug noch in der Stille · um Helke ſchmerzliches Leid. // Vor Heimiſchen und Fremden · geſtanden alleſamt // Beßer und milder · hab eines Königs Land // Nie eine Frau beſeßen: · das hielten ſie für wahr. // Des rühmten ſie die Heunen · bis an das dreizehnte Jahr. // Nun wuſte ſie, daß Niemand · ihr feindlich ſei geſinnt, // Wie oft wohl Königinnen · der Fürſten Recken ſind, // Und daß ſie täglich mochte · zwölf Könge vor ſich ſehn. // Sie vergaß auch nicht des Leides, · das ihr daheim war geſchehn. // Sie gedacht auch noch der Ehren · in Nibelungenland, // Die ihr geboten worden · und die ihr Hagens Hand // Mit Siegfriedens Tode · hatte gar benommen, // Und ob ihm das nicht jemals · noch zu Leide ſollte kommen. // „Es geſchäh, wenn ich ihn bringen · möcht in dieſes Land.“ // Ihr träumte wohl, ihr gienge · bei Etzel an der Hand // Geiſelher ihr Bruder; · ſie küſſt' ihn allezeit // In ihrem ſanften Schlafe: · das ward zu ſchmerzlichem Leid. // Der üble Teufel war es wohl, · der Kriemhilden rieth, // Daß ſie in Freundſchaft · von König Gunther ſchied // Und ihn zur Sühne küſſte · in Burgundenland. // Aufs Neu begann zu triefen · von heißen Thränen ihr Gewand. // Es lag ihr an dem Herzen · beides, ſpat und fruh, // Wie man mit Widerſtreben · ſie doch gebracht dazu, // Daß ſie minnen muſte · einen heidniſchen Mann: // Die Noth hatt ihr Hagen · und Herr Gunther angethan. // Wie ſie das rächen möchte, · dachte ſie alle Tage: // „Ich bin nun wohl ſo mächtig, · wem es auch miſsbehage, // Daß ich meinen Feinden · mag ſchaffen Herzeleid: // Dazu wär ich dem Hagen · von Tronje gerne bereit. // „Nach den Getreuen jammert · noch oft die Seele mein; // Doch die mir Leides thaten, · möcht ich bei denen ſein, // So würde noch gerochen · meines Friedels Tod. // Kaum kann ich es erwarten,“ · ſprach ſie in des Herzens Noth. // Es liebten ſie Alle, · die dem König unterthan, // Die Recken Kriemhildens; · das war wohlgethan. // Ihr Kämmerer war Eckewart: · drum ward er gern geſehn: // Kriemhildens Willen · konnte Niemand widerſtehn. // Sie gedacht auch alle Tage: · „Ich will den König bitten,“ // Er möcht ihr vergönnen · mit gütlichen Sitten, // Daß man ihre Freunde · brächt in der Heunen Land. // Den argen Willen Niemand · an der Königin verſtand. // Als eines Nachts Frau Kriemhild · bei dem König lag, // Umfangen mit den Armen · hielt er ſie, wie er pflag // Der edeln Frau zu koſen, · ſie war ihm wie ſein Leib, // Da gedachte ihrer Feinde · dieſes herrliche Weib. // Sie ſprach zu dem König: · „Viel lieber Herre mein, // Ich wollt euch gerne bitten, · möcht es mit Hulden ſein, // Daß ihr mich ſehen ließet, · ob ich verdient den Sold, // Daß ihr meinen Freunden · wäret inniglich hold.“ // Da ſprach der mächtge König, · arglos war ſein Muth: // „Des ſollt ihr inne werden: · was man den Helden thut // Zu Ehren und zu Gute, · mir geſchieht ein Dienſt daran, // Da ich von Weibesminne · nie beßre Freunde gewann.“ // Noch ſprach zu ihm die Königin: · „Ihr wißt ſo gut wie ich, // Ich habe hohe Freunde: · darum betrübt es mich, // Daß mich die ſo ſelten · beſuchen hier im Land: // Ich bin allen Leuten · hier nur als freundlos bekannt.“ // Da ſprach der König Etzel: · „Viel liebe Fraue mein, // Däucht' es ſie nicht zu ferne, · ſo lüd ich überrhein, // Die ihr da gerne ſähet, · hieher zu meinem Land.“ // Sie freute ſich der Rede, · als ihr ſein Wille ward bekannt. // Sie ſprach: „Wollt ihr mir Treue · leiſten, Herre mein, // So ſollt ihr Boten ſenden · gen Worms überrhein. // So entbiet ich meinen Freunden · meinen Sinn und Muth: // So kommen uns zu Lande · viel Ritter edel und gut.“ // Er ſprach: „Wenn ihr gebietet, · ſo laß ich es geſchehn. // Ihr könntet eure Freunde · nicht ſo gerne ſehn, // Der edeln Ute Kinder, · als ich ſie ſähe gern: // Es iſt mir ein Kummer, · daß ſie ſo fremd uns ſind und fern.“ // Er ſprach: „Wenn dirs gefiele, · viel liebe Fraue mein, // Wollt ich als Boten ſenden · zu den Freunden dein // Meine Fiedelſpieler · gen Burgundenland.“ // Die guten Spielleute · ließ man bringen gleich zur Hand. // Die Knappen kamen beide, · wo ſie den König ſahn // Sitzen bei der Königin. · Da ſagt' er ihnen an, // Sie ſollten Boten werden · nach Burgundenland. // Auch ließ er ihnen ſchaffen · reiches herrliches Gewand. // Vierundzwanzig Recken · ſchnitt man da das Kleid. // Ihnen ward auch von dem König · gegeben der Beſcheid, // Wie ſie Gunthern laden ſollten · und Die ihm unterthan. // Frau Kriemhild mit ihnen · geheim zu ſprechen begann. // Da ſprach der reiche König: · „Nun hört, wie ihr thut: // Ich entbiete meinen Freunden · alles, was lieb und gut, // Daß ſie geruhn zu reiten · hieher in mein Land. // Ich habe noch gar ſelten · ſo liebe Gäſte gekannt. // „Und wenn ſie meinen Willen · geſonnen ſind zu thun, // Kriemhilds Verwandte, · ſo mögen ſie nicht ruhn // Und mir zu Liebe kommen · zu meinem Hofgelag, // Da meiner Schwäger Freundſchaft · mich ſo ſehr erfreuen mag.“ // Da ſprach der Fiedelſpieler, · der ſtolze Schwemmelein: // „Wann ſoll euer Gaſtgeber · in dieſen Landen ſein? // Daß wirs euern Freunden · am Rhein mögen ſagen.“ // Da ſprach der König Etzel: · „In der nächſten Sonnenwende Tagen.“ // „Wir thun, was ihr gebietet,“ · ſprach da Werbelein. // Kriemhild ließ die Boten · zu ihrem Kämmerlein // Führen in der Stille · und beſprach mit ihnen da, // Wodurch noch manchem Degen · bald wenig Liebes geſchah. // Sie ſprach zu den Boten: · „Ihr verdient groß Gut, // Wenn ihr beſonnen · meinen Willen thut // Und ſagt, was ich entbiete · heim in unſer Land: // Ich mach euch reich an Gute · und geb euch herrlich Gewand. // „Wen ihr von meinen Freunden · immer möget ſehn // Zu Worms an dem Rheine, · dem ſollt ihrs nie geſtehn, // Daß ihr mich immer ſähet · betrübt in meinem Muth; // Und entbietet meine Grüße · dieſen Helden kühn und gut. // „Bittet ſie zu leiſten, · was mein Gemahl entbot, // Und mich dadurch zu ſcheiden · von all meiner Noth. // Ich ſcheine hier den Heunen · freundlos zu ſein. // Wenn ich ein Ritter hieße · ich käme manchmal an den Rhein. // „Und ſagt auch Gernoten, · dem edeln Bruder mein, // Daß ihm auf Erden Niemand · holder möge ſein: // Bittet, daß er mir bringe · hierher in dieſes Land // Unſre beſten Freunde: · ſo wird uns Ehre bekannt. // „Sagt auch Geiſelheren, · ich mahn ihn daran, // Daß ich mit ſeinem Willen · nie ein Leid gewann: // Drum ſähn ihn hier im Lande · gern die Augen mein; // Auch will ich all mein Leben · ihm zu Dienſt verpflichtet ſein. // „Sagt auch meiner Mutter, · wie mir Ehre hier geſchieht; // Und wenn von Tronje Hagen · der Reiſe ſich entzieht, // Wer ihnen zeigen ſolle · die Straßen durch das Land? // Die Wege zu den Heunen · ſind von frühauf ihm bekannt.“ // Nun wuſten nicht die Boten, · warum das möge ſein, // Daß ſie dieſen Hagen · von Tronje nicht am Rhein // Bleiben laßen ſollten. · Bald ward es ihnen leid: // Durch ihn war manchem Degen · mit dem grimmen Tode gedräut. // Botenbrief und Siegel · ward ihnen nun gegeben; // Sie fuhren reich an Gute · und mochten herrlich leben. // Urlaub gab ihnen Etzel · und ſein ſchönes Weib; // Ihnen war auch wohlgezieret · mit guten Kleidern der Leib. // 24. Vierundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Werbel und Schwemmel die Botſchaft brachten. Als Etzel ſeine Fiedler · hin zum Rheine ſandte, // Da flogen dieſe Mären · von Lande zu Lande: // Mit ſchnellen Abgeſandten · bat er und entbot // Zu ſeinem Hofgelage; · da holte Mancher ſich den Tod. // Die Boten ritten hinnen · aus der Heunen Land // Zu den Burgunden, · wohin man ſie geſandt // Zu dreien edeln Königen · und ihrer Mannen Heer: // Daß ſie zu Etzeln kämen; · da beeilten ſie ſich ſehr. // Zu Bechlaren ritten · ſchon die Boten ein. // Ihnen diente man da gerne · und ließ auch das nicht ſein: // Ihre Grüße ſandten · Rüdger und Gotelind // Den Degen an dem Rheine · und auch des Markgrafen Kind. // Sie ließen ohne Gaben · die Boten nicht hindann, // Daß deſto ſanfter führen · Die Etzeln unterthan. // Uten und ihren Söhnen · entbot da Rüdiger, // Ihnen ſo gewogen hätten · ſie keinen Markgrafen mehr. // Sie entboten auch Brunhilden · Alles, was lieb und gut, // Ihre ſtäte Treue · und dienſtbereiten Muth. // Da wollten nach der Rede · die Boten weiter ziehn; // Gott bat ſie zu bewahren · Gotlind die edle Markgräfin. // Eh noch die Boten völlig · durchzogen Baierland, // Werbel der Schnelle · den guten Biſchof fand. // Was der da ſeinen Freunden · hin an den Rhein entbot, // Davon hab ich nicht Kunde; · jedoch ſein Gold alſo roth // Gab er den Boten milde. · Als ſie wollten ziehn, // „Sollt ich ſie bei mir ſchauen,“ · ſprach Biſchof Pilgerin, // „So wär mir wohl zu Muthe, · die Schweſterſöhne mein: // Ich mag leider ſelten · zu ihnen kommen an den Rhein.“ // Was ſie für Wege fuhren · zum Rhein durch das Land, // Kann ich euch nicht beſcheiden. · Ihr Gold und ihr Gewand // Blieb ihnen unbenommen; · man ſcheute Etzels Zorn: // So gewaltig herrſchte · der edle König wohlgeborn. // Binnen zwölf Tagen · kamen ſie an den Rhein, // Gen Worms in die Veſte, · Werbel und Schwemmelein. // Da ſagte mans dem König · und ſeinen Mannen an, // Es kämen fremde Boten; · Gunther zu fragen begann. // Da ſprach der Vogt vom Rheine: · „Wer macht uns bekannt, // Von wannen dieſe Gäſte · ritten in das Land?“ // Davon wuſte Niemand, · bis die Boten ſah // Hagen von Tronje: · der begann zu Gunthern da: // „Wir hören Neues heute, · dafür will ich euch ſtehn: // Etzels Fiedelſpieler · die hab ich hier geſehn; // Die hat eure Schweſter · geſendet an den Rhein: // Ihres Herren Willen · ſollen ſie uns willkommen ſein.“ // Sie ritten ohne Weilen · zu dem Saal heran: // So herrlich fuhr wohl nimmer · eines Fürſten Fiedelmann. // Des Königs Ingeſinde · empfieng ſie gleich zur Hand; // Herberge gab man ihnen · und bewahrte ihr Gewand. // Ihre Reiſekleider waren · reich und ſo wohlgethan, // Sie mochten wohl mit Ehren · ſich ſo dem König nahn; // Doch wollten ſie nicht länger · ſie dort am Hofe tragen. // „Ob Jemand ſie begehre?“ · ließen da die Boten fragen. // Da waren auch bedürftige · Leute bei der Hand, // Die ſie gerne nahmen: · denen wurden ſie geſandt. // Da ſchmückten mit Gewanden · ſo reich die Gäſte ſich, // Wie es Königsboten · herrlich ſtand und wonniglich. // Da gieng mit Urlaube · hin, wo der König ſaß // Etzels Ingeſinde: · gerne ſah man das. // Herr Hagen gleich den Boten · vom Sitz entgegen ſprang, // Sie freundlich zu begrüßen: · des ſagten ihm die Knappen Dank. // Da hub er um die Kunde · ſie zu befragen an, // Wie Etzel ſich gehabe · und Die ihm unterthan. // Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Nie beßer ſtands im Land, // Das Volk war niemals froher, · das ſei euch wahrlich bekannt.“ // Er führte ſie dem Wirthe zu; · der Königsſaal war voll: // Da empfieng man die Gäſte, · wie man immer ſoll // Boten freundlich grüßen · in andrer Könge Land. // Werbel der Recken · viel bei König Gunthern fand. // Der König wohlgezogen · zu grüßen ſie begann: // „Willkommen, beide Fiedler, · die Etzeln unterthan, // Mit euern Heergeſellen: · wozu hat euch geſandt // Etzel der reiche · zu der Burgunden Land?“ // Sie neigten ſich dem König. · Da ſprach Werbelein: // „Euch entbietet ſeine Dienſte · der liebe Herre mein // Und Kriemhild eure Schweſter · hieher in dieſes Land: // Sie haben uns euch Recken · auf gute Treue geſandt.“ // Da ſprach der reiche König: · „Der Märe bin ich froh. // Wie gehabt ſich Etzel,“ · der Degen fragte ſo, // „Und Kriemhild meine Schweſter · in der Heunen Land?“ // Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Das mach ich gern euch bekannt. // „Beßer wohl gehabten · ſich Könge nirgend mehr // Und fröhlicher, das wißet, als die Fürſten hehr // Und ihre Degen alle, · Freund und Untertan. // Sie freuten ſich der Reiſe, · da wir ſchieden hindann,“ // „Nun Dank ihm für die Dienſte, · die er mir entbeut, // Ihm und meiner Schweſter: · gern erfahr ich heut, // Daß ſie in Freuden leben, · der König und ſein Lehn; // Meine Frage war nach ihnen · in großen Sorgen geſchehn.“ // Die beiden jungen Könige · waren auch gekommen, // Die hatten dieſe Märe · eben erſt vernommen. // Geiſelher der junge · die Boten gerne ſah // Aus Liebe zu der Schweſter; · gar minniglich ſprach er da: // „Ihr Boten ſollt uns beide · hochwillkommen ſein; // Kämet ihr geritten nur öfter · an den Rhein, // Ihr fändet hier der Freunde, · die ihr gerne möchtet ſehn. // Euch ſollte hier zu Lande · wenig Leides geſchehn.“ // „Wir verſehn uns alles Guten · zu euch,“ ſprach Schwemmelein; // „Ich könnt euch nicht bedeuten · mit den Worten mein, // Wie minnigliche Grüße · euch Etzel hat geſandt // Und eure edle Schweſter, · die da in hohen Ehren ſtand. // „An eure Lieb und Treue · mahnt euch die Königin // Und daß ihr ſtäts gewogen · war euer Herz und Sinn. // Zuvörderſt euch, Herr König, · ſind wir hieher geſandt, // Daß ihr geruht zu reiten · zu ihnen in der Heunen Land. // „Es ſoll auch mit euch reiten · euer Bruder Gernot. // Etzel der reiche · euch Allen das entbot, // Wenn ihr nicht kommen wolltet, · eure Schweſter ſehn, // So möcht er doch wohl wißen, · was euch von ihm war geſchehn, // „Daß ihr ihn alſo meidet · und auch ſein Reich und Land. // Wär euch auch die Königin · fremd und unbekannt, // So möcht er ſelbſt verdienen, · ihr kämet ihn zu ſehn: // Wenn ihr das leiſten wolltet, · ſo wär ihm Liebes geſchehn.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Nach der ſiebten Nacht // Will ich euch beſcheiden, · wes ich mich bedacht // Hab im Rath der Freunde; · geht derweilen hin // Zu eurer Herberge · und findet gute Ruh darin.“ // Da ſprach wieder Werbel: · „Könnt es nicht geſchehn, // Daß wir unſre Fraue, · die reiche Ute, ſehn, // Eh wir müden Degen · fragten nach der Ruh?“ // Da ſprach wohlgezogen · der edle Geiſelher dazu: // „Das ſoll euch Niemand wehren; · wollt ihr vor ſie gehn, // So iſt auch meiner Mutter · Will und Wunſch geſchehn, // Denn ſie ſieht euch gerne · um die Schweſter mein, // Frau Kriemhilde: · ihr ſollt ihr willkommen ſein.“ // Geiſelher ſie brachte · hin, wo er Uten fand. // Die ſah die Boten gerne · aus der Heunen Land // Und empfieng ſie freundlich · mit wohlgezognem Muth. // Da ſagten ihr die Märe · die Boten höfiſch und gut. // „Meine Frau läßt euch entbieten,“ · ſprach da Schwemmelein, // „Dienſt und ſtäte Treue, · und wenn es möchte ſein, // Daß ſie euch öfter ſähe, · ſo glaubet ſicherlich, // Wohl keine andre Freude · auf Erden wünſchte ſie ſich.“ // Da ſprach die Königin Ute: · „Daſs kann nun nicht ſein. // So gern ich öfter ſähe · die liebe Tochter mein, // So wohnt zu fern uns leider · die edle Königin: // Nun geh ihr immer ſelig · die Zeit mit Etzeln dahin. // „Ihr ſollt mich wißen laßen, · eh ihr von hinnen müßt, // Wenn ihr reiten wollet; · ich ſah in langer Friſt // Boten nicht ſo gerne, · als ich euch geſehn.“ // Da gelobten ihr die Knappen, · ihr Wille ſolle geſchehn. // Zu den Herbergen giengen · Die von Heunenland. // Der reiche König hatte · die Freunde nun beſandt. // Gunther der edle · fragte Mann für Mann, // Was ſie darüber dächten? · Wohl Manche huben da an, // Er möge wohl reiten · in König Etzels Land. // Das riethen ihm die Beſten, · die er darunter fand. // Hagen nur alleine, · dem war es grimmig leid. // Zum König ſprach er heimlich: · „Mit euch ſelbſt ſeid ihr im Streit. // Ihr habt doch nicht vergeßen, · was ihr von uns geſchehn: // Vor Kriemhilden müßen · wir ſtäts in Sorge ſtehn. // Ich ſchlug ihr zu Tode · den Mann mit meiner Hand: // Wie dürften wir wohl reiten · hin in König Etzels Land?“ // Da ſprach der reiche König: · „Meiner Schweſter Zürnen ſchwand. // Mit minniglichem Kuſſe, · eh ſie verließ dieß Land, // Hat ſie uns verziehen, · was wir an ihr gethan, // Es wäre denn, ſie ſtände · bei euch, Herr Hagen, noch an.“ // „Nun laßt euch nicht betrügen,“ · ſprach Hagen, „was auch ſagen // Dieſe Heunenboten: · wollt ihrs mit Kriemhild wagen, // Da verliert ihr zu der Ehre · Leben leicht und Leib: // Sie weiß wohl nachzutragen, · dem König Etzel ſein Weib!“ // Da ſprach vor dem Rathe · der König Gernot: // „Ihr mögt aus guten Gründen · fürchten dort den Tod // In heuniſchen Reichen; · ſtänden wir drum an // Und mieden unſre Schweſter, · das wär übel gethan.“ // Da ſprach zu dem Degen · der junge Geiſelher: // „Da ihr euch, Freund Hagen, · ſchuldig wißt ſo ſehr, // So bleibt hier im Lande, · euer Heil zu weiſen; // Nur laßt, die ſichs getrauen, · mit uns zu den Heunen fahren.“ // Darob begann zu zürnen · von Tronje der Held: // „Ich will nicht, daß euch Jemand · ſei bei der Fahrt geſellt, // Der an den Hof zu reiten · ſich mehr getraut als ich: // Wollt ihrs nicht bleiben laßen, · ich beweis' es euch ſicherlich.“ // Da ſprach der Küchenmeiſter · Rumold der Degen: // „Der Heimiſchen und Fremden · mögt ihr zu Hauſe pflegen // Nach euerm Wohlgefallen: · da habt ihr vollen Rath; // Ich glaube nicht, daß Hagen · euch noch je vergeiſelt hat. // „Wollt ihr nicht Hagen folgen, · ſo räth euch Rumold, // Der ich euch dienſtlich · gewogen bin und hold, // Daß ihr im Lande bleibet · nach dem Willen mein // Und laßt den König Etzel · dort bei Kriemhilden ſein. // „Wo könntet ihr auf Erden · ſo gut als hier gedeihn? // Ihr mögt vor euern Feinden · daheim geborgen ſein, // Ihr ſollt mit guten Kleidern · zieren euern Leib, // Des beſten Weines trinken · und minnen manches ſchöne Weib. // „Dazu giebt man euch Speiſe, · ſo gut ſie in der Welt // Ein König mag gewinnen. · Euer Land iſt wohl beſtellt: // Der Hochzeit Etzels mögt ihr euch · mit Ehren wohl begeben // Und hier mit euern Freunden · in guter Kurzweile leben. // „Und hättet ihr nichts Anderes · davon zu zehren hier, // Ich gab euch Eine Speiſe · die Fülle für und für, // In Oel geſottne Schnitten. · Das iſt, was Rumold räth, // Da es gar ſo ängſtlich, · ihr Herrn, dort bei den Heunen ſteht. // „Hold wird euch Frau Kriemhild · doch nimmer, glaubet mir; // Auch habt ihr und Hagen · es nicht verdient an ihr. // Und wollt ihr nicht verbleiben, · wer weiß, wie ihrs beklagt: // Ihr werdets noch erkennen, · ich hab euch Wahrheit geſagt. // „Drum rath ich euch zu bleiben. · Reich iſt euer Land: // Ihr könnt hier beßer löſen, · was ihr gabt zu Pfand, // Als dort bei den Heunen: · wer weiß, wie es da ſteht? // Verbleibt hier, ihr Herren: · das iſt, was Rumold euch rath.“ // „Wir wollen nun nicht bleiben,“ · ſprach da Gernot. // „Da es meine Schweſter · ſo freundlich uns entbot // Und Etzel der reiche, · was führen wir nicht hin? // Die nicht mit uns wollen, · mögen bleiben immerhin.“ // „In Treuen,“ ſprach da Rumold, · „ich will der Eine ſein, // Der um Etzels Hofgelag · kommt nimmer überrhein. // Wie ſetzt' ich wohl das Beßre · aufs Spiel, das ich gewann? // Ich will mich ſelbſt ſo lange · am Leben laßen, als ich kann.“ // „So denk ichs auch zu reiten,“ · ſprach Ortwein der Degen: // „Ich will der Geſchäfte · zu Hauſe mit euch pflegen.“ // Da ſprachen ihrer Viele, · ſie wollten auch nicht fahren: // „Gott woll euch, liebe Herren, · bei den Heunen wohl bewahren.“ // Der König Gunther zürnte, · als er ward gewahr, // Sie wollten dort verbleiben, · der Ruhe willen zwar: // „Wir wollens drum nicht laßen, · wir müßen an die Fahrt; // Der waltet guter Sinne, · der ſich allezeit bewahrt.“ // Zur Antwort gab da Hagen: · „Laßt euch zum Verdruß // Meine Rede nicht gereichen: · was auch geſchehen muß, // Das rath ich euch in Treuen, · wenn ihr euch gern bewahrt, // Daß ihr nur wohlgerüſtet · zu dem Heunenlande fahrt. // „Wenn ihrs euch unterwindet, · ſo entbietet euer Heer, // Die Beſten, die ihr findet · und irgend wißt umher, // Aus ihnen Allen wähl ich dann · tauſend Ritter gut: // So mag euch nicht gefährden · der argen Kriemhilde Muth.“ // „Dem Rathe will ich folgen,“ · ſprach der König gleich. // Da ſandt er ſeine Boten · umher in ſeinem Reich. // Bald brachte man der Helden · dreitauſend oder mehr. // Sie dachten nicht zu finden · ſo großes Leid und Beſchwer. // Sie ritten hohes Muthes · durch König Gunthers Land. // Sie verhießen Allen · Roſs' und Gewand, // Die ihnen geben wollten · zum Heunenland Geleit. // Da fand viel gute Ritter · der König zu der Fahrt bereit. // Da ließ von Tronje Hagen · Dankwart den Bruder ſein // Achtzig ihrer Recken · führen an den Rhein. // Sie kamen ſtolz gezogen; · Harniſch und Gewand // Brachten viel die ſchnellen · König Gunthern in das Land. // Da kam der kühne Volker, · ein edler Spielmann, // Mit dreißig ſeiner Degen · zu der Fahrt heran. // Ihr Gewand war herrlich, · ein König mocht es tragen. // Er wollte zu den Heunen, · ließ er dem Könige ſagen. // Wer Volker ſei geweſen, · das ſei euch kund gethan. // Es war ein edler Herre; · ihm waren unterthan // Viel der guten Recken · in Burgundenland; // Weil er fiedeln konnte, · war er der Spielmann genannt. // Hagen wählte tauſend, · die waren ihm bekannt; // Was ſie in ſtarken Stürmen · gefrommt mit ihrer Hand // Und ſonſt begangen hatten, · das hatt er oft geſehn: // Auch alle Andern muſten · ihnen Ehre zugeſtehn. // Die Boten Kriemhildens · der Aufenthalt verdroß; // Die Furcht vor ihrem Herren · war gewaltig groß: // Sie hielten alle Tage · um den Urlaub an. // Den gönnt' ihnen Hagen nicht: · das ward aus Vorſicht gethan. // Er ſprach zu ſeinem Herren: · „Wir wollen uns bewahren, // Daß wir ſie reiten laßen, · bevor wir ſelber fahren // Sieben Tage ſpäter · in König Etzels Land: // Trägt man uns argen Willen, · das wird ſo beßer gewandt. // „So mag ſich auch Frau Kriemhild · bereiten nicht dazu, // Daß uns nach ihrem Rathe · Jemand Schaden thu. // Will ſie es doch verſuchen, · ſo fährt ſie übel an: // Wir führen zu den Herren · manchen auserwählten Mann.“ // Die Sättel und die Schilde · und all ihr Gewand, // Das ſie führen wollten · in König Etzels Land, // War nun bereit und fertig · für manchen kühnen Mann. // Etzels Spielleute · rief man zu Gunthern heran. // Da die Boten kamen, · begann Herr Gernot: // „Der König will leiſten, · was Etzel uns entbot. // Wir wollen gerne kommen · zu ſeiner Luſtbarkeit // Und unſre Schweſter ſehen; · daß ihr des außer Zweifel ſeid.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Wißt ihr uns zu ſagen, // Wann das Feſt beginnt, · oder zu welchen Tagen // Wir erwartet werden?“ · Da ſprach Schwemmelein: // „Zur nächſten Sonnenwende · da ſoll es in Wahrheit ſein.“ // Der König erlaubte das, · war noch nicht geſchehn, // Wenn ſie Frau Brunhilden · wünſchten noch zu ſehn, // Daß ſie mit ſeinem Willen · ſprächen bei ihr an. // Dem widerſtrebte Volker: · da war ihr Liebes gethan. // „Es iſt ja Frau Brunhild · nun nicht ſo wohlgemuth, // Daß ihr ſie ſchauen möchtet,“ · ſprach der Ritter gut. // „Wartet bis morgen, · ſo läßt man ſie euch ſehn.“ // Sie wähnten ſie zu ſchauen, · da konnt es doch nicht geſchehn. // Da ließ der reiche König, · er war den Boten hold, // Aus eigner hoher Milde · daher von ſeinem Gold // Auf breiten Schilden bringen; · wohl war er reich daran. // Ihnen ward auch reiche Schenkung · von ſeinen Freunden gethan. // Geiſelher und Gernot, · Gere und Ortewein, // Wie ſie auch milde waren, · das leuchtete wohl ein: // So reiche Gaben boten · ſie den Boten an, // Daß ſie's vor ihrem Herren · nicht getrauten zu empfahn. // Da ſprach zu dem König · der Bote Werbelein: // „Herr König, laßt die Gaben · nur hier im Lande ſein. // Wir könnens nicht verführen, · weil uns der Herr verbot, // Daß wir Geſchenke nähmen: · auch thut es uns wenig Noth.“ // Da ward der Vogt vom Rheine · darüber ungemuth, // Daß ſie verſchmähen wollten · ſo reichen Königs Gut. // Da muſten ſie empfahen · ſein Gold und ſein Gewand, // Daß ſie es mit ſich führten · heim in König Etzels Land. // Sie wollten Ute ſchauen · vor ihrer Wiederkehr. // Die Spielleute brachte · der junge Geiſelher // Zu Hof vor ſeine Mutter; · ſie entbot der Königin, // Wenn man ihr Ehre biete, · ſo bedünk es ſie Gewinn. // Da ließ die Königswitwe · ihre Borten und ihr Gold // Vertheilen um Kriemhildens, · denn der war ſie hold, // Und König Etzels Willen · an das Botenpaar. // Sie mochtens wohl empfahen: · getreulich bot ſie es dar. // Urlaub genommen hatten · nun von Weib und Mann // Die Boten Kriemhildens; · ſie fuhren froh hindann // Bis zum Schwabenlande: · dahin ließ Gernot // Seine Helden ſie begleiten, · daß ſie nirgend litten Noth. // Als die von ihnen ſchieden, · die ſie ſollten pflegen, // Gab ihnen Etzels Herſchaft · Frieden auf den Wegen, // Daß ihnen Niemand raubte · ihr Roſs noch ihr Gewand. // Sie ritten ſehr in Eile · wieder in der Heunen Land. // Wo ſie Freunde wuſten, · da machten ſie es kund, // In wenig Tagen kämen · die Helden von Burgund // Vom Rhein hergezogen · in der Heunen Land. // Pilgerin, dem Biſchof, · ward auch die Märe bekannt. // Als ſie vor Bechlaren · die Straße niederzogen, // Da ward um die Märe · Rüdger nicht betrogen, // Noch Frau Gotelinde, · die Markgräfin hehr. // Daß ſie ſie ſchauen ſollten, · des freuten beide ſich ſehr. // Die Spielleute ſpornten · die Roſſe mächtig an. // Sie ſanden König Etzeln · in ſeiner Stadt zu Gran, // Gruß über Grüße, · die man ihm her entbot, // Brachten ſie dem Könige: · vor Liebe ward er freudenroth. // Als Kriemhild der Königin · die Märe ward bekannt, // Ihre Brüder wollten · kommen in ihr Land, // Da ward ihr wohl zu Muthe: · ſie gab den Boten Lohn // Mit reichlichen Geſchenken; · ſie hatte Ehre davon. // Sie ſprach: „Nun ſagt mir beide, · Werbel und Schwemmelein, // Wer will von meinen Freunden · beim Hofgelage ſein, // Von den höchſten, die wir luden · hieher in dieſes Land? // Sagt an, was ſprach wohl Hagen, · als ihm die Mähre ward bekannt?“ // „Er kam zu ihrem Rathe · an einem Morgen fruh; // Wenig gute Sprüche · redet' er dazu, // Als ſie die Fahrt gelobten · nach dem Heunenland: // Die hat der grimme Hagen · die Todesreiſe genannt. // „Es kommen eure Brüder, · die Könge alle drei, // In herrlichem Muthe. · Wer mehr mit ihnen ſei, // Darüber ich des Weitern · euch nicht beſcheiden kann. // Es will mit ihnen reiten · Volker der kühne Fiedelmann.“ // „Des mag ich leicht entbehren,“ · ſprach die Königin, // „Daß ich auch Volkern ſähe · her zu Hofe ziehn; // Hagen bin ich gewogen, · der iſt ein Degen gut: // Daß wir ihn ſchauen ſollen, · des hab ich fröhlichen Muth.“ // Hin gieng die Königstochter, · wo ſie den König ſah. // Wie ininnigliche Worte · ſprach Frau Kriemhild da: // „Wie gefallen euch die Mären, · viel lieber Herre mein? // Wes mich je verlangte, · das ſoll nun bald vollendet ſein.“ // „Dein Will iſt meine Freude,“ · der König ſprach da ſo: // „Ich wär der eignen Freunde · nicht ſo von Herzen froh, // Wenn ſie kommen ſollten · hieher in unſer Land. // Durch deiner Freunde Liebe · viel meiner Sorge verſchwand.“ // Des Königs Amtleute · befahlen überall // Mit Geſtühl zu ſchmücken · Pallas und Saal // Für die lieben Gäſte, · die da ſollten kommen. // Durch die ward bald dem König · viel hoher Freude benommen. // 25. Fünfundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie die Könige zu den Heunen fuhren. Wie man dort gebarte, · vernahmt ihr nun genug. // Wohl kamen nie gefahren · in ſolchem ſtolzen Zug // So hochgemuthe Degen · in eines Königs Land; // Sie hatten, was ſie wollten, · beides, Waffen und Gewand. // Der Vogt vom Rheine kleidete · aus ſeinem Heergeleit // Der Degen tauſend ſechzig, · ſo gab man uns Beſcheid, // Und neuntauſend Knechte · zu dem Hofgelag; // Die ſie zu Hauſe ließen, · beweinten es wohl hernach. // Da trug man ihr Geräthe · zu Worms übern Hof. // Wohl ſprach da von Speier · ein alter Biſchof // Zu der ſchönen Ute: · „Unſre Freunde wollen fahren // Zu dem Gaſtgebote: · möge Gott ſie da bewahren.“ // Da ſprach zu ihren Söhnen · Ute, die Fraue gut: // „Ihr ſolltet hier verbleiben, · Helden hochgemuth. // Geträumt hat mir heute · von ängſtlicher Noth, // Wie all das Gevögel · in dieſem Lande wäre todt.“ // „Wer ſich an Träume wendet,“ · ſprach dawider Hagen, // „Der weiß noch die rechte · Kunde nicht zu ſagen, // Wie es mög am Beſten · um ſeine Ehre ſtehn: // Es mag mein Herr nur immer · mit Urlaub hin zu Hofe gehn. // „Wir wollen gerne reiten · in König Etzels Land: // Da mag wohl Köngen dienen · guter Helden Hand, // So wir da ſchauen ſollen · Kriemhildens Hochzeit.“ // Hagen rieth die Reiſe; · doch ward es ſpäter ihm leid. // Er hätt es widerrathen, · nur daß Gernot // Mit ungefügen Reden · ihm Spott entgegenbot. // Er mahnt' ihn an Siegfried, · Frau Kriemhildens Mann: // Er ſprach: „Darum ſteht Hagen · die große Reiſe nicht an.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Nicht Furcht iſt's, daß ich's thu. // Gebietet ihr es, Helden, · ſo greift immer zu: // Gern will ich mit euch reiten · in König Etzels Land.“ // Bald ward von ihm zerhauen · mancher Helm und Schildesrand. // Die Schiffe ſtanden fertig · zu fahren überrhein; // Was ſie an Kleidern hatten, · trugen ſie darein. // Sie fanden viel zu ſchaffen · bis zur Abendzeit; // Sie huben ſich von Hauſe · zur Reiſe freudig bereit. // Sie ſchlugen auf im Graſe · ſich Hütten und Gezelt // Jenſeits des Rheines, · wo das Lager war beſtellt. // Da bat noch zu verweilen · Gunthern ſein ſchönes Weib; // Sie herzte nachts noch einmal · des Mannes waidlichen Leib. // Flöten und Poſaunen · erſchollen morgens fruh // Den Aufbruch anzukündigen: · da griff man bald dazu. // Wem Liebes lag im Arme, · herzte des Freundes Leib; // Mit Leid trennte Viele · des König Etzel Weib. // Der ſchönen Ute Söhne · die hatten einen Mann, // Der kühn war und bieder; · als man die Fahrt begann, // Sprach er zu dem Könige · geheim nach ſeinem Muth. // Er ſprach: „Ich muß wohl trauern, · daß ihr die Hofreiſe thut.