1) Der reaktionaire Socialismus.
a) Der feudale Socialismus.
Die franzöſiſche und engliſche Ariſtokratie war ihrer geſchichtlichen Stellung nach dazu berufen, Pamphlete gegen die moderne bürgerliche Geſellſchaft zu ſchreiben. In der franzöſiſchen Julirevolution von 1830, in der engliſchen Reformbewegung war ſie noch einmal dem verhaßten Emporkömmling erlegen. Von einem ernſten politiſchen Kampfe konnte nicht mehr die Rede ſein. Nur der literariſche Kampf blieb ihr übrig. Aber auch auf dem Gebiete der Literatur waren die alten Redensarten der Reſtaurationszeit unmöglich geworden. Um Sympathie zu erregen, mußte die Ariſtokratie ſcheinbar ihre Intereſſen aus den Augen verlieren und nur noch im Intereſſe der exploitirten Arbeiterklaſſe ihren Anklageakt gegen die Bourgeoiſie formuliren. Sie bereitete ſich ſo die Genugthuung vor, Schmählieder auf ihren neuen Herrſcher ſingen und mehr oder minder unheilſchwangere Prophezeihungen ihm in’s Ohr raunen zu dürfen.
Auf dieſe Art entſtand der feudaliſtiſche Socialismus, halb Klagelied, halb Pasquill, halb Rückhall der Vergangenheit, halb Dräuen der Zukunft, mitunter die Bourgeoiſie in’s Herz treffend durch bittres, geiſtreich zerreißendes Urtheil, ſtets komiſch wirkend durch gänzliche Unfähigkeit den Gang der modernen Geſchichte zu begreifen.
Den proletariſchen Bettlerſack ſchwenkten ſie als Fahne in der Hand, um das Volk hinter ſich her zu verſammeln. So oft es ihnen aber folgte, erblickte es auf ihrem Hintern die alten feudalen Wappen und verlief ſich mit lautem und unehrerbietigem Gelächter.
Ein Theil der franzöſiſchen Legitimiſten und das junge England gaben dies Schauſpiel zum Beſten.
Wenn die Feudalen beweiſen, daß ihre Weiſe der Ausbeutung anders geſtaltet war als die bürgerliche Ausbeutung, ſo vergeſſen ſie nur, daß ſie unter gänzlich verſchiedenen und jetzt überlebten Umſtänden und Bedingungen ausbeuteten. Wenn ſie nachweiſen, daß unter ihrer Herrſchaft nicht das moderne Proletariat exiſtirt hat, ſo vergeſſen ſie nur, daß eben die moderne Bourgeoiſie ein nothwendiger Sprößling ihrer Geſellſchaftsordnung war.
Uebrigens verheimlichen ſie den reaktionären Charakter ihrer Kritik ſo wenig, daß ihre Hauptanklage gegen die Bourgeoiſie eben darin beſteht, unter ihrem Regime entwickele ſich eine Klaſſe, welche die ganze alte Geſellſchaftsordnung in die Luft ſprengen werde.
Sie werfen der Bourgeoiſie mehr noch vor, daß ſie ein revolutionäres Proletariat, als daß ſie überhaupt ein Proletariat erzeugt.
In der politiſchen Praxis nehmen ſie daher an allen Gewaltmaßregeln gegen die Arbeiterklaſſe Theil, und im gewöhnlichen Leben bequemen ſie ſich, allen ihren aufgeblähten Redensarten zum Trotz, die goldenen Aepfel aufzuleſen, und Treue, Liebe, Ehre mit dem Schacher in Schaafswolle, Runkelrüben und Schnapps zu vertauſchen.
Wie der Pfaffe immer Hand in Hand ging mit dem Feudalen, ſo der pfäffiſche Socialismus mit dem feudaliſtiſchen.
Nichts leichter, als dem chriſtlichen Aſcetismus einen ſocialiſtiſchen Anſtrich zu geben. Hat das Chriſtenthum nicht auch gegen das Privateigenthum, gegen die Ehe, gegen den Staat geeifert? Hat es nicht die Wohlthätigkeit und den Bettel, das Cölibat und die Fleiſchesertödtung, das Zellenleben und die Kirche an ihre Stelle gepredigt? Der heitige Socialismus iſt nur das Weihwaſſer, womit der Pfaffe den Aerger des Ariſtokraten einſegnet.
b) Kleinbürgerlicher Socialismus.
