Karl Marx und Friedrich Engels: Manifeſt der Kommuniſtiſchen Partei. Veröffentlicht im Februar 1848. 0. Einleitung. Ein Geſpenſt geht um in Europa — das Geſpenſt des Kommunismus. Alle Mächte des alten Europa haben ſich zu einer heiligen Hetzjagd gegen dies Geſpenſt verbündet, der Papſt und der Czar, Metternich und Guizot, franzöſiſche Radikale und deutſche Poliziſten. Wo iſt die Oppoſitionspartei, die nicht von ihren regierenden Gegnern als kommuniſtiſch verſchrieen worden wäre, wo die Oppoſitionspartei, die den fortgeſchritteneren Oppoſitionsleuten ſowohl, wie ihren reaktionären Gegnern den brandmarkenden Vorwurf des Kommunismus nicht zurückgeſchleudert hätte? Zweierlei geht aus dieſer Thatſache hervor. Der Kommunismus wird bereits