“ // Er war geheißen Rumold, · ein Degen auserkannt. // Er ſprach: „Wem wollt ihr laßen · Leute nun und Land? // Daß Niemand doch euch Recken · wenden mag den Muth! // Die Mären Kriemhildens · dauchten mich niemals gut.“ // „Das Land ſei dir befohlen · und auch mein Söhnelein; // Und diene wohl den Frauen: · das iſt der Wille mein. // Wen du weinen ſieheſt, · dem tröſte Herz und Sinn; // Es wird uns nichts zu Leide · Kriemhild thun, die Königin.“ // Eh man ſchied von dannen, · berieth der König hehr // Sich mit den höchſten Mannen; · er ließ nicht ohne Wehr // Das Land und die Burgen: · die ihrer ſollten pflegen, // Zum Schutze ließ er denen · manchen auserwählten Degen. // Die Roſſe ſtanden aufgezäumt · den Mannen wie den Herrn: // Mit minniglichem Kuſſe · zog da Mancher fern, // Dem noch in hohem Muthe · lebte Seel und Leib; // Das muſte bald beweinen · manches waidliche Weib. // Wehruf und Weinen · hörte man genug; // Auf dem Arm die Königin · ihr Kind dem König trug: // „Wie wollt ihr ſo verwaiſen · uns beide auf ein Mal? // Verbleibet uns zu Liebe,“ · ſprach ſein jammerreich Gemahl. // „Frau, ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein, // Ihr mögt hier ohne Sorgen · in hohem Muthe ſein: // Wir kommen bald euch wieder · mit Freuden wohl geſund.“ // Sie ſchieden von den Freunden · minniglich zur ſelben Stund. // Als man die ſchnellen Recken · ſah zu den Roſſen gehn, // Fand man viel der Frauen · in hoher Trauer ſtehn. // Daß ſie auf ewig ſchieden, · ſagt' ihnen wohl der Muth: // Zu großem Schaden kommen, · das thut Niemanden gut. // Die ſchnellen Burgunden · begannen ihren Zug. // Da ward in dem Lande · das Treiben groß genug; // Beiderſeits des Rheines · weinte Weib und Mann. // Wie auch das Volk gebarte, · ſie fuhren fröhlich hindann. // Niblungens Helden · zogen mit ihnen aus // In tauſend Halsbergen: · die hatten dort zu Haus // Viel ſchöne Fraun gelaßen · und ſahn ſie nimmermehr. // Siegfriedens Wunden · die ſchmerzten Kriemhilden ſehr. // Nur ſchwach in jenen Zeiten · war der Glaube noch: // Es ſang ihnen Meſſe · ein Kaplan jedoch: // Der kam geſund zurücke, · obwohl aus großer Noth; // Die andern blieben alle · dort im Heunenlande todt. // Da lenkten mit der Reiſe · auf den Mainſtrom an // Hinauf durch Oſtfranken · Die Gunthern unterthan. // Hagen war ihr Führer, · der war da wohlbekannt. // Ihr Marſchall war Dankwart, · der Held von Burgundenland. // Da ſie von Oſtfranken · durch Schwalefelde ritten, // Da konnte man ſie kennen · an den herrlichen Sitten, // Die Fürſten und die Freunde, · die Helden lobeſam. // An dem zwölften Morgen · der König an die Donau kam. // Da ritt von Tronje Hagen · den andern all zuvor: // Er hielt den Nibelungen · zumal den Muth empor. // Bald ſprang der kühne Degen · nieder auf den Strand, // Wo er ſein Roſs in Eile · feſt an einem Baume band. // Die Flut war ausgetreten, · die Schifflein verborgen: // Die Nibelungen kamen · da in große Sorgen, // Wie ſie hinüber ſollten: · das Waſſer war zu breit. // Da ſchwang ſich zur Erde · mancher Ritter allbereit. // „Uebel,“ ſprach da Hagen, · „mag dir wohl hier geſchehn, // König an dem Rheine; · du magſt es ſelber ſehn: // Das Waſſer iſt ergoßen, · zu ſtark iſt ſeine Flut: // Ich fürchte, wir verlieren · noch heute manchen Recken gut.“ // „Hagen, was verweiſt ihr mir?“ · ſprach der König hehr, // „Um eurer Hofzucht willen · erſchreckt uns nicht noch mehr. // Ihr ſollt die Furt uns ſuchen · hinüber an das Land, // Daß wir von hinnen bringen · beides, Roſs' und Gewand.“ // „Mir iſt ja noch,“ ſprach Hagen, · „mein Leben nicht ſo leid, // Daß ich mich möcht ertränken · in dieſen Wellen breit: // Erſt ſoll von meinen Händen · erſterben mancher Mann // In König Etzels Landen, · wozu ich gute Luſt gewann. // „Bleibet bei dem Waſſer, · ihr ſtolzen Ritter gut. // So geh ich und ſuche · die Fergen bei der Flut, // Die uns hinüber bringen · in Gelfratens Land.“ // Da nahm der kühne Hagen · ſeinen feſten Schildesrand. // Er war wohl bewaffnet: · den Schild er bei ſich trug; // Sein Helm war aufgebunden · und glänzte hell genug. // Ueberm Harniſch führt' er · eine breite Waffe mit, // Die an beiden Schärfen · aufs allergrimmigſte ſchnitt. // Er ſuchte hin und wieder · nach einem Schiffersmann. // Da hört' er Waſſer rauſchen; · zu lauſchen hub er an. // In einem ſchönen Brunnen · that das manch weiſes Weib: // Die gedachten da im Bade · ſich zu kühlen den Leib. // Hagen ward ihrer inne, · da ſchlich er leis heran; // Sie eilten ſchnell von hinnen, · als ſie den Helden ſahn. // Daß ſie ihm entrannen, · des freuten ſie ſich ſehr. // Da nahm er ihre Kleider · und ſchadet' ihnen nicht mehr. // Da ſprach das eine Meerweib, · Hadburg war ſie genannt: // „Hagen, edler Ritter, · wir machen euch bekannt, // Wenn ihr uns dagegen · die Kleider wiedergebt, // Was ihr auf dieſer Reiſe · bei den Heunen erlebt.“ // Sie ſchwammen wie die Vögel · ſchwebend auf der Flut. // Da daucht ihn ihr Wißen · von den Dingen gut: // So glaubt' er um ſo lieber, · was ſie ihm wollten ſagen. // Sie beſchieden ihn darüber, · was er begann ſie zu fragen. // Sie ſprach: „Ihr mögt wohl reiten · in König Etzels Land: // Ich ſetz euch meine Treue · dafür zum Unterpfand: // Niemals fuhren Helden · noch in ein fremdes Reich // Zu ſo hohen Ehren: · in Wahrheit, ich ſag es euch.“ // Der Rede war da Hagen · im Herzen froh und hehr! // Die Kleider gab man ihnen · und ſäumte ſich nicht mehr. // Als ſie umgezogen · ihr wunderbar Gewand, // Vernahm er erſt die Wahrheit · von der Fahrt in Etzels Land. // Da ſprach das andre Meerweib · mit Namen Siegelind: // „Ich will dich warnen, Hagen, · Aldrianens Kind. // Meine Muhme hat dich · der Kleider halb belogen: // Und kommſt du zu den Heunen, · ſo biſt du übel betrogen. // „Wieder umzukehren, · wohl wär es an der Zeit, // Dieweil ihr kühnen Helden · alſo geladen ſeid, // Daß ihr müßt erſterben · in der Heunen Land: // Wer da hinreitet, · der hat den Tod an der Hand.“ // Da ſprach aber Hagen: · „Ihr trügt mich ohne Noth: // Wie ſollte das ſich fügen, · daß wir alle todt // Blieben bei dem Hofgelag · durch Jemandes Groll?“ // Da ſagten ſie dem Degen · die Märe deutlich und voll. // Da ſprach die Eine wieder: · „Es muß nun ſo geſchehn, // Keiner wird von euch allen · die Heimat wiederſehn // Als der Kaplan des Königs: · das iſt uns wohlbekannt, // Der kommt geborgen wieder · heim in König Gunthers Land.“ // Ingrimmen Muthes · ſprach der kühne Hagen: // „Das ließen meine Herren · ſchwerlich ſich ſagen, // Wir verlören bei den Heunen · Leben all und Leib; // Nun zeig uns übers Waſſer, · allerweiſeſtes Weib.“ // Sie ſprach: „Willſt du nicht anders · und ſoll die Fahrt geſchehn, // So ſiehſt du überm Waſſer · eine Herberge ſtehn: // Darin iſt ein Ferge · und ſonſt nicht nah noch fern.“ // Weiter nachzufragen, · des begab er nun ſich gern. // Dem unmuthsvollen Recken · rief noch die Eine nach: // „Nun wartet, Herr Hagen, · euch iſt auch gar zu jach; // Vernehmt noch erſt die Kunde, · wie ihr kommt durchs Land. // Der Herr dieſer Marke · der iſt Elſe genannt. // „Sein Bruder iſt geheißen · Gelfrat der Held, // Ein Herr im Baierlande: · nicht ſo leicht es hält, // Wollt ihr durch ſeine Marke: · ihr mögt euch wohl bewahren // Und ſollt auch mit dem Fergen · gar beſcheidentlich verfahren. // „Der iſt ſo grimmes Muthes, · er läßt euch nicht gedeihn, // Wollt ihr nicht verſtändig · bei dem Helden ſein. // Soll er euch überholen, · ſo bietet ihm den Sold; // Er hütet dieſes Landes · und iſt Gelfraten hold. // „Und kommt er nicht bei Zeiten, · ſo ruft über Flut // Und ſagt, ihr heißet Amelrich; · das war ein Degen gut, // Der ſeiner Feinde willen · räumte dieſes Land: // So wird der Fährmann kommen, · wird ihm der Name genannt.“ // Der übermüthge Hagen · dankte den Frauen hehr // Des Raths und der Lehre; · kein Wörtlein ſprach er mehr. // Dann gieng er bei dem Waſſer · hinauf an dem Strand, // Wo er auf jener Seite · eine Herberge fand. // Laut begann zu rufen · der Degen über Flut: // „Nun hol mich über, Ferge,“ · ſprach der Degen gut, // „So geb ich dir zum Lohne · eine Spange goldesroth; // Mir thut das Ueberfahren, · das wiße, wahrhaftig Noth.“ // Es brauchte nicht zu dienen · der reiche Schiffersmann, // Lohn nahm er ſelten · von Jemandem an; // Auch waren ſeine Knechte · zumal von ſtolzem Muth. // Noch immer ſtand Hagen · dießſeits allein bei der Flut. // Da rief er ſo gewaltig, · der ganze Strom erſcholl // Von des Helden Stärke, · die war ſo groß und voll: // „Mich Amelrich hol über; · ich bin es, Elſes Mann, // Der vor ſtarker Feindſchaft · aus dieſen Landen entrann.“ // Hoch an ſeinem Schwerte · er ihm die Spange bot, // Die war ſchön und glänzte · von lichtem Golde roth, // Daß er ihn überbrächte · in Gelfratens Land. // Der übermüthge Ferge · nahm ſelbſt das Ruder an die Hand. // Auch hatte dieſer Ferge · habſüchtgen Sinn: // Die Gier nach großem Gute · bringt endlich Ungewinn; // Er dachte zu verdienen · Hagens Gold ſo roth, // Da litt er von dem Degen · hier den ſchwertgrimmen Tod. // Der Ferge zog gewaltig · hinüber an den Strand. // Welcher ihm genannt war, · als er den nicht fand, // Da hub er an zu zürnen: · als er Hagen ſah, // Mit grimmem Ungeſtüme · zu dem Helden ſprach er da: // „Ihr mögt wohl ſein geheißen · mit Namen Amelrich; // Doch ſeht ihr dem nicht ähnlich, · des ich verſehen mich. // Von Vater und von Mutter · war er der Bruder mein: // Nun ihr mich betrogen habt, · ſo müßt ihr dießhalben ſein.“ // „Nein! um Gotteswillen,“ · ſprach Hagen dagegen. // „Ich bin ein fremder Recke, · beſorgt um andre Degen. // So nehmet denn freundlich · hin meinen Sold // Und fahrt uns hinüber: · ich bin euch wahrhaftig hold.“ // Da ſprach der Ferge wieder: · „Das kann einmal nicht ſein. // Viel der Feinde haben · die lieben Herren mein. // Drum fahr ich keinen Fremden · hinüber in ihr Land: // Wenn euch das Leben lieb iſt, · ſo tretet aus an den Strand.“ // „Das thu ich nicht,“ ſprach Hagen, · „traurig iſt mein Muth. // Nehmt zum Gedächtniß · die goldne Spange gut // Und fahrt uns über, tauſend Roſs' · und auch ſo manchen Mann.“ // Da ſprach der grimme Ferge: · „Das wird nimmer gethan.“ // Er hob ein ſtarkes Ruder, · mächtig und breit, // Und ſchlug es auf Hagen · (es ward ihm ſpäter leid), // Daß er im Schiffe nieder · ſtrauchelt' auf die Knie. // Solchen grimmen Fergen · fand der von Tronje noch nie. // Noch ſtärker zu erzürnen · den kühnen Fremdling, ſchwang // Er ſeine Ruderſtange, · daß ſie gar zerſprang, // Auf das Haupt dem Hagen; · er war ein ſtarker Mann: // Davon Elſes Ferge · bald großen Schaden gewann. // Mit grimmigem Muthe · griff Hagen gleich zur Hand // Zur Seite nach der Scheide, · wo er ein Waffen fand: // Er ſchlug das Haupt ihm nieder · und warf es auf den Grund. // Bald wurden dieſe Mären · den ſtolzen Burgunden kund. // Im ſelben Augenblicke, · als er den Fährmann ſchlug, // Glitt das Schiff zur Strömung; · das war ihm leid genug. // Eh er es richten konnte, · fiel ihn Ermüdung an: // Da zog am Ruder kräftig · König Gunthers Unterthan. // Er verſucht' es umzukehren · mit manchem ſchnellen Schlag, // Bis ihm das ſtarke Ruder · in der Hand zerbrach. // Er wollte zu den Recken · ſich wenden an den Strand; // Da hatt er keines weiter: · wie bald er es zuſammen band // Mit ſeinem Schildriemen, · einer Borte ſchmal. // Hin zu einem Walde · wandt er das Schiff zu Thal. // Da fand er ſeinen Herren · ſein harren an dem Strand; // Es giengen ihm entgegen · viel der Degen auserkannt. // Mit Gruß ihn wohl empfiengen · die edeln Ritter gut: // Sie ſahen in dem Schiffe · rauchen noch das Blut // Von einer ſtarken Wunde, · die er dem Fergen ſchlug: // Darüber muſte Hagen · fragen hören genug. // Als der König Gunther · das heiße Blut erſah // In dem Schiffe ſchweben, · wie bald ſprach er da: // „Wo iſt denn, Herr Hagen, · der Fährmann hingekommen? // Eure ſtarken Kräfte haben · ihm wohl das Leben benommen.“ // Da ſprach er mit Verläugnen: · „Als ich das Schifflein fand // Bei einer wilden Weide, · da löſt' es meine Hand. // Ich habe keinen Fergen · heute hier geſehn; // Leid iſt auch Niemand · von meinen Händen geſchehn.“ // Da ſprach von Burgunden · der König Gernot: // „Heute muß ich bangen · um lieber Freunde Tod, // Da wir keinen Schiffmann · hier am Strome ſehn: // Wie wir hinüber kommen, · darob muß ich in Sorgen ſtehn.“ // Laut rief da Hagen: · „Legt auf den Boden her, // Ihr Knechte, das Geräthe: · ich gedenke, daß ich mehr // Der allerbeſte Ferge war, · den man am Rheine fand: // Ich bring euch hinüber · gar wohl in Gelfratens Land.“ // Daß ſie deſto ſchneller · kämen über Flut, // Trieb man hinein die Mähren; · ihr Schwimmen ward ſo gut, // Daß ihnen auch nicht eines · der ſtarke Strom benahm. // Einige trieben ferner, · als ſie Ermüdung überkam. // Sie trugen zu dem Schiffe · ihr Gut und ihre Wehr, // Nun einmal ihre Reiſe · nicht zu vermeiden mehr. // Hagen fuhr ſie über; · da bracht er an den Strand // Manchen zieren Recken · in das unbekannte Land. // Zum erſten fuhr er über · tauſend Ritter hehr // Und ſeine ſechzig Degen; · dann kamen ihrer mehr: // Neuntauſend Knechte, · die bracht er an das Land. // Des Tags war unmüßig · des kühnen Tronejers Hand. // Das Schiff war ungefüge, · ſtark und weit genug: // Fünfhundert oder drüber · es leicht auf einmal trug // Ihres Volks mit Speiſe · und Waffen über Flut: // Am Ruder muſte ziehen · des Tages mancher Ritter gut. // Da er ſie wohlgeborgen · über Flut gebracht, // Da war der fremden Märe · der ſchnelle Held bedacht, // Die ihm verkündet hatte · das wilde Meerweib: // Dem Kaplan des Königs gieng es · da ſchier an Leben und Leib. // Bei ſeinem Weihgeräthe · er den Pfaffen fand, // Auf dem Heiligthume · ſich ſtützend mit der Hand: // Das kam ihm nicht zu Gute, · als Hagen ihn erſah; // Der unglückſelge Prieſter, · viel Beſchwerde litt er da. // Er ſchwang ihn aus dem Schiffe · mit jäher Gewalt. // Da riefen ihrer Viele: · „Halt, Hagen, halt!“ // Geiſelher der junge · hub zu zürnen an; // Er wollt es doch nicht laßen, · bis er ihm Leides gethan. // Da ſprach von Burgunden · der König Gernot: // „Was hilft euch wohl, Herr Hagen, · des Kaplanes Tod? // Thät dieß anders Jemand, · es ſollt ihm werden leid. // Was verſchuldete der Prieſter, · daß ihr ſo wider ihn ſeid?“ // Der Pfaffe ſchwamm nach Kräften: · er hoffte zu entgehn, // Wenn ihm nur Jemand hülfe: · das konnte nicht geſchehn, // Denn der ſtarke Hagen, · gar zornig war ſein Muth, // Stieß ihn zu Grunde wieder; · das dauchte Niemanden gut. // Als der arme Pfaffe · hier keine Hülfe ſah, // Da wandt er ſich ans Ufer; · Beſchwerde litt er da. // Ob er nicht ſchwimmen konnte, · doch half ihm Gottes Hand, // Daß er wohlgeborgen · hinwieder kam an den Strand. // Da ſtand der arme Prieſter · und ſchüttelte ſein Kleid. // Daran erkannte Hagen, · ihm habe Wahrheit, // Unmeidliche, verkündet · das wilde Meerweib. // Er dachte: „Dieſe Degen · verlieren Leben und Leib.“ // Als ſie das Schiff entladen · und ans Geſtad geſchafft, // Was darauf beſeßen · der Könge Ritterſchaft, // Schlug Hagen es in Stücke · und warf es in die Flut; // Das wunderte gewaltig · die Recken edel und gut. // „Bruder, warum thut ihr das?“ · ſprach da Dankwart, // „Wie ſollen wir hinüber · bei unſrer Wiederfahrt, // Wenn wir von den Heunen · reiten an den Rhein?“ // Hernach ſagt' ihm Hagen, · das könne nimmermehr ſein. // Da ſprach der Held von Tronje: · „Ich thats mit Wohlbedacht: // Haben wir einen Feigen · in dieſes Land gebracht, // Der uns entrinnen möchte · in ſeines Herzens Noth, // Der muß an dieſen Wogen · leiden ſchmählichen Tod.“ // Sie führten bei ſich Einen · aus Burgundenland, // Der ein gar behender Held · und Volker ward genannt. // Der redete da launig · nach ſeinem kühnen Muth: // Was Hagen je begangen, · den Fiedler dauchte das gut. // Als der Kaplan des Königs · das Schiff zerſchlagen ſah, // Ueber das Waſſer · zu Hagen ſprach er da: // „Ihr Mörder ohne Treue, · was hatt ich euch gethan, // Daß mich unſchuldgen Pfaffen · eur Herz zu ertranken ſann?“ // Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Die Rede laßt beiſeit: // Mich kümmert, meiner Treue, · daß ihr entkommen ſeid // Hier von meinen Händen, · das glaubt ohne Spott.“ // Da ſprach der arme Prieſter: · „Dafür lob ich ewig Gott. // „Ich fürcht euch nun wenig, · des dürft ihr ſicher ſein: // Fahrt ihr zu den Heunen, · ſo will ich über Rhein. // Gott laß euch nimmer wieder · nach dem Rheine kommen, // Das wünſch ich euch von Herzen: · ſchier das Leben habt ihr mir genommen.“ // Da ſprach König Gunther · zu ſeinem Kapellan: // „Ich will euch alles büßen, · was Hagen euch gethan // Hat in ſeinem Zorne, · komm ich an den Rhein // Mit meinem Leben wieder: · des ſollt ihr außer Sorge ſein. // „Fahrt wieder heim zu Lande; · es muß nun alſo ſein. // Ich entbiete meine Grüße · der lieben Frauen mein // Und meinen andern Freunden, · wie ich billig ſoll: // Sagt ihnen liebe Märe, · daß wir noch alle fuhren wohl.“ // Die Roſſe ſtanden harrend, · die Säumer wohl geladen; // Sie hatten auf der Reiſe · bisher noch keinen Schaden // Genommen, der ſie ſchmerzte, · als des Königs Kaplan: // Der muſt auf ſeinen Füßen · ſich zum Rheine ſuchen Bahn. // 26. Sechsundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Dankwart Gelfraten erſchlug. Als ſie nun alle waren · gekommen an den Strand, // Da fragte König Gunther: · „Wer ſoll uns durch das Land // Die rechten Wege weiſen, · daß wir nicht irre gehn?“ // Da ſprach der kühne Volker: · „Laßt mich das Amt nur verſehn.“ // „Nun haltet an,“ ſprach Hagen, · „ſei's Ritter oder Knecht: // Man ſoll Freunden folgen, · das bedünkt mich recht. // Eine ungefüge Märe · mach ich euch bekannt: // Wir kommen nimmer wieder · heim in der Burgunden Land. // „Das ſagten mir zwei Meerfraun · heute morgen fruh, // Wir kämen nimmer wieder. · Nun rat ich, was man thu: // Waffnet euch, ihr Helden, · ihr ſollt euch wohl bewahren: // Wir finden ſtarke Feinde · und müßen drum wehrhaft fahren. // „Ich wähnt auf Lug zu finden · die weiſen Meerfraun: // Sie ſagten mir, nicht Einer · werde wiederſchaun // Die Heimat von uns Allen · bis auf den Kapellan; // Drum hätt ich ihm ſo gerne · heut den Tod angethan.“ // Da flogen dieſe Mären · von Schar zu Schar einher. // Bleich vor Schrecken wurden · Degen kühn und hehr, // Als ſie die Sorge faßte · vor dem herben Tod // Auf dieſer Hofreiſe: · das ſchuf ihnen wahrlich Noth. // Bei Möringen waren · ſie über Flut gekommen, // Wo dem Fährmann Elſen · das Leben ward benommen. // Da ſprach Hagen wieder: · „Da ich mir ſo gewann // Unterwegs der Feinde, · ſo greift man ehſtens uns an. // „Ich erſchlug den Fährmann · heute morgen fruh; // Sie wißen nun die Kunde. · Drum eilt und greifet zu, // Wenn Gelfrat und Elſen · heute hier beſteht // Unſer Ingeſinde, · daß es ihnen übel ergeht. // „Sie ſind gar kühn, ich weiß es, · es wird gewiſs geſchehn. // Drum laßt nur die Roſſe · in ſanftem Schritte gehn, // Daß nicht Jemand wähne, · wir flöhn vor ihrem Heer.“ // „Dem Rathe will ich folgen,“ · ſprach der junge Geiſelher. // „Wer zeigt nun dem Geſinde · die Wege durch das Land?“ // Sie ſprachen: „Das ſoll Volker: · dem ſind hie wohlbekannt // Die Straßen und die Steige, · dem ſtolzen Fiedelmann.“ // Eh mans von ihm verlangte, · kam er gewaffnet heran. // Der ſchnelle Fiedelſpieler: · den Helm er überband; // Von herrlicher Farbe · war all ſein Streitgewand. // Am Schaft ließ er flattern · ein Zeichen, das war roth. // Bald kam er mit den Königen · in eine furchtbare Noth. // Gewiſſe Kunde hatte · Gelfrat nun bekommen // Von des Fergen Tode; · da hatt es auch vernommen // Elſe der ſtarke: · beiden war es leid. // Sie beſandten ihre Helden: · die traf man balde bereit. // Darauf in kurzen Zeiten, · nun hört mich weiter an, // Sah man zu ihnen reiten, · denen Schade war gethan, // In ſtarkem Kriegszuge · ein ungefüges Heer: // Wohl ſiebenhundert ſtießen · zu Gelfrat oder noch mehr. // Als das den grimmen Feinden · nachzuziehn begann, // Die Herren, die es führten, · huben zu jagen an // Den kühnen Gäſten hinterdrein. · Sie wollten Rache haben: // Da muſten ſie der Freunde · hernach noch manchen begraben. // Hagen von Tronje · richtete das ein // (Wie konnte ſeiner Freunde · ein beßrer Hüter ſein?), // Daß er die Nachhut hatte · und Die ihm unterthan // Mit Dankwart ſeinem Bruder; · das war gar weislich gethan. // Ihnen war der Tag zerronnen, · den hatten ſie nicht mehr. // Er bangte vor Gefahren · für ſeine Freunde ſehr. // Sie ritten unter Schilden · durch der Baiern Land: // Darnach in kurzer Weile · die Helden wurden angerannt. // Beiderſeits der Straße · und hinter ihnen her // Vernahm man Hufe ſchlagen; · die Haufen eilten ſehr. // Da ſprach der kühne Dankwart: · „Gleich fallen ſie uns an: // Bindet auf die Helme, · das dünkt mich räthlich gethan.“ // Sie hielten ein mit Reiten, · als es muſte ſein. // Da ſahen ſie im Dunkel · der lichten Schilde Schein. // Nicht länger ſtille ſchweigen · mochte da der Hagen: // „Wer verfolgt uns auf der Straße?“ · Das muſte Gelfrat ihm ſagen. // Da ſprach zu ihm der Markgraf · aus der Baiern Land: // „Wir ſuchen unſre Feinde, · denen ſind wir nachgerannt. // Ich weiß nicht, wer mir heute · meinen Fergen ſchlug: // Das war ein ſchneller Degen; · mir iſt leid um ihn genug.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „War der Ferge dein? // Er wollt uns nicht fahren; · alle Schuld iſt mein: // Ich erſchlug den Recken; · fürwahr, es that mir Noth: // Ich hatte von dem Degen · ſchier ſelbſt den grimmigen Tod. // „Ich bot ihm zum Lohne · Gold und Gewand, // Daß er uns überführe, · Held, in euer Land. // Darüber zürnt' er alſo, · daß er nach mir ſchlug // Mit ſtarker Ruderſtange: · da ward ich grimmig genug. // „Ich griff nach dem Schwerte · und wehrte ſeinem Zorn // Mit einer ſchweren Wunde: · da war der Held verlorn. // Ich ſteh euch hier zur Sühne, · wie es euch dünke gut.“ // Da gieng es an ein Streiten: · ſie hatten zornigen Muth. // „Ich wuſte wohl,“ ſprach Gelfrat, · „als hier mit dem Geleit // Gunther zog vorüber, · uns geſchäh ein Leid // Von Hagens Uebermuthe. · Nun büßt ers mit dem Leben: // Für des Fergen Ende · ſoll er ſelbſt hier Bürgſchaft geben.“ // Ueber die Schilde neigten · da zum Stich den Sper // Gelfrat und Hagen; · ſich zürnten beide ſchwer. // Dankwart und Elſe · zuſammen herrlich ritten; // Sie erprobten, wer ſie waren: · da wurde grimmig geſtritten. // Wer je verſuchte kühner · ſich und die Gunſt des Glücks? // Von einem ſtarken Stoße · ſank Hagen hinterrücks // Von der Mähre nieder · durch Gelfratens Hand. // Der Bruſtriem war gebrochen: · ſo ward im Fallen bekannt. // Man hört' auch beim Geſinde · krachender Schäfte Schall. // Da erholte Hagen · ſich wieder von dem Fall, // Den er auf das Gras gethan · von des Gegners Sper: // Da zürnte der von Tronje · wider Gelfraten ſehr. // Wer ihnen hielt die Roſſe, · das iſt mir unbekannt. // Sie waren aus den Sätteln · gekommen auf den Sand, // Hagen und Gelfrat: · nun liefen ſie ſich an. // Ihre Geſellen halfen, · daß ihnen Streit ward kund gethan. // Wie heftig auch Hagen · zu Gelfraten ſprang, // Ein Stück von Ellenlänge · der edle Markgraf ſchwang // Ihm vom Schilde nieder; · das Feuer ſtob hindann. // Da wäre ſchier erſtorben · König Gunthers Unterthan. // Er rief mit lauter Stimme · Dankwarten an: // „Hilf mir, lieber Bruder, · ein ſchneller ſtarker Mann // Hat mich hier beſtanden: · der läßt mich nicht gedeihn.“ // Da ſprach der kühne Dankwart: · „So will ich denn Schiedsmann ſein.“ // Da ſprang der Degen näher · und ſchlug ihm ſolchen Schlag // Mit einer ſcharfen Waffe, · daß er todt da lag. // Elſe wollte Rache · nehmen für den Mann: // Doch er und ſein Geſinde · ſchied mit Schaden hindann. // Sein Bruder war erſchlagen, · ſelber ward er wund. // Wohl achtzig ſeiner Degen · wurden gleich zur Stund // Des grimmen Todes Beute: · da muſte wohl der Held // Gunthers Mannen räumen · in geſchwinder Flucht das Feld. // Als Die vom Baierlande · wichen aus dem Wege, // Man hörte nachhallen · die furchtbaren Schläge: // Da jagten die von Tronje · ihren Feinden nach; // Die es nicht büßen wollten, · die hatten wenig Gemach. // Da ſprach beim Verfolgen · Dankwart der Degen: // „Kehren wir nun wieder · zurück auf unſern Wegen // Und laßen wir ſie reiten: · ſie ſind vom Blute naß. // Wir eilen zu den Freunden: · in Treuen rath ich euch das.“ // Als ſie hinwieder kamen, · wo der Schade war geſchehn, // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Helden, laßt uns ſehn, // Wen wir hier vermiſſen, · oder wer uns verlorn // Hier in dieſem Streite · gieng durch Gelfratens Zorn.“ // Sie hatten vier verloren; · der Schade ließ ſich tragen. // Sie waren wohl vergolten; · dagegen aber lagen // Deren vom Baierlande · mehr als hundert todt. // Den Tronejern waren · von Blut die Schilde trüb und roth. // Ein wenig brach aus Wolken · des hellen Mondes Licht; // Da ſprach wieder Hagen: · „Hört, berichtet nicht // Meinen lieben Herren, · was hier von uns geſchah: // Bis zum Morgen komme · ihnen keine Sorge nah.“ // Als zu ihnen ſtießen, · die da kamen von dem Streit, // Da klagte das Geſinde · über Müdigkeit: // „Wie lange ſollen wir reiten?“ · fragte mancher Mann. // Da ſprach der kühne Dankwart: · „Wir treffen keine Herberg an. // „Ihr müſt alle reiten · bis an den hellen Tag.“ // Volker der ſchnelle, · der des Geſindes pflag, // Ließ den Marſchall fragen: · „Wo kehren wir heut ein? // Wo raſten unſre Pferde · und die lieben Herren mein?“ // Da ſprach der kühne Dankwart: · „Ich weiß es nicht zu ſagen: // Wir können uns nicht ruhen, · bis es beginnt zu tagen; // Wo wir es dann finden, · legen wir uns ins Gras.“ // Als ſie die Kunde hörten, · wie leid war Etlichen das! // Sie blieben unverrathen · vom heißen Blute roth, // Bis daß die Sonne · die lichten Stralen bot // Dem Morgen über Berge, · wo es der König ſah, // Daß ſie geſtritten hatten: · ſehr im Zorne ſprach er da: // „Wie nun denn, Freund Hagen? · Verſchmähtet ihr wohl das, // Daß ich euch Hülfe brachte, · als euch die Ringe naß // Wurden von dem Blute? · Wer hat euch das gethan?“ // Da ſprach er: „Elſe that es: · der griff nächten uns an. // „Seines Fergen wegen · wurden wir angerannt. // Da erſchlug Gelfraten · meines Bruders Hand. // Zuletzt entrann uns Elſe, · es zwang ihn große Noth: // Ihnen hundert, uns nur viere · blieben da im Streite todt.“ // Wir können euch nicht melden, · wo man die Nachtruh fand. // All den Landleuten · ward es bald bekannt, // Der edeln Ute Söhne · zögen zum Hofgelag. // Sie wurden wohl empfangen · dort zu Paßau bald hernach. // Der werthen Fürſten Oheim, · der Biſchof Pilgerin, // Dem wurde wohl zu Muthe, · als ſeine Neffen ihn // Mit ſo viel der Recken · beſuchten da im Land: // Daß er ſie gerne ſähe, · ward ihnen balde bekannt. // Sie wurden wohl empfangen · von Freunden vor dem Ort. // Nicht all verpflegen mochte · man ſie in Paßau dort: // Sie muſten übers Waſſer, · wo Raum ſich fand und Feld: // Da ſchlugen auf die Knechte · Hütten und reich Gezelt. // Sie muſten da verweilen · einen vollen Tag // Und eine Nacht darüber. · Wie ſchön man ſie verpflag! // Dann ritten ſie von dannen · in Rüdigers Land; // Dem kamen auch die Mären: · da ward ihm Freude bekannt, // Als die Wegemüden · Nachtruh genommen // Und ſie dem Lande waren · näher gekommen, // Sie fanden auf der Marke · ſchlafen einen Mann, // Dem von Tronje Hagen · ein ſtarkes Waffen abgewann. // Eckewart geheißen · war dieſer Ritter gut. // Der gewann darüber · gar traurigen Muth, // Daß er verlor das Waffen · durch der Helden Fahrt. // Rüdgers Grenzmarke, · die fand man übel bewahrt. // „O weh mir dieſer Schande,“ · ſprach da Eckewart. // „Schwer muß ich beklagen · der Burgunden Fahrt. // Als ich verlor Siegfrieden, · hub all mein Kummer an; // O weh, mein Herr Rüdiger, · wie hab ich wider dich gethan!“ // Wohl hörte Hagen · des edeln Recken Noth: // Er gab das Schwert ihm wieder, · dazu ſechs Spangen roth. // „Die nimm dir, Held, zu Lohne, · willſt du hold mir ſein; // Du biſt ein kühner Degen, · lägſt du hier noch ſo allein.“ // „Gott lohn euch eure Spangen,“ · ſprach da Eckewart; // „Doch muß ich ſehr beklagen · zu den Heunen eure Fahrt. // Ihr erſchlugt Siegfrieden; · hier trägt man euch noch Haß: // Daß ihr euch wohl behütet, · in Treuen rath ich euch das.“ // „Nun, mög uns Gott behüten,“ · ſprach Hagen entgegen. // „Keine andre Sorge · haben dieſe Degen // Als um die Herberge, · die Fürſten und ihr Lehn, // Wo wir in dieſem Lande · heute Nachtruh ſollen ſehn. // „Vermüdet ſind die Roſſe · uns auf den fernen Wegen, // Die Speiſe gar zerronnen,“ · ſprach Hagen der Degen: // „Wir findens nicht zu Kaufe: · es wär ein Wirth uns Noth, // Der uns heute gäbe · in ſeiner Milde das Brot.