Die feudale Ariſtokratie iſt nicht die einzige Klaſſe, welche durch die Bourgeoiſie geſtürzt wurde, deren Lebensbedingungen in der modernen bürgerlichen Geſellſchaft verkümmerten und abſtarben. Das mittelalterliche Pfahlbürgerthum und der kleine Bauernſtand waren die Vorläufer der modernen Bourgeoiſie. In den weniger induſtriell und kommerciell entwickelten Ländern vegetirt dieſe Klaſſe noch fort neben der aufkommenden Bourgeoiſie.
In den Ländern, wo ſich die moderne Civiliſation entwickelt hat, hat ſich eine neue Kleinbürgerſchaft gebildet, die zwiſchen dem Proletariat und der Bourgeoiſie ſchwebt und als ergänzender Theil der bürgerlichen Geſellſchaft ſtets von Neuem ſich bildet, deren Mitglieder aber beſtändig durch die Konkurrenz in’s Proletariat hinabgeſchleudert werden, ja ſelbſt mit der Entwicklung der großen Induſtrie einen Zeitpunkt herannahen ſehen, wo ſie als ſelbſtſtändiger Theil der modernen Geſellſchaft gänzlich verſchwinden, und im Handel, in der Manufaktur, in der Agrikultur durch Arbeitsaufſeher und Domeſtiken erſetzt werden.
In Ländern wie in Frankreich, wo die Bauernklaſſe weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht, war es natürlich, daß Schriftſteller, die für das Proletariat gegen die Bourgeoiſie auftraten, an ihre Kritik des Bourgeoisregime’s den kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Maaßſtab anlegten und die Partei der Arbeiter vom Standpunkt des Kleinbürgerthums ergriffen. Es bildete ſich ſo der kleinbürgerliche Socialismus. Sismondi iſt das Haupt dieſer Literatur nicht nur für Frankreich ſondern auch für England.
Dieſer Socialismus zergliederte höchſt ſcharfſinnig die Widerſprüche in den modernen Produktionsverhältniſſen. Er enthüllte die gleißneriſchen Beſchönigungen der Oekonomen. Er wies unwiderleglich die zerſtörenden Wirkungen der Maſchinerie und der Theilung der Arbeit nach, die Koncentration der Kapitalien und des Grundbeſitzes, die Ueberproduktion, die Kriſen, den nothwendigen Untergang der kleinen Bürger und Bauern, das Elend des Proletariats, die Anarchie in der Produktion, die ſchreienden Mißverhältniſſe in der Vertheilung des Reichthums, den induſtriellen Vernichtungskrieg der Nationen unter einander, die Auflöſung der alten Sitten, der alten Familien-Verhältniſſe, der alten Nationalitäten.
Seinem poſitiven Gehalte nach will jedoch dieſer Socialismus entweder die alten Produktions- und Verkehrsmittel wiederherſtellen und mit ihnen die alten Eigenthumsverhältniſſe und die alte Geſellſchaft, oder er will die modernen Produktions- und Verkehrsmittel in den Rahmen der alten Eigenthumsverhältniſſe, die von ihnen geſprengt werden, geſprengt werden mußten, gewaltſam wieder einſperren. In beiden Fällen iſt er reaktionär und utopiſtiſch zugleich.
Zunftweſen in der Manufaktur und patriarchaliſche Wirthſchaft auf dem Lande, das ſind ſeine letzten Worte.
In ihrer weitern Entwicklung hat ſich dieſe Richtung in einen feigen Katzenjammer verlaufen.
c) Der deutſche oder der wahre Socialismus.
Die ſocialiſtiſche und kommuniſtiſche Literatur Frankreichs, die unter dem Druck einer herrſchenden Bourgeoiſie entſtand und der literariſche Ausdruck des Kampfes gegen dieſe Herrſchaft iſt, wurde nach Deutſchland eingeführt zu einer Zeit, wo die Bourgeoiſie ſoeben ihren Kampf gegen den feudalen Abſolutismus begann.
Deutſche Philoſophen, Halbphiloſophen und Schöngeiſter bemächtigten ſich gierig dieſer Literatur und vergaſſen nur, daß bei der Einwanderung jener Schriften aus Frankreich die franzöſiſchen Lebensverhältniſſe nicht gleichzeitig nach Deutſchland eingewandert waren. Den deutſchen Verhältniſſen gegenüber verlor die franzöſiſche Literatur alle unmittelbar praktiſche Bedeutung und nahm ein rein literariſches Ausſehen an. Als müßige Spekulation über die wahre Geſellſchaft, über die Verwirklichung des menſchlichen Weſens mußte ſie erſcheinen. So hatten für die deutſchen Philoſophen des 18. Jahrhunderts die Forderungen der erſten franzöſiſchen Revolution nur den Sinn, Forderungen der „praktiſchen Vernunft“ im Allgemeinen zu ſein und die Willensäußerungen der revolutionären franzöſiſchen Bourgeoiſie bedeuteten in ihren Augen die Geſetze des reinen Willens, des Willens wie er ſein muß, des wahrhaft menſchlichen Willens.
Die ausſchließliche Arbeit der deutſchen Literaten beſtand darin, die neuen franzöſiſchen Ideen mit ihrem alten philoſophiſchen Gewiſſen in Einklang zu ſetzen, oder vielmehr von ihrem philoſophiſchen Standpunkt aus die franzöſiſchen Ideen ſich anzueignen.
Dieſe Aneignung geſchah in derſelben Weiſe, wodurch man ſich überhaupt eine fremde Sprache aneignet, durch die Ueberſetzung.
Es iſt bekannt, wie die Mönche Manuſcripte, worauf die klaſſiſchen Werke der alten Heidenzeit verzeichnet waren, mit abgeſchmackten katholiſchen Heiligengeſchichten überſchrieben. Die deutſchen Literaten gingen umgekehrt mit der profanen franzöſiſchen Literatur um. Sie ſchrieben ihren philoſophiſchen Unſinn hinter das franzöſiſche Orginal. Z. B. hinter die franzöſiſche Kritik der Geldverhältniſſe ſchrieben ſie „Entäußerung des menſchlichen Weſens“, hinter die franzöſiſche Kritik des Bourgeoisſtaats ſchrieben ſie „Aufhebung der Herrſchaft des abſtrakt Allgemeinen“ u. ſ. w.
Dieſe Unterſchiebung ihrer philoſophiſchen Redensarten unter die franzöſiſchen Entwicklungen taufte ſie „Philoſophie der That“, „wahrer Socialismus“, „Deutſche Wiſſenſchaft des Socialismus“, „Philoſophiſche Begründung des Socialismus“ u. ſ. w.
Die franzöſiſch-ſocialiſtiſch kommuniſtiſche Literatur wurde ſo förmlich entmannt. Und da ſie in der Hand des Deutſchen aufhörte, den Kampf einer Klaſſe gegen die andre auszudrücken, ſo war der Deutſche ſich bewußt, die franzöſiſche Einſeitigkeit überwunden, ſtatt wahrer Bedürfniſſe, das Bedürfniß der Wahrheit, und ſtatt die Intereſſen des Proletariers die Intereſſen des menſchlichen Weſens, des Menſchen überhaupt vertreten zu haben, des Menſchen, der keiner Klaſſe, der überhaupt nicht der Wirklichkeit, der nur dem Dunſthimmel der philoſophiſchen Phantaſie angehört.
Dieſer deutſche Socialismus, der ſeine unbeholfenen Schulübungen ſo ernſt und feierlich nahm und ſo marktſchreieriſch auspoſaunte, verlor indeß nach und nach ſeine pedantiſche Unſchuld.
Der Kampf der deutſchen namentlich der preußiſchen Bourgeoiſie gegen die Feudalen und das abſolute Königthum, mit einem Wort, die liberale Bewegung wurde ernſthafter.
Dem wahren Socialismus war ſo die erwünſchte Gelegenheit geboten, der politiſchen Bewegung die ſocialiſtiſchen Forderungen gegenüber zu ſtellen.
Die überlieferten Anatheme gegen den Liberalismus, gegen den Repräſentativ-Staat, gegen die bürgerliche Konkurrenz, bürgerliche Preßfreiheit, bürgerliches Recht, bürgerliche Freiheit und Gleichheit zu ſchleudern und der Volksmaſſe vorzupredigen, wie ſie bei dieſer bürgerlichen Bewegung nichts zu gewinnen, vielmehr Alles zu verlieren habe. Der deutſche Socialismus vergaß rechtzeitig, daß die franzöſiſche Kritik, deren geiſtloſes Echo er war, die moderne bürgerliche Geſellſchaft mit den entſprechenden materiellen Lebensbedingungen und der angemeſſenen politiſchen Konſtitution vorausſetzt, lauter Vorausſetzungen, um deren Erkämpfung es ſich erſt in Deutſchland handelte.
Er diente den deutſchen abſoluten Regierungen mit ihrem Gefolge von Pfaffen, Schulmeiſtern, Krautjunkern und Büreaukraten als erwünſchte Vogelſcheuche gegen die drohend aufſtrebende Bourgeoiſie.
Er bildete die ſüßliche Ergänzung zu den bittern Peitſchenhieben und Flintenkugeln, womit dieſelben Regierungen die deutſchen Arbeiter-Aufſtände bearbeiteten.
Ward der wahre Socialismus dergeſtalt eine Waffe in der Hand der Regierungen gegen die deutſche Bourgeoiſie, ſo vertrat er auch unmittelbar ein reaktionäres Intereſſe, das Intereſſe der deutſchen Pfahlbürgerſchaft. In Deutſchland bildet das vom ſechzehnten Jahrhundert her überlieferte und ſeit der Zeit in verſchiedener Form hier immer neu wieder auftauchende Kleinbürgerthum die eigentliche geſellſchaftliche Grundlage der beſtehenden Zuſtände.
Seine Erhaltung iſt die Erhaltung der beſtehenden deutſchen Zuſtände. Von der induſtriellen und politiſchen Herrſchaft der Bourgeoiſie fürchtet es den ſichern Untergang, einer Seits in Folge der Koncentration des Kapitals, anderer Seits durch das Aufkommen eines revolutionären Proletariats. Der wahre Socialismus ſchien ihm beide Fliegen mit einer Klappe zu ſchlagen. Er verbreitete ſich wie eine Epidemie.
Das Gewand, gewirkt aus ſpekulativem Spinnweb, überſtickt mit ſchöngeiſtigen Redeblumen, durchtränkt von liebesſchwülem Gemüthsthau, dies überſchwängliche Gewand, worin die deutſchen Socialiſten ihre paar knöchernen ewigen Wahrheiten einhüllten, vermehrte nur den Abſatz ihrer Waare bei dieſem Publikum.
Seiner Seits erkannte der deutſche Socialismus immer mehr ſeinen Beruf, der hochtrabende Vertreter dieſer Pfahlbürgerſchaft zu ſein.
Er proklamirte die deutſche Nation als die normale Nation und den deutſchen Spießbürger als den Normal-Menſchen. Er gab jeder Niedertracht desſelben einen verborgenen höheren ſocialiſtiſchen Sinn, worin ſie ihr Gegentheil bedeutete. Er zog die letzte Konſequenz, indem er direkt gegen die rohdeſtruktive Richtung des Kommunismus auftrat, und ſeine unparteiiſche Erhabenheit über alle Klaſſenkämpfe verkündete. Mit ſehr wenigen Ausnahmen gehören alles, was in Deutſchland von angeblich ſocialiſtiſchen und kommuniſtiſchen Schriften cirkulirt, in den Bereich dieſer ſchmutzigen entnervenden Literatur.
2) Der konſervative oder Bourgeois-Socialismus.
Ein Theil der Bourgeoiſie wünſcht den ſocialen Mißſtänden abzuhelfen, um den Beſtand der bürgerlichen Geſellſchaft zu ſichern.
Es gehören hierher, Oekonomiſten, Philantropen, Humanitäre, Verbeſſerer der Lage der arbeitenden Klaſſen, Wohlthätigkeits-Organiſirer, Abſchaffer der Thierquälerei, Mäßigkeits-Vereinsſtifter, Winkelreformer der buntſcheckigſten Art. Und auch zu ganzen Syſtemen iſt dieſer Bourgeois-Socialismus ausgearbeitet worden.
Als Beiſpiel führen wir Proudhon’s Philoſophie de la miſère an.
Die ſocialiſtiſchen Bourgeois wollen die Lebensbedingungen der modernen Geſellſchaft ohne die nothwendig daraus hervorgehenden Kämpfe und Gefahren. Sie wollen die beſtehende Geſellſchaft mit Abzug der ſie revolutionirenden und ſie auflöſenden Elemente. Sie wollen die Bourgeoiſie ohne das Proletariat. Die Bourgeoiſie ſtellt ſich die Welt, worin ſie herrſcht, natürlich als die beſte Welt vor. Der Bourgeois-Socialismus arbeitet dieſe tröſtliche Vorſtellung zu einem halben oder ganzen Syſtem aus. Wenn er das Proletariat auffordert ſeine Syſteme zu verwirklichen, um in das neue Jeruſalem einzugehen, ſo verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen Geſellſchaft ſtehen bleibe, aber ſeine gehäſſigen Vorſtellungen von derſelben abſtreife.
Eine zweite, weniger ſyſtematiſche und mehr praktiſche Form des Socialismus ſuchte der Arbeiterklaſſe jede revolutionäre Bewegung zu verleiden, durch den Nachweis, wie nicht dieſe oder jene politiſche Veränderung, ſondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältniſſe, der ökonomiſchen Verhältniſſe ihr von Nutzen ſein könne. Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältniſſe verſteht dieſer Socialismus aber keineswegs Abſchaffung der bürgerlichen Produktions-Verhältniſſe, die nur auf revolutionärem Wege möglich iſt, ſondern adminiſtrative Verbeſſerungen, die auf dem Boden dieſer Produktionsverhältniſſe vor ſich gehen; alſo an dem Verhältniß von Kapital und Lohnarbeit nichts ändern, ſondern im beſten Fall der Bourgeoiſie die Koſten ihrer Herrſchaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen.
Seinen entſprechenden Ausdruck erreicht der Bourgeois-Socialismus erſt da, wo er zur bloßen redneriſchen Figur wird.
Freier Handel! im Intereſſe der arbeitenden Klaſſe; Schutzzölle! im Intereſſe der arbeitenden Klaſſe; Zellengefängniſſe! im Intereſſe der arbeitenden Klaſſe, das iſt das letzte, das einzig ernſt gemeinte Wort des Bourgeois-Socialismus.
Ihr Socialismus beſteht eben in der Behauptung, daß die Bourgeois Bourgeois ſind - im Intereſſe der arbeitenden Klaſſe.
3) Der kritiſch-utopiſtiſche Socialismus und Kommunismus.
Wie reden hier nicht von der Literatur, die in allen großen modernen Revolutionen die Forderungen des Proletariats ausſprach. (Schriften Babeufs u. ſ. w.)
Die erſten Verſuche des Proletariats in einer Zeit allgemeiner Aufregung, in der Periode des Umſturzes der feudalen Geſellſchaft direkt ſein eigenes Klaſſenintereſſe durchzuſetzen, ſcheiterten nothwendig an der unentwickelten Geſtalt des Proletariats ſelbſt, wie an dem Mangel der materiellen Bedingungen ſeiner Befreiung, die eben erſt das Produkt der bürgerlichen Epoche ſind. Die revolutionäre Literatur, welche dieſe erſten Bewegungen des Proletariats begleitete, iſt dem Inhalt nach nothwendig reaktionär. Sie lehrt einen allgemeinen Aſcetismus und eine rohe Gleichmacherei.
Die eigentlich ſocialiſtiſchen und kommuniſtiſchen Syſteme, die Syſteme St. Simons, Fouriers, Owens u. ſ. w. tauchen auf in der erſten unentwickelten Periode des Kampfs zwiſchen Proletariat und Bourgeoiſie, die wir oben dargeſtellt haben. (S. Bourgeoiſie und Proletariat.)
Die Erfinder dieſer Syſteme ſehen zwar den Gegenſatz der Klaſſen, wie die Wirkſamkeit der auflöſenden Elemente in der herrſchenden Geſellſchaft ſelbſt. Aber ſie erblicken auf der Seite der Proletariats keine geſchichtliche Selbſtthätigkeit, keine ihm eigenthümliche politiſche Bewegung.
Da die Entwicklung des Klaſſengegenſatzes gleichen Schritt hält mit der Entwicklung der Induſtrie, finden ſie eben ſo wenig die materiellen Bedingungen zur Befreiung des Proletariats vor, und ſuchen nach einer ſocialen Wiſſenſchaft, nach ſocialen Geſetzen, um dieſe Bedingungen zu ſchaffen.
An die Stelle der geſellſchaftlichen Thätigkeit muß ihre perſönlich erfinderiſche Thätigkeit treten, an die Stelle der geſchichtlichen Bedingungen der Befreiung phantaſtiſche, an die Stelle der allmählich vor ſich gehenden Organiſation des Proletariats zur Klaſſe eine eigens ausgeheckte Organiſation der Geſellſchaft. Die kommende Weltgeſchichte löſt ſich für ſie auf in die Propaganda und die praktiſche Ausführung ihrer Geſellſchaftspläne.
Sie ſind ſich zwar bewußt, in ihren Plänen hauptſächlich das Intereſſe der arbeitenden Klaſſe als der leidendſten Klaſſe zu vertreten. Nur unter dieſem Geſichtspunkt der leidendſten Klaſſe exiſtirt das Proletariat für ſie.
Die unentwickelte Form des Klaſſenkampfes, wie ihre eigene Lebenslage bringen es aber mit ſich, daß ſie weit über jenen Klaſſengegenſatz erhaben zu ſein glauben. Sie wollen die Lebenslage aller Geſellſchaftsglieder, auch der beſtgeſtellten verbeſſern. Sie appelliren daher fortwährend an die ganze Geſellſchaft ohne Unterſchied, ja vorzugsweiſe an die herrſchende Klaſſe. Man braucht ihr Syſtem ja nur zu verſtehen, um es als den beſtmöglichen Plan der beſtmöglichen Geſellſchaft anzuerkennen.
Sie verwerfen daher alle politiſche, namentlich alle revolutionäre Aktion, ſie wollen ihr Ziel auf friedlichem Wege erreichen und verſuchen durch kleine natürlich fehlſchlagende Experimente, durch die Macht des Beiſpiels dem neuen geſellſchaftlichen Evangelium Bahn zu brechen.
Dieſe phantaſtiſche Schilderung der zukünftigen Geſellſchaft entſpricht in einer Zeit, wo das Proletariat noch höchſt unentwickelt iſt, alſo ſelbſt noch phantaſtiſch ſeine eigene Stellung auffaßt, ſeinem erſten ahnungsvollen Drängen nach einer allgemeinen Umgeſtaltung der Geſellſchaft.
Die ſocialiſtiſchen und kommuniſtiſchen Schriften beſtehen aber auch aus kritiſchen Elementen. Sie greifen alle Grundlagen der beſtehenden Geſellſchaft an. Sie haben daher höchſt werthvolles Material zur Aufklärung der Arbeiter geliefert. Ihre poſitiven Sätze über die zukünftige Geſellſchaft, z. B., Aufhebung des Gegenſatzes von Stadt und Land, der Familie, des Privaterwerbs, der Lohnarbeit, die Verkündung der geſellſchaftlichen Harmonie, die Verwandlung des Staats in eine bloße Verwaltung der Produktion — alle dieſe ihre Sätze drücken blos das Wegfallen des Klaſſengegenſatzes aus, der eben erſt ſich zu entwickeln beginnt, den ſie nur noch in ſeiner erſten geſtaltloſen Unbeſtimmtheit kennen. Dieſe Sätze ſelbſt haben daher noch einen rein utopiſtiſchen Sinn.
Die Bedeutung des kritiſchen utopiſtiſchen Socialismus und Kommunismus ſteht im umgekehrten Verhältniß zur geſchichtlichen Entwicklung. In demſelben Maaße, worin der Klaſſenkampf ſich entwickelt und geſtaltet, verliert dieſe phantaſtiſche Erhebung über denſelben, dieſe phantaſtiſche Bekämpfung desſelben, allen praktiſchen Werth, alle theoretiſche Berechtigung. Waren daher die Urheber dieſer Syſteme auch in vieler Beziehung revolutionär, ſo bilden ihre Schüler jedesmal reaktionäre Sekten. Sie halten die alten Anſchauungen der Meiſter feſt gegenüber der geſchichtlichen Fortentwicklung des Proletariats. Sie ſuchen daher konſequent den Klaſſenkampf wieder abzuſtumpfen und die Gegenſätze zu vermitteln. Sie träumen noch immer die verſuchsweiſe Verwirklichung ihrer geſellſchaftlichen Utopien, Stiftung einzelner Phalanſtere, Gründung von home-Colonien, Errichtung eines kleinen Icariens, — Duodez-Ausgabe des neuen Jeruſalems — und zum Aufbau aller dieſer ſpaniſchen Schlöſſer müſſen ſie an die Philantropie der bürgerlichen Herzen und Geldſäcke appelliren. Allmählig fallen ſie in die Categorie der oben geſchilderten reaktionären oder konſervativen Socialiſten, und unterſcheiden ſich nur mehr von ihnen durch mehr ſyſtematiſche Pedanterie, durch den fanatiſchen Aberglauben an die Wunderwirkungen ihrer ſocialen Wiſſenſchaft.
Sie treten daher mit Erbitterung aller politiſchen Bewegung der Arbeiter entgegen, die nur aus blindem Unglauben an das neue Evangelium hervorgehen konnte.
Die Oweniſten in England, die Fourieriſten in Frankreich, reagiren dort gegen die Chartiſten, hier gegen die Reformiſten.