“ // Da ſprach wieder Eckewart: · „Ich zeig euch ſolchen Wirth, // Daß Niemand euch im Hauſe · ſo gut empfangen wird // Irgend in den Landen, · als hier euch mag geſchehn, // Wenn ihr ſchnellen Degen · wollt zu Rüdigern gehn. // „Der Wirth wohnt an der Straße, · der beſte allerwärts, // Der je ein Haus beſeßen. · Milde gebiert ſein Herz, // Wie das Gras mit Blumen · der lichte Maimond thut, // Und ſoll er Helden dienen, · ſo iſt er froh und wohlgemuth.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Wollt ihr mein Bote ſein, // Ob uns behalten wolle · bis an des Tages Schein // Mein lieber Freund Rüdiger · und Die mir unterthan? // Das will ich ſtäts verdienen, · ſo gut ich irgend nur kann.“ // „Der Bote bin ich gerne,“ · ſprach da Eckewart, // Mit gar gutem Willen · erhob er ſich zur Fahrt // Rüdigern zu ſagen, · was er da vernommen. // Dem war in langen Zeiten · ſo liebe Kunde nicht gekommen. // Man ſah zu Bechlaren · eilen einen Degen, // Den Rüdger wohl erkannte; · er ſprach: „Auf dieſen Wegen // Kommt Eckewart in Eile, · Kriemhildens Unterthan.“ // Er wähnte ſchon, die Feinde · hätten ihm ein Leid gethan. // Da gieng er vor die Pforte, · wo er den Boten fand. // Der nahm ſein Schwert vom Gurte · und legt' es aus der Hand. // Er ſprach zu dem Degen: · „Was habt ihr vernommen, // Daß ihr ſo eilen müßet? · hat uns Jemand was genommen?“ // „Geſchadet hat uns Niemand,“ · ſprach Eckewart zuhand; // „Mich haben drei Könige · her zu euch geſandt, // Gunther von Burgunden, · Geiſelher und Gernot; // Jeglicher der Recken · euch ſeine Dienſte her entbot. // „Das ſelbe thut auch Hagen, · Volker auch zugleich, // Mit Fleiß und rechter Treue; · dazu bericht ich euch, // Was des Königs Marſchall · euch durch mich entbot, // Es ſei den guten Degen · eure Herberge Noth.“ // Mit lachendem Munde · ſprach da Rüdiger: // „Nun wohl mir dieſer Märe, · daß die Könige hehr // Meinen Dienſt verlangen: · dazu bin ich bereit. // Wenn ſie ins Haus mir kommen, · des bin ich höchlich erfreut.“ // „Dankwart der Marſchall · hat euch kund gethan, // Wer euch zu Hauſe · noch heute zieht heran: // Sechzig kühner Recken · und tauſend Ritter gut // Mit neuntauſend Knechten.“ · Da ward ihm fröhlich zu Muth. // „Wohl mir dieſer Gäſte,“ · ſprach da Rüdiger, // „Daß mir zu Hauſe kommen · dieſe Recken hehr, // Denen ich noch ſelten · hab einen Dienſt gethan. // Entgegen reitet ihnen, · ſei's Freund oder Unterthan.“ // Da eilte zu den Roſſen · Ritter ſo wie Knecht: // Was ſie der Herr geheißen, · das dauchte Alle recht. // Sie brachten ihre Dienſte · um ſo ſchneller dar. // Noch wuſt es nicht Frau Gotlind, · die in ihrer Kammer war. // 27. Siebenundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie ſie nach Bechlaren kamen. Hin gieng der Markgraf, · wo er die Frauen fand, // Sein Weib und ſeine Tochter. · Denen macht' er da bekannt // Dieſe liebe Märe, · die er jetzt vernommen, // Daß ihrer Frauen Brüder · zu ihrem Hauſe ſollten kommen. // „Viel liebe Traute,“ · ſprach da Rüdiger, // „Ihr ſollt ſie wohl empfangen, · die edeln Könge hehr, // Wenn ſie und ihr Geſinde · vor euch zu Hofe gehn; // Ihr ſollt auch freundlich grüßen · Hagen in Gunthers Lehn. // „Mit ihnen kommt auch Einer · mit Namen Dankwart; // Ein Andrer heißt Volker, · an Ehren wohlbewahrt. // Die Sechſe ſollt ihr küſſen, · ihr und die Tochter mein, // Und ſollt in höfſchen Züchten · dieſen Recken freundlich ſein.“ // Das gelobten ihm die Frauen · und warens gern bereit. // Sie ſuchten aus den Kiſten · manch herrliches Kleid, // Darin ſie den Recken · entgegen wollten gehn. // Da mocht ein groß Befleißen · von ſchönen Frauen geſchehn. // Gefälſchter Frauenzierde · gar wenig man da fand; // Sie trugen auf dem Haupte · lichtes goldnes Band, // Das waren reiche Kränze, · damit ihr ſchönes Haar // Die Winde nicht verwehten; · ſie waren höfiſch und klar. // In ſolcher Unmuße · laßen wir die Fraun. // Da war ein ſchnelles Reiten · über Feld zu ſchaun // Von Rüdigers Freunden, · bis man die Fürſten fand. // Sie wurden wohl empfangen · in des Markgrafen Land. // Als ſie der Markgraf · zu ſich kommen ſah, // Rüdiger der ſchnelle · wie fröhlich ſprach er da: // „Willkommen mir, ihr Herren · und Die in euerm Lehn. // Hier in dieſem Lande · ſeid ihr gerne geſehn.“ // Da dankten ihm die Recken · in Treuen ohne Haß. // Daß ſie willkommen waren, · wohl erzeigt' er das. // Beſonders grüßt' er Hagen, · der war ihm längſt bekannt; // So that er auch mit Volkern, · dem Helden aus Burgundenland. // Er begrüßt' auch Dankwarten. · Da ſprach der kühne Degen: // „Wollt ihr uns hier verſorgen, · wer ſoll dann verpflegen // Unſer Ingeſinde · aus Worms an dem Rhein?“ // Da begann der Markgraf: · „Dieſe Angſt laßet ſein. // „All euer Geſinde · und was ihr in das Land // Mit euch geführet habet, · Roſs, Silber und Gewand, // Ich ſchaff ihm ſolche Hüter, · nichts geht davon verloren, // Das euch zu Schaden brächte · nur um einen halben Sporen. // „Spannet auf, ihr Knechte, · die Hütten in dem Feld; // Was ihr hier verlieret, · dafür leiſt ich Entgelt: // Zieht die Zäume nieder · und laßt die Roſſe gehn.“ // Das war ihnen ſelten · von einem Wirth noch geſchehn. // Des freuten ſich die Gäſte. · Als das geſchehen war // Und die Herrn von dannen ritten, · legte ſich die Schar // Der Knecht im Graſe nieder: · ſie hatten gut Gemach. // Sie fandens auf der Reiſe · nicht beßer vor oder nach. // Die Markgräfin eilte · vor die Burg zu gehn // Mit ihrer ſchönen Tochter. · Da ſah man bei ihr ſtehn // Die minniglichen Frauen · und manche ſchöne Maid: // Die trugen viel der Spangen · und manches herrliche Kleid. // Das edle Geſteine · glänzte fern hindann // Aus ihrem reichen Schmucke: · ſie waren wohlgethan. // Da kamen auch die Gäſte · und ſprangen auf den Sand. // Hei! was man edle Sitten · an den Burgunden fand! // Sechsunddreißig Mägdelein · und viel andre Fraun, // Die wohl nach Wunſche waren · und wonnig anzuſchauen, // Giengen den Herrn entgegen · mit manchem kühnen Mann. // Da ward ein ſchönes Grüßen · von edeln Frauen gethan. // Die Markgräfin küſſte · die Könge alle drei; // So that auch ihre Tochter. · Hagen ſtand dabei. // Den hieß ihr Vater küſſen: · da blickte ſie ihn an: // Er dauchte ſie ſo furchtbar, · ſie hätt es lieber nicht gethan. // Doch muſte ſie es leiſten, · wie ihr der Wirth gebot. // Gemiſcht ward ihre Farbe, · bleich und auch roth. // Auch Dankwarten küſſte ſie, · darnach den Fiedelmann: // Seiner Kraft und Kühnheit wegen · ward ihm das Grüßen gethan. // Die junge Markgräfin · nahm bei der Hand // Geiſelher den jungen · von Burgundenland; // So nahm auch ihre Mutter · Gunthern den kühnen Mann. // Sie giengen mit den Helden · beide fröhlich hindann. // Der Wirth gieng mit Gernot · in einen weiten Saal. // Die Ritter und die Frauen · ſetzten ſich zumal. // Man ließ alsdann den Gäſten · ſchenken guten Wein: // Gütlicher bewirthet · mochten Helden nimmer ſein. // Mit zärtlichen Augen · ſah da Mancher an // Rüdigers Tochter, · die war ſo wohlgethan. // Wohl kos't' in ſeinem Sinne · ſie mancher Ritter gut; // Das mochte ſie verdienen: · ſie trug gar hoch ihren Muth. // Sie gedachten, was ſie wollten; · nur konnt es nicht geſchehn. // Man ſah die guten Ritter · hin und wieder ſpähn // Nach Mägdelein und Frauen: · deren ſaßen da genug. // Dem Wirth geneigten Willen · der edle Fiedeler trug. // Da wurden ſie geſchieden, · wie Sitte war im Land: // Zu andern Zimmern giengen · Ritter und Fraun zur Hand. // Man richtete die Tiſche · in dem Saale weit // Und ward den fremden Gäſten · zu allen Dienſten bereit. // Den Gäſten gieng zu Liebe · die edle Markgräfin // Mit ihnen zu den Tiſchen: · die Tochter ließ ſie drin // Bei den Mägdlein weilen, · wo ſie nach Sitte blieb. // Daß ſie die nicht mehr ſahen, · das war den Gäſten nicht lieb. // Als ſie getrunken hatten · und gegeßen überall, // Da führte man die Schöne · wieder in den Saal. // Anmuthge Reden · wurden nicht geſcheut: // Viel ſprach deren Volker, · ein Degen kühn und allbereit. // Da ſprach unverhohlen · derſelbe Fiedelmann: // „Viel reicher Markgraf, · Gott hat an euch gethan // Nach allen ſeinen Gnaden: · er hat euch gegeben // Ein Weib, ein ſo recht ſchönes, · dazu ein wonnigliches Leben. // „Wenn ich ein König wäre,“ · ſprach der Fiedelmann, // „Und ſollte Krone tragen, · zum Weibe nähm ich dann // Eure ſchöne Tochter: · die wünſchte ſich mein Muth. // Sie iſt minniglich zu ſchauen, · dazu edel und gut.“ // Der Markgraf entgegnete: · „Wie möchte das Wohl ſein, // Daß ein König je begehrte · der lieben Tochter mein? // Wir ſind hier beide heimatlos, · ich und mein Weib, // Und haben nichts zu geben: · was hilft ihr dann der ſchöne Leib?“ // Zur Antwort gab ihm Gernot, · der edle Degen gut: // „Sollt ich ein Weib mir wählen · nach meinem Sinn und Muth, // So wär ich ſolches Weibes · ſtäts von Herzen froh.“ // Darauf verſetzte Hagen · in höfiſchen Züchten ſo: // „Nun ſoll ſich doch beweiben · mein Herr Geiſelher: // Es iſt ſo hohen Stammes · die Markgräfin hehr, // Daß wir ihr gerne dienten, · ich und all ſein Lehn, // Wenn ſie bei den Burgunden · unter Krone ſollte gehn.“ // Dieſe Rede dauchte · den Markgrafen gut // Und auch Gotelinde; · wohl freute ſich ihr Muth. // Da ſchufen es die Helden, · daß ſie zum Weibe nahm // Geiſelher der edle, · wie er es mocht ohne Scham. // Soll ein Ding ſich fügen, · wer mag ihm widerſtehn? // Man bat die Jungfraue, · hin zu Hof zu gehn. // Da ſchwur man ihm zu geben · das ſchöne Mägdelein, // Wogegen er ſich erbot, · die Wonnigliche zu frein. // Man beſchied der Jungfrau · Burgen und auch Land. // Da ſicherte mit Eiden · des edeln Königs Hand // Und Gernot der Degen, · es werde ſo gethan. // Da ſprach der Markgraf: · „Da ich Burgen nicht gewann, // „So kann ich euch in Treuen · nur immer bleiben hold. // Ich gebe meiner Tochter · an Silber und an Gold, // Was hundert Saumroſſe · nur immer mögen tragen, // Daß es wohl nach Ehren · euch Helden möge behagen.“ // Da wurden dieſe beiden · in einen Kreis geſtellt // Nach dem Rechtsgebrauche. · Mancher junge Held // Stand ihr gegenüber · in fröhlichem Muth; // Er gedacht in ſeinem Sinne, · wie noch ein Junger gerne thut. // Als man begann zu fragen · die minnigliche Maid, // Ob ſie den Recken wolle, · zum Theil war es ihr leid; // Doch dachte ſie zu nehmen · den waidlichen Mann. // Sie ſchämte ſich der Frage, · wie manche Maid hat gethan. // Ihr rieth ihr Vater Rüdiger, · daß ſie ſpräche ja, // Und daß ſie gern ihn nähme: · wie ſchnell war er da // Mit ſeinen weißen Händen, · womit er ſie umſchloß, // Geiſelher der junge! · Wie wenig ſie ihn doch genoß! // Da begann der Markgraf: · „Ihr edeln Könge reich, // Wenn ihr nun wieder reitet · heim in euer Reich, // So geb ich euch, ſo iſt es · am ſchicklichſten, die Magd, // Daß ihr ſie mit euch führet.“ · Alſo ward es zugeſagt. // Der Schall, den man hörte, · der muſte nun vergehn. // Da ließ man die Jungfrau · zu ihrer Kammer gehn // Und auch die Gäſte ſchlafen · und ruhn bis an den Tag. // Da ſchuf man ihnen Speiſe: · der Wirth ſie gütlich verpflag. // Als ſie gegeßen hatten · und nun von dannen fahren // Wollten zu den Heunen: · „Davor will ich euch wahren,“ // Sprach der edle Markgraf, · „ihr ſollt noch hier beſtehn; // So liebe Gäſte hab ich · lange nicht bei mir geſehn.“ // Dankwart entgegnete: · „Das kann ja nicht ſein: // Wo nähmt ihr die Speiſe, · das Brot und auch den Wein, // Das ihr doch haben müſtet · für ſolch ein Heergeleit?“ // Als das der Wirth erhörte, · er ſprach: „Die Rede laßt beiſeit. // „Meine lieben Herren, · ihr dürft mir nicht verſagen. // Wohl geb ich euch die Speiſe · zu vierzehen Tagen, // Euch und dem Geſinde, · das mit euch hergekommen. // Mir hat der König Etzel · noch gar ſelten was genommen.“ // Wie ſehr ſie ſich wehrten, · ſie muſten da beſtehn // Bis an den vierten Morgen. · Da ſah man geſchehn // Durch des Wirthes Milde, · was weithin ward bekannt: // Er gab ſeinen Gäſten · beides, Roſs' und Gewand. // Nicht länger mocht es währen, · ſie muſten an ihr Ziel. // Seines Gutes konnte · Rüdiger nicht viel // Vor ſeiner Milde ſparen: · wonach man trug Begehr, // Das verſagt' er Niemand: · er gab es gern den Helden hehr. // Ihr edel Ingeſinde · brachte vor das Thor // Geſattelt viel der Roſſe; · zu ihnen kam davor // Mancher fremde Recke, · den Schild an der Hand, // Da ſie reiten wollten · mit ihnen in Etzels Land. // Der Wirth bot ſeine Gaben · den Degen allzumal, // Eh die edeln Gäſte · kamen vor den Saal. // Er konnte wohl mit Ehren · in hoher Milde leben. // Seine ſchöne Tochter · hatt er Geiſelhern gegeben; // Da gab er Gernoten · eine Waffe gut genug, // Die hernach in Stürmen · der Degen herrlich trug. // Ihm gönnte wohl die Gabe · des Markgrafen Weib; // Doch verlor der gute Rüdiger · davon noch Leben und Leib. // Er gab König Gunthern, · dem Helden ohne Gleich, // Was wohl mit Ehren führte · der edle König reich, // Wie ſelten er auch Gab empfieng, · ein gutes Streitgewand, // Da neigte ſich der König · vor des milden Rüdger Hand. // Gotelind bot Hagnen, · ſie durfte es ohne Scham, // Ihre freundliche Gabe: · da ſie der König nahm, // So ſollt auch er nicht fahren · zu dem Hofgelag // Ohn ihre Steuer: · der edle Held aber ſprach: // „Alles, was ich je geſehn,“ · entgegnete Hagen, // „So begehr ich nichts weiter · von hinnen zu tragen // Als den Schild, der dorten · hängt an der Wand: // Den möcht ich gerne führen · mit mir in der Heunen Land.“ // Als die Rede Hagens · die Markgräfin vernahm, // Ihres Leids ermahnt' er ſie, · daß ihr das Weinen kam. // Mit Schmerzen gedachte · ſie an Nudungs Tod, // Den Wittich hatt erſchlagen; · das ſchuf ihr Jammer und Noth. // Sie ſprach zu dem Degen: · „Den Schild will ich euch geben. // Wollte Gott vom Himmel, · daß der noch dürfte leben, // Der einſt ihn hat getragen! · er fand im Kampf den Tod. // Ich muß ihn ſtäts beweinen: · das ſchafft mir armem Weibe Noth!“ // Da erhob ſich vom Sitze · die Markgräfin mild: // Mit ihren weißen Händen · hob ſie herab den Schild // Und trug ihn hin zu Hagen: · der nahm ihn an die Hand. // Die Gabe war mit Ehren · an den Recken gewandt. // Eine Hülle lichten Zeuges · auf ſeinen Farben lag. // Beßern Schild als dieſen · beſchien wohl nie der Tag. // Mit edelm Geſteine · War er ſo beſetzt, // Man hätt ihn im Handel · wohl auf tauſend Mark geſchätzt. // Den Schild hinwegzutragen · befahl der Degen hehr. // Da kam ſein Bruder Dankwart · auch zu Hofe her. // Dem gab reicher Kleider · Rüdigers Kind genug, // Die er bei den Heunen · hernach mit Freuden noch trug. // Wie viel ſie der Gaben · empfiengen insgemein, // Nichts würd in ihre Hände · davon gekommen ſein, // Wars nicht dem Wirth zu Liebe, · der es ſo gütlich bot. // Sie wurden ihm ſo feind hernach, daß ſie ihn ſchlagen muſten todt. // Da hatte mit der Fiedel · Volker der ſchnelle Held // Sich vor Gotelinde · höfiſch hingeſtellt. // Er geigte ſüße Töne · und ſang dazu ſein Lied: // Damit nahm er Urlaub, · als er von Bechlaren ſchied. // Da ließ die Markgräfin · eine Lade näher tragen. // Von freundlicher Gabe · mögt ihr nun hören ſagen: // Zwölf Spangen, die ſie aus ihr nahm, · ſchob ſie ihm an die Hand: // „Die ſollt ihr führen, Volker, · mit euch in der Heunen Land // „Und ſollt ſie mir zu Liebe · dort am Hofe tragen: // Wenn ihr wiederkehret, · daß man mir möge ſagen, // Wie ihr gedient mir habet · bei dem Hofgelag.“ // Wie ſie ihn gebeten, · ſo that der Degen hernach. // Der Wirth ſprach zu den Gäſten: · „Daß ihr nun ſichrer fahrt, // Will ich euch ſelbſt geleiten: · ſo ſeid ihr wohl bewahrt, // Daß ihr auf der Straße · nicht werdet angerannt.“ // Seine Saumroſſe · die belud man gleich zur Hand. // Der Wirth war reiſefertig · und fünfhundert Mann // Mit Roſſen und mit Kleidern: · die führt' er hindann // Zu dem Hofgelage · mit fröhlichem Muth; // Nach Bechelaren kehrte · nicht Einer all der Ritter gut. // Mit minniglichen Küſſen · der Wirth von dannen ſchied; // Alſo that auch Geiſelher, · wie ihm die Liebe rieth. // Sie herzten ſchöne Frauen · mit zärtlichem Umfahn: // Das muſten bald beweinen · viel Jungfrauen wohlgethan. // Da wurden allenthalben · die Fenſter aufgethan, // Als mit ſeinen Mannen · der Markgraf ritt hindann. // Sie fühlten wohl im Herzen · voraus das herbe Leid: // Drum weinten viel der Frauen · und manche waidliche Maid. // Nach den lieben Freunden · trug Manche groß Beſchwer, // Die ſie in Bechelaren · erſahen nimmermehr. // Doch ritten ſie mit Freuden · nieder an dem Strand // Dort im Donauthale · bis in das heuniſche Land. // Da ſprach zu den Burgunden · der milde Markgraf hehr, // Rüdiger der edle: · „Nun darf nicht länger mehr // Verhohlen ſein die Kunde, · daß wir nach Heunland kommen. // Es hat der König Etzel · noch nie ſo Liebes vernommen.“ // Da ritt manch ſchneller Bote · ins Oeſterreicherland: // So ward es allenthalben · den Leuten bald bekannt, // Daß die Helden kämen · von Worms über Rhein. // Dem Ingeſind des Königs · konnt es nicht lieber ſein. // Die Boten vordrangen · mit dieſen Mären, // Daß die Nibelungen · bei den Heunen wären: // „Du ſollſt ſie wohl empfangen, · Kriemhild, Fraue mein: // Nach großen Ehren kommen · dir die lieben Brüder dein.“ // Als die Königstochter · vernahm die Märe, // Zum Theil wich ihr vom Herzen · ihr Leid, das ſchwere. // Aus ihres Vaters Lande · zog Mancher ihr heran, // Durch den der König Etzel · bald großen Jammer gewann. // „Nun wohl mir dieſe Freude,“ · ſprach da Kriemhild. // „Hier bringen meine Freunde · gar manchen neuen Schild // Und Panzer glänzend helle: · wer nehmen will mein Gold // Und meines Leids gedenken, · dem will ich immer bleiben hold.“ // Sie gedachte heimlich: · „Noch wird zu Allem Rath. // Der mich an meinen Freuden · ſo gar gepfändet hat, // Weiß ich es zu fügen, · es ſoll ihm werden leid // Bei dieſem Gaſtgebote: · dazu bin ich gern bereit. // „Ich will es alſo Schaffen, · daß meine Rach ergeht // Bei dieſem Hofgelage, · wie es hernach auch ſteht, // An ſeinem argen Leibe, · der mir hat benommen // So viel meiner Wonne: · des ſoll mir nun Entgeltung kommen.“ // 28. Achtundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Kriemhild Hagen entpfieng. Als die Burgunden · kamen auf das Feld, // Auf ſchlug man drei Königen · gar herrlich Gezelt. // Sie ſtießen ein die Fahnen · von eitel Golde roth. // Da wuſten nicht die Herren, · wie ihnen nah war der Tod. // Da ſtieg zu den Zinnen · Frau Kriemhild hinan // Und ſah auf dem Felde · reiten manchen Mann. // Des freute ſich heimlich · das wunderſchöne Weib: // „Nun endlich wird gerochen · des kühnen Siegfriedes Leib, // „Der mir ſo mörderlich · zu Tode ward geſchlagen; // Ich kann bis an mein Ende · ihn nie genug beklagen. // O weh der großen Ehren, · die ich muß verloren ſchaun: // So tapfrer Mann lag nimmer · noch im Arm einer Fraun. // „Seine große Tugend · ſchafft mir Herzeleid: // Wenn ich daran gedenke, · wie er zu jener Zeit // Hin ritt mit ſo geſundem Leib, · ſo mehrt ſich meine Klage: // Mir darf Niemand rügen · das große Leid, das ich trage. // „Gott hatt ihn mir zu Manne · aus aller Welt erkoren. // Wär Einem Mann die Tugend · Tauſender angeboren, // Viel größere doch Siegfried · ganz alleine trug.“ // Sehr klagt' um ihn die Königin, · zu dem Herzen ſie ſich ſchlug. // Alsbald ward dem Berner · die Märe kund gethan. // Da kam er geſchwinde · über den Hof heran; // Er hatte Hilbranden · der Sitte nach bei ſich. // „Viel edle Königstochter, · das ließet ihr billiglich, // „Daß man euch weinen ſähe · bei dieſer Luſtbarkeit. // Ihr habt hieher beſchieden · aus fremden Landen weit // Viel der werthen Recken · und manchen Biedermann: // Daß man euch nun weinen ſieht, · das ſteht euch gar übel an.“ // „Ich mahne dich der Treue,“ · ſprach ſie, „Hildebrand, // Haſt du je Gab empfangen · aus meiner milden Hand, // So räche mich an Hagen: · ich gebe dir mein Gold // Und bin mit guten Treuen · bis an mein Ende dir hold.“ // Da ſprach zu ihr der Berner: · „Ihr ſeid ein übel Weib, // Daß ihr den Freunden rathet · an Leben und Leib, // Und habt ſo manchen Boten · hin an den Rhein geſandt, // Bis ſie euch nun kamen · zu Haus mit wehrlicher Hand. // „Höret, Meiſter Hildebrand, · ſo lieb als ich euch ſei: // Empfangt mir vom Rheine · die Könige alle drei // Und heißt ſie hier zu Felde · liegen bis an den Tag, // So warn ich ſie mit Treue, · ſo gut ich immer vermag.“ // Da ritt wohlgezogen · Meiſter Hildebrand, // Bis er die drei Könige · von dem Rheine fand. // Er ſprang vom Pferde ritterlich · und ließ ſich auf die Knie: // Die drei Könige vom Rheine · ſo empfing und grüßt' er ſie. // „Willkommen ſeid, Herr Gunther, · König an dem Rhein; // So ſei auch Herr Gernot, · der liebe Bruder dein, // Und Geiſelher der junge · und Hagen, ein ſtarker Mann, // Und noch manch ſchneller Recke, · die ich nicht alle nennen kann. // „Euch entbeut der Berner, · der liebe Herre mein, // Seine Huld und Freundſchaft · und will euch hülfreich ſein. // Er räth euch, hier im Felde · zu liegen bis zum Tag: // Dann warnt er euch mit Treuen, · ſo gut er immer vermag. // „Mög euch Gott behüten · hier vor aller Noth: // Schon vor vierthalb Jahren · war euch bereit der Tod. // Geſchworen hat Frau Kriemhild, · eure Schweſter, manchen Eid, // daß ſie an euch will rächen · all ihr großes Herzeleid. // „Er entbeut euch, daß ihr meidet, · ſo lieb euch ſei das Leben, // Den Neubau an der Donau, · wo euch Herberg iſt gegeben: // Das ſollt ihr mir glauben, · und käm darein ein Heer, // Ihr müſtet All erſterben · und Keiner käme zur Wehr. // „Wißt, in drei ſchönen Rohren, · die hohl von innen ſind, // Schwefel und Kohlen · miſchten ſie falſch geſinnt: // Das wird angezündet, · wenn ſie zu Tiſche gehn. // Davor ſollt ihr euch hüten · ihr ſtolzen Degen auserſehn.“ // Des erſchrak der König, · die Rede war ihm leid. // „Nun lohne Gott dir, Hildebrand, · daß du uns gabſt Beſcheid // Und daß du haſt gewarnet · manch heimatloſen Mann. // Ich ſeh, wir treffen Treue · bei den Heunen wenig an.“ // Des erlachten die Jungen · und hielten es für Spott. // Da ſprachen die Weiſen: · „Davor behüt uns Gott. // Wir ſind in großer Treue · geritten in das Land; // Sie hat uns manchen Boten · hin nach dem Rheine geſandt.“ // Da ſprach wohlgezogen · der König Gernot: // „Meine Schweſter Kriemhild hat uns · geladen in den Tod. // Zu großer Treue ritten · wir her in dieſe Statt, // Da meine ſchöne Schweſter · uns vom Rhein geladen hat.“ // Da ſprach der Fiedelſpieler, · der kühne Volker: // „Ich kam der Gabe willen · vom Rhein geritten her. // Nun will ich drauf verzichten,“ · ſo ſprach der Fiedelmann: // „Ich fiedle mit dem Schwerte · das allerbeſte, das ich kann. // „Erklingen meine Töne, · ſo weichen ſie zurück, // Und wollen ſie's nicht laßen, · ſo fügt es leicht das Glück, // Ich ſchlag Einem ritterlich · einen ſchnellen Geigenſchlag, // Hat er einen treuen Freund, · daß es der beweinen mag.“ // Als Hildebrand der alte · von dannen wollte gehn, // Geiſelher der junge · hieß ihn noch ſtille ſtehn. // Er gab ihm einen Mantel, · den er ihm zu Ehren trug; // Für dreißig Mark Goldes · hatt er Pfands daran genug. // An ſich nahm den Mantel · Meiſter Hildebrand // Und ritt hin wohlgezogen, · wo er den Berner fand. // „Schaut den reichen Mantel, · der hier an mir zu ſehn: // Den gab mir Geiſelher das Kind, · als ich von ihm wollte gehn.“ // Als die Burgunden · kamen in das Land, // Da erfuhr es von Berne · der alte Hildebrand. // Er ſagt' es ſeinem Herren. · Dietrichen war es leid; // Er hieß ihn wohl empfangen · der kühnen Ritter Geleit. // Da ließ der ſtarke Wolfhart · die Pferde führen her; // Dann ritt mit dem Berner · mancher Degen hehr, // Sie zu begrüßen, · zu ihnen auf das Feld. // Sie hatten aufgeſchlagen · da manches herrliche Zelt. // Als ſie von Tronje Hagen · aus der Ferne ſah, // Wohlgezogen ſprach er · zu ſeinen Herren da: // „Nun hebt euch von den Sitzen, · ihr Recken wohlgethan, // Und geht entgegen denen, · die euch hier wollen empfahn. // „Dort kommt ein Heergeſinde, · das iſt mir wohl bekannt; // Es ſind viel ſchnelle Degen · von Amelungenland. // Sie führt Der von Berne, · ſie tragen hoch den Muth: // Laßt euch nicht verſchmähen · die Dienſte, die man euch thut.“ // Da ſprang von den Roſſen · wohl nach Fug und Recht // Mit Dietrichen nieder · mancher Herr und Knecht. // Sie giengen zu den Gäſten, · wo man die Helden fand, // Und begrüßten freundlich · Die von der Burgunden Land. // Als ſie der edle Dietrich · ihm entgegen kommen ſah, // Liebes und Leides · zumal ihm dran geſchah. // Er wuſte wohl die Märe; · leid war ihm ihre Fahrt: // Er wähnte, Rüdger wüſt es · und hätt es ihnen offenbart. // „Willkommen mir, ihr Herren, · Gunther und Geiſelher, // Gernot und Hagen, · Herr Volker auch ſo ſehr, // Und Dankwart der ſchnelle: · iſt euch das nicht bekannt? // Schwer beweint noch Kriemhild · Den von Nibelungenland.“ // „Sie mag noch lange weinen,“ · ſo ſprach da Hagen: // „Er liegt ſeit manchem Jahr · ſchon zu Tod erſchlagen. // Den König der Heunen · mag ſie nun lieber haben: // Siegfried kommt nicht wieder, · er iſt nun lange begraben.“ // „Siegfriedens Wunden · laßen wir nun ſtehn: // So lange lebt Frau Kriemhild, · mag Schade wohl geſchehn.“ // So redete von Berne · der edle Dieterich: // „Troſt der Nibelungen, · davor behüte du dich!“ // „Wie ſoll ich mich behüten?“ · ſprach der König hehr. // „Etzel ſandt uns Boten, · was ſollt ich fragen mehr? // Daß wir zu ihm ritten · her in dieſes Land. // Auch hat uns manche Botſchaft · meine Schweſter Kriemhild geſandt.“ // „So will ich euch rathen,“ · ſprach wieder Hagen, // „Laßt euch dieſe Märe · doch zu Ende ſagen // Dieterich den Herren · und ſeine Helden gut, // Daß ſie euch wißen laßen · der Frau Kriemhilde Muth.“ // Da giengen die drei Könige · und ſprachen unter ſich, // Herr Gunther und Gernot · und Herr Dieterich: // „Nun ſag uns, von Berne · du edler Ritter gut, // Was du wißen mögeſt · von der Königin Muth.“ // Da ſprach der Vogt von Berne: · „Was ſoll ich weiter ſagen? // Als daß ich alle Morgen · weinen hör und klagen // Etzels Weib Frau Kriemhild · in jämmerlicher Noth // Zum reichen Gott vom Himmel · um des ſtarken Siegfried Tod.“ // „Es iſt halt nicht zu wenden,“ · ſprach der kühne Mann, // Volker der Fiedler, · „was ihr uns kund gethan. // Laßt uns zu Hofe reiten · und einmal da beſehn, // Was uns ſchnellen Degen · bei den Heunen möge geſchehn.“ // Die kühnen Burgunden · hin zu Hofe ritten: // Sie kamen ſtolz gezogen · nach ihres Landes Sitten. // Da wollte bei den Heunen · gar mancher kühne Mann // Von Tronje Hagen ſchauen, · wie der wohl wäre gethan. // Es war durch die Sage · dem Volk bekannt genug, // Daß er von Niederlanden · Siegfrieden ſchlug, // Aller Recken ſtärkſten, · Frau Kriemhildens Mann: // Drum ward ſo großes Fragen · bei Hof nach Hagen gethan. // Der Held war wohlgewachſen, · das iſt gewiſslich wahr. // Von Schultern breit und Brüſten; · gemiſcht war ſein Haar // Mit einer greiſen Farbe; · von Beinen war er lang // Und ſchrecklich von Antlitz; · er hatte herrlichen Gang. // Da ſchuf man Herberge · den Burgundendegen; // Gunthers Ingeſinde · ließ man geſondert legen. // Das rieth die Königstochter, · die ihm viel Haßes trug: // Daher man bald die Knechte · in der Herberg erſchlug. // Dankwart, Hagens Bruder, · war da Marſchall; // Der König ſein Geſinde · ihm fleißig anbefahl, // Daß er es die Fülle · mit Speiſe ſollte pflegen. // Das that auch gar willig · und gern dieſer kühne Degen. // Kriemhild die ſchöne · mit dem Geſinde gieng, // Wo ſie die Nibelungen · mit falſchem Muth empfieng: // Sie küſſte Geiſelheren · und nahm ihn bei der Hand. // Als das Hagen ſah von Tronje, · den Helm er feſter ſich band. // „Nach ſolchem Empfange,“ · ſo ſprach da Hagen, // „Mögen wohl Bedenken · die ſchnellen Degen tragen; // Man grüßt die Fürſten ungleich · und den Unterthan: // Keine gute Reiſe haben wir · zu dieſer Hochzeit gethan.“ // Sie ſprach: „Seid willkommen · dem, der euch gerne ſieht: // Eurer Freundſchaft willen · kein Gruß euch hier geſchieht. // Sagt, was ihr mir bringet · von Worms überrhein, // Daß ihr mir ſo höchlich · ſolltet willkommen ſein?“ // „Was ſind das für Sachen,“ · ſprach Hagen entgegen, // „Daß euch Gaben bringen · ſollten dieſe Degen? // So reich wär ich geweſen, · hätt ich das gedacht, // Daß ich euch meine Gabe · zu den Heunen hätt gebracht.“ // „Nun frag ich um die Märe · weiter bei euch an, // Der Hort der Nibelungen, · wohin ward der gethan? // Der war doch mein eigen, · das iſt euch wohl bekannt: // Den ſolltet ihr mir haben · gebracht in König Etzels Land.“ // „In Treuen, Frau Kriemhild, · ſchon mancher Tag iſt hin, // Den Hort der Nibelungen, · ſeit ich des ledig bin, // Ihn ließen meine Herren · ſenken in den Rhein: // Da muß er auch in Wahrheit · bis zum jüngſten Tage ſein.“ // Die Königin verſetzte: · „Ich dacht es wohl vorher. // Ihr habt mir noch wenig · davon gebracht hieher, // Wiewohl er war mein eigen · und ich ſein weiland pflag; // Nach ihm und ſeinem Herren · hab ich manchen leiden Tag.“ // „Ich bring euch den Teufel!“ · ſprach wieder Hagen, // „Ich hab an meinem Schilde · ſo viel zu tragen // Und an meinem Harniſch; · mein Helm der iſt licht, // Das Schwert an meiner Seite: · drum bring ich ihn euch nicht.“ // „Es war auch nicht die Meinung, · als verlangte mich nach Gold: // So viel hab ich zu geben, · ich entbehre leicht den Sold. // Eines Mords und Doppelraubes, · die man an mir genommen, // Dafür möcht ich Arme · zu lieber Entgeltung kommen.“ // Da ſprach die Königstochter · zu den Recken allzumal: // „Man ſoll keine Waffen · tragen hier im Saal; // Vertraut ſie mir, · ihr Helden, zur Verwahrung an.“ // „In Treuen,“ ſprach da Hagen, · „das wird nimmer gethan. // „Ich begehre nicht der Ehre, · Fürſtentochter mild, // Daß ihr zur Herberge · tragt meinen Schild // Und ander Streitgeräthe; · ihr ſeid hier Königin. // So lehrte mich mein Vater, · daß ich ſelbſt ihr Hüter bin.“ // „O Weh dieſes Leides!“ · ſprach da Kriemhild: // „Warum will mein Bruder · und Hagen ſeinen Schild // Nicht verwahren laßen? · Gewiſs, ſie ſind gewarnt: // Und wüſt ich, wer es hat gethan, · der Tod der hielt' ihn umgarnt.“ // Im Zorn gab ihr Antwort · Dietrich ſogleich: // „Ich bin es, der gewarnt hat · die edeln Fürſten reich // Und Hagen den kühnen, · der Burgunden Mann: // Nur zu, du Braut des Teufels, · du thuſt kein Leid mir drum an.“ // Da ſchämte ſich gewaltig · die edle Königin: // Sie fürchtete ſich bitter · vor Dietrichs Heldenſinn. // Sie gieng alsdann von dannen, · kein Wort mehr ſprach ſie da, // Nur daß ſie nach den Feinden · mit geſchwinden Blicken ſah. // Da nahmen bei den Händen · zwei der Degen ſich, // Der Eine war Hagen, · der Andere Dietrich. // Da ſprach wohlgezogen · der Degen allbereit: // „Eure Reiſe zu den Heunen · die iſt in Wahrheit mir leid, // „Da die Königstochter · ſo geſprochen hat.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Zu Allem wird ſchon Rath.“ // So ſprachen zu einander · die Recken wohlgethan. // Das ſah der König Etzel, · der gleich zu fragen begann: // „Die Märe wuſt ich gerne,“ · befrug der König ſich, // „Wer der Recke wäre, · den dort Herr Dietrich // So freundlich hat empfangen; · er trägt gar hoch den Muth: // Wie auch ſein Vater heiße, · er mag wohl ſein ein Recke gut.“ // Antwort gab dem König · ein Kriemhildens-Mann: // „Von Tronje iſt er geboren, · ſein Vater hieß Aldrian; // Wie zahm er hier gebare, · er iſt ein grimmer Mann: // Ich laß euch das noch ſchauen, · daß ich keine Lüge gethan.“ // „Wie ſoll ich das erkennen, · daß er ſo grimmig iſt?“ // Noch hatt er nicht Kunde · von mancher argen Liſt, // Die wider ihre Freunde · die Königin ſpann, // Daß aus dem Heunenlande · ihr auch nicht Einer entrann. // „Wohl kannt ich Hagen, · er war mein Unterthan: // Lob und große Ehre · er hier bei mir gewann. // Ich macht' ihn zum Ritter · und gab ihm mein Gold; // Weil er ſich getreu erwies, · war ich immer ihm hold. // „Daher iſt mir von Hagen · Alles wohlbekannt. // Zwei edle Kinder bracht ich · als Geiſel in dieß Land, // Ihn und von Spanien Walther: · die wuchſen hier heran. // Hagen ſandt ich wieder heim; · Walther mit Hildegund entrann.“ // So bedacht er alter Zeiten · und was vordem geſchehn. // Seinen Freund von Tronje · hatt er hier geſehn, // Der ihm in ſeiner Jugend · oft große Dienſte bot; // Jetzt ſchlug er ihm im Alter · viel lieber Freunde zu Tod. // 29. Neunundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Hagen und Volker vor Kriemhildens Saal ſaßen. Da ſchieden auch die beiden · werthen Recken ſich, // Hagen von Tronje · und Herr Dieterich. // Ueber die Achſel blickte · Gunthers Unterthan // Nach einem Heergeſellen, · den er ſich bald gewann. // Neben Geiſelheren · ſah er Volkern ſtehn, // Den kunſtreichen Fiedler: · den bat er mitzugehn, // Weil er wohl erkannte · ſeinen grimmen Muth: // Er war an allen Tugenden · ein Ritter kühn und auch gut. // Noch ließ man die Herren · auf dem Hofe ſtehn. // Die Beiden ganz alleine · ſah man von dannen gehn // Ueber den Hof hin ferne · vor einen Pallas weit: // Die Auserwählten ſcheuten · ſich vor Niemandes Streit. // Sie ſetzten vor dem Hauſe ſich · genüber einem Saal, // Der war Kriemhilden, · auf eine Bank zu Thal. // An ihrem Leibe glänzte · ihr herrlich Gewand; // Gar Manche, die das ſahen, · hätten gern ſie gekannt. // Wie die wilden Thiere · gaffte ſie da an, // Die übermüthgen Helden, · mancher Heuneumann. // Da ſah ſie durch ein Fenſter · Etzels Königin: // Das betrübte wieder · der ſchönen Kriemhilde Sinn. // Sie gedacht ihres Leides; · zu weinen hub ſie an. // Das wunderte die Degen, · die Etzeln unterthan, // Was ihr bekümmert hätte · ſo ſehr den hohen Muth? // Da ſprach ſie: „Das that Hagen, · ihr Helden kühn und auch gut.“ // Sie ſprachen zu der Frauen: · „Wie iſt das geſchehn? // Wir haben euch doch eben · noch wohlgemuth geſehn. // Wie kühn er auch wäre, · der es euch hat gethan, // Befehlt ihr uns die Rache, · den Tod müſt er empfahn.“ // „Dem wollt ich immer danken, · der rächte dieſes Leid: // Was er nur begehrte, · ich wär dazu bereit. // „Ich fall euch zu Füßen,“ · ſo ſprach des Königs Weib: // „Rächt mich an Hagen: · er verliere Leben und Leib.“ // Da rüſteten die Kühnen ſich, · ſechzig an der Zahl: // Kriemhild zu Liebe · wollten ſie vor den Saal // Und wollten Hagen ſchlagen, · dieſen kühnen Mann, // Dazu den Fiedelſpieler; · das ward einmüthig gethan. // Als ſo gering den Haufen · die Königin erſah, // In grimmem Muthe ſprach ſie · zu den Helden da: // „Von ſolchem Unterfangen · rath ich abzuſtehn: // Ihr dürft in ſo geringer Zahl · nicht mit Hagen ſtreiten gehn. // „So kühn auch und gewaltig · Der von Tronje ſei, // Noch iſt bei weitem ſtärker, · der ihm da ſitzet bei, // Volker der Fiedler: · das iſt ein übler Mann: // Wohl dürft ihr dieſen Helden · nicht zu ſo wenigen nahn.“ // Als ſie die Rede hörten, · rüſteten ſich mehr // Vierhundert Recken. · Der Königin hehr // Lag ſehr am Herzen · die Rache für ihr Leid. // Da wurde bald den Degen · große Sorge bereit. // Als ſie ihr Geſinde · wohlbewaffnet ſah, // Zu den ſchnellen Recken · ſprach die Königin da: // „Nun harrt eine Weile: · ihr ſollt noch ſtille ſtehn. // Ich will unter Krone · hin zu meinen Feinden gehn. // „Hört mich ihm verweiſen, · was mir hat gethan // Hagen von Tronje, · Gunthers Unterthan. // Ich weiß ihn ſo gemuthet, · er läugnets nimmermehr: // So will ich auch nicht fragen, · was ihm geſchehe nachher.“ // Da ſah der Fiedelſpieler, · ein kühner Spielmann, // Die edle Königstochter · von der Stiege nahn, // Die aus dem Hauſe führte. · Als er das erſah, // Zu ſeinem Heergeſellen · ſprach der kühne Volker da: // „Nun ſchauet, Freund Hagen, · wie ſie dorther naht, // Die uns ohne Treue · ins Land geladen hat. // Ich ſah mit einer Königin · nie ſo manchen Mann // Die Schwerter in den Händen · alſo ſtreitluſtig nahn. // „Wißt ihr, Freund Hagen, · daß ſie euch abhold ſind? // So will ich euch rathen, · daß ihr zu hüten ſinnt // Des Lebens und der Ehre; · führwahr, das dünkt mich gut: // Soviel ich mag erkennen, · iſt ihnen zornig zu Muth. // „Es ſind auch Manche drunter · von Brüſten ſtark und breit: // Wer ſeines Lebens hüten will, · der thu es beizeit. // Ich ſeh ſie unter Seide · die feſten Panzer tragen. // Was ſie damit meinen, · das hör ich Niemanden ſagen.“ // Da ſprach im Zornmuthe · Hagen der kühne Mann: // „Ich weiß wohl, das wird Alles · wider mich gethan, // Daß ſie die lichten Waffen · tragen an der Hand; // Von denen aber reit ich · noch in der Burgunden Land. // „Nun ſagt mir, Freund Volker, · denkt ihr mir beizuſtehn, // Wenn mit mir ſtreiten wollen · Die in Kriemhilds Lehn? // Das laßt mich vernehmen, · ſo lieb als ich euch ſei. // Ich ſteh euch mit Dienſten · immer wieder treulich bei.“ // „Sicherlich, ich helf euch,“ · ſo ſprach da Volker. // „Und ſäh ich uns entgegen · mit ſeinem ganzen Heer // Den König Etzel kommen, · all meines Lebens Zeit // Weich ich von eurer Seite · aus Furcht nicht eines Fußes breit.“ // „Nun lohn euch Gott vom Himmel, · viel edler Volker! // Wenn ſie mit mir ſtreiten, · wes bedarf ich mehr? // Da ihr mir helfen wollet, · wie ich jetzt vernommen, // So mögen dieſe Recken · fein behutſam näher kommen.“ // „Stehn wir auf vom Sitze,“ · ſprach der Fiedelmann, // „Vor der Königstochter, · ſo ſie nun kommt heran. // Bieten wir die Ehre · der edeln Königin! // Das bringt uns auch beiden · an eignen Ehren Gewinn.“ // „Nein! wenn ihr mich lieb habt,“ · ſprach dawider Hagen. // „Es möchten dieſe Degen · mit dem Wahn ſich tragen, // Daß ich aus Furcht es thäte · und dächte wegzugehn: // Von dem Sitze mein ich · vor ihrer Keinem aufzuſtehn. // „Daß wir es bleiben laßen, · das ziemt uns ganz allein. // Soll ich dem Ehre bieten, · der mir feind will ſein? // Nein, ich thu es nimmer, · ſo lang ich leben ſoll: // In aller Welt, was kümmr ich · mich um Kriemhildens Groll?“ // Der vermeßne Hagen legte · über die Schenkel hin // Eine lichte Waffe, · aus deren Knaufe ſchien // Mit hellem Glanz ein Jaſpis, · grüner noch als Gras. // Wohl erkannte Kriemhild, · daß Siegfried einſt ſie beſaß. // Als ſie das Schwert erkannte, · das ſchuf ihr große Noth. // Der Griff war von Golde, · der Scheide Borte roth. // Ermahnt war ſie des Leides, · zu weinen hub ſie an; // Ich glaube, Hagen hatt es · auch eben darum gethan. // Volker der kühne · zog näher an die Bank // Einen ſtarken Fiedelbogen, · mächtig und lang, // Wie ein Schwert geſchaffen, · ſcharf dazu und breit. // So ſaßen unerſchrocken · dieſe Recken allbereit. // Die kühnen Degen beide · dauchten ſich ſo hehr, // Aus Furcht vor Jemandem · wollten ſie nimmermehr // Vom Sitz ſich erheben. · Ihnen ſchritt da vor den Fuß // Die edle Königstochter · und bot unfreundlichen Gruß. // Sie ſprach: „Nun ſagt, Herr Hagen, · wer hat nach euch geſandt, // Daß ihr zu reiten wagtet · her in dieſes Land, // Da ihr doch wohl wuſtet, · was ihr mir habt gethan? // Wart ihr bei guten Sinnen, · ihr durftets euch nicht unterfahn.“ // „Nach mir geſandt hat Niemand,“ · ſprach er entgegen, // „Her zu dieſem Lande · lud man drei Degen, // Die heißen meine Herren: · ich ſteh in ihrem Lehn; // Bei keiner Hofreiſe · pfleg ich daheim zu beſtehn.“ // Sie ſprach: „Nun ſagt mir ferner, · was thatet ihr das, // Daß ihr es verdientet, · wenn ich euch trage Haß? // Ihr erſchlugt Siegfrieden, · meinen lieben Mann, // Den ich bis an mein Ende · nicht gut beweinen kann.“ // „Wozu der Rede weiter?“ · ſprach er, „es iſt genug: // Ich bin halt der Hagen, · der Siegfrieden ſchlug, // Den behenden Degen: · wie ſchwer er das entgalt, // Daß die Frau Kriemhild · die ſchöne Brunhilde ſchalt! // „Es wird auch nicht geläugnet, · reiche Königin, // Daß ich an all dem Schaden, · dem ſchlimmen, ſchuldig bin. // Nun räch es, wer da wolle, · Weib oder Mann. // Ich müſt es wahrlich lügen, · ich hab euch viel zu Leid gethan.“ // Sie ſprach: „Da hört ihr, Recken, · wie er die Schuld geſteht // An all meinem Leide: · wie's ihm deshalb ergeht, // Darnach will ich nicht fragen, · ihr Etzeln unterthan.“ // Die übermüthgen Degen · blickten all einander an. // Wär da der Streit erhoben, · ſo hätte man geſehn, // Wie man den zwei Geſellen · müß Ehre zugeſtehn: // Das hatten ſie in Stürmen · oftmals dargethan. // Was jene ſich vermeßen, · das gieng aus Furcht nun nicht an. // Da ſprach der Recken Einer: · „Was ſeht ihr mich an? // Was ich zuvor gelobte, · das wird nun nicht gethan. // Um Niemands Gabe laß ich · Leben gern und Leib. // Uns will hier verleiten · dem König Etzel ſein Weib.“ // Da ſprach ein Andrer wieder: · „So ſteht auch mir der Muth. // Wer mir Thürme gäbe · von rothem Golde gut, // Dieſen Fiedelſpieler · wollt ich nicht beſtehn // Der ſchnellen Blicke wegen, · die ich hab an ihm erſehn. // „Auch kenn ich dieſen Hagen · von ſeiner Jugendzeit: // Drum weiß ich von dem Recken · ſelber wohl Beſcheid. // In zweiundzwanzig Stürmen · hab ich ihn geſehn; // Da iſt mancher Frauen · Herzeleid von ihm geſchehn. // „Er und Der von Spanien · traten manchen Pfad, // Da ſie hier bei Etzeln · thaten manche That // Dem König zu Liebe. · Das iſt oft geſchehn: // Drum mag man Hagen billig · große Ehre zugeſtehn. // „Damals war der Recke · an Jahren noch ein Kind, // Da waren ſchon die Knaben · wie jetzt kaum Greiſe ſind. // Nun kam er zu Sinnen · und iſt ein grimmer Mann; // Auch trägt er Balmungen, · den er übel gewann.“ // Damit wars entſchieden, · Niemand ſuchte Streit. // Das war der Königstochter · im Herzen bitter leid. // Die Helden giengen wieder; · wohl ſcheuten ſie den Tod // Von den Helden beiden: · das that ihnen wahrlich Noth. // Wie oft man verzagend · Manches unterläßt, // Wo der Freund beim Freunde · treulich ſteht und feſt! // Und hat er kluge Sinne, · daß er nicht alſo thut, // Vor Schaden nimmt ſich Mancher · durch Beſonnenheit in Hut. // Da ſprach der kühne Volker: · „Da wir nun ſelber ſahn, // Daß wir hie Feinde finden, · wie man uns kund gethan, // So laß uns zu den Königen · hin zu Hofe gehn, // So darf unſre Herren · mit Kampfe Niemand beſtehn.“ // „Gut, ich will euch folgen,“ · ſprach Hagen entgegen. // Da giengen hin die Beiden, · wo ſie die zieren Degen // Noch harrend des Empfanges · auf dem Hofe ſahn. // Volker der kühne · hub da laut zu reden an. // Er ſprach zu ſeinen Herren: · „Wie lange wollt ihr ſtehn // Und euch drängen laßen? · ihr ſollt zu Hofe gehn // Und von dem König hören, · wie der geſonnen ſei.“ // Da ſah man ſich geſellen · der kühnen Helden je zwei. // Dietrich von Berne · nahm da an die Hand // Gunther den reichen · von Burgundenland; // Irnfried nahm Gernoten, · dieſen kühnen Mann; // Da gieng mit ſeinem Schwäher · Geiſelher zu Hof heran. // Wie bei dieſem Zuge · geſellt war Jeglicher, // Volker und Hagen, · die ſchieden ſich nicht mehr // Als noch in Einem Kampfe · bis an ihren Tod. // Das muſten bald beweinen · edle Fraun in großer Noth. // Da ſah man mit den Königen · hin zu Hofe ziehn // Ihres edeln Ingeſindes · tauſend Degen kühn; // Darüber ſechzig Recken · waren mitgekommen: // Die hatt aus ſeinem Lande · der kühne Hagen genommen. // Hawart und Iring, · zwei Degen auserkannt, // Die giengen mit den Königen · zu Hofe Hand in Hand; // Dankwart und Wolfhart, · ein theuerlicher Degen, // Die ſah man großer Hofzucht · vor den übrigen pflegen. // Als der Vogt vom Rheine · in den Pallas gieng, // Etzel der reiche · das länger nicht verhieng: // Er ſprang von ſeinem Sitze, · als er ihn kommen ſah. // Ein Gruß, ein ſo recht ſchöner, · nie mehr von Köngen geſchah. // „Willkommen mir, Herr Gunther · und auch Herr Gernot // Und euer Bruder Geiſelher, · die ich hieher entbot // Mit Gruß und treuem Dienſte · von Worms überrhein, // Und eure Degen alle · ſollen mir willkommen ſein. // „Laßt euch auch Willkommen, · ihr beiden Recken, ſagen, // Volker der kühne · und dazu Herr Hagen, // Mir und meiner Frauen · hier in dieſem Land: // Sie hat euch manche Botſchaft · hin zum Rheine geſandt.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Das haben wir vernommen. // Wär ich um meine Herren · gen Heunland nicht gekommen, // So wär ich euch zu Ehren · geritten in das Land.“ // Da nahm der edle König · die lieben Gäſte bei der Hand. // Und führte ſie zum Sitze · hin, wo er ſelber ſaß. // Da ſchenkte man den Gäſten, · fleißig that man das, // In weiten goldnen Schalen · Meth, Moraß und Wein // Und hieß die fremden Degen · höchlich willkommen ſein. // Da ſprach König Etzel: · „Das muß ich wohl geſtehn, // Mir könnt in dieſen Zeiten · nichts Lieberes geſchehn // Als durch euch, ihr Recken, · daß ihr gekommen ſeid; // Damit iſt auch der Königin · benommen Kummer und Leid. // „Mich nahm immer Wunder, · was ich euch wohl gethan, // Da ich der edeln Gäſte · ſo Manche doch gewann, // Daß ihr nie zu reiten · geruhtet in mein Land; // Nun ich euch hier erſehen hab, · iſt mirs zu Freuden gewandt.“ // Da verſetzte Rüdiger, · ein Ritter hochgemuth: // „Ihr mögt ſie gern empfahen, · ihre Treue die iſt gut: // Der wißen meiner Frauen · Brüder ſchön zu pflegen. // Sie bringen euch zu Hauſe · manchen waidlichen Degen.“ // Am Sonnewendenabend · waren ſie gekommen // An Etzels Hof, des reichen. · Noch ſelten ward vernommen, // Daß ein König ſeine Gäſte · freundlicher empfieng; // Darnach er zu Tiſche · wohlgemuth mit ihnen gieng. // Ein Wirth bei ſeinen Gäſten · ſich holder nie betrug. // Zu trinken und zu eßen · bot man da genug: // Was ſie nur wünſchen mochten, · das wurde gern gewährt. // Man hatte von den Helden · viel große Wunder gehört. // Der reiche Etzel hatte · an ein Gebäude weit // Viel Fleiß und Müh gewendet · und Koſten nicht geſcheut: // Man ſah Pallas und Thürme, · Gemächer ohne Zahl // In einer weiten Veſte · und einen herrlichen Saal. // Den hatt er bauen laßen · lang, hoch und weit, // Weil ihn ſo viel der Recken · heimſuchten jederzeit. // Auch ander Ingeſinde, · zwölf reiche Könge hehr // Und viel der werthen Degen · hatt er zu allen Zeiten mehr, // Als je gewann ein König, · von dem ich noch vernahm. // Er lebte ſo mit Freunden · und Mannen wonneſam: // Gedräng und frohen Zuruf · hatte der König gut // Von manchem ſchnellen Degen; · drum ſtand wohl hoch ihm der Muth. // 30. Dreißigſtes Abenteuer. // Wie Hagen und Volker Schildwacht ſtanden. Der Tag war nun zu Ende, · es nahte ſich die Nacht. // Den reiſemüden Recken · war die Sorg erwacht, // Wann ſie ruhen ſollten · und zu Bette gehn. // Zur Sprache bracht es Hagen: · Beſcheid iſt ihnen geſchehn. // Zu dem Wirthe ſprach da Gunther: · „Gott laß euchs wohlgedeihn: // Wir wollen ſchlafen gehen, · mag es mit Urlaub ſein. // Wenn ihr das gebietet, · kommen wir morgen fruh.“ // Der Wirth entließ die Gaſte · wohlgemuth zu ihrer Ruh. // Von allen Seiten drängen · man die Gäſte ſah. // Volker der kühne · ſprach zu den Heunen da: // „Wie dürft ihr uns Recken · ſo vor die Füße gehn? // Und wollt ihr das nicht meiden, · ſo wird euch übel geſchehn. // „So ſchlag ich Dem und Jenem · ſo ſchweren Geigenſchlag, // Hat er einen Treuen, · daß ders beweinen mag. // Nun weicht vor uns Recken, · fürwahr, mich dünkt es gut: // Es heißen Alle Degen · und haben doch nicht gleichen Muth.“ // Als in ſolchem Zorne · ſprach der Fiedelmann, // Hagen der kühne · ſich umzuſchaun begann. // Er ſprach: „Euch räth zum Heile · der kühne Fiedeler. // Geht zu den Herbergen, · ihr in Kriemhildens Heer. // „Was ihr habt im Sinne, · es fügt ſich nicht dazu: // Wollt ihr was beginnen, · ſo kommt uns morgen fruh // Und laßt uns Reiſemüden · heut in Frieden ruhn. // Ich glaube, niemals werden · es Helden williger thun.“ // Da brachte man die Gäſte · in einen weiten Saal, // Zur Nachtruh eingerichtet · den Recken allzumal // Mit köſtlichen Betten, · lang zumal und breit. // Gern ſchuf ihnen Kriemhild · das allergrößeſte Leid, // Schmucker Decken ſah man · von Arras da genug // Aus lichthellem Zeuge · und manchen Ueberzug // Aus Arabiſcher Seide, · ſo gut ſie mochten ſein, // Verbrämt mit goldnen Borten, · die gaben herrlichen Schein. // Viel Bettlaken fand man · von Hermelin gemacht // Und von ſchwarzem Zobel, · worunter ſie die Nacht // Sich Ruhe ſchaffen ſollten · bis an den lichten Tag. // Ein König mit dem Volke · wohl nimmer herrlicher lag. // „O weh des Nachtlagers!“ · ſprach Geiſelher das Kind, // „Und weh meiner Freunde, · die mit uns kommen ſind. // Wie gut es meine Schweſter · uns auch hier erbot, // Wir gewinnen, fürcht ich, alle · von ihrem Haße den Tod.“ // „Nun laßt euer Sorgen,“ · ſprach Hagen der Degen, // „Ich will heunte ſelber · der Schildwache pflegen // Und getrau euch zu behüten · bis morgen an den Tag: // Seit des ohne Sorge: · ſo entrinne, wer da mag.“ // Da neigten ſich ihm Alle · und ſagten ihm Dank. // Sie giengen zu den Betten. · Da währt' es nicht lang, // Bis in Ruhe lagen · die Helden wohlgethan. // Hagen der kühne · ſich da zu waffnen begann. // Da ſprach der Fiedelſpieler, · Volker der Degen: // „Verſchmäht ihrs nicht, Hagen, · ſo will ich mit euch pflegen // Heunt der Schildwache · bis morgen an den Tag.“ // Da dankte Volkeren · der Degen gütlich und ſprach: // „Nun lohn euch Gott vom Himmel, · viel lieber Volker! // Zu allen meinen Sorgen · wünſch ich mir Niemand mehr // Als nur euch alleine, · befahr ich irgend Noth. // Ich will es wohl vergelten, · es verwehr es denn der Tod.“ // Da kleideten die Beiden · ſich in ihr licht Gewand, // Jedweder faßte · den Schild an ſeine Hand, // Sie giengen aus dem Hauſe · vor die Thüre ſtehn // Und hüteten der Gäſte; · das iſt mit Treuen geſchehn. // Volker der ſchnelle · lehnte von der Hand // Seinen Schild den guten · an des Saales Wand. // Dann wandt er ſich zurücke, · wo ſeine Geige war, // Und diente ſeinen Freunden: · es ziemt ihm alſo fürwahr. // Unter des Hauſes Thüre · ſetzt' er ſich auf den Stein. // Kühnrer Fiedelſpieler · mochte nimmer ſein. // Als der Saiten Tönen · ihm ſo hold erklang, // Die ſtolzen Heimatloſen · die ſagten Volkern den Dank. // Da tönten ſeine Saiten, · daß all das Haus erſcholl; // Seine Kraft und ſein Geſchicke · die waren beide voll. // Süßer und ſanfter · zu geigen hub er an: // So ſpielt' er in den Schlummer · gar manchen ſorgenden Mann. // Da ſie entſchlafen waren · und Volker das befand, // Da nahm der Degen wieder · den Schild an die Hand // Und gieng aus dem Hauſe · vor die Thüre ſtehn, // Seine Freunde zu behüten · vor Denen in Kriemhilds Lehn. // Wohl der Nacht inmitten, · wenn es erſt da geſchah, // Volker der kühne · einen Helm erglänzen ſah // Fernher durch das Dunkel: · Die Kriemhild unterthan, // Hätten an den Gäſten · gerne Schaden gethan. // Bevor dieſe Recken · Kriemhild hatt entſandt, // Sie ſprach: „Wenn ihr ſie findet, · ſo ſeid um Gott ermahnt, // Daß ihr Niemand tödtet · als den einen Mann, // Den ungetreuen Hagen; · die Andern rühret nicht an.“ // Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Nun ſeht, Freund Hagen, // Uns ziemt, dieſe Sorge · gemeinſam zu tragen. // Gewaffnet vor dem Hauſe · ſeh ich Leute ſtehn: // So viel ich mag erkennen, · kommen ſie uns zu beſtehn.“ // „So ſchweigt,“ ſprach da Hagen, · „laßt ſie erſt näher her. // Eh ſie uns inne werden, · wird ihrer Helme Wehr // Zerſchroten mit den Schwertern · von unſer Beider Hand: // Sie werden Kriemhilden · übel wieder heimgeſandt.“ // Der Heunenrecken Einer · das gar bald erſah, // Die Thüre ſei behütet: · wie ſchnell ſprach er da: // „Was wir im Sinne hatten, · kann nun nicht geſchehn: // Ich ſeh den Fiedelſpieler · vor dem Hauſe Schildwacht ſtehn. // „Er trägt auf dem Haupte · einen Helm von lichtem Glanz, // Der iſt hart und lauter, · ſtark dazu und ganz. // Auch loh'n die Panzerringe · ihm, wie das Feuer thut. // Daneben ſteht auch Hagen: · die Gäſte ſind in guter Hut.“ // Da wandten ſie ſich wieder. · Als Volker das erſah, // Zu ſeinem Heergeſellen · in Zorn ſprach er da: // „Nun laßt mich von dem Hauſe · zu den Recken gehn: // So frag ich um die Märe · Die in Kriemhildens Lehn.“ // „Nein, wenn ihr mich lieb habt,“ · ſprach Hagen entgegen, // „Kämt ihr aus dem Hauſe, · dieſe ſchnellen Degen // Brächten euch mit Schwertern · leicht in ſolche Noth, // Daß ich euch helfen müſte, · wärs aller meiner Freunde Tod. // „Wenn wir dann Beide · kämen in den Streit, // So möchten ihrer zweie · oder vier in kurzer Zeit // Zu dem Hauſe ſpringen · und ſchüfen ſolche Noth // Drinnen an den Schlafenden, · daß wir bereuten bis zum Tod.“ // Da ſprach wieder Volker: · „So laßt es nur geſchehn, // Daß ſie inne werden, · wir haben ſie geſehn: // So können uns nicht läugnen · Die Kriemhild unterthan, // Daß ſie gerne treulos · an den Gäſten hätten gethan.“ // Da rief der Fiedelſpieler · den Heunen entgegen: // „Wie geht ihr ſo bewaffnet, · ihr behenden Degen? // Wollt ihr morden reiten, · ihr Kriemhild unterthan? // So nehmt mich zur Hülfe · und meinen Heergeſellen an,“ // Niemand gab ihm Antwort; · zornig war ſein Muth: // „Pfui, feige Böſewichter,“ · ſprach der Degen gut, // „Im Schlaf uns zu ermorden, · ſchlicht ihr dazu heran? // Das ward ſo guten Helden · bisher noch ſelten gethan.“ // Bald ward auch die Märe · der Königin bekannt // Vom Abzug ihrer Boten: · wie ſchwer ſie das empfand! // Da fügte ſie es anders; · gar grimmig war ihr Muth. // Da muſten bald verderben · viel der Helden kühn und gut. // 31. Einunddreißigſtes Abenteuer. // Wie die Herren zur Kirche giengen. „Mir wird ſo kühl der Harniſch,“ · ſprach da Volker: // „Die Nacht, wähn ich, wolle · nun nicht währen mehr. // Ich fühl es an den Lüften, · es iſt nicht weit vom Tag.“ // Da weckten ſie gar Manchen, · der da im Schlafe noch lag. // Da ſchien der lichte Morgen · den Gäſten in den Saal. // Hagen begann zu fragen · die Recken allzumal, // Ob ſie zum Münſter wollten · in die Meſſe heut. // Nach chriſtlichen Sitten · erſcholl der Glocken Geläut. // Der Geſang war ungleich; · kein Wunder möcht es ſein, // Daß Chriſten mit Heiden · nicht ſtimmten überein. // Da wollten zu der Kirche · Die in Gunthers Lehn: // Man ſah ſie von den Betten · allzumal da erſtehn. // Da ſchnürten ſich die Recken · in alſo gut Gewand, // Daß nie Helden wieder · in eines Königs Land // Beßre Kleider brachten. · Hagen war es leid; // Er ſprach: „Ihr thätet beßer, · ihr trügt hier anderlei Kleid. // „Nun iſt euch doch allen · die Märe wohl bekannt: // Drum ſtatt der Roſenkränze · nehmt Waffen an die Hand; // Statt wohlgeſteinter Hüte · die lichten Helme gut, // Da wir ſo wohl erkennen · der argen Kriemhilde Muth. // „Wir müßen heute ſtreiten, · das will ich euch ſagen. // Statt ſeidner Hemden ſollt ihr · Halsbergen tragen // Und ſtatt der reichen Mäntel · gute Schilde breit: // zürnt mit euch Jemand, · daß ihr wehrhaftig ſeid. // „Meine lieben Herren, · Freund und Mannen mein, // Tretet in die Kirche · mit lauterm Herzen ein // Und klagt Gott dem reichen · eure Sorg und Noth: // Denn wißt unbezweifelt, · es naht uns allen der Tod. // „Ihr ſollt auch nicht vergeßen, · was je von euch geſchah, // Und fleht vor eurem Gotte · andächtig da. // Laßt euch alle warnen, · gute Recken hehr: // Es wend es Gott im Himmel, · ſo hört ihr keine Meſſe mehr,“ // So giengen zu dem Münſter · die Fürſten und ihr Lehn. // Auf dem heiligen Friedhof, · da hieß ſie ſtille ſtehn // Hagen der kühne, · damit man ſie nicht ſchied. // Er ſprach: „Noch weiß ja Niemand, was von den Heunen geſchieht. // „Setzt, meine Freunde, · die Schilde vor den Fuß // Und lohnt es, beut euch Jemand · feindlichen Gruß, // Mit tiefen Todeswunden: · das iſt, was euch Hagen räth. // So werdet ihr befunden, · wie's euch am löblichſten ſteht.“ // Volker und Hagen · die beiden ſtellten da // Sich vor das weite Münſter: · was darum geſchah, // Sie wolltens dazu bringen, · daß ſich die Königin // Mit ihnen drängen müße; · wohl war gar grimmig ihr Sinn. // Da kam der Wirth des Landes · und auch ſein ſchönes Weib; // Mit reichem Gewände · war ihr geziert der Leib // Und manchem ſchnellen Degen, · der im Geleit ihr war. // Da flog der Staub zur Höhe · vor der Königin Schar, // Als der reiche König · ſo gewaffnet ſah // Die Fürſten und ihr Ingeſind, · wie bald ſprach er da: // „Was ſeh ich meine Freunde · unter Helmen gehn? // Leid war mir meiner Treue, · wär ihnen Leid hier geſchehn. // „Das wollt ich ihnen büßen, · wie ſie es däuchte gut. // Wenn ihnen wer beſchwerte · das Herz und den Muth, // So laß ich ſie wohl ſchauen, · es ſei mir wahrlich leid: // Was ſie gebieten mögen, · dazu bin ich gern bereit.“ // Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Uns iſt kein Leid geſchehn. // Es iſt der Herren Sitte, · daß ſie gewaffnet gehn // Bei allen Gaſtgeboten · zu dreien vollen Tagen. // Was uns hier geſchähe, · wir würden es Etzeln klagen.“ // Wohl vernahm die Königin · Hagens Rede da. // Wie feindlich ſie dem Degen · unter die Augen ſah! // Sie wollte doch nicht melden · den Brauch in ihrem Land, // Wie lang bei den Burgunden · ſie den auch hatte gekannt. // Wie grimm und ſtark die Königin · ihnen abhold wäre, // Hätte Jemand Etzeln · geſagt die rechte Märe, // Er hätt es wohl gewendet, · was nun doch geſchah: // In ihrem hohen Uebermuth · verſchwiegen ſie es Alle da. // Da ſchritt mit vielem Volke · Kriemhild zur Kirchenthür: // Doch wollten dieſe Beiden · weichen nicht vor ihr // Zweier Hände Breite: · das war den Heunen leid. // Da muſte ſie ſich drängen · mit den Helden allbereit. // Etzels Kämmerlinge · die dauchte das nicht gut: // Wohl hätten ſie den Recken · gern erzürnt den Muth, // Wenn ſie es wagen dürften · vor dem König hehr. // Da gab es groß Gedränge · und doch nichts anderes mehr. // Als nach dem Gottesdienſte · man auf den Heimweg ſann, // Da kam hoch zu Roſſe · mancher Heunenmann. // Auch war bei Kriemhilden · manche ſchöne Maid; // Wohl Siebentauſend zählte · der Königin Heergeleit. // Kriemhild mit ihren Frauen · in den Fenſtern ſaß // Bei Etzeln dem reichen; · gerne ſah er das. // Sie wollten reiten ſehen · die Helden auserkannt: // Hei! was man fremder Recken · vor ihnen auf dem Hofe fand! // Nun war auch mit den Roſſen · der Marſchall gekommen. // Der kühne Dankwart hatte · mit ſich genommen // Der Herren Ingeſinde · von Burgundenland: // Die Roſſe wohlgeſattelt · man den kühnen Niblungen fand. // Als zu Roſſen kamen · die Fürſten und ihr Herr, // Da begann zu rathen · der kühne Volker, // Sie ſollten buhurdieren · nach ihres Landes Sitten. // Da wurde von den Helden · bald gar herrlich geritten. // Was der Held gerathen, · Niemanden wohl verdroß; // Der Buhurd und der Waffenklang · wurden beide groß. // In dem weiten Hofe · kam da mancher Mann; // Etzel mit Kriemhild · es ſelbſt zu ſchauen begann. // Auf den Buhurd kamen · ſechshundert Degen. // Dietrichens Recken, · den Gäſten entgegen. // Mit den Burgunden wollten · ſie ſich im Spiel ergehn; // Wollt es ihr Herr vergönnen, · ſo wär es gerne geſchehn. // Hei! Was gute Recken · ritten da heran! // Dietrich dem Helden · ward es kund gethan. // Mit Gunthers Ingeſinde · das Spiel er verbot; // Er ſchonte ſeiner Leute: · das that ihm ſicherlich Noth. // Als Dietrichs Gefolge · ſo vermied den Streit, // Da kamen von Bechlaren · Rüdigers Geleit, // Fünfhundert unter Schilden, · vor den Saal geritten. // Leid wars dem Markgrafen: · er hätt es gern nicht gelitten. // Er kam zu ihnen eilends · gedrungen durch die Schar // Und ſagte ſeinen Mannen: · ſie würden ſelbſt gewahr, // Daß im Unmuth wären · Die Gunthern unterthan: // Wenn ſie das Kampfſpiel ließen, · ſo wär ihm Liebes gethan. // Als von ihnen ſchieden · die Helden allbereit, // Da kamen die von Thüringen, · hörten wir Beſcheid, // Und vom Dänenlande · der Kühnen tauſend Mann. // Von Stichen ſah man fliegen · viel der Splitter hoch hinan. // Irnfried und Hawart · ritten zum Buhurd hin; // Ihrer harrten Die vom Rheine · mit hochfährtgem Sinn // Zum Lanzenſpiel mit Denen · vom Thüringerland: // Durchbohrt von Stichen wurde · mancher ſchöne Schildesrand. // Da kam der Degen Blödel, · dreitauſend in der Schar. // Etzel und Kriemhild · nahmen ſein wohl war, // Da vor ihnen Beiden · das Ritterſpiel geſchah. // Die Königin es gerne · aus Haß der Burgunden ſah. // Sie gedacht in ihrem Sinne, · ſchier wärs auch ſo geſchehn: // „Und thäten ſie wem Leides, · ſo dürft ich mich verſehn, // Daß es zum Ernſte käme: · an den Feinden mein // Würd ich dann gerochen; · des wollt ich ohne Sorge ſein.“ // Schrutan und Gibeke · ritten zum Buhurd auch, // Hornbog und Ramung, · nach heuniſchem Gebrauch. // Sie hielten vor den Helden · aus Burgundenland: // Die Schäfte flogen wirbelnd · über des Königsſaales Wand. // Wie ſie da Alle ritten, · das war doch eitel Schall. // Von Stößen auf die Schilde · das Haus und den Saal // Hörte man ertoſen · durch manchen Gunthers-Mann. // Das Lob ſich ſein Geſinde · mit großen Ehren gewann. // Da ward ihre Kurzweil · ſo ſtark und ſo groß, // Daß den Satteldecken · der blanke Schweiß entfloß // Von den guten Roſſen, · ſo die Helden ritten. // Sie verſuchten an den Heunen · ſich mit hochfährtgen Sitten. // Da ſprach der kühne Volker, · der edle Spielmann: // „Zu feig ſind dieſe Degen, · ſie greifen uns nicht an. // Ich hörte immer ſagen, · daß ſie uns abhold ſein: // Nun könnte die Gelegenheit · ihnen doch nicht günſtger ſein.“ // „Zu den Ställen wieder,“ · ſprach der König hehr, // „Ziehe man die Roſſe; · wir reiten wohl noch mehr // In den Abendſtunden, · wenn die Zeit erſchien. // Ob dann den Burgunden · den Preis wohl giebt die Königin?“ // Da ſahn ſie Einen reiten · ſo ſtattlich daher, // Es thats von allen Heunen · kein Anderer mehr. // Er hatt in den Fenſtern · wohl ein Liebchen traut: // Er ritt ſo wohl gekleidet · als eines werthen Ritters Braut. // Da ſprach wieder Volker: · „Wie blieb' es ungethan? // Jener Weiberliebling · muß einen Stoß empfahn. // Das mag hier Niemand wenden, · es geht ihm an den Leib: // Nicht frag ich, ob drum zürne · dem König Etzel ſein Weib.“ // „Nicht doch,“ ſprach der König, · „wenn ichs erbitten kann: // Es ſchelten uns die Leute, · greifen wir ſie an: // Die Heunen laßt beginnen; · es kommt wohl bald dahin.“ // Noch ſaß König Etzel · am Feſter bei der Königin. // „Ich will das Kampfſpiel mehren,“ · ſprach Hagen jedoch: // „Laßt dieſe Frauen · und die Degen noch // Sehn, wie wir reiten können: · das iſt wohlgethan; // Man läßt des Lobs doch wenig · die Recken Gunthers empfahn.“ // Volker der ſchnelle · ritt wieder in den Streit. // Das ſchuf da viel der Frauen · großes Herzeleid. // Er ſtach dem reichen Heunen · den Sper durch den Leib: // Das ſah man noch beweinen · manche Maid und manches Weib. // Alsbald rückt' auch Hagen · mit ſeinen Helden an: // Mit ſechzig ſeiner Degen · zu reiten er begann // Dahin, wo von dem Fiedler · das Spiel war geſchehn. // Etzel und Kriemhild · konnten Alles deutlich ſehn. // Da wollten auch die Könige · den kühnen Fiedler gut // Unter den Feinden · nicht laßen ohne Hut. // Da ward von tauſend Helden · mit großer Kunſt geritten. // Sie thaten, was ſie lüſtete, · mit gar hochfährtgen Sitten. // Als der reiche Heune · zu Tode war geſchlagen, // Man hörte ſeiner Freunde · Wehruf und Klagen. // All das Geſinde fragte: · „Wer hat das gethan?“ // „Das hat gethan der Fiedler, · Volker der kühne Spielmann.“ // Nach Schwertern und Schilden · riefen gleich zur Hand // Des Markgrafen Freunde · von der Heunen Land: // Zu Tode ſchlagen wollten · ſie den Fiedelmann. // Der Wirth von ſeinem Fenſter · daher zu eilen begann. // Da hob ſich von den Heunen · allenthalben Schall. // Abſtiegen mit dem Volke · die Könge vor dem Saal; // Zurück die Roſſe ſtießen · Die Gunthern unterthan. // Da kam der König Etzel · den Streit zu ſchlichten heran. // Einem Vetter dieſes Heunen, · den er da bei ihm fand, // Eine ſcharfe Waffe · brach er ihm aus der Hand // Und ſchlug ſie all zurücke: · er war in großem Zorn. // „Wie hätt ich meine Dienſte · an dieſen Helden verlorn! // „Wenn ihr dieſen Spielmann · hättet drum erſchlagen, // Ich ließ' euch alle hängen! · das will ich euch ſagen. // Als er erſtach den Heunen, · ſein Reiten wohl ich ſah, // Daß es wider ſeinen Willen · nur durch Straucheln geſchah. // „Ihr ſollt meine Gäſte · mit Frieden laßen ziehn.“ // So ward er ihr Geleite. · Die Roſſe zog man hin // Zu den Herbergen. · Sie hatten manchen Knecht, // Der ihnen war zu Dienſten · mit allem Fleiße gerecht. // Der Wirth mit ſeinen Freunden · gieng zum Saal zurück: // Da regte ſich kein Zürnen · mehr vor ſeinem Blick. // Man richtete die Tiſche, · das Waſſer man auch trug. // Da hatten Die vom Rheine · der ſtarken Feinde genug. // Unlieb war es Etzeln, · doch folgte manche Schar // Den Fürſten, die mit Waffen · wohl verſehen war, // Im Unmuth auf die Gäſte, · als man zu Tiſche gieng, // Den Freund bedacht zu rächen, · wenn es günſtge Zeit verhieng. // „Daß ihr in Waffen lieber · zu Tiſche geht als bloß,“ // Sprach der Wirth des Landes, · „die Unart iſt zu groß; // Wer aber an den Gäſten · den kleinſten Frevel wagt, // Der büßt es mit dem Haupte: · das ſei euch Heunen geſagt.“ // Bevor da niederſaßen · die Herren, das währte lang, // Weil zu ſehr mit Sorgen · jetzt Frau Kriemhild rang. // Sie ſprach: „Fürſt von Berne, · heute muß ich flehn // Zu dir um Rath und Hülfe: · meine Sachen ängſtlich ſtehn.“ // Zur Antwort gab ihr Hildebrand, · eine Recke tugendlich: // „Wer ſchlägt die Nibelungen, · der thut es ohne mich, // Wie viel man Schätze böte; · es wird ihm wahrlich leid. // Sie ſind noch unbezwungen, · die ſchnellen Ritter allbereit.“ // „Es geht mir nur um Hagen, · der hat mir Leid gethan, // Der Siegfrieden mordete, · meinen lieben Mann. // Wer den von ihnen ſchiede, · dem wär mein Gold bereit: // Entgält es anders Jemand, · das wär mir inniglich leid.“ // Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Wie möchte das geſchehn, // Den ihnen zu erſchlagen? · Ihr ſolltet ſelber ſehn: // Beſtünde man den Degen, · leicht gäb es eine Noth, // Daß Arme ſo wie Reiche · dabei erlägen im Tod.“ // Da ſprach dazu Herr Dietrich · mit zuchtreichem Sinn: // „Die Rede laßt bleiben, · reiche Königin; // Mir iſt von euern Freunden · kein ſolches Leid geſchehn, // Daß ich ſollt im Streite · die kühnen Degen beſtehn. // „Die Bitte ehrt euch wenig, · edel Königsweib, // Daß ihr den Freunden rathet · an Leben und an Leib. // Sie kamen euch auf Gnade · hieher in dieſes Land; // Siegfried bleibt ungerochen · wohl von Dietrichens Hand.“ // Als ſie keine Untreu · bei dem Berner fand, // Alſobald gelobte ſie · Blödeln in die Hand // Eine weite Landſchaft, · die Nudung einſt beſaß; // Hernach erſchlug ihn Dankwart, · daß er der Gabe gar vergaß. // Sie ſprach: „Du ſollſt mir helfen, · Bruder Blödelein. // Hier in dieſem Hauſe · ſind die Feinde mein, // Die Siegfrieden ſchlugen, · meinen lieben Mann: // Wer mir das rächen hülfe, · dem war ich immer unterthan.“ // Zur Antwort gab ihr Blödel, · der ihr zur Seite ſaß: // „Ich darf euern Freunden · nicht zeigen ſolchen Haß, // Weil ſie mein Bruder Etzel · ſo gerne leiden mag: // Wenn ich ſie beſtünde, · der König ſäh es mir nicht nach.“ // „Nicht alſo, Herr Blödel, · ich bin dir immer hold: // Ich gebe dir zum Lohne · mein Silber und mein Gold // Und eine ſchöne Witwe, · Nudungens Weib: // So magſt du immer koſen · ihren minniglichen Leib. // „Das Land zu den Burgen, · Alles geb ich dir, // So lebſt du, theurer Ritter, · in Freuden ſtäts mit ihr, // Wenn du die Mark gewinneſt, · die Nudung einſt beſaß. // Was ich dir hier gelobe, · mit Treuen leiſt ich dir das.“ // Als Blödel bieten hörte · des Lohnes alſo viel // Und ihrer Schöne willen · die Frau ihm wohlgefiel, // Im Kampf verdienen wollt er · das minnigliche Weib. // Da muſte dieſer Recke · verlieren Leben und Leib. // Er ſprach zu der Königin: · „Geht wieder in den Saal. // Eh man es inne werde, · erheb ich großen Schall. // Hagen muß es büßen, · was er euch hat gethan: // Ich bring euch gebunden · König Gunthers Unterthan.“ // „Nun waffnet euch,“ ſprach Blödel, · „ihr all in meinem Lehn, // Wir wollen zu den Feinden · in die Herberge gehn. // Mir will es nicht erlaßen · König Etzels Weib: // Wir Helden müßen alle · verwagen Leben und Leib.“ // Als den Degen Blödel · entließ die Königin, // Daß er den Streit begänne, · zu Tiſche gieng ſie hin // Mit Etzeln dem Könige · und manchem Unterthan. // Sie hatte ſchlimme Räthe · wider die Gäſte gethan. // Wie ſie zu Tiſche giengen, · das will ich euch ſagen: // Man ſah reiche Könige · die Krone vor ihr tragen; // Manchen hohen Fürſten · und viel der werthen Degen // Sah man großer Demuth · vor der Königin pflegen. // Der König wies den Gäſten · die Sitze überall, // Den Höchſten und den Beſten · neben ſich im Saal. // Den Chriſten und den Heiden · die Koſt er unterſchied; // Man gab die Fülle beiden, · wie es der weiſe König rieth. // In der Herberge · aß ihr Ingeſind: // Von Truchſäßen ward es · da allein bedient; // Die hatten es zu ſpeiſen · großen Fleiß gepflogen. // Die Bewirtung und die Freude · ward bald mit Jammer aufgewogen. // Da nicht anders konnte · erhoben ſein der Streit, // Kriemhilden lag im Herzen · begraben altes Leid, // Da ließ ſie zu den Tiſchen · tragen Etzels Sohn: // Wie könnt ein Weib aus Rache · wohl entſetzlicher thun? // Da kamen vier gegangen · aus Etzels Ingeſind // Und brachten Ortlieben, · das junge Königskind, // Den Fürſten an die Tafel, · wo auch Hagen ſaß. // Das Kind muſt erſterben · durch ſeinen mordlichen Haß. // Als der reiche König · ſeinen Sohn erſah, // Zu ſeiner Frauen Brüdern · gütlich ſprach er da: // „Nun ſchaut, meine Freunde, · das iſt mein einzig Kind // Und das eurer Schweſter, · von dem ihr Frommen einſt gewinnt. // „Geräth er nach dem Stamme, · er wird ein ſtarker Mann, // Reich dazu und edel, · kühn und wohlgethan. // Erleb ich es, ich geb ihm · zwölf reicher Könge Land: // So thut euch wohl noch Dienſte · des jungen Ortliebens Hand. // „Darum bät ich gerne · euch, lieben Freunde mein, // Wenn ihr heimwärts reitet · wieder an den Rhein, // Daß ihr dann mit euch nehmet · eurer Schweſter Kind; // Und ſeid auch dem Knaben · immer gnädig geſinnt. // „Erzieht ihn nach Ehren, · bis er geräth zum Mann: // Hat euch in den Landen · Jemand ein Leid gethan, // So hilft er euch es rächen, · erwuchs ihm erſt der Leib.“ // Die Rede hörte Kriemhild · mit an, König Etzels Weib. // „Ihm ſollten wohl vertrauen · alle dieſe Degen, // Wenn er zum Mann erwüchſe,“ · ſprach Hagen entgegen; // „Doch iſt der junge König · ſo ſchwächlich anzuſehn: // Man ſoll mich ſelten ſchauen · nach Hof zu Ortlieben gehn.“ // Der König blickt' auf Hagen; · die Rede war ihm leid. // Wenn er auch nichts erwiederte, · der König allbereit, // Es betrübt' ihn in der Seele · und beſchwert' ihm den Muth. // Da waren Hagens Sinne · zu keiner Kurzweile gut. // Es ſchmerzte wie den König · ſein fürſtlich Ingeſind, // Was Hagen da geſprochen · hatte von dem Kind. // Daß ſie's vertragen ſollten, · gieng ihnen allen nah; // Noch konnten ſie nicht wißen, · was von dem Recken bald geſchah. // Gar Manche, die es hörten · und ihm trugen Groll, // Hätten ihn gern beſtanden; · der König ſelber wohl, // Wenn er mit Ehren dürfte: · ſo käm der Held in Noth. // Bald that ihm Hagen Aergeres, · er ſchlug ihn ihm vor Augen todt. // 32. Zweiunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Blödel mit Dankwart in der Herberge Stritt. Blödels Recken ſtanden · gerüſtet allzumal. // In tauſend Halsbergen · erreichten ſie den Saal, // Wo Dankwart mit den Knechten · an den Tiſchen ſaß. // Da hob ſich unter Helden · der allergrimmigſte Haß. // Als der Degen Blödel · vor die Tiſche gieng, // Dankwart der Marſchall · ihn freundlich empfieng: // „Willkommen hier im Hauſe, · mein Herr Blödelein: // Mich wundert euer Kommen: · ſagt, was ſoll die Märe ſein?“ // „Du brauchſt mich nicht zu grüßen,“ · ſprach da Blödelein, // „Denn dieſes mein Kommen · muß dein Ende ſein // Um Hagen deinen Bruder, · der Siegfrieden ſchlug. // Des entgiltſt du bei den Heunen · und andre Helden genug.“ // „Nicht doch, mein Herr Blödel,“ · ſprach da Dankwart, // „So möchte ſehr uns reuen · zu Hofe dieſe Fahrt. // Ich war ein Kind, als Siegfried · Leben ließ und Leib: // Nicht weiß ich, was mir wolle · dem König Etzel ſein Weib.“ // „Ich weiß dir von der Märe · nicht mehr zu ſagen; // Es thatens deine Freunde, · Gunther und Hagen. // Nun wehrt euch, ihr Armen, · ihr könnt nicht länger leben, // Ihr müßt mit dem Tode · hier ein Pfand Kriemhilden geben.“ // „Wollt ihrs nicht laßen?“ · ſprach da Dankwart, // „So gereut mich meines Flehens: · hätt ich das geſpart!“ // Der ſchnelle kühne Degen · von dem Tiſche ſprang, // Eine ſcharfe Waffe zog er, · die war gewaltig und lang. // Damit ſchlug er Blödeln · einen ſchwinden Schwertesſchlag, // Daß ihm das Haupt im Helme · vor den Füßen lag. // „Das ſei die Morgengabe,“ · ſprach der ſchnelle Degen, // „Zu Nudungens Witwe, · die du mit Minne ſollteſt pflegen. // „Vermähle man ſie morgen · einem andern Mann: // Will er den Brautſchatz, · wird ihm wie dir gethan.“ // Ein getreuer Heune · hatt ihm das hinterbracht, // Wie die Königstochter · auf ihr Verderben gedacht. // Da ſahen Blödels Mannen, · ihr Herr ſei erſchlagen; // Das wollten ſie den Gäſten · länger nicht vertragen. // Mit aufgehobnen Schwertern · auf die Knappen ein // Drangen ſie mit Ingrimm: · das muſte Manchen gereun. // Laut rief da Dankwart · all die Knappen an: // „Ihr ſeht wohl, edle Knechte, · es iſt um uns gethan, // Nun wehrt euch, ihr Armen, · wie euch zwingt die Noth, // Daß ihr ohen Schanden · erliegt in wehrlichem Tod.“ // Die nicht Schwerter hatten, · die griffen vor die Bank, // Vom Boden aufzuheben · manchen Schemel lang. // Die Burgundenknechte · wollten nichts vertragen: // Mit ſchweren Stühlen ſah man · ſtarker Beulen viel geſchlagen. // Wie grimm die armen Knappen · ſich wehrten in dem Strauß! // Sie trieben zu dem Hauſe · die Gewaffneten hinaus: // Fünfhundert oder drüber · erlagen drin dem Tod. // Da war das Ingeſinde · vom Blute naß und auch roth. // Dieſe ſchwere Botſchaft · drang in kurzer Zeit // Zu König Etzels Recken: · ihnen wars grimmig leid, // Daß mit ſeinen Mannen · Blödel den Tod gewann; // Das hatte Hagens Bruder · mit den Knechten gethan. // Eh es vernahm der König, · ſtand ſchon ein Heunenheer // In hohem Zorn gerüſtet, · zweitauſend oder mehr. // Sie giengen zu den Knechten, · es muſte nun ſo ſein, // Und ließen des Geſindes · darin nicht Einen gedeihn. // Die Ungetreuen brachten · vors Haus ein mächtig Heer. // Die landloſen Knechte · ſtanden wohl zu Wehr. // Was half da Kraft und Kühnheit? · ſie fanden doch den Tod. // Darnach in kurzer Weile · hob ſich noch grimmere Noth. // Nun mögt ihr Wunder hören · und Ungeheures ſagen: // Neuntauſend Knechte · lagen todt geſchlagen, // Darüber zwölf Ritter · in Dankwartens Lehn. // Man ſah ihn weltalleine · noch bei ſeinen Feinden ſtehn. // Der Lärm war beſchwichtigt, · das Toſen eingeſtellt. // Ueber die Achſel blickte · Dankwart der Held: // Er ſprach: „O weh der Freunde, · die ich fallen ſah! // Nun ſteh ich leider einſam · unter meinen Feinden da.“ // Die Schwerter fielen heftig · auf des Einen Leib: // Das muſte bald beweinen · manches Helden Weib. // Den Schild rückt' er höher, · der Riemen ward geſenkt: // Mit rothem Blute ſah man · noch manchen Harniſch getränkt. // „O weh mir dieſes Leides!“ · ſprach Aldrianens Kind. // „Nun weicht, Heunenrecken, · und laßt mich an den Wind, // Daß die Lüfte kühlen · mich ſturmmüden Mann.“ // Da drang er auf die Thüre · unter Schlägen herrlich an. // Als der Streitmüde · aus dem Hauſe ſprang, // Wie manches Schwert von Neuem · auf ſeinem Helm erklang! // Die nicht geſehen hatten · die Wunder ſeiner Hand, // Die ſprangen da entgegen · dem aus Burgundenland. // „Nun wollte Gott,“ ſprach Dankwart, · „daß mir ein Bote käm, // Durch den mein Bruder Hagen · Kunde vernähm, // Daß ich vor dieſen Recken · ſteh in ſolcher Noth. // Der hülfe mir von hinnen · oder fände ſelbſt den Tod.“ // Da ſprachen Heunenrecken: · „Der Bote muſt Du ſein, // Wenn wir todt dich tragen · vor den Bruder dein. // Dann ſieht erſt ſein Herzeleid · Gunthers Unterthan. // Du haſt dem König Etzel · hier großen Schaden gethan.“ // Er ſprach: „Nun laßt das Dräuen · und weicht zurück von mir, // Sonſt netz ich noch Manchem · mit Blut den Harniſch hier. // Ich will die Märe ſelber · hin zu Hofe tragen // Und will meinen Herren · meinen großen Kummer klagen.“ // Er verleidete ſo ſehr ſich · dem Volk in Etzels Lehn, // Daß ſie ihn mit Schwertern · nicht wagten zu beſtehn: // Da ſchoßen ſie der Spere · ſo viel ihm in den Rand, // Er muſt ihn ſeiner Schwere · wegen laßen aus der Hand. // Sie wähnten ihn zu zwingen, · weil er den Schild nicht trug; // Hei, was er tiefer Wunden · durch die Helme ſchlug! // Da muſte vor ihm Straucheln · mancher kühne Mann, // Daß ſich viel Lob und Ehre · der kühne Dankwart gewann. // Von beiden Seiten ſprangen · die Gegner auf ihn zu. // Wohl kam ihrer Mancher · in den Kampf zu fruh. // Da gieng er vor den Feinden, · wie ein Eberſchwein // Im Walde thut vor Hunden: · wie möcht er wohl kühner ſein? // Sein Weg war ſtäts aufs Neue · genetzt mit heißem Blut. // Wie konnte je ein Recke · allein wohl ſo gut // Mit ſo viel Feinden ſtreiten, · als hier von ihm geſchehn? // Man ſah Hagens Bruder · herrlich hin zu Hofe gehn. // Truchſäßen und Schenken · vernahmen Schwerterklang: // Gar mancher die Getränke · aus den Händen ſchwang // Oder auch die Speiſen, · die man zu Hofe trug. // Da fand er vor der Stiege · noch ſtarker Feinde genug. // „Wie nun, ihr Truchſäßen?“ · ſprach der müde Degen, // „Nun ſolltet ihr die Gäſte · gütlich verpflegen // Und ſolltet den Herren · die edle Speiſe tragen // Und ließet mich die Märe · meinen lieben Herren ſagen.“ // Wer da den Muth gewonnen · und vor die Stieg ihm ſprang, // Deren ſchlug er etlichen · ſo ſchweren Schwertesſchwang, // Daß ihm aus Schreck die Andern · ließen freie Bahn. // Da hatten ſeine Kräfte · viel große Wunder gethan. // 33. Dreiunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Dankwart die Märe ſeinen Herren brachte. Als der kühne Dankwart · unter die Thüre trat // Und Etzels Ingeſinde · zurückzuweichen bat, // Mit Blut war beronnen · all ſein Gewand; // Eine ſcharfe Waffe · trug er bloß an ſeiner Hand. // Gerade in der Stunde, · als Dankwart trat zur Thür, // Trug man Ortlieben · im Saale für und für // Von einem Tiſch zum andern · den Fürſten wohlgeboren: // Durch ſeine ſchlimme Botſchaft · gieng das Kindlein verloren. // Hellauf rief da Dankwart · einem Degen zu: // „Ihr ſitzt, Bruder Hagen, · hier zu lang in Ruh. // Euch und Gott vom Himmel · klag ich unſre Noth: // Ritter und Knechte · ſind in der Herberge todt.“ // Der rief ihn hin entgegen: · „Wer hat das gethan?“ // „Das that der Degen Blödel · und Die ihm unterthan. // Auch hat ers ſchwer entgolten, · das will ich euch ſagen: // Mit dieſen Händen hab ich · ihm ſein Haupt abgeſchlagen.“ // „Das iſt ein kleiner Schade,“ · ſprach Hagen unverzagt, // „Wenn man ſolche Märe · von einem Degen ſagt, // Daß er von Heldenhänden · zu Tode ſei geſchlagen: // Den ſollen deſto minder · die ſchönen Frauen beklagen. // „Nun ſagt mir, lieber Bruder, · wie ſeid ihr ſo roth? // Ich glaube gar, ihr leidet · von Wunden große Noth. // Iſt der wo hier im Lande, · von dem das iſt geſchehn? // Der üble Teufel helf ihm denn: · ſonſt muß es ihm ans Leben gehn.“ // „Ihr ſeht mich unverwundet: · mein Kleid iſt naß von Blut. // Das floß nur aus Wunden · andrer Degen gut, // Deren ich ſo Manchen · heute hab erſchlagen, // Wenn ichs beſchwören ſollte, · ich wüſte nicht die Zahl zu ſagen.“ // Da ſprach er: „Bruder Dankwart, · ſo hütet uns die Thür // Und laßt von den Heunen · nicht Einen Mann herfür. // So red ich mit den Recken, · wie uns zwingt die Noth: // Unſer Ingeſinde · liegt ohne Schuld von ihnen todt.“ // „Soll ich Kämmrer werden?“ · ſprach der kühne Mann, // „Bei ſo reichen Königen ſteht · mir das Amt wohl an: // Der Stiege will ich hüten · nach allen Ehren mein.“ // Kriemhildens Recken · konnte das nicht leider ſein. // „Nun nimmt mich doch Wunder,“ · ſprach wieder Hagen, // „Was ſich die Heunen · hier in die Ohren ſagen: // Sie möchten ſein entbehren, · der dort die Thür bewacht // Und der die Hofmären · den Burgunden hat gebracht. // „Ich hörte ſchon lange · von Kriemhilden ſagen, // Daß ſie nicht ungerochen · ihr Herzleid wolle tragen. // Nun trinken wir die Minne · und zahlen Etzels Wein: // Der junge Vogt der Heunen · muß hier der allererſte ſein.“ // Ortlieb das Kind erſchlug da · Hagen der Degen gut, // Daß vom Schwerte nieder · zur Hand ihm floß das Blut // Und das Haupt herabſprang · der Köngin in den Schoß. // Da hob ſich unter Degen · ein Morden grimmig und groß. // Darauf dem Hofmeiſter · der des Kindes pflag, // Mit beiden Händen ſchlug · er einen ſchnellen Schlag, // Daß vor des Tiſches Füße · das Haupt ihm niederflog: // Es war ein jämmerlicher Lohn, · den er dem Hofmeiſter wog. // Er ſah vor Etzels Tiſche · einen Spielmann: // Hagen in ſeinem Zorne · lief zu ihm heran. // Er ſchlug ihm auf der Geigen · herab die rechte Hand. // „Das habe für die Botſchaft · in der Burgunden Land.“ // „Ach meine Hand,“ ſprach Werbel, · Etzels Spielmann: // „Herr Hagen von Tronje, · was hatt ich euch gethan? // Ich kam in großer Treue · in eurer Herren Land: // Wie kläng ich nun die Töne, · da ich verlor meine Hand?“ // Hagen fragte wenig, · und geigt' er nimmermehr. // Da kühlt' er in dem Hauſe · die grimme Mordluſt ſehr // An König Etzels Recken, · deren er viel erſchlug: // Er bracht in dem Saale · zu Tod der Recken genug. // Volker ſein Geſelle · von dem Tiſche ſprang, // Daß laut der Fiedelbogen · ihm an der Hand erklang. // Ungefüge ſiedelte · Gunthers Fiedelmann: // Hei! was er ſich zu Feinden · der kühnen Heunen gewann! // Auch ſprangen von den Tiſchen · die drei Könge hehr. // Sie wolltens gerne ſchlichten, · eh Schadens würde mehr. // Doch ſtrebten ihre Kräfte · umſonſt dawider an, // Da Volker mit Hagen · ſo ſehr zu wüten begann. // Nun ſah der Vogt vom Rheine, · er ſcheide nicht den Streit: // Da ſchlug der König ſelber · manche Wunde weit // Durch die lichten Panzer · den argen Feinden ſein. // Der Held war behende, · das zeigte hier der Augenſchein. // Da kam auch zu dem Streite · der ſtarke Gernot: // Wohl ſchlug er den Heunen · manchen Helden todt // Mit dem ſcharfen Schwerte, · das Rüdeger ihm gab: // Damit bracht er Manche · von Etzels Recken ins Grab. // Der jüngſte Sohn Frau Utens · auch zu dem Streite ſprang: // Sein Gewaffen herrlich · durch die Helme drang // König Etzels Recken · aus der Heunen Land; // Da that viel große Wunder · des kühnen Geiſelher Hand. // Wie tapfer alle waren, · die Könge wie ihr Lehn, // Jedennoch ſah man Volkern · voran all Andern ſtehn // Bei den ſtarken Feinden; · er war ein Degen gut: // Er förderte mit Wunden · Manchen nieder in das Blut. // Auch wehrten ſich gewaltig · Die in Etzels Lehn. // Die Gäſte ſah man hauend · auf und nieder gehn // Mit den lichten Schwertern · durch des Königs Saal. // Allenthalben hörte man · von Wehruf größlichen Schall. // Da wollten die da draußen · zu ihren Freunden drin: // Sie fanden an der Thüre · gar wenig Gewinn; // Da wollten die da drinnen · gerne vor den Saal: // Dankwart ließ keinen · die Stieg empor noch zu Thal. // So hob ſich vor den Thüren · ein ungeſtümer Drang // Und von den Schwerthieben · auf Helme lauter Klang. // Da kam der kühne Dankwart · in eine große Noth: // Das berieth ſein Bruder, · wie ihm die Treue gebot. // Da rief mit lauter Stimme · Hagen Volkern an: // „Seht ihr dort, Geſelle, · vor manchem Heunenmann // Meinen Bruder ſtehen · unter ſtarken Schlägen? // Schützt mir, Freund, den Bruder, · eh wir verlieren den Degen.“ // Der Spielmann entgegnete: · „Das ſoll alsbald geſchehn.“ // Dann begann er fiedelnd · durch den Saal zu gehn: // Ein hartes Schwert ihm öfters · an der Hand erklang. // Vom Rhein die Recken ſagten · dafür ihm größlichen Dank. // Volker der kühne · zu Dankwarten ſprach: // „Ihr habt erlitten heute · großes Ungemach. // Mich bat euer Bruder, · ich ſollt euch helfen gehn; // Wollt ihr nun draußen bleiben, · ſo will ich innerhalben ſtehn.“ // Dankwart der ſchnelle · ſtand außerhalb der Thür: // So wehrt' er von der Stiege, · wer immer trat dafür. // Man hörte Waffen hallen · den Helden an der Hand; // So that auch innerhalben · Volker von Burgundenland. // Da rief der kühne Fiedelmann · über die Menge laut: // „Das Haus iſt wohl verſchloſſen, · ihr, Freund Hagen, ſchaut // Verſchränkt iſt ſo völlig · König Etzels Thür, // Von zweier Helden Händen · gehn ihr wohl tauſend Riegel für.“ // Als von Tronje Hagen · die Thüre ſah in Hut, // Den Schild warf zurücke · der ſchnelle Degen gut: // Nun begann er erſt zu rächen · ſeiner Freunde Leid. // Seines Zornes muſt entgelten · mancher Ritter kühn im Streit. // Als der Vogt von Berne · das Wunder recht erſah, // Wie der ſtarke Hagen · die Helme brach allda, // Der Fürſt der Amelungen · ſprang auf eine Bank. // Er ſprach: „Hier ſchenkt Hagen · den allebitterſten Trank.“ // Der Wirth war ſehr in Sorgen, · ſein Weib in gleicher Noth. // Was ſchlug man lieber Freunde · ihm vor den Augen todt! // Er ſelbſt war kaum geborgen · vor ſeiner Feinde Schar. // Er ſaß in großen Aengſten: · was half ihm, daß er König war? // Kriemhild die reiche · rief Dietrichen an: // „Hilf mir mit dem Leben, · edler Held, hindann, // Bei aller Fürſten Tugend · aus Amelungenland: // Denn erreicht mich Hagen, · hab ich den Tod an der Hand.“ // „Wie ſoll ich euch helfen,“ · ſprach da Dietrich, // „Edle Königstochter? · ich ſorge ſelbſt um mich. // Es ſind ſo ſehr im Zorne · Die Gunthern unterthan, // Daß ich zu dieſer Stunde · Niemand Frieden ſchaffen kann.“ // „Nicht alſo, Herr Dietrich, · edler Degen gut: // Laß uns heut erſcheinen · deinen tugendreichen Muth // Und hilf mir von hinnen, · oder ich bleibe todt. // Bring mich und den König · aus dieſer angſtvollen Noth.“ // „Ich will es verſuchen, · ob euch zu helfen iſt, // Jedoch ſah ich wahrlich · nicht in langer Friſt // In ſo bitterm Zorne · manchen Ritter gut: // Ich ſeh ja durch die Helme · von Hieben ſpringen das Blut.“ // Mit Kraft begann zu rufen · der Ritter auserkorn, // Daß ſeine Stimme hallte · wie ein Büffelhorn // Und daß die weite Veſte · von ſeiner Kraft erſcholl. // Dietrichens Stärke · die war gewaltig und voll. // Da hörte König Gunther · rufen dieſen Mann // In dem harten Sturme. · Zu horchen hub er an: // „Dietrichens Stimme · iſt in mein Ohr gekommen, // Ihm haben unſre Degen · wohl der Seinen wen benommen. // „Ich ſeh ihn auf dem Tiſche · winken mit der Hand. // Ihr Vettern und Freunde · von Burgundenland, // Haltet ein mit Streiten: · laßt hören erſt und ſehn, // Was hier Dietrichen · von meinen Mannen ſei geſchehn.“ // Als ſo der König Gunther · bat und auch gebot, // Da ſenkten ſie die Schwerter · in des Streites Noth. // Das war Gewalt bewieſen, · daß Niemand da mehr ſchlug. // Er fragte den von Berne · um die Märe ſchnell genug. // Er ſprach: „Viel edler Dietrich, · was iſt euch geſchehn // Hier von meinen Freunden? · Ihr ſollt mich willig ſehn: // Zur Sühne und zur Buße · bin ich euch bereit. // Was euch Jemand thäte, · das war mir inniglich leid.“ // Da ſprach der edle Dietrich: · „Mir iſt nichts geſchehn! // Laßt mich aus dem Hauſe · mit euerm Frieden gehn // Von dieſem harten Streite · mit dem Geſinde mein. // Dafür will ich euch Degen · ſtäts zu Dienſt beflißen ſein.“ // „Was müßt ihr alſo flehen?“ · ſprach da Wolfhart, // „Es hält der Fiedelſpieler · die Thür nicht ſo verwahrt, // Wir erſchließen ſie ſo mächtig, · daß man ins Freie kann.“ // „Nun ſchweig,“ ſprach da Dietrich, · „du haſt den Teufel gethan.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Das ſei euch freigeſtellt: // Führt aus dem Hauſe, · ſo viel euch gefällt, // Ohne meine Feinde: · die ſollen hier beſtehn. // Von ihnen iſt mir Leides · bei den Heunen viel geſchehn.“ // Als das der Berner hörte, · mit einem Arm umſchloß // Er die edle Königin; · ihre Angſt war groß; // Da führt er an dem andern · Etzeln aus dem Haus. // Auch folgten Dietrichen · ſechshundert Degen hinaus. // Da begann der Markgraf, · der edle Rüdiger: // „Soll aber aus dem Hauſe · noch kommen Jemand mehr, // Der euch doch gerne diente, · ſo macht es mir kund: // So walte ſtäter Friede · in getreuer Freunde Bund.“ // Antwort ſeinem Schwäher · gab Geiſelher zuhand: // „Frieden und Sühne · ſei euch von uns bekannt; // Ihr haltet ſtäte Treu, · ihr und euer Lehn, // Ihr ſollt mit euren Freunden · ohne Sorgen hinnen gehn.“ // Als Rüdiger der Markgraf · räumte Etzels Saal, // Fünfhundert oder drüber · folgten ihm zumal. // Das ward von den Helden · aus Treue gethan, // Wodurch König Gunther · bald großen Schaden gewann. // Da ſah ein Heunenrecken · König Etzeln gehn // Neben Dietrichen: · des wollt er Frommen ſehn. // Dem gab der Fiedelſpieler · einen ſolchen Schlag, // Daß ihm gleich am Boden · das Haupt vor Etzels Füßen lag. // Als der Wirth des Landes · kam vor des Hauſes Thor, // Da wandt er ſich und blickte · zu Volkern empor: // „O weh mir dieſer Gäſte: · wie iſt das grimme Noth, // Daß alle meine Recken · vor ihnen finden den Tod!“ // „Ach weh des Hofgelages!“ · ſprach der König hehr: // „Da drinnen ficht Einer, · der heißt Volker, // Wie ein wilder Eber · und iſt ein Fiedelmann; // Ich dank es meinem Heile, · daß ich dem Teufel entrann. // „Seine Weiſen lauten übel, · ſein Bogenſtrich iſt roth; // Mir ſchlagen ſeine Töne · manchen Helden todt. // Ich weiß nicht, was uns Schuld giebt · derſelbe Fiedelmann, // Daß ich in meinem Leben · ſo leiden Gaſt nicht gewann.“ // Zur Herberge giengen · die beiden Recken hehr, // Dietrich von Berne · und Markgraf Rüdiger. // Sie ſelber wollten gerne · des Streits entledigt ſein // Und geboten auch den Degen, · daß ſie den Kampf ſollten ſcheun. // Und hätten ſich die Gäſte · verſehn der Leiden, // Die ihnen werden ſollten · noch von den Beiden, // Sie wären aus dem Hauſe · ſo leicht nicht gekommen, // Eh ſie eine Strafe · von den Kühnen hätten genommen. // Sie hatten, die ſie wollten, · entlaßen aus dem Saal: // Da hob ſich innerhalben · ein furchtbarer Schall. // Die Gäſte rächten bitter · ihr Leid und ihre Schmach. // Volker der kühne, · hei, was der Helme zerbrach! // Sich kehrte zu dem Schalle · Gunther der König hehr: // „Hört ihr die Töne, Hagen, · die dorten Volker // Mit den Heunen fiedelt, · wenn wer zur Thüre trat? // Es iſt ein rother Anſtrich, · den er am Fiedelbogen hat.“ // „Es reut mich ohne Maßen,“ · ſprach Hagen entgegen, // „Daß ich je mich ſcheiden · mußte von dem Degen. // Ich war ſein Geſelle, · er der Geſelle mein, // Und kehren wir je wieder heim, · wir wollens noch in Treuen ſein. // „Nun ſchau, hehrer König, · Volker iſt dir hold: // Wie will er verdienen · dein Silber und dein Gold! // Sein Fiedelbogen ſchneidet · durch den harten Stahl, // Er wirft von den Helmen · die hellen Zierden zu Thal. // „Ich ſah nie Fiedelſpieler · noch ſo herrlich ſtehn, // Als dieſen Tag von Volker · dem Degen iſt geſchehn. // Seine Weiſen hallen · durch Helm und Schildesrand: // Gute Roſſe ſoll er reiten · und tragen herrlich Gewand.“ // So viel der Heunendegen · auch waren in dem Saal, // Nicht Einer blieb am Leben · von ihnen allzumal. // Da war der Schall beſchwichtigt, · als Niemand blieb zum Streit. // Die kühnen Recken legten · da ihre Schwerter beiſeit. // 34. Vierunddreißigſtes Abenteuer. // Wie ſie die Todten aus dem Saale warfen. Da ſetzten ſich aus Müdigkeit · die Herrn und ruhten aus. // Volker und Hagen · die giengen vor das Haus // Ueber den Schild ſich lehnend · in ihrem Uebermuth: // Da pflagen launger Reden · dieſe beiden Helden gut. // Da ſprach von Burgunden · Geiſelher der Degen: // „Noch dürft ihr, lieben Freunde, · nicht der Ruhe pflegen: // Ihr ſollt erſt die Todten · aus dem Hauſe tragen. // Wir werden noch beſtanden, das will ich wahrlich euch ſagen. // „Sie ſollen untern Füßen · uns hier nicht länger liegen, // bevor im Sturm die Heunen · mögen uns beſiegen, // Wir haun noch manche Wunde, · die gar ſanft mir thut. // Des hab ich,“ ſprach da Geiſelher, · „einen willigen Muth.“ // „O wohl mir ſolches Herren,“ · ſprach Hagen entgegen. // „Der Rath geziemte Niemand · als einem ſolchen Degen, // Wie unſern jungen Herren · wir heute hier geſehn: // Ihr Burgunden möget · all darob in Freuden ſtehn. // Da folgten ſie dem Rathe · und trugen vor die Thür // Siebentauſend Todte, · die warfen ſie dafür. // Vor des Saales Stiege · fielen ſie zu Thal: // Da erhoben ihre Freunde · mit Jammern kläglichen Schall. // Auch war darunter Mancher · nur ſo mäßig wund, // Käm ihm ſanftre Pflege, · er würde noch geſund; // Doch von dem hohen Falle · fand er nun den Tod. // Das klagten ihre Freunde; · es zwang ſie wahrhafte Noth. // Da ſprach der Fiedelſpieler, · der Degen unverzagt: // „Nun ſeh ich wohl, ſie haben · mir Wahrheit geſagt: // Die Heunen ſind feige, · ſie klagen wie ein Weib, // Da ſie nun pflegen ſollten · der Schwerverwundeten Leib.“ // Da mocht ein Markgraf wähnen, · er meint es ernſt und gut: // Ihm war der Vettern Einer · gefallen in das Blut; // Den dacht' er wegzutragen · und wollt ihn ſchon umfahn: // Da ſchoß ob ihm zu Tode · den der kühne Spielmann. // Als das die Andern ſahen, · ſie flohen von dem Saal. // Dem Spielmann zu fluchen · begannen ſie zumal. // Einen Sper hob Volker · vom Boden, ſcharf und hart, // Der von einem Heunen · zu ihm hinauf geſchoßen ward. // Den ſchoß er durch den Burghof · zurück kräftiglich // Ueber ihre Häupter. · Das Volk Etzels wich // Erſchreckt von dem Wurfe · weiter von dem Haus. // Vor ſeinen Kräften hatten · alle Leute Schreck und Graus, // Da ſtand vor dem Hauſe · Etzel mit manchem Mann. // Volker und Hagen · huben zu reden an // Mit dem Heunenkönig · nach ihrem Uebermuth. // Das ſchuf bald große Sorge · dieſen Helden kühn und gut. // „Wohl wär es,“ ſprach da Hagen, · „des Volkes Troſt im Leid, // Wenn die Herren föchten · allen voran im Streit, // Wie von meinen Herren · hier Jeglicher thut: // Die hauen durch die Helme, · daß von den Schwertern fließt das Blut.“ // So kühn war König Etzel, · er faßte ſeinen Schild. // „Nun hütet eures Lebens,“ · ſprach da Kriemhild, // „Und bietet Gold den Recken · auf dem Schildesrand, // Denn erreicht euch Hagen, · ihr habt den Tod an der Hand.“ // So kühn war der König, · er ließ nicht vom Streit, // Wozu ſo mächtge Fürſten · nun ſelten ſind bereit. // Man muſt ihn bei den Riemen · des Schildes ziehn hindann. // Hagen der grimme · ihn mehr zu höhnen begann: // „Eine nahe Sippe war es,“ · ſprach Hagen gleich zur Hand, // „Die Etzeln zuſammen · und Siegfried verband: // Er minnte Kriemhilden, · eh ſie geſehen dich: // Feiger König Etzel, · warum räthſt du wider mich?“ // Dieſe Rede hörte · die edle Königin, // Darüber ward unmuthig · Kriemhild in ihrem Sinn, // Daß er ſie ſchelten durfte · vor manchem Etzelsmann. // Wider die Gäſte · hub ſie aufs Neu zu werben an. // Sie ſprach: „Wer von Tronje · den Hagen mir ſchlüge // Und ſein Haupt als Gabe · her vor mich trüge, // Mit rothem Golde füllt' ich · ihm Etzels Schildesrand; // Auch gäb ich ihm zum Lohne · viel gute Burgen und Land.“ // „Ich weiß nicht, was ſie zaudern,“ · ſprach der Fiedelmann. // „Nie ſah ich, daß Helden · ſo verzagt gethan, // Wo man bieten hörte · alſo reichen Sold. // Wohl ſollt ihnen Etzel · nimmer wieder werden hold. // „Die hier mit Schimpf und Schanden · eßen des Königs Brot // Und jetzt im Stich ihn laßen · in der größten Noth, // Deren ſeh ich Manchen · ſo recht verzagt da ſtehn // Und thun doch ſo verwegen: · ſie können nie der Schmach entgehn.“ // Der mächtige Etzel hatte · Jammer und Noth: // Er beklagte ſeiner Mannen · und Freunde bittern Tod. // Von manchen Landen ſtanden · ihm Recken viel zur Seit // Und weinten mit dem König · ſein gewaltiges Leid. // Darob begann zu ſpotten · der kühne Volker: // „Ich ſeh hier übel weinen · gar manchen Recken hehr. // Sie helfen ſchlecht dem König · in ſeiner großen Noth. // Wohl eßen ſie mit Schanden · nun ſchon lange hier ſein Brot.“ // Da gedachten wohl die Beſten: · „Wahr iſts, was Volker ſagt.“ // Von Niemand doch von allen · ward es ſo ſchwer beklagt // Als von Markgraf Iring, · dem Herrn aus Dänenland, // Was ſich nach kurzer Weite · wohl nach der Wahrheit befand. // 35. Fünfunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Iring erſchlagen ward. Da rief der Markgraf Iring · aus der Dänen Land: // „Ich habe nun auf Ehre · die Sinne lang gewandt; // Auch iſt von mir das Beſte · in Stürmen oft geſchehn: // Nun bringt mir mein Gewaffen: · ſo will ich Hagen beſtehn.“ // „Das möcht ich widerrathen,“ · hub da Hagen an, // „Sonſt finden mehr zu klagen · Die Etzeln unterthan. // Springen eurer zweie · oder drei in den Saal, // Die ſend ich wohlverhauen · die Stiege wieder zu Thal.“ // „Ich wills darum nicht laßen,“ · ſprach wieder Iring: // „Wohl ſchon oft verſucht ich · ein gleich gefährlich Ding. // Wohl will ich mit dem Schwerte · allein dich beſtehn, // Und wär von dir im Streite · mehr als von Jemand geſchehn.“ // Da ward gewaffnet Iring · nach ritterlichem Brauch // Und Irnfried der kühne · von Thüringen auch // Und Hawart der ſtarke · wohl mit tauſend Mann: // Sie wollten Iring helfen, · was der Held auch begann. // Da ſah der Fiedelſpieler · ein gewaltig Heer, // Das mit Iringen · gewaffnet zog einher. // Sie trugen aufgebunden · die lichten Helme gut. // Da ward dem kühnen Volker · darüber zornig zu Muth. // „Seht ihr, Freund Hagen, · dort Iringen gehn, // Der euch im Kampf alleine · gelobte zu beſtehn? // Wie ziemt Helden Lüge? · Führwahr, ich tadl es ſehr. // Es gehn mit ihm gewaffnet · tauſend Recken oder mehr.“ // „Nun ſtraft mich nicht Lügen,“ · ſprach Hawarts Unterthan, // „Ich will gerne leiſten, · was ich euch kund gethan. // Mein Wort ſoll um Feigheit · nicht gebrochen ſein: // Sei Hagen noch ſo gräulich, · ich beſteh ihn ganz allein.“ // Zu Füßen warf ſich Iring · den Freunden und dem Lehn, // Daß ſie allein ihn ließen · den Recken beſtehn. // Das thaten ſie doch ungern, · ihnen war zu wohl bekannt // Der übermütige Hagen · aus der Burgunden Land. // Doch bat er ſie ſo lange, · bis es zuletzt geſchah. // Als das Ingeſinde · ſeinen Willen ſah, // Und daß er warb nach Ehre, · da ließen ſie ihn gehn. // Da ward von den Beiden · ein grimmes Streiten geſehn. // Iring der Däne · hielt hoch empor den Sper, // Sich deckte mit dem Schilde · der theure Degen hehr: // So lief er auf im Sturme · zu Hagen vor den Saal. // Da erhob ſich von den Degen · ein gewaltiger Schall. // Die Spere ſchößen beide · kräftig aus der Hand // Durch die feſten Schilde · auf ihr licht Gewand, // Daß die Sperſplitter · hoch in die Lüfte flogen. // Da griffen zu den Schwertern · die grimmen Degen verwegen. // Die Kraft des kühnen Hagen · war ohne Maßen voll; // Doch ſchlug nach ihm Iring, · daß all die Burg erſcholl. // Der Saal und die Thürme · erhallten von den Schlägen. // Es konnte ſeinen Willen · doch nicht vollführen der Degen. // Iring ließ Hagen · unverwundet ſtehn: // Auf den Fiedelſpieler · begann er loszugehn. // Er wähnt', er ſollt ihn zwingen · mit ſeinen grimmen Schlägen, // Doch wuſte ſich zu ſchirmen · dieſer zierliche Degen. // Da ſchlug der Fiedelſpieler, · daß von des Schildes Rand // Das Geſpänge wirbelte · von Volkers ſtarker Hand. // Den ließ er wieder ſtehen; · es war ein übler Mann: // Jetzt lief er auf Gunther, · den Burgundenkönig, an. // Da war nun Jedweder · zum Streite ſtark genug. // Wie Gunther auf Iring · und der auf Gunther ſchlug, // Das brachte nicht aus Wunden · das fließende Blut. // Ihre Rüſtung wehrt' es, · die war zu feſt und zu gut. // Gunthern ließ er ſtehen · und lief Gernoten an. // Das Feuer aus den Ringen · er ihm zu haun begann. // Da hätte von Burgunden · der ſtarke Gernot // Iring den kühnen · beinah geſandt in den Tod. // Da ſprang er von dem Fürſten; · ſchnell war er genug. // Der Burgunden viere · der Held behend erſchlug, // Des edeln' Heergeſindes · aus Worms an dem Rhein. // Darüber mochte Geiſelher · nicht wohl zorniger ſein. // „Gott weiß, Herr Iring,“ · ſprach Geiſelher das Kind, // „Ihr müßt mir entgelten, · die hier erlegen ſind // Vor euch in dieſer Stunde.“ · Da lief er ihn an // Und ſchlug den Danenhelden, · daß er zu ſtraucheln begann. // Er ſchoß vor ſeinen Händen · nieder in das Blut, // Daß ſie alle wähnten, · dieſer Degen gut // Schlug im Streit nicht wieder · einen Schlag mit ſeinem Schwert. // Doch lag vor Geiſelheren · Iring da noch unverſehrt. // Von des Helmes Schwirren · und von des Schwertes Klang // Waren ſeine Sinne · ſo betäubt und krank, // Daß ſich der kühne Degen · des Lebens nicht beſann. // Das hatt ihm mit den Kräften · der kühne Geiſelher gethan. // Als ihm aus dem Haupte · das Schwirren jetzt entwich, // Von dem mächtgen Schlage · war das erſt fürchterlich, // Da gedacht er: · „Ich lebe und bin auch nirgend wund: // Nun iſt mir erſt die Stärke · des kühnen Geiſelher kund!“ // Zu beiden Seiten hört' er · ſeine Feinde ſtehn. // Sie hättens wißen ſollen, · ſo wär ihm mehr geſchehn. // Auch hatt er Geiſelheren · vernommen nahe bei: // Er ſann, wie mit dem Leben · den Feinden zu entkommen ſei. // Wie tobend der Degen · aus dem Blute ſprang! // Er mochte ſeiner Schnelle · wohl ſagen großen Dank. // Da lief er aus dem Hauſe, · wo er Hagen fand, // Und ſchlug ihm ſchnelle Schläge · mit ſeiner kraftreichen Hand. // Da gedachte Hagen: · „Du muſt des Todes ſein. // Befriede dich der Teufel, · ſonſt kannſt du nicht gedeihn.“ // Doch traf Iring Hagnen · durch ſeines Helmes Hut. // Das that der Held mit Maske; · das war eine Waffe gut. // Als der grimme Hagen · die Wund an ſich empfand, // Da ſchwenkte ſich gewaltig · das Schwert in ſeiner Hand. // Es muſte vor ihm weichen · Hawarts Unterthan: // Hagen ihm die Stiege · hinab zu folgen begann. // Uebers Haupt den Schildrand · Iring der kühne ſchwang. // Und war dieſelbe Stiege · drei ſolcher Stiegen lang, // Derweil ließ ihn Hagen · nicht ſchlagen einen Schlag. // Hei, was rother Funken · da auf ſeinem Helme lag! // Doch kam zu den Freunden · Iring noch geſund. // Da wurde dieſe Märe · Kriemhilden kund, // Was er dem von Tronje · hatt im Streit gethan; // Dafür die Königstochter · ihm ſehr zu danken begann. // „Nun lohne Gott dir, Iring, · erlauchter Degen gut, // Du haſt mir wohl getröſtet · das Herz und auch den Muth: // Nun ſeh ich blutgeröthet · Hagens Wehrgewand!“ // Kriemhild nahm ihm ſelber · den Schild vor Freud aus der Hand. // „Ihr mögt ihm mäßig danken,“ · begann da Hagen, // „Bis jetzt iſt viel Großes · nicht davon zu ſagen; // Verſucht' er es zum andern Mal, · er wär ein kühner Mann. // Die Wunde frommt euch wenig, · die ich noch von ihm gewann. // „Daß ihr von meiner Wunde · mir ſeht den Harniſch roth, // Das hat mich noch erbittert · zu manches Mannes Tod. // Nun bin ich erſt im Zorne · auf ihn und manchen Mann; // Mir hat der Degen Iring · noch kleinen Schaden gethan.“ // Da ſtand dem Wind entgegen · Iring von Dänenland; // Er kühlte ſich im Harniſch, · den Helm er niederband. // Da prieſen ihn die Leute · für ſtreitbar und gut: // Darüber trug der Markgraf · nicht wenig hoch ſeinen Muth. // Da ſprach Iring wieder: · „Nun, Freunde, ſollt ihr gehn // Und neue Waffen holen: · ich will noch einmal ſehn, // Ob ich bezwingen möge · den übermüthgen Mann.“ // Sein Schild war verhauen, · einen beßern er gewann. // Gewaffnet war der Recke · bald in noch feſtre Wehr. // Er griff in ſeinem Zorne · nach einem ſtarken Sper, // Damit wollt er Hagen · zum drittenmal beſtehn. // Es brächt ihm Ehr und Frommen, · ließ' er das ſich vergehn. // Da wollte ſein nicht harren · Hagen der Degen. // Mit Schüßen und mit Hieben · lief er ihm entgegen // Die Stiege bis zu Ende; · zornig war ſein Muth. // Da kam dem Degen Iring · ſeine Stärke nicht zu gut. // Sie ſchlugen durch die Schilde, · daß es zu lohn begann // Mit feuerrothem Winde. · Hawarts Unterthan // Ward von Hagens Schwerte · da gefährlich wund // Durch Helm und durch Schildrand; · er ward nicht wieder geſund. // Als Iring der Degen · der Wunde ſich beſann, // Den Schild rückte näher · dem Helm der kühne Mann. // Ihn dauchte voll der Schaden, · der ihm war geſchehn; // Bald that ihm aber größern · der in König Gunthers Lehn. // Hagen vor ſeinen Füßen · einen Wurfſpieß liegen fand: // Auf Iringen ſchoß er · den von Dänenland, // Daß man ihm aus dem Haupte · die Stange ragen ſah. // Ein grimmes Ende ward ihm · von dem Uebermüthgen da. // Iring muſt entweichen · zu ſeinen Dänen hin. // Eh man den Helm dem Degen · mochte niederziehn, // Brach man den Sper vom Haupte, · da naht' ihm der Tod. // Das beweinten ſeine Freunde: · es zwang ſie wahrhafte Noth. // Da kam die Königstochter · auch zu ihm heran: // Iring den ſtarken · hub ſie zu klagen an. // Sie beweinte ſeine Wunden: · es war ihr grimmig leid. // Da ſprach vor ſeinen Freunden · dieſer Recke kühn im Streit: // „Laßt eure Klage bleiben, · viel hehre Königin. // Was hilft euer Weinen? · Mein Leben muß dahin // Schwinden aus den Wunden, · die an mir offen ſtehn. // Der Tod will mich nicht länger · euch und Etzeln dienen ſehn.“ // Zu Thüringern und Dänen · ſprach er hingewandt: // „Die Gaben, ſo die Königin · euch beut, ſoll eure Hand // Nicht zu erwerben trachten, · ihr lichtes Gold ſo roth // Und beſteht ihr Hagen, · ſo müßt ihr ſchauen den Tod.“ // Seine Farbe war erblichen, · des Todes Zeichen trug // Iring der kühne; · ihnen war es leid genug. // Es konnte nicht geſunden · der Held in Hawarts Lehn: // Da muſt es an ein Streiten · von den Dänenhelden gehn. // Irnfried und Hawart · ſprangen vor das Haus // Wohl mit tauſend Helden: · einen ungeſtümen Braus // Vernahm man allenthalben, · kräftig und groß. // Hei! was man ſcharfer Spere · auf die Burgunden ſchoß! // Irnfried der kühne · lief den Spielmann an, // Wodurch er großen Schaden · von ſeiner Hand gewann. // Der edle Fiedelſpieler · den Landgrafen ſchlug // Durch den Helm den feſten: · wohl war er grimmig genug. // Da ſchlug dem grimmen Spielmann · Irnfried einen Schlag, // Daß er den Ringpanzer · dem Helden zerbrach // Und ſich ſein Harniſch färbte · von Funken feuerroth. // Dennoch fiel der Landgraf · vor dem Spielmann in den Tod. // Zuſammen waren Hagen · und Hawart gekommen. // Da mochte Wunder ſchauen, · wer es wahrgenommen. // Die Schwerter fielen kräftig · den Helden an der Hand: // Da muſte Hawart ſterben · vor dem aus Burgundenland. // Die Thüringer und Dänen · ſahn ihre Herren todt. // Da hub ſich vor dem Hauſe · noch grimmere Noth, // Eh ſie die Thür gewannen · mit kraftreicher Hand. // Da ward noch verhauen · mancher Helm und Schildesrand. // „Weichet,“ ſprach da Volker, · „laßt ſie zum Saal herein: // Was ſie im Sinne haben, · kann dennoch nicht ſein. // Sie müßen bald erſterben · allzumal darin: // Sie ernten mit dem Tode, · was ihnen beut die Königin,“ // Als die Uebermüthigen · drangen in den Saal, // Das Haupt ward da Manchem · ſo geneigt zu Thal, // Daß er erſterben muſte · vor ihren ſchnellen Schlägen. // Wohl ſtritt der kühne Gernot; · ſo that auch Geiſelher der Degen. // Tauſend und viere · die kamen in das Haus: // Da hörte man erklingen · den hellen Schwerterſaus. // Sie wurden von den Gäſten · alle drin erſchlagen: // Man mochte große Wunder · von den Burgunden ſagen. // Darnach ward eine Stille, · als der Lärm verſcholl. // Das Blut allenthalben · durch die Lücken quoll // Und zu den Riegelſteinen · von den todten Degen: // Das hatten die vom Rheine · gethan mit kräftigen Schlägen. // Da ſaßen wieder rufend · die aus Burgundenland, // Sie legten mit den Schilden · die Waffen aus der Hand. // Da ſtand noch vor dem Hauſe · der kühne Spielmann, // Erwartend, ob noch Jemand · zum Streite zöge heran. // Der König klagte heftig, · dazu die Königin; // Mägdelein und Frauen · härmten ſich den Sinn. // Der Tod, wähn ich, hatte · ſich wider ſie verſchworen: // Drum giengen durch die Gäſte · noch viele der Recken verloren. // 36. Sechsunddreißigſtes Abenteuer. // Wie die Königin den Saal verbrennen ließ. „Nun bindet ab die Helme,“ · ſprach Hagen der Degen: // „Ich und mein Geſelle · wollen euer pflegen. // Und verſuchten es noch einmal · Die Etzeln unterthan, // So warn ich meine Herren, · ſo geſchwind ich immer kann.“ // Da band den Helm vom Haupte · mancher Ritter gut. // Sie ſetzten auf die Leichen · ſich nieder, die ins Blut // Waren zum Tode · von ihrer Hand gekommen. // Da ward der edeln Gäſte · mit Erbittrung wahrgenommen. // Noch vor dem Abend · ſchuf der König hehr // Und Kriemhild die Königin, · daß es der Heunen mehr // Noch verſuchen muſten; · man ſah vor ihnen ſtehn // Wohl an zwanzigtauſend: · die muſten da zum Kampfe gehn. // Da drang zu den Gäſten · ein harter Sturm heran. // Dankwart, Hagens Bruder, · der kraftvolle Mann, // Sprang von ſeinen Herren · zu den Feinden vor das Thor. // Sie verſahn ſich ſeines Todes; · doch ſah man heil ihn davor. // Das harte Streiten währte, · bis es die Nacht benahm. // Da wehrten ſich die Gäſte · wie Helden lobeſam // Wider Etzels Recken · den ſommerlangen Tag. // Hei! was guter Helden · im Tod vor ihnen erlag! // Zu einer Sonnenwende · der große Mord geſchah: // Ihres Herzens Jammer · rächte Kriemhild da // An ihren nächſten Freunden · und manchem andern Mann, // Wodurch der König Etzel · nie wieder Freude gewann. // Sie hatte nicht geſonnen auf ſolche Mörderſchlacht. // Als ſie den Streit begonnen, · hatte ſie gedacht, // Hagen ſollt alleine · dabei ſein Ende ſehn. // Da ſchuf der böſe Teufel, · über Alle muſt es ergehn. // Der Tag war zerronnen; · ihnen ſchuf nun Sorge Noth. // Sie gedachten, wie doch beßer · war ein kurzer Tod, // Als ſich ſo lang zu quälen · in ungefügem Leid. // Da wünſchten einen Frieden · die großen Ritter allbereit. // Sie baten, daß man brächte · den König vor den Saal. // Die blutrothen Helden, · geſchwärzt vom roſtgen Stahl, // Traten aus dem Hauſe · und die drei Könge hehr. // Sie wuſten nicht, wem klagen · ihres großen Leids Beſchwer. // Etzel und Kriemhild · kamen beide her; // Das Land war ihnen eigen, · drum mehrte ſich ihr Heer. // Er ſprach zu den Gäſten: · „Sagt, was begehrt ihr mein? // Wollt ihr Frieden haben? · das könnte nun ſchwerlich ſein // „Nach ſo großem Schaden, · als ihr mir habt gethan. // Es kommt euch nicht zu Statten, · ſo lang ich athmen kann: // Mein Kind, das ihr erſchluget, · und viel der Freunde mein, // Fried und Sühne ſoll euch · ſtäts dafür geweigert ſein.“ // Antwort gab ihm Gunther: · „Uns zwang wohl große Noth. // All mein Geſinde lag · vor deinen Helden todt // In der Herberge: · verdient ich ſolchen Sold? // Ich kam zu dir auf Treue · und wähnte, du warſt mir hold.“ // Da ſprach von Burgunden · Geiſelher das Kind: // „Ihr Helden König Etzels, · die noch am Leben ſind, // Wes zeiht ihr mich, ihr Degen? · was hatt ich euch gethan, // Der ich die Fahrt ſo gütlich · zu dieſem Lande begann?“ // Sie ſprachen: „Deiner Güte · iſt all die Burg hier voll // Mit Jammer gleich dem Lande; · wir gönnten dir es wohl, // Wärſt du nie gekommen · von Worms überrhein. // Das Land iſt gar verwaiſet · durch dich und die Brüder dein.“ // Da ſprach im Zornmuthe · Gunther der Held: // „Wünſcht ihr noch dieß Morden · im Frieden eingeſtellt // Mit uns Heimatloſen, · das iſt uns beiden gut; // Es iſt gar unverſchuldet, · was uns König Etzel thut.“ // Der Wirt ſprach zu den Gäſten: · „mein und euer Leid // Sind einander ungleich: · die große Noth im Streit, // Der Schaden und die Schande, · die ich von euch gewann, // Dafür ſoll euer Keiner · mir lebend kommen hindann.“ // Da ſprach zu dem König · der ſtarke Gernot: // „So ſoll euch Gott gebieten, · daß ihr die Lieb uns thut: // Weichet von dem Hauſe · und laßt uns zu euch gehn. // Wir wiſſen wohl, bald iſt es · um unſer Leben geſchehn. // „Was uns geſchehen könne, · das laßt ſchnell ergehn: // Ihr habt ſo viel Geſunde, · die dürfen uns beſtehn // Und geben uns vom Streite · Müden leicht den Tod: // Wie lange ſolln wir Recken · bleiben in ſo grimmer Noth?“ // Von König Etzels Reden · war es faſt geſchehn, // Daß ſie die Helden ließen · aus dem Saale gehn. // Als das Kriemhild hörte, · es war ihr grimmig leid. // Da war den Heimathloſen · mit Nichten Sühne bereit. // „Nein, edle Recken, · worauf euch ſinnt der Muth, // Ich will euch treulich raten, · daß ihr das nimmer thut, // Daß ihr die Mordgierigen · laßt vor den Saal; // Sonſt müßen eure Freunde · leiden tödtlichen Fall. // „Und lebten nur alleine, · die Utens Söhne' ſind, // Und kämen meine edeln · Brüder an den Wind. // Daß ſie die Panzer kühlten, · ihr alle wärt verloren: // Es wurden kühnre Degen · noch nie auf Erden geboren.“ // Da ſprach der junge Geiſelher: · „Viel ſchöne Schweſter mein, // Wie hätt ich dir das zugetraut, · daß du mich überrhein // Her zu Lande ladeteſt · in dieſe große Noth: // Wie möcht ich an den Heunen · hier verdienen den Tod? // „Ich hielt dir ſtäte Treue, · that nie ein Leid dir an: // Ich kam auch her zu Hilfe · geritten in dem Wahn, // Du wärſt mir gewogen, · viel liebe Schweſter mein, // Nun ſchenk uns deine Gnade, · da es anders nicht mag ſein.“ // „Ich ſchenk euch keine Gnade, · Ungnad ich ſelbſt gewann: // Mir hat von Tronje Hagen · ſo großes Leid gethan // Daheim, und hier zu Lande · erſchlug er mir mein Kind: // Das müßen ſchwer entgelten, · die mit euch hergekommen ſind.“ // Wollt ihr mir aber Hagen · allein zum Geiſel geben, // So will ichs nicht verweigern, · daß ich euch laße leben. // Denn meine Brüder ſeid ihr, · der gleichen Mutter Kind: // So red ich um die Sühne · mit den Helden, die hier ſind.“ // „Nicht woll es Gott vom Himmel,“ · ſprach da Gernot. // „Und waren unſer tauſend, · wir wollten alle todt // Vor deinen Freunden liegen · eh wir dir Einen Mann // Hier zu Geiſel gäben: · das wird nimmer gethan.“ // „Wir müſten doch erſterben,“ · ſprach da Geiſelher, // „So ſoll uns Niemand ſcheiden · von ritterlicher Wehr. // Wer gerne mit uns ſtritte, · wir ſind noch immer hie: // Verrieth ich meine Treue · an einem Freunde doch nie.“ // Da ſprach der kühne Dankwart, · es ziemt' ihm wohl zu ſagen: // „Noch ſteht nicht alleine · hier mein Bruder Hagen. // Die uns den Frieden weigern, · beklagen es noch ſchwer, // Des ſollt ihr inne werden, · ich ſags euch wahrlich vorher.“ // Da ſprach die Königstochter: · „Ihr Helden allbereit, // Nun geht der Stiege näher · und rächt unſer Leid. // Das will ich ſtäts verdienen, · wie ich billig ſoll: // Der Uebermuth Hagens, · deſſen lohn ich ihm wohl. // „Laßt keinen aus dem Hauſe · der Degen allzumal: // So laß ich an vier Enden · anzünden hier den Saal. // So wird noch wohl gerochen · all mein Herzeleid.“ // König Etzels Recken · ſah man bald dazu bereit. // Die noch draußen ſtanden, · die trieb man in den Saal // Mit Schlägen und mit Schüßen: · da gab es lauten Schall. // Doch wollten ſich nicht ſcheiden · die Fürſten und ihr Heer: // Sie ließen von der Treue · zu einander nicht mehr. // Den Saal in Brand zu ſtecken · gebot da Etzels Weib. // Da quälte man den Helden · mit Feuersglut den Leib. // Das Haus vom Wind ergriffen · gerieth in hohen Brand. // Nie wurde ſolcher Schrecken · noch einem Volksheer bekannt. // Da riefen Viele drinnen: · „O weh dieſer Noth! // Da möchten wir ja lieber · im Sturm liegen todt. // Das möge Gott erbarmen; · wie ſind wir all verlorn! // Wie grimmig rächt die Königin · an uns allen ihren Zorn!“ // Da ſprach darinnen Einer: · „Wir finden hier den Tod // Vor Rauch und vor Feuer: · wie grimm iſt dieſe Noth! // Mir thut vor ſtarker Hitze · der Durſt ſo ſchrecklich weh, // Ich fürchte, mein Leben · in dieſen Nöthen zergeh!“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Ihr edlen Ritter gut, // Wen der Durſt will zwingen, · der trinke hier das Blut. // Das iſt in ſolcher Hitze · beßer noch als Wein; // Es mag halt zu trinken · hier nichts Beßeres ſein.“ // Hin gieng der Recken Einer, · wo er einen Todten fand: // Er kniet' ihm zu der Wunde, · den Helm er niederband. // Da begann er zu trinken · das fließende Blut. // So wenig ers gewohnt war, · er fand es köſtlich und gut. // „Nun lohn euch Gott, Herr Hagen,“ · ſprach der müde Mann, // „Daß ich von eurer Lehre · ſo guten Trank gewann. // Man ſchenkte mir ſelten · noch einen beßern Wein. // So lang ich leben bleibe · will ich euch ſtäts gewogen ſein.“ // Als das die Andern hörten, · es däuchte ihn ſo gut, // Da fanden ſich noch Viele, · die tranken auch das Blut. // Davon kam zu Kräften · der guten Recken Leib: // Des entgalt an lieben Freunden · bald manches waidliche Weib. // Das Feuer fiel gewaltig · auf ſie in den Saal: // Sie wandten mit den Schilden · es von ſich ab im Fall. // Der Rauch und auch die Hitze · ſchmerzten ſie gar ſehr. // Alſo großer Jammer · geſchieht wohl Helden nimmer mehr. // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Stellt euch an die Wand; // Laßt nicht die Brände fallen · auf eurer Helme Band // Und tretet ſie mit Füßen · tiefer in das Blut. // Eine üble Hochzeit iſt es, · zu der die Königin uns lud.“ // Unter ſolchen Nöthen · zerrann zuletzt die Nacht. // Noch hielt vor dem Hauſe · der kühne Spielmann Wacht // Und Hagen ſein Geſelle, · gelehnt auf Schildesrand, // Noch größern Leids gewärtig · von Denen aus Etzels Land. // Daß der Saal gewölbt war, · half den Gäſten ſehr; // Dadurch blieben ihrer · am Leben deſto mehr, // Wiewohl ſie an den Fenſtern · von Feuer litten Noth. // Da wehrten ſich die Degen, · wie Muth und Ehre gebot. // Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Gehn wir in den Saal: // Da wähnen wohl die Heunen, · wir ſeien allzumal // Von der Qual erſtorben, · die ſie uns angethan: // Dann kommen doch noch Etliche · zum Streit mit ihnen heran.“ // Da ſprach von Burgunden · Geiſelher das Kind: // „Ich wähn, es wolle tagen, · ſich hebt ein kühler Wind. // Nun laß uns Gott vom Himmel · noch liebre Zeit erleben! // Eine arge Hochzeit hat uns · meine Schweſter Kriemhild gegeben.“ // Da ſprach wieder Einer: · „Ich ſpüre ſchon den Tag. // Wenn es denn uns Degen · nicht beßer werden mag, // So bereitet euch, ihr Recken, · zum Streit, das iſt uns Noth: // Da wir doch nicht entrinnen, · daß wir mit Ehren liegen todt.“ // Der König mochte wähnen, · die Gäſte wären todt // Von den Beſchwerden allen · und von des Feuers Noth, // Da lebten doch ſo Kühner · noch drin ſechshundert Mann, // Daß wohl nie ein König · beßre Degen gewann. // Der Heimathloſen Hüter · hatten wohl geſehn, // Daß noch die Gäſte lebten, · was ihnen auch geſchehn // Zu Schaden war und Leide, · den Herrn und ihrem Lehn. // Man ſah ſie in dem Hauſe · noch gar wohl geborgen gehn. // Man ſagte Kriemhilden, · noch Viele lebten drin. // „Wie wäre das möglich,“ · ſprach die Königin, // „Daß noch Einer lebte · nach ſolcher Feuersnoth? // Eher will ich glauben, · ſie fanden Alle den Tod.“ // Noch wünſchten zu entkommen · die Fürſten und ihr Lehn, // Wenn an ihnen Gnade · noch jemand ließ' ergehn. // Die konnten ſie nicht finden · in der Heunen Land: // Da rächten ſie ihr Sterben · mit gar williger Hand. // Schon früh am andern Morgen · man ihnen Grüße bot // Mit heftigem Angriff; · wohl ſchuf das Helden Noth. // Zu ihnen aufgeſchoßen · ward mancher ſcharfe Sper; // Doch fanden ſie darinnen · die kühnen Recken wohl zur Wehr. // Dem Heergeſinde Etzels · war erregt der Muth, // Daß ſie verdienen wollten · Frau Kriemhildens Gut // Und alles willig leiſten, · was der Fürſt gebot: // Da muſte bald noch Mancher · von ihnen ſchauen den Tod. // Von Verheißen und von Gaben · mochte man Wunder ſagen: // Sie ließ ihr Gold, das rothe, · auf Schilden vor ſich tragen; // Sie gab es Jedem willig, · Der es wollt empfahn. // Nie wurden wider Feinde · ſo große Schätze verthan. // Gewaffnet trat der Recken · eine große Macht zur Thür. // Da ſprach der Fiedelſpieler. · „Wir ſind noch immer hier: // So gern ſah ich Helden · zum Streiten nimmer kommen, // Als die das Gold des Königs · uns zu verderben genommen.“ // Da riefen ihrer Viele: · „Nur näher zu dem Streit! // Da wir doch fallen müßen, · ſo thun wirs gern bei Zeit. // Hier wird Niemand bleiben, · als wer doch ſterben ſoll.“ // Da ſtaken ihre Schilde · gleich von Sperſchüßen voll. // Was ſoll ich weiter ſagen? · Wohl zwölfhundert Degen // Verſuchtens auf und nieder · mit ſtarken Schwertesſchlägen. // Da kühlten an den Feinden · die Gäſte wohl den Muth. // Kein Friede war zu hoffen, · drum ſah man fließen das Blut // Aus tiefen Todeswunden: · Deren wurden viel geſchlagen. // Man hörte nach den Freunden · Jeglichen klagen. // Die Biedern ſtarben alle · dem reichen König hehr: // Da hatten liebe Freunde · nach ihnen Leid und Beſchwer. // 37. Siebenunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Rüdiger erſchlagen ward. Die Heimathloſen hatten · am Morgen viel gethan. // Der Gemahl Gotlindens · kam zu Hof heran // Und ſah auf beiden Seiten · des großen Leids Beſchwer: // Darüber weinte inniglich · der getreue Rüdiger. // „O weh, daß ich das Leben,“ · ſprach der Held, „gewann // Und dieſem großen Jammer · nun Niemand wehren kann. // So gern ich Frieden ſchüfe, · der König gehts nicht ein, // Da ihm das Unheil ſtärker, · immer ſtärker bricht herein.“ // Zu Dietrichen ſandte · der gute Rüdiger, // Ob ſie's noch könnten wenden · von den Köngen hehr? // Da entbot ihm Der von Berne: · „Wer möcht ihm widerſtehn? // Es will der König Etzel · keine Sühne mehr ſehn.“ // Da ſah ein Heunenrecke · Rüdigern da ſtehn // Mit weinenden Augen, · wie er ihn oft geſehn. // Er ſprach zu der Königin: · „Nun ſeht, wie er da ſteht // Den ihr und König Etzel · vor allen Andern habt erhöht // „Und dem doch alles dienet, · die Leute wie das Land. // Wie ſind ſo viel der Burgen · an Rüdigern gewandt, // Deren er ſo manche · von dem König haben mag! // Er ſchlug in dieſen Stürmen · noch keinen löblichen Schlag. // „Mich dünkt, ihn kümmert wenig, · was hier mit uns geſchieht, // Wenn er nach ſeinem Willen · bei ſich die Fülle ſieht. // Man rühmt, er wäre kühner, · als Jemand möge ſein: // Das hat uns ſchlecht bewieſen · in dieſer Noth der Augenſchein.“ // Mit traurigem Muthe · der vielgetreue Mann, // Den er ſo reden hörte, · den Heunen ſah, er an. // Er dachte: „Das entgiltſt du; · du ſagſt, ich ſei verzagt: // Da haſt du deine Mären · zu laut bei Hofe geſagt.“ // Er zwang die Fauſt zuſammen: · da lief er ihn an // Und ſchlug mit ſolchen Kräften · den Heuniſchen Mann, // Daß er ihm vor die Füße · niederſtürzte todt. // Da war gemehrt aufs Neue · dem König Etzel die Noth. // „Fahr hin, verzagter Böſewicht,“ · ſprach da Rüdiger, // „Ich hatte doch des Leides · genug und der Beſchwer. // Daß ich hier nicht fechte, · was rügſt du mir das? // Wohl trüg auch ich den Gäſten · mit Grunde feindlichen Haſs, // „Und alles, was ich könnte, · thät ich ihnen an, // Hätt ich nicht hieher geführt · Die Gunthern unterthan. // Ich war ihr Geleite · in meines Herren Land: // Drum darf ſie nicht beſtreiten · meine unſelge Hand.“ // Da ſprach zum Markgrafen · Etzel der König hehr: // „Wie habt ihr uns geholfen, · viel edler Rüdiger! // Wir hatten doch der Todten · ſo viel in dieſem Land, // Daß wir nicht mehr bedurften: mit Unrecht ſchlug ihn eure Hand.“ // Da ſprach der edle Ritter: · „Er beſchwerte mir den Muth // Und hat mir beſcholten · die Ehre wie das Gut, // Des ich aus deinen Händen · ſo große Gaben nahm, // Was nun dem Lügenbolde · übel auch zu Statten kam.“ // Da kam die Königstochter, · die hatt es auch geſehn, // Was von des Helden Zorne · dem Heunen war geſchehn. // Sie beklagt' es ungefüge, · ihre Augen wurden naß. // Sie ſprach zu Rüdigern: · Wie verdienten wir das, // „Daß ihr mir und dem König · noch mehrt unſer Leid? // Ihr habt uns, edler Rüdiger, · verheißen allezeit, // Ihr wolltet für uns wagen · die Ehre wie das Leben; // Auch hört ich viel der Recken · den Preis des Muthes euch geben.“ // „Ich mahn euch nun der Treue, · die mir ſchwur eure Hand, // Da ihr mir zu Etzeln riethet, · Ritter auserkannt, // Daß ihr mir dienen wolltet · bis an unſern Tod. // Des war mir armen Weibe · noch niemals ſo bitter Noth.“ // „Das kann ich nicht läugnen, · ich ſchwur euch, Königin, // Die Ehre wie das Leben · gäb ich für euch dahin: // Die Seele zu verlieren · hab ich nicht geſchworen. // Zu dieſem Hofgelage · bracht ich die Fürſten wohlgeboren.“ // Sie ſprach: „Gedenke, Rüdiger, · der hohen Eide dein // Von deiner ſtäten Treue, · wie du den Schaden mein // Immer wollteſt rächen · und wenden all mein Leid.“ // Der Markgraf entgegnete: „Ich war euch ſtäts zu Dienſt bereit.“ // Etzel der reiche · hub auch zu flehen an. // Da warfen ſie ſich beide · zu Füßen vor den Mann. // Den guten Markgrafen · man da in Kummer ſah; // Der vielgetreue Recke · jammervoll begann er da: // „O weh mir Unſelgem, · muß ich den Tag erleben! // Aller meiner Ehren · ſoll ich mich nun begeben, // Aller Zucht und Treue, · die Gott mir gebot; // O weh, Herr des Himmels, · daß mirs nicht wenden will der Tod! // „Welches ich nun laße, · das Andre zu begehn, // So iſt doch immer übel · und arg von mir geſchehn. // Was ich thu und laße, · ſo ſchilt mich alle Welt. // Nun möge mich erleuchten, · der mich dem Leben geſellt!“ // Da baten ihn ſo dringend · der König und ſein Weib, // Daß bald viel Degen muſten · Leben und Leib // Von Rüdgers Hand verlieren · und ſelbſt Der Held erſtarb. // Nun mögt ihr bald vernehmen, · welchen Jammer er erwarb. // Er wuſte wohl nur Schaden · und Leid ſei ſein Gewinn. // Er hätt es auch dem König · und der Königin // Gern verſagen wollen: · der Held beſorgte ſehr, // Erſchlug er ihrer Einen, · daß er der Welt ein Greuel wär. // Da ſprach zu dem Könige · dieſer kühne Mann: // „Herr Etzel, nehmt zurücke, · was ich von euch gewann, // Das Land mit den Burgen; · bei mir ſoll nichts beſtehn: // Ich will auf meinen Füßen · hinaus in das Elend gehn. // „Alles Gutes ledig · räum ich euer Land, // Mein Weib und meine Tochter · nehm ich an die Hand, // Eh ich ſo ohne Treue · entgegen geh dem Tod: // Das hieß' auf üble Weiſe · verdienen euer Gold ſo roth.“ // Da ſprach der König Etzel: · „Wer aber hülfe mir? // Mein Land mit den Leuten, · das alles geb ich dir, // Daß du mich rächeſt, Rüdiger, · an den Feinden mein: // Du ſollſt neben Etzeln · ein gewaltger König ſein.“ // Da ſprach wieder Rüdiger: · „Wie dürft ich ihnen ſchaden? // Heim zu meinem Hauſe · hab ich ſie geladen; // Trinken und Speiſe · ich ihnen gütlich bot, // Dazu meine Gabe; · und ſoll ich ſie nun ſchlagen todt? // „Die Leute mögen wähnen, · ich ſei zu verzagt. // Keiner meiner Dienſte · war ihnen je verſagt: // Sollt ich ſie nun bekämpfen, · das wär nicht wohl gethan. // So reute mich die Freundſchaft, · die ich an ihnen gewann. // „Geiſelher dem Degen · gab ich die Tochter mein: // Sie konnt auf Erden nimmer · beßer verwendet ſein, // Seh ich auf Zucht und Ehre, · auf Treu oder Gut. // Nie ein ſo junger König · trug wohl tugendreichern Muth.“ // Da ſprach wieder Kriemhild: · „Viel edler Rüdiger, // Nun laß dich erbarmen · unſres Leids Beſchwer, // Mein und auch des Königs; · gedenke wohl daran, // Daß nie ein Wirth auf Erden · ſo leide Gäſte gewann.“ // Da begann der Markgraf · zu der Köngin hehr: // „Heut muß mit dem Leben · entgelten Rüdiger, // Was ihr und der König · mir Liebes habt gethan: // Dafür muß ich ſterben, · es ſteht nicht länger mehr an. // „Ich weiß, daß noch heute · meine Burgen und mein Land // Euch ledig werden müßen · von dieſer Helden Hand. // So befehl ich euch auf Gnade · mein Weib und mein Kind // Und all die Heimathloſen, · die da zu Bechlaren find.“ // „Nun lohne Gott dir, Rüdiger!“ · der König ſprach da ſo; // Er und die Königin, · ſie wurden beide froh. // „Uns ſeien wohlbefohlen · alle Leute dein; // Auch trau ich meinem Heile, · du ſelber werdeſt glücklich ſein.“ // Da ſetzt' er auf die Wage · die Seele wie den Leib. // Da begann zu weinen · König Etzels Weib. // Er ſprach: „Ich muß euch halten · den Eid, den ich gethan. // O weh meiner Freunde! · wie ungern greif ich ſie an.“ // Man ſah ihn von dem König · hinweggehn trauriglich. // Da fand er ſeine Recken · nahe ſtehn bei ſich: // Er ſprach: „Ihr ſollt euch waffnen, · ihr All in meinem Lehn: // Die kühnen Burgunden · muß ich nun leider beſtehn.“ // Nach den Gewaffen riefen · die Helden allzuhand, // Ob es Helm wäre · oder Schildesrand, // Von dem Ingeſinde · ward es herbeigetragen. // Bald hörten leide Märe · die ſtolzen Fremdlinge ſagen. // Gewaffnet ward da Rüdiger · mit fünfhundert Mann; // Darüber zwölf Recken · zu Hülf er ſich gewann. // Sie wollten Preis erwerben · in des Sturmes Noth: // Sie wuſten nicht die Märe, · wie ihnen nahe der Tod. // Da ſah man unterm Helme · den Markgrafen gehn. // Scharfe Schwerter trugen · Die in Rüdgers Lehn, // Dazu vor den Händen · die lichten Schilde breit. // ſah der Fiedelſpieler: · dem war es ohne Maßen leid. // Da ſah der junge Geiſelher · ſeinen Schwäher gehn // Mit aufgebundnem Helme. · Wie mocht er da verſtehn, // Wie er damit es meine, · es ſei denn treu und gut? // Da gewann der edle König · von Herzen fröhlichen Muth. // „Nun wohl mir ſolcher Freunde,“ · ſprach da Geiſelher, // „Wie wir gewonnen haben · auf der Fahrt hieher. // Meines Weibes willen · iſt uns Hülfe nah: // Lieb iſt mir, meiner Treue, · daß dieſe Heirath geſchah.“ // „Wes ihr euch wohl tröſtet“ · ſprach der Fiedelmann: // „Wann ſaht ihr noch zur Sühne · ſo viel der Helden nahn // Mit aufgebundnen Helmen, · die Schwerter in der Hand? // Er will an uns verdienen · ſeine Burgen und ſein Land.“ // Eh der Fiedelſpieler · die Rede ſprach vollaus, // Den edeln Markgrafen · ſah man ſchon vor dem Haus. // Seinen Schild den guten · ſetzt' er vor den Fuß: // Da muſt er ſeinen Freunden · verſagen dienſtlichen Gruß. // Rüdiger der edle · rief da in den Saal: // „Ihr Kühnen Nibelungen, · nun wehrt euch allzumal. // Ihr ſolltet mein genießen, · ihr entgeltet mein: // Wir waren ehmals Freunde: · der Treue will ich ledig ſein.“ // Da erſchraken dieſer Märe · die Nothbedrängten Schwer. // Ihnen war der Troſt entſunken, · den ſie gewähnt vorher, // Da ſie beſtreiten wollte, · dem Jeder Liebe trug. // Sie hatten von den Feinden · ſchon Leid erfahren genug. // „Das verhüte Gott vom Himmel!“ · ſprach Gunther der Degen, // „Daß ihr eurer Freundſchaft, trätet ſo entgegen // Und der großen Treue, · darauf uns ſann der Muth: // Ich will euch wohl vertrauen, · daß ihr das nimmermehr tuth. // „Es iſt nicht mehr zu wenden,“ · ſprach der kühne Mann: // „Ich muß mit euch ſtreiten, · wie ich den Schwur gethan. // Nun wehrt euch, kühne Degen, · wenn euch das Leben werth, // Da mir die Königstochter · nicht andre Willkür gewährt.“ // „Ihr widerſagt uns nun zu ſpät,“ · ſprach der König hehr. // „Nun mög euch Gott vergelten, · viel edler Rüdiger, // Die Treu und die Liebe, · die ihr uns habt gethan, // Wenn ihr bis ans Ende · auch halten wolltet daran. // „Wir wollen ſtäts euch danken, · was ihr uns habt gegeben, // Ich und meine Freunde, · laßet ihr uns leben, // Der herrlichen Gaben, · als ihr uns brachtet her // In Etzels Land mit Treue: · des gedenket, edler Rüdiger.“ // „Wie gern ich euch das gönnte,“ · ſprach Rüdiger der Degen, // „Daß ich euch meiner Gabe · die Fülle dürfte wägen // Nach meinem Wohlgefallen; · wie gerne that ich das, // So es mir nicht erwürbe · der edeln Königin Haß!“ // „Laßt ab, edler Rüdiger,“ · ſprach wieder Gernot, // „Nie ward ein Wirth gefunden, · der es den Gäſten bot // So freundlich und ſo gütlich, · als uns von euch geſchehn. // Des ſollt ihr auch genießen, · ſo wir lebendig entgehn.“ // „Das wollte Gott,“ ſprach Rüdiger, · „viel edler Gernot, // „Daß ihr am Rheine wäret, · und ich wäre todt. // So rettet' ich die Ehre, · da ich euch ſoll beſtehn! // Es iſt noch nie an Degen · von Freunden übler geſchehn.“ // „Nun lohn euch Gott, Herr Rüdiger,“ · ſprach wieder Gernot, // „Eurer reichen Gabe. · Mich jammert euer Tod, // Soll an euch verderben · ſo tugendlicher Muth. // Hier trag ich eure Waffe, · die ihr mir gabet, Degen gut. // „Sie hat mir noch nie verſagt · in all dieſer Noth: // Es fiel vor ihrer Schärfe · mancher Ritter todt. // Sie iſt ſtark und lauter, · herrlich und gut: // Gewiſs, ſo reiche Gabe · kein Recke je wieder thut. // „Und wollt ihr es nicht meiden · und wollt ihr uns beſtehn, // Erſchlagt ihr mir die Freunde, · die hier noch bei mir ſtehn, // Mit euerm Schwerte nehm ich · Leben euch und Leib. // So reut ihr mich, Rüdiger, · und euer herrliches Weib.“ // „Das wolle Gott, Herr Gernot, · und möcht es geſchehn, // Daß hier nach euerm Willen · Alles könnt ergehn // Und euern Freunden bleiben · Leben möcht und Leib, // Euch ſollten wohl vertrauen · meine Tochter und mein Weib.“ // Da ſprach von Burgunden · der ſchönen Ute Kind: // „Wie thut ihr ſo, Herr Rüdiger? · Die mit mir kommen ſind, // Die ſind euch all gewogen; · ihr greift übel zu: // Eure ſchöne Tochter · wollt ihr verwitwen allzufruh. // „Wenn ihr und eure Recken · mich wollt im Streit beſtehn, // Wie wär das unfreundlich, · wie wenig ließ' es ſehn, // Daß ich euch vertraute · vor jedem andern Mann, // Als ich eure Tochter · mir zum Weibe gewann.“ // „Gedenkt eurer Treue,“ · ſprach da Rüdiger. // Und ſchickt euch Gott von hinnen, · viel edler König hehr, // „So laßt es nicht entgelten · die liebe Tochter mein: // Bei aller Fürſten Tugend · geruht ihr gnädig zu ſein.“ // „So ſollt ichs billig halten,“ · ſprach Geiſelher das Kind; // „Doch meine hohen Freunde, · die noch im Saal hier ſind, // Wenn die von euch erſterben, · ſo muß geſchieden ſein // Dieſe ſtäte Freundſchaft · zu dir und der Tochter dein.“ // „Nun möge Gott uns gnaden,“ · ſprach der kühne Mann. // Da hoben ſie die Schilde · und wollten nun hinan // Zu ſtreiten mit den Gäſten · in Kriemhildens Saal. // Laut rief da Hagen · von der Stiege her zu Thal: // „Verzieht noch eine Weile, · viel edler Rüdiger,“ // Alſo ſprach da Hagen: · „wir reden erſt noch mehr, // Ich und meine Herren, · wie uns zwingt die Noth. // Was hilft es Etzeln, finden · wir in der Fremde den Tod? // „Ich ſteh in großen Sorgen,“ · ſprach wieder Hagen, // „Der Schild, den Frau Gotlind · mir gab zu tragen, // Den haben mir die Heunen · zerhauen vor der Hand; // Ich bracht ihn doch in Treuen · her in König Etzels Land. // „Daß es Gott vom Himmel · vergönnen wollte, // Daß ich ſo guten Schildrand · noch tragen ſollte, // Als du haſt vor den Händen, · viel edler Rüdiger: // So bedürft ich in dem Sturme · keiner Halsberge mehr.“ // „Wie gern wollt ich dir dienen · mit meinem Schilde, // Dürft ich dir ihn bieten · vor Kriemhilde. // Doch nimm ihn hin, Hagen, · und trag ihn an der Hand: // Hei! dürfteſt du ihn führen · heim in der Burgunden Land!“ // Als er den Schild ſo willig · zu geben ſich erbot, // Die Augen wurden Vielen · von heißen Thränen roth. // Es war Die letzte Gabe: · es dürft hinfort nicht mehr // Einem Degen Gabe bieten · von Bechlaren Rüdiger. // Wie grimmig auch Hagen, · wie hart auch war ſein Muth, // Ihn erbarmte doch die Gabe, · die der Degen gut // So nah ſeinem Ende · noch hatt an ihn gethan. // Mancher edle Ritter · mit ihm zu trauern begann. // „Nun lohn euch Gott im Himmel, · viel edler Rüdiger. // Es wird eures Gleichen · auf Erden nimmermehr, // Der heimathloſen Degen · ſo milde Gabe gebe. // So möge Gott gebieten, · daß eure Milde immer lebe.“ // „O weh mir dieſer Märe,“ · ſprach wieder Hagen. // „Wir hatten Herzensſchwere · ſchon ſo viel zu tragen: // Das müße Gott erbarmen, · gilts uns mit Freunden Streit!“ // Da ſprach der Markgraf wieder: · „Das iſt mir inniglich leid.“ // „Nun lohn ich euch die Gabe, · viel edler Rüdiger: // Was euch auch widerfahre · von dieſen Recken hehr, // Es ſoll euch nicht berühren · im Streit meine Hand, // Ob ihr ſie all erſchlüget · Die von der Burgunden Land.“ // Da neigte ſich ihm dankend · der gute Rüdiger. // Die Leute weinten alle: · Daß nicht zu wenden mehr // Dieſer Herzensjammer, · das war zu große Noth. // Der Vater aller Tugend · fand an Rüdiger den Tod. // Da ſprach von der Stiege · Volker der Fiedelmann: // „Da mein Geſelle Hagen · euch trug den Frieden an, // So biet ich auch ſo ſtäten · euch von meiner Hand. // Das habt ihr wohl verdient an uns, · da wir kamen in das Land. // „Viel edler Markgraf, · mein Bote werdet hier: // Dieſe rothen Spangen · gab Frau Gotlinde mir, // Daß ich ſie tragen ſollte · bei dieſer Luſtbarkeit: // Ich thu es, ſchauet ſelber, · daß ihr des mein Zeuge ſeid.“ // „Wollt es Gott vom Himmel,“ · ſprach da Rüdiger, // „Daß euch die Markgräfin · noch geben dürfte mehr. // Die Märe ſag ich gerne · der lieben Trauten mein, // Seh ich geſund ſie wieder: · Des ſollt ihr außer Zweifel ſein.“ // Nach dieſem Angeloben · Den Schild hob Rüdiger, // Sein Muth begann zu toben: · nicht länger ſäumt' er mehr. // Auf lief er zu den Gäſten · wohl einem Recken gleich. // Viel kraftvolle Schläge · ſchlug da dieſer Markgraf reich. // Volker und Hagen · traten beiſeit, // Wie ihm verheißen hatten · die Degen allbereit. // Noch traf er bei den Thüren · ſo manchen Kühnen an, // Daß Rüdiger die Feindſchaft · mit großen Sorgen begann. // Aus Mordbegierde ließen · ihn ins Haus hinein // Gernot und Gunther; · das mochten Helden ſein. // Zurück wich da Geiſelher: · fürwahr, es war ihm leid; // Er verſah ſich noch des Lebens, · drum mied er Rüdigern im Streit. // Da ſprangen zu den Feinden · Die in Rüdgers Lehn. // Hinter ihrem Herren · ſah man ſie kühnlich gehn. // Schneidende Waffen · trugen ſie an der Hand: // Da zerbrachen viel der Helme · und mancher herrliche Rand. // Da ſchlugen auch die Müden · noch manchen ſchnellen Schlag // Auf die von Bechlaren, · der tief und eben brach // Durch die feſten Panzer · und drang bis auf das Blut. // Sie frommten in dem Sturme · viel Wunder herrlich und gut. // Das edle Heergeſinde · war alle nun im Saal. // Volker und Hagen · die ſprangen hin zumal: // Sie gaben Niemand Frieden · als dem Einen Mann. // Das Blut von ihren Hieben · von den Helmen niederrann. // Wie da der Schwerter Toſen · ſo grimmig erklang, // Daß unter ihren Schlägen · das Schildgeſpänge ſprang! // Die Schildſteine rieſelten · getroffen in das Blut. // Da fochten ſie ſo grimmig, · wie man es nie wieder thut. // Der Vogt von Bechlaren · ſchuf hin und her ſich Bahn, // Wie Einer der mit Ungeſtüm · im Sturme werben kann. // Des Tages ward an Rüdiger · herrlich offenbar, // Daß er ein Recke wäre, · kühn und ohne Tadel gar. // Hier ſtanden dieſe Recken, · Gunther und Gernot, // Sie ſchlugen in dem Streite · viel der Helden todt. // Geiſelhern und Dankwart · am Heile wenig lag: // Da brachten ſie noch Manchen · hin zu ſeinem jüngſten Tag. // Wohl erwies auch Rüdiger, · daß er ſtark war genug, // Kühn und wohl gewaffnet: · hei, was er Helden ſchlug! // Das ſah ein Burgunde, · da ſchuf der Zorn ihm Noth: // Davon begann zu nahen · des edeln Rüdiger Tod. // Gernot der ſtarke · rief den Helden an. // Er ſprach zum Markgrafen: · „Ihr wollt mir keinen Mann // Der Meinen leben laßen, · viel edler Rüdiger. // Das ſchmerzt mich ohne Maßen: · ich ertrag es nicht länger mehr. // „Nun mag euch eure Gabe wohl · zu Unſtatten kommen, // Da ihr mir der Freunde · habt ſo viel genommen. // Nun bietet mir die Stirne, · ihr edler kühner Mann: // So verdien ich eure Gabe, · ſo gut ich immer nur kann.“ // Bevor da der Markgraf · zu ihm gedrungen war. // Ward noch getrübt vom Blute · manch lichter Harniſch klar. // Da liefen ſich einander · die Ehrbegiergen an: // jedweder ſich zu ſchirmen · vor ſtarken Wunden begann. // Doch ſchnitten ihre Schwerter, · es ſchützte nichts dagegen. // Da ſchlug den König Gernot · Rüdiger der Degen // Durch den ſteinharten Helm, · daß niederfloß das Blut: // Das vergalt alsbald ihm · dieſer Ritter kühn und gut. // Hoch ſchwang er Rüdgers Gabe, · die in der Hand ihm lag; // Wie wund er war zum Tode, · er ſchlug ihm einen Schlag // Auf des Helmes Bänder · und durch den feſten Schild, // Davon erſterben muſte · der gute Rüdiger mild. // So reicher Gabe übler · gelohnt ward nimmermehr. // Da fielen beid erſchlagen, · Gernot und Rüdiger, // Im Sturm gleichermaßen · von beider Kämpfer Hand. // Da erſt ergrimmte Hagen, · als er den großen Schaden fand. // Da ſprach der Held von Tronje: · „Es iſt uns ſchlimm bekommen. // So großen Schaden haben wir · an den Zwein genommen, // Daß wir ihn nie verwinden, · ihr Volk noch ihr Land. // Uns Heimathloſen bleiben · nun Rüdgers Helden zu Pfand.“ // Da wollte Keiner weiter · dem Andern was vertragen: // Mancher ward darnieder · unverletzt geſchlagen, // Der wohl noch wär geneſen: · ob ihm war ſolcher Drang, // Wie heil er ſonſt geweſen, · daß er im Blute doch ertrank. // „Weh mir um den Bruder! · der fiel hier in den Tod. // Was mir zu allen Stunden · für leide Märe droht! // Auch muß mich immer reuen · mein Schwäher Rüdiger: // Der Schad iſt beidenthalben · und großen Jammers Beſchwer.“ // Als der junge Geiſelher · ſah ſeinen Bruder todt, // Die noch im Saale waren, · die muſten leiden Noth. // Der Tod ſuchte eifrig, · wo ſein Geſinde wär: // Deren von Bechelaren · entgieng kein Einziger mehr. // Gunther und Hagen · und auch Geiſelher, // Dankwart und Volker, · die guten Degen hehr, // Die giengen zu der Stelle, · wo man ſie liegen fand: // Wie jämmerlich da weinten · dieſe Helden auserkannt! // „Der Tod beraubt uns übel,“ · ſprach Geiſelher das Kind. // „Nun laßt euer Weinen · und gehn wir an den Wind, // Daß ſich die Panzer kühlen · uns ſtreitmüden Degen: // Es will nicht Gott vom Himmel, · daß wir länger leben mögen.“ // Den ſitzen, den ſich lehnen · ſah man manchen Mann. // Sie waren wieder müßig. · Die Rüdgern unterthan // Waren all erlegen; · verhaßt war das Getos. // So lange blieb es ſtille, · daß es Etzeln verdroß. // „O weh dieſes Leides!“ · ſprach die Königin. // „Sie ſprechen allzulange; · unſre Feinde drin // Mögen wohl heil verbleiben · vor Rüdigers Hand: // Er will ſie wiederbringen · heim in der Burgunden Land. // „Was hilfts, König Etzel, · daß wir an ihn vertan, // Was er nur begehrte? · Er that nicht wohl daran: // Der uns rächen ſollte, · der will der Sühne pflegen.“ // Da gab ihr Volker Antwort, · dieſer zierliche Degen: // „Dem iſt nicht alſo leider, · viel edel Königsweib. // Und dürft ich Lügen ſtrafen · ein ſo hehres Weib, // So hättet ihr recht teufliſch · Rüdigern verlogen. // Er und ſeine Degen · ſind um die Sühne gar betrogen. // „So williglich vollbracht er, · was ihm ſein Herr gebot, // Daß er und ſein Geſinde · hier fielen in den Tod. // Nun ſeht euch um, Frau Kriemhild, · wem ihr gebieten wollt: // Euch war bis an ſein Ende · Rüdiger getreu und hold. // „Wollt ihr mir nicht glauben, · ſo ſchaut es ſelber an.“ // Zu ihrem Herzeleide · ward es da gethan: // Man trug ihn hin erſchlagen, · wo ihn der König ſah. // König Etzels Mannen · wohl nimmer leider geſchah. // Da ſie den Markgrafen · todt ſahn vor ſich tragen, // Da vermöcht euch kein Schreiber · zu ſchildern noch zu ſagen // Die ungebärdge Klage · ſo von Weib als Mann, // Die ſich aus Herzensjammer · da zu erzeigen begann. // König Etzels Jammern · war ſo ſtark und voll, // Wie eines Löwen Stimme · dem reichen König ſcholl // Der Wehruf der Klage; · auch ihr ſchufs große Noth; // Sie weinten übermäßig · um des guten Rüdger Tod. // 38. Achtunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Dietrichens Recken alle erſchlagen wurden. Der Jammer allenthalben · zu ſolchem Maße ſchwoll, // Daß von der Wehklage · Pallas und Thurm erſcholl. // Da vernahm es auch ein Berner, · Dietrichs Unterthan: // Der ſchweren Botſchaft willen · wie eilends kam er heran! // Da ſprach er zu dem Fürſten: · „Hört mich, Herr Dieterich, // Was ich noch je erlebte, · ſo herzensjämmerlich // Hört ich noch niemals klagen, · als ich jetzt vernahm. // Ich glaube, daß der König · nun ſelber zu der Hochzeit kam, // „Wie wären ſonſt die Leute · all in ſolcher Noth? // Der König oder Kriemhild · Eins ward dem Tod // Von den kühnen Gäſten · in ihrem Zorn geſellt. // Es weint übermäßig · mancher auserwählte Held.“ // Da ſprach der Vogt von Berne: „Ihr Getreun in meinem Lehn, // Seid nicht allzu eilig: · was hier auch iſt geſchehn // Von den Heimathloſen, · ſie zwang dazu die Noth: // Nun laßt ſie des genießen, · daß ich ihnen Frieden bot.“ // Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Ich will zum Saale gehn, // Der Märe nachzufragen, · was da ſei geſchehn, // Und will euch dann berichten, · viel lieber Herre mein, // Wenn ich es dort erkunde, · wie die Sache möge ſein.“ // Da ſprach der edle Dietrich: · „Wenn man ſich Zorns verſieht // Und ungeſtümes Fragen · zur Unzeit dann geſchieht, // Das betrübt den Recken · allzuleicht den Muth: // Drum will ich nicht, Wolfhart, · daß ihr die Frage da thut.“ // Da bat er Helfrichen · hin zu gehn geſchwind, // Ob er erkundgen möge · bei Etzels Ingeſind // Oder bei den Gäſten, · was da wär geſchehn. // Da wurde nie bei Leuten · ſo großer Jammer geſehn. // Der Bote kam und fragte: · „Was iſt hier geſchehn?“ // Da ward ihm zum Beſcheide: · „Nun muſt uns auch zergehn // Der Troſt, der uns geblieben · noch war in Heunenland: // Hier liegt erſchlagen Rüdiger · von der Burgunden Hand. // „Nicht Einer iſt entkommen, · der mit ihm gieng hinein.“ // Das konnte Helfrichen · nimmer leider ſein. // Wohl mocht er ſeine Märe · noch nie ſo ungern ſagen: // Er kam zu Dietrichen · zurück mit Weinen und Klagen. // „Was bringt ihr uns für Kunde?“ · ſprach da Dieterich, // „Wie weint ihr ſo heftig, · Degen Helferich?“ // Da ſprach der edle Recke: · „Wohl hab ich Grund zu klagen. // Den guten Rüdger haben · die Burgunden erſchlagen.“ // Da ſprach der Held von Berne: · „Das wolle nimmer Gott. // Eine ſtarke Rache wär es · und des Teufels Spott. // Wie hätt an ihnen Rüdiger · verdient ſolchen Sold? // Ich weiß wohl die Kunde, · er iſt den Fremdlingen hold.“ // Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Und wär es geſchehn, // So ſollt es ihnen Allen · an Leib und Leben gehn. // Wenn wirs ertragen wollten, · es brächt uns Spott und Schand, // Uns bot ſo große Dienſte · des guten Rüdiger Hand.“ // Der Vogt von Amelungen · erfragt' es gern noch mehr. // In ein Fenſter ſetzt' er ſich, · ihm war das Herz ſo ſchwer. // Da hieß er Hildebranden · zu den Gäſten gehn, // Bei ihnen zu erforſchen, · was da wäre geſchehn. // Der ſturmkühne Recke, · Meiſter Hildebrand, // Weder Schild noch Waffen · trug er an der Hand. // Er wollt in ſeinen Züchten · zu den Gäſten gehn; // Von ſeiner Schweſter Kinde · muſt er ſich geſcholten ſehn. // Da ſprach der grimme Wolfhart: · „Geht ihr dahin ſo bloß, // So kommt ihr ungeſcholten · nimmer wieder los: // So müſt ihr dann mit Schanden · thun die Wiederfahrt; // Geht ihr dahin in Waffen, ſo weiß ich, daß es Mancher ſpart.“ // Da rüſtete der Alte · ſich nach des Jungen Rath. // Eh Hildbrand es gewahrte, · ſtanden in ihrem Staat // Die Recken Dietrichs alle, · die Schwerter in der Hand. // Leid war das dem Helden, · er hätt es gern noch abgewandt. // Er frag, wohin ſie wollten. · „Wir wollen mit euch hin; // Ob von Tronje Hagen · wohl dann noch iſt ſo kühn, // Mit Spott zu euch zu reden, · wie ihm zu thun gefällt?“ // Als er die Rede hörte, · erlaubt' es ihnen der Held. // Da ſah der kühne Volker · wohlgewaffnet gehn // Die Recken von Berne · in Dietrichens Lehn, // Die Schwerter umgegürtet, · die Schilde vor der Hand: // Er ſagt' es ſeinen Herren · aus der Burgunden Land. // Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Dorten ſeh ich nahn // Recht in Feindesweiſe · Die Dietrich unterthan, // Gewaffnet unter Helmen: · ſie wollen uns beſtehn. // Nun wird es an das Ueble · mit uns Fremdlingen gehn.“ // Es währte nicht lange, · ſo kam auch Hildebrand: // Da ſetzt' er vor die Füße · ſeinen Schildesrand // Und begann zu fragen · Die Gunthern unterthan: // „O weh, ihr guten Degen, · was hatt euch Rüdiger gethan? // „Mich hat mein Herr Dietrich · her zu euch geſandt, // Ob erſchlagen liege, Helden, · von eurer Hand // Dieſer edle Markgraf, · wie man uns gab Beſcheid? // Wir könnten nicht verwinden · alſo ſchweres Herzeleid.“ // Da ſprach der grimme Hagen: · „Die Mär iſt ungelogen, // Wie gern ichs euch gönnte, · wärt ihr damit betrogen, // Rüdigern zu Liebe: · ſo lebt' er uns noch, // Den nie genug beweinen · mögen Fraun und Mannen doch.“ // Als ſie das recht vernahmen, · Rüdiger ſei todt, // Da beklagten ihn die Recken, · wie ihre Treu gebot. // Dietrichens Mannen · ſah man die Thränen gehn // Uebern Bart zum Kinne: · viel Leid war ihnen geſchehn. // Siegſtab der Herzog · von Bern ſprach zuhand: // „O weh, wie all die Güte · hier gar ein Ende fand, // Die uns Rüdiger hier ſchuf · nach unſers Leides Tagen: // Der Troſt der Heimathloſen · liegt von euch Degen erſchlagen.“ // Da ſprach von Amelungen · der Degen Wolfwein: // „Und wenn ich vor mir liegen · hier ſäh, den Vater mein, // Mir würde nimmer leider · als um Rüdgers Tod. // O weh, wer ſoll nun tröſten · die Markgräfin in ihrer Noth?“ // Do ſprach im Zornmuthe · der kühne Wolfhart: // „Wer leitet nun die Recken · auf mancher Heerfahrt, // Wie von dem Markgrafen · ſo oft geſchehen iſt? // O weh, viel edler Rüdiger, · daß du uns ſo verloren biſt!“ // Wolfbrand und Helferich · und auch Helmnot // Mit allen ihren Freunden · beweinten ſeinen Tod. // Nicht mehr fragen mochte · vor Seufzen Hildebrand: // So thut denn, ihr Degen, · warum mein Herr uns geſandt. // „Gebt uns den todten · Rüdiger aus dem Saal, // An dem all unſre Freude · erlitt den Jammerfall. // Laßt uns ihm ſo vergelten, · was er an uns gethan // Hat mit großer Treue · und an manchem fremden Mann. // „Wir ſind hier auch Vertriebene · wie Rüdiger der Degen. // Wie laßt ihr uns warten? · Laßt uns ihn aus den Wegen // Tragen und im Tode · lohnen noch dem Mann: // Wir hätten es wohl billig · bei ſeinem Leben gethan.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Nie war ein Dienſt ſo gut, // Als den ein Freund dem Freunde · nach dem Tode thut. // Das nenn ich ſtäte Treue, · wenn man das leiſten kann: // Ihr lohnt ihm nach Verdienſte, · er hat euch Liebes gethan.“ // „Wie lange ſolln wir flehen?“ · ſprach Wolfart der Held.“ // „Da unſer Troſt der beſte · liegt von euch gefällt, // Und wir ihn nun leider · nicht länger mögen haben, // Laßt uns ihn hinnen tragen, · daß wir den Recken begraben.“ // Zur Antwort gab ihm Volker: · „Man bringt ihn euch nicht her, // Holt ihn aus dem Hauſe, · wo der Degen hehr // Mit tiefen Herzenswunden · gefallen iſt ins Blut: // So ſind es volle Dienſte, · die ihr hier Rüdigern thut.“ // Da ſprach der kühne Wolfhart: · „Gott weiß, Herr Fiedelmann, // Ihr müßt uns nicht noch reizen; · ihr habt uns Leid gethan. // Dürft ichs vor meinem Herren, · ſo kämt ihr drum in Noth; // Doch müßen wir es laßen, · weil er den Streit uns verbot.“ // Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Der fürchtet ſich zu viel, // Der, was man ihm verbietet, · Alles laßen will: // Das kann ich nimmer heißen · rechten Heldenmuth.“ // Die Rede dauchte Hagnen · von ſeinem Heergeſellen gut. // „Wollt ihr den Spott nicht laßen,“ · fiel ihm Wolfhart ein, // „Ich verſtimm euch ſo die Saiten, · daß ihr noch am Rhein, // Wenn je ihr heimreitet, · habt davon zu ſagen. // Euer Ueberheben · mag ich mit Ehren nicht ertragen.“ // Da ſprach der Fiedelſpieler: · „Wenn ihr den Saiten mein // Die guten Töne raubtet, · eures Helmes Schein // Müſte trübe werden · dabei von meiner Hand, // Wie ich halt auch reite · in der Burgunden Land.“ // Da wollt er zu ihm ſpringen · doch blieb nicht frei die Bahn. // Hildebrand ſein Oheim · hielt ihn mit Kräften an. // „Ich ſeh, du willſt wüthen · in deinem dummen Zorn; // Nun hätten wir auf immer · meines Herren Huld verlorn.“ // „Laßt los den Leuen, Meiſter, · er hat ſo grimmigen Muth; // Doch kommt er mir zu nahe,“ · ſprach Volker der Degen gut, // „Hätt er mit ſeinen Händen · die ganze Welt erlagen, // Ich ſchlag ihn, daß er nimmermehr · ein Widerwort weiß zu ſagen.“ // Darob ergrimmte heftig · den Bernern der Muth. // Den Schild ruckte Wolfhart, · ein ſchneller Recke gut, // Gleich einem wilden Leuen · lief er auf ihn an. // Die Schar ſeiner Freunde · ihm raſch zu folgen begann. // Mit weiten Sprüngen ſetzt' er · bis vor des Saales Wand; // Doch ereilt' ihn vor der Stiege · der alte Hildebrand: // Er wollt ihn vor ihm ſelber · nicht laßen in den Streit. // Zu ihrem Willen fanden · ſie gern die Gäſte bereit. // Da ſprang hin zu Hagen · Meiſter Hildebrand: // Man hörte Waffen klingen · an der Helden Hand. // Sie waren ſehr im Zorne, · das zeigte ſich geſchwind: // Von der Beiden Schwertern · gieng der feuerrothe Wind. // Da wurden ſie geſchieden · in des Streites Noth: // Das thaten die von Berne, · wie Kraft und Muth gebot. // Als ſich von Hagen wandte · Meiſter Hildebrand, // Da kam der ſtarke Wolfhart · auf den kühnen Volker gerannt. // Auf den Helm dem Fiedler · ſchlug er ſolchen Schwang, // Daß des Schwertes Schärfe · durch die Spangen drang. // Das vergalt mit Ungeſtüm · der kühne Fiedelmann: // Da ſchlug er Wolfharten, · daß er zu ſprühen begann. // Feuers aus den Panzern · hieben ſie genug; // Grimmen Haß Jedweder · zu dem Andern trug. // Da ſchied ſie von Berne · der Degen Wolfwein; // Wär er kein Held geweſen, · ſo konnte das nimmer ſein. // Gunther der kühne · mit williger Hand // Empfieng die hehren Helden · aus Amelungenland. // Geiſelher der junge · die lichten Helme gut // Macht' er in dem Sturme · Manchem naß und roth von Blut. // Dankwart, Hagens Bruder, · war ein grimmer Mann: // Was er zuvor im Streite · Herrliches gethan // An König Etzels Recken, · das ſchien nun gar ein Wind: // Nun erſt begann zu toben · des kühnen Aldrians Kind. // Ritſchart und Gerbart, · Helfrich und Wichart // In manchen Stürmen hatten · die ſelten ſich geſpart: // Das ließen ſie wohl ſchauen · die in Gunthers Lehn. // Da ſah man Wolfbranden · in dem Sturme herrlich gehn. // Da focht, als ob er wüthe, · der alte Hildebrand. // Viel gute Recken muſten · vor Wolfhartens Hand // Auf den Tod getroffen · ſinken in das Blut: // So rächten Rüdgers Wunden · dieſe Recken kühn und gut. // Da focht der Herzog Siegſtab, · wie ihm der Zorn gebot. // Hei! was harter Helme · brach in des Sturmes Noth // An ſeinen Feinden · Dietrichens Schweſterſohn! // Er konnt in dem Sturme · nicht gewaltiger drohn. // Volker der Starke, · als er das erſah, // Wie Siegſtab der kühne · aus Panzerringen da // Bäche Blutes holte, · das ſchuf dem Biedern Zorn: // Er ſprang ihm hin entgegen: · da hatte hier bald verlorn // Von dem Fiedelſpieler · das Leben Siegſtab: // Volker ihm ſeiner Künſte · ſo vollen Anteil gab, // Er fiel von ſeinem Schwerte · nieder in den Tod. // Der alte Hilbrand rächte das, · wie ihm ſein Eifer gebot. // „O weh des lieben Herren,“ · ſprach Meiſter Hildebrand, // „Der uns hier erſchlagen · liegt von Volkers Hand! // Nun ſoll der Fiedelſpieler · auch länger nicht gedeihn.“ // Hildebrand der kühne · wie könnt er grimmiger ſein. // Da ſchlug er ſo auf Volker, · daß von des Helmes Band // Die Splitter allwärts ſtoben · bis zu des Saales Wand, // Vom Helm und auch vom Schilde · dem kühnen Spielmann; // Davon der ſtarke Volker · nun auch ſein Ende gewann. // Da drangen zu dem Streite · Die in Dietrichs Lehn: // Sie ſchlugen, daß die Splitter · ſich wirbelnd muſten drehn // Und man der Schwerter Enden · in die Höhe fliegen ſah. // Sie holten aus den Helmen · heiße Blutbäche da. // Nun ſah von Tronje Hagen · Volker den Degen todt: // Das war ihm bei der Hochzeit · die allergröſte Noth, // Die er gewonnen hatte · an Freund und Unterthan! // O weh, wie grimmig Hagen · den Freund zu rächen begann! // „Nun ſoll es nicht genießen · der alte Hildebrand: // Mein Gehilfe liegt erſchlagen · von des Helden Hand, // Der beſte Heergeſelle, · den ich je gewann.“ // Den Schild rückt' er höher, · ſo gieng er hauend hindann. // Helferich der ſtarke · Dankwarten ſchlug: // Gunthern und Geiſelhern · war es leid genug, // Als ſie ihn fallen ſahen · in der ſtarken Noth; // Doch hatten ſeine Hände · wohl vergolten ſeinen Tod. // So viel aus manchen Landen · hier Volks verſammelt war, // Viel Fürſten kraftgerüſtet · gegen die kleine Schar, // Wären die Chriſtenleute · nicht wider ſie geweſen, // Durch ihre Tugend mochten ſie · vor allen Heiden wohl geneſen. // Derweil ſchuf ſich Wolfhart · hin und wieder Bahn, // Alles niederhauend, · was Gunthern unterthan. // Er machte nun zum dritten Mal · die Runde durch den Saal: // Da fiel von ſeinen Händen · gar mancher Recke zu Thal. // Da rief der ſtarke Geiſelher · Wolfharten an: // „O weh, daß ich ſo grimmen · Feind je gewann! // Kühner Ritter edel, · nun wende dich hieher! // Ich will es helfen enden, · nicht länger trag ich es mehr.“ // Zu Geiſelheren wandte · ſich Wolfhart in den Streit. // Da ſchlugen ſich die Recken · manche Wunde weit. // Mit ſolchem Ungeſtüme · er zu dem König drang, // Daß unter ſeinen Füßen · übers Haupt das Blut ihm ſprang. // Mit ſchnellen grimmen Schlägen · der ſchönen Ute Kind // Empfieng da Wolfharten, · den Helden hochgeſinnt. // Wie ſtark auch war der Degen, · wie ſollt er hier gedeihn? // Es konnte nimmer kühner · ein ſo junger König ſein. // Da ſchlug er Wolfharten · durch einen Harniſch gut, // Daß ihm aus der Wunde · niederſchoß das Blut: // Zum Tode war verwundet · Dietrichens Unterthan. // Wohl muſt er ſein ein Recke, · der ſolche Werke gethan. // Als der kühne Wolfhart · die Wund an ſich empfand, // Den Schild ließ er fallen: · höher in der Hand // Hob er ein ſtarkes Waffen, · das war wohl ſcharf genug: // Durch Helm und Panzerringe · der Degen Geiſelhern ſchlug. // Den grimmen Tod einander · hatten ſie angethan. // Da lebt' auch Niemand weiter, · der Dietrich unterthan. // Hildebrand der alte · Wolfharten fallen ſah: // Gewiſs vor ſeinem Tode · ſolch Leid ihm nimmer geſchah. // Erſtorben waren Alle · Die in Gunthers Lehn // Und Die in Dietrichens. · Hilbranden ſah man gehn, // Wo Wolfhart war gefallen · nieder in das Blut. // Er umſchloß mit Armen · den Degen bieder und gut. // Er wollt ihn aus dem Hauſe · tragen mit ſich fort; // Er war zu ſchwer doch, laßen · muſt ihn der Alte dort. // Da blickt' aus dem Blute · der todwunde Mann: // Er ſah wohl, ſein Oheim · hülfe gern ihm hindann. // Da ſprach der Todwunde: · „Viel lieber Oheim mein, // Mir kann zu dieſer Stunde · eure Hülfe nicht gedeihn. // Nun hütet euch vor Hagen, · fürwahr, ich rath euch gut: // Der tragt in ſeinem Herzen · einen grimmigen Muth. // „Und wollen meine Freunde · im Tode mich beklagen, // Den nächſten und den beſten · ſollt ihr von mir ſagen, // Daß ſie nicht um mich weinen, · das thu nimmer Noth: // Von eines Königs Händen · fand ich hier herrlichen Tod. // „Ich hab auch ſo vergolten · mein Sterben hier im Saal, // Das ſchafft noch den Frauen · der guten Ritter Qual. // Wills Jemand von euch wißen, · ſo mögt ihr kühnlich ſagen: // Von meiner Hand alleine · liegen hundert wohl erſchlagen. // Da gedacht auch Hagen · an den Fiedelmann, // Dem der alte Hildebrand · das Leben abgewann: // Da ſprach er zu dem Kühnen: · „Ihr entgeltet nun mein Leid. // Ihr habt uns hier benommen · manchen Recken kühn im Streit.“ // Er ſchlug auf Hildebranden · daß man wohl vernahm // Balmungen dröhnen, · den Siegfrieden nahm // Hagen der kühne, · als er den Helden ſchlug. // Da wehrte ſich ſer Alte: · er war auch ſtreitbar genug. // Wolfhartens Oheim · ein breites Waffen ſchwang // Auf Hagen von Tronje, · das ſcharf den Stahl durchdrang: // Doch konnt er nicht verwunden · Gunthers Unterthan. // Da ſchlug ihm Hagen wieder · durch einen Harniſch wohlgetan. // Als da Meiſter Hildebrand · die Wunde recht empfand, // Beſorgt' er größern Schaden · noch von Hagens Hand. // Den Schild warf auf den Rücken · Dietrichs Unterthan: // Mit der ſtarken Wunde · der Held vor Hagen entrann. // Da lebt' auch von allen · den Degen Niemand mehr // Als Gunther und Hagen, · die beiden Recken hehr. // Mit Blut gieng beronnen · der alte Hildebrand: // Er brachte leide Märe, · da er Dietrichen fand. // Schwer bekümmert ſitzen · ſah er da den Mann: // Noch größern Leides Kunde · nun der Fürſt gewann. // Als er Hildebranden · im Panzer ſah ſo roth, // Da fragt' er nach der Urſach, · wie ihm die Sorge gebot. // „Nun ſagt mir, Meiſter Hildebrand, · wie ſeid ihr ſo naß // Von dem Lebensblute? · oder wer that euch das? // Ihr habt wohl mit den Gäſten · geſtritten in dem Saal? // Ihr ließt es billig bleiben, · wie ich ſo dringend befahl.“ // Da ſagt' er ſeinem Herren: · „Hagen that es mir: // Der ſchlug mir in dem Saale · dieſe Wunde hier, // Als ich von dem Recken · zu wenden mich begann. // Kaum daß ich mit dem Leben · noch dem Teufel entrann.“ // Da ſprach der von Berne: · „Gar recht iſt euch geſchehen, // Da ihr mich Freundſchaft hörtet · den Recken zugeſtehn // Und doch den Frieden brachet, · den ich ihnen bot: // Wär mirs nicht ewig Schande, · ihr ſolltets büßen mit dem Tod.“ // „Nun zürnt mir, Herr Dietrich, · darob nicht allzuſehr: // An mir und meinen Freunden · iſt der Schade gar zu ſchwer. // Wir wollten Rüdger gerne · tragen aus dem Saal: // Das wollten uns nicht gönnen · die, welchen Gunther befahl.“ // „O weh mir dieſes Leides! · Iſt Rüdiger doch todt? // Das muß mir ſein ein Jammer · vor all meiner Noth. // Gotelind die edle · iſt meiner Baſe Kind: // O weh der armen Waiſen, · die dort zu Bechlaren ſind!“ // Herzeleid und Kummer · ſchuf ihm ſein Tod: // Er hub an zu weinen: · den Helden zwang die Noth. // „O weh der treuen Hülfe, · die mir an ihm erlag, // König Etzels Degen, · den ich nie verſchmerzen mag. // „Könnt ihr mir, Meiſter Hildebrand, · rechte Kunde ſagen, // Wie der Recke heiße, · der ihn hat erſchlagen?“ // Er ſprach „Das that mit Kräften · der ſtarke Gernot; // Von Rüdigers Händen · fand auch der König den Tod.“ // Er ſprach zu Hilbranden: · „So ſagt den Meinen an, // Daß ſie alsbald ſich waffnen, · ſo geh ich ſelbſt hinan. // Und befehlt, daß ſie mir bringen · mein lichtes Streitgewand: // Ich ſelber will nun fragen · die Helden aus Burgundenland.“ // Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Wer ſoll mit euch gehn? // Die euch am Leben blieben, · die ſeht ihr vor euch ſtehn: // Das bin ich ganz alleine; · die Andern die ſind todt.“ // Da erſchrak er dieſer Märe, · es ſchuf ihm wahrhafte Noth, // Daß er auf Erden nimmer · noch ſolches Leid gewann. // Er ſprach: „Und ſind erſtorben · all Die mir unterthan, // So hat mein Gott vergeßen, · ich, armer Dietrich! // Ich herrſcht' ein mächtger König · einſt hehr und gewaltiglich.“ // Wieder ſprach da Dietrich: · „Wie könnt es nur geſchehn, // Daß ſie all erſtarben, · die Helden auserſehn, // Vor den Streitmüden, · die doch gelitten Noth? // Mein Unglück ſchufs alleine, · ſonſt verſchonte ſie der Tod! // „Wenn dann mein Unheil wollte, · es ſollte ſich begeben, // So ſprecht, blieb von den Gäſten · Einer noch am Leben?“ // Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Das weiß Gott, Niemand mehr // Als Hagen ganz alleine · und Gunther der König hehr.“ // „O weh, lieber Wolfhart, · und hab ich dich verloren, // So mag mich bald gereuen, · daß ich je ward geboren. // Siegſtab und Wolfwein · und auch Wolfbrand: // Wer ſoll mir denn helfen · in der Amelungen Land? // „Helferich der kühne, · und iſt mir der erſchlagen, // Gerbart und Wichard, · wann hör ich auf zu klagen? // Das iſt aller Freuden · mir der letzte Tag. // O weh, daß vor Leide · Niemand doch erſterben mag!“ // 39. Neununddreißigſtes Abenteuer. // Wie Gunther, Hagen und Kriemhild erſchlagen wurden. Da ſuchte ſich Herr Dietrich · ſelber ſein Gewand; // Ihm half, daß er ſich waffnete, · der alte Hildebrand. // Da klagte ſo gewaltig · der kraftvolle Mann, // Daß von ſeiner Stimme · das Haus zu ſchüttern begann. // Dann gewann er aber wieder · rechten Heldenmuth. // Im Grimm ward gewaffnet · da der Degen gut. // Seinen Schild, den feſten, · den nahm er an die Hand: // Sie giengen bald von dannen, · er und Meiſter Hildebrand. // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Dort ſeh ich zu uns gehn // Dietrich den Herren: · der will uns beſtehn // Nach dem großen Leide, · das wir ihm angethan. // Nun ſoll man heute ſchauen, · wen man den Beſten nennen kann. // „Und dünkt ſich denn von Berne · der Degen Dieterich // Gar ſo ſtarkes Leibes · und ſo fürchterlich. // Und will ers an uns rächen · was ihm iſt geſchehn,“ // Alſo ſprach da Hagen, · „ich bin wohl Mann ihn zu beſtehn.“ // Die Rede hörte Dietrich · mit Meiſter Hildebrand. // Er kam, wo er die Recken · beide ſtehen fand // Außen vor dem Hauſe, · gelehnt an den Saal. // Seinen Schild den guten, · den ſetzte Dietrich zu Thal. // In leidvollen Sorgen · ſprach da Dietrich: // „Wie habt ihr ſo geworben, · Herr Gunther, wider mich, // Einen Heimathloſen? · Was that ich euch wohl je, // Daß alles meines Troſtes · ich nun verwaiſet mich ſeh? // „Ihr fandet nicht Genüge · an der großen Noth, // Als ihr uns Rüdigeren, · den Recken, ſchluget todt: // Ihr miſsgönntet ſie mir alle, · Die mir unterthan. // Wohl hätt ich ſolchen Leides · euch Degen nimmer gethan. // „Gedenkt an euch ſelber · und an euer Leid, // Eurer Freunde Sterben · und all die Noth im Streit, // Ob es euch guten Degen · nicht beſchwert den Muth. // O weh, wie ſo unſanft · mir der Tod Rüdigers thut! // „So leid geſchah auf Erden · Niemanden je. // Ihr gedachtet wenig · an mein und euer Weh. // Was ich Freuden hatte, · das liegt von euch erſchlagen: // Wohl kann ich meine Freunde · nimmer genug beklagen.“ // „Wir ſind wohl nicht ſo ſchuldig,“ · ſprach Hagen entgegen. // „Zu dieſem Hauſe kamen · alle eure Degen // Mit großem Fleiß gewaffnet · in einer breiten Schar. // Man hat euch wohl die Märe · nicht geſagt, wie ſie war.“ // „Was ſoll ich andere glauben? · mir ſagt Hildebrand: // Euch baten meine Recken · vom Amelungenland, // Daß ihr ihnen Rüdigern · gäbet aus dem Haus: // Da botet ihr Geſpötte nur · meinen Recken heraus.“ // Da ſprach der Vogt vom Rheine: · „Sie wollten Rüdgern tragen, // Sagten ſie, von hinnen: · das ließ ich verſagen // Etzeln zum Trotze, · nicht aber deinem Heer, // Bis darob zu ſchelten · Wolfhart begann, der Degen hehr.“ // Da ſprach der Held von Berne: · „Es ſollte nun ſo ſein. // Gunther, edler König, · bei aller Tugend dein // Erſetze mir das Herzeleid, · das mir von dir geſchehn; // Verſühn es, kühner Ritter, · ſo laß ichs ungerochen gehn. // „Ergieb dich mir zum Geiſel · mit Hagen deinem Mann: // So will ich euch behüten, · ſo gut ich immer kann, // Daß euch bei den Heunen · hier Niemand Leides thut. // Ihr ſollt an mir erfahren, · daß ich getreu bin und gut.“ // „Das verhüte Gott vom Himmel,“ · ſprach Hagen entgegen, // „Daß ſich dir ergeben · ſollten zwei Degen, // Die noch in voller Wehre · dir gegenüber ſtehn, // Das wär uns Unehre: · die Feigheit ſoll nicht geſchehn.“ // „Ihr ſolltets nicht verweigern,“ · ſprach wieder Dietrich. // „Gunther und Hagen, · ihr habt ſo bitterlich // Beide mir bekümmert · das Herz und auch den Muth, // Wollt ihr mir das vergüten, · daß ihr es billiglich thut. // „Ich geb euch meine Treue, · und reich euch drauf die Hand, // Daß ich mit euch reite · heim in euer Land. // Ich geleit euch wohl nach Ehren, · ich ſtürbe denn den Tod, // Und will um euch vergeßen · all meiner ſchmerzhaften Noth.“ // „Begehrt es nicht weiter,“ · ſprach wieder Hagen: // „Wie ziemt es, wenn die Märe · wär von uns zu ſagen, // Daß zwei ſo kühne Degen · ſich ergäben eurer Hand? // Sieht man bei euch doch Niemand · als alleine Hildebrand.“ // Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Gott weiß, Herr Hagen, // Den Frieden, den Herr Dietrich · euch hat angetragen, // Es kommt noch an die Stunde · vielleicht in kurzer Friſt, // Daß ihr ihn gerne nähmet, · und er nicht mehr zu haben iſt.“ // „Auch nähm ich eh den Frieden,“ · ſprach Hagen entgegen, // „Eh ich mit Schimpf und Schande · ſo vor einem Degen // Flöhe, Meiſter Hildebrand, · als ihr hier habt gethan: // Ich wähnt auf meine Treue, · ihr ſtündet beßer euerm Mann.“ // Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Was verweiſet ihr mir das? // Nun wer wars, der auf dem Schilde · vor dem Wasgenſteine ſaß, // Als ihm von Spanien Walther · ſo viel der Freunde ſchlug? // Wohl habt ihr an euch ſelber · noch zu rügen genug.“ // Da ſprach der edle Dietrich: · „Wie ziemt ſolchen Degen // Sich mit Worten ſchelten · wie alte Weiber pflegen? // Ich verbiet es, Meiſter Hildebrand · ſprecht hier nicht mehr. // Mich heimathloſen Recken · zwingt ſo große Beſchwer. // „Laßt hören, Freund Hagen,“ · ſprach da Dieterich, // „Was ſpracht ihr zuſammen, · ihr Helden tugendlich, // Als ihr mich gewaffnet · ſahet zu euch gehn? // Ihr ſagtet, ihr alleine · wolltet mich im Streit beſtehn.“ // „Das wird euch Niemand läugnen,“ · ſprach Hagen entgegen, // „Wohl will ichs hier verſuchen · mit kräftigen Schlägen, // Es ſei denn, mir zerbreche · das Nibelungenſchwert: // Mich entrüſtet, daß zu Geiſeln · unſer beider ward begehrt.“ // Als Dietrich erhörte · Hagens grimmen Muth, // Den Schild behende zuckte · der ſchnelle Degen gut. // Wie raſch ihm von der Stiege · entgegen Hagen ſprang! // Niblungs Schwert das gute · auf Dietrichen laut erklang. // Da wuſte wohl Herr Dietrich, · daß der kühne Mann // Grimmen Muthes fechte; · zu ſchirmen ſich begann // Der edle Vogt von Berne · vor ängſtlichen Schlägen. // Wohl erkannt er Hagen, · er war ein auserwählter Degen. // Auch ſcheut' er Balmungen, · eine Waffe ſtark genug. // Nur unterweilen Dietrich · mit Kunſt entgegenſchlug // Bis daß er Hagen · im Streite doch bezwang. // Er ſchlug ihm eine Wunde · die gar tief war und lang. // Der edle Dietrich dachte: · „Dich ſchwächte lange Noth; // Mir brächt es wenig Ehre, · gäb ich dir den Tod. // So will ich nur verſuchen, · ob ich dich zwingen kann, // Als Geiſel mir zu folgen.“ · Das ward mit Sorgen gethan. // Den Schild ließ er fallen: · ſeine Stärke, die war groß; // Hagnen von Tronje · mit den Armen er umſchloß. // So ward von ihm bezwungen · dieſer kühne Mann. // Gunther der edle · darob zu trauern begann. // Hagnen band da Dietrich · und führt' ihn, wo er fand // Kriemhild die edle, · und gab in ihre Hand // Den allerkühnſten Recken, · der je Gewaffen trug. // Nach ihrem großen Leide · ward ſie da fröhlich genug. // Da neigte ſich dem Degen · vor Freuden Etzels Weib: // „Nun ſei dir immer ſelig · das Herz und auch der Leib. // Du haſt mich wol entſchädigt · aller meiner Noth: // Ich will dirs immer danken, · es verwehr es denn der Tod.“ // Da ſprach der edle Dietrich: · „Nun laßt ihn am Leben, // Edle Königstochter: · es mag ſich wohl begeben, // Daß euch ſein Dienſt vergütet · das Leid, das er euch that: // Er ſoll es nicht entgelten, · daß ihr ihn gebunden ſaht.“ // Da ließ ſie Hagnen führen · in ein Haftgemach, // Wo Niemand ihn erſchaute · und er verſchloßen lag. // Gunther der Edle · hub da zu rufen an: // „Wo blieb der Held von Berne? · Er hat mir Leides gethan.“ // Da gieng ihm hin entgegen · von Bern Herr Dieterich. // Gunthers Kräfte waren · ſtark und ritterlich; // Da ſäumt' er ſich nicht länger, · er rannte vor den Saal. // Von ihrer Beider Schwertern · erhob ſich mächtiger Schall. // So großen Ruhm erſtritten · Dietrich ſeit alter Zeit, // In ſeinem Zorne tobte · Gunther zu ſehr im Streit: // Er war nach ſeinem Leide · von Herzen feind dem Mann. // Ein Wunder muſt es heißen, · daß da Herr Dietrich entrann. // Sie waren alle Beide · ſo ſtark und muthesvoll, // Daß von ihren Schlägen · Pallas und Thurm erſcholl, // So hieben ſie mit Schwertern · auf die Helme gut. // Da zeigte König Gunther · einen herrlichen Muth. // Doch zwang ihn Der von Berne, · wie Hagnen war geſchehn. // Man mochte durch den Panzer · das Blut ihm fließen ſehn // Von einem ſcharfen Schwerte: · das trug Herr Dieterich // Doch hatte ſich Herr Gunther · gewehrt, der müde, ritterlich. // Der König ward gebunden · von Dietrichens Hand, // Wie nimmer Könige ſollten · leiden ſolch ein Band. // Er dachte, ließ' er ledig · Gunthern und ſeinen Mann, // Wem ſie begegnen möchten, · die müſten all den Tod empfahn. // Dietrich von Berne · nahm ihn bei der Hand, // Er führt' ihn hin gebunden, · wo er Kriemhilden fand. // Ihr war mit ſeinem Leide · des Kummers viel benommen. // Sie ſprach: „König Gunther, · nun ſeid mir höchlich willkommen.“ // Er ſprach: „Ich müſt euch danken, · viel edle Schweſter mein, // Wenn euer Gruß in Gnaden · geſchehen könnte ſein. // Ich weiß euch aber, Königin, · ſo zornig von Muth, // Daß ihr mir und Hagen · ſolchen Gruß im Spotte thut.“ // Da ſprach der Held von Berne: · „Königstochter hehr, // So gute Helden ſah, man · als Geiſel nimmermehr // Als ich, edle Königin, · bracht in eure Hut. // Nun komme meine Freundſchaft · den Heimathloſen zu Gut.“ // Sie ſprach, ſie thät es gerne. · Da gieng Herr Dieterich // Mit weinenden Augen · von den Helden tugendlich. // Da rächte ſich entſetzlich · König Etzels Weib: // Den auserwählten Recken · nahm ſie Leben und Leib. // Sie ließ ſie geſondert · in Gefängniſs legen, // Daß ſich nie im Leben · wiederſahn die Degen, // Bis ſie ihres Bruders Haupt · hin vor Hagen trug. // Kriemhildens Rache · ward an Beiden grimm genug. // Hin gieng die Königstochter, · wo ſie Hagen ſah; // Wie feindſelig ſprach ſie · zu dem Recken da: // „Wollt ihr mir wiedergeben, · was ihr mir habt genommen, // So mögt ihr wohl noch lebend · heim zu den Burgunden kommen.“ // Da ſprach der grimme Hagen: · „Die Red iſt gar verloren, // Viel edle Königstochter. · Den Eid hab ich geſchworen, // Daß ich den Hort nicht zeige: · ſo lange noch am Leben // Blieb Einer meiner Herren, · ſo wird er Niemand gegeben.“ // „Ich bring es zu Ende,“ · ſprach das edle Weib. // Dem Bruder nehmen ließ ſie · Leben da und Leib. // Man ſchlug das Haupt ihm nieder: · bei den Haaren ſie es trug // Vor den Held von Tronje: · da gewann er Leids genug. // Als der Unmuthvolle · ſeines Herren Haupt erſah, // Wider Kriemhilden · ſprach der Recke da: // „Du haſts nach deinem Willen · zu Ende nun gebracht; // Es iſt auch ſo ergangen, · wie ich mir hatte gedacht. // „Nun iſt von Burgunden · der edle König todt, // Geiſelher der junge · dazu Herr Gernot. // Den Hort weiß nun Niemand · als Gott und ich allein: // Der ſoll dir Teufelsweibe · immer wohl verhohlen ſein.“ // Sie ſprach: „So habt ihr üble · Vergeltung mir gewährt; // So will ich doch behalten · Siegfriedens Schwert. // Das trug mein holder Friedel, · als ich zuletzt ihn ſah, // An dem mir Herzensjammer · vor allem Leide geſchah.“ // Sie zog es aus der Scheide, · er konnt es nicht wehren. // Da dachte ſie dem Recken · das Leben zu verſehren. // Sie ſchwang es mit den Händen, · das Haupt ſchlug ſie ihm ab. // Das ſah der König Etzel, · dem es großen Kummer gab. // „Weh!“ rief der König, · „wie iſt hier gefällt // Von eines Weibes Händen · der allerbeſte Held, // Der je im Kampf gefochten · und ſeinen Schildrand trug! // So feind ich ihm geweſen bin, · mir iſt leid um ihn genug.“ // Da ſprach Meiſter Hildebrand: · „Es kommt ihr nicht zu gut, // Daß ſie ihn ſchlagen durfte; · was man halt mir thut, // Ob er mich ſelber brachte · in Angſt und große Noth, // Jedennoch will ich rächen · dieſes kühnen Tronjers Tod.“ // Hildebrand im Zorne · zu Kriemhilden ſprang: // Er ſchlug der Königstochter · einen Schwertesſchwang. // Wohl ſchmerzten ſolche Dienſte · von dem Degen ſie; // Was könnt es aber helfen, · daß ſie ſo ängſtlich ſchrie? // Die da ſterben ſollen, · die lagen all umher: // Zu Stücken lag verhauen · die Königin hehr. // Dietrich und Etzel · huben zu weinen an // Und jämmerlich zu klagen · manchen Freund und Unterthan. // Da war der Helden Herrlichkeit · hingelegt im Tod: // Die Leute hatten alle · Jammer und Noth. // Mit Leide war beendet · des Königs Luſtbarkeit, // Wie immer Leid die Freude · am lezten Ende verleiht. // Ich kann euch nicht beſcheiden, · was ſeither geſchah, // Als daß man immer weinen · Chriſten und Heiden ſah, // Die Ritter und die Frauen · und manche ſchöne Maid: // Sie hatten um die Freunde · das allergrößeſte Leid. // Ich ſag euch nun nicht weiter · von der großen Noth: // Die da erſchlagen waren, · die laßt liegen todt. // Wie es im Heunenlande · dem Volk hernach gerieth, // Hie hat die Mär ein Ende: · das iſt {das Nibelungenlied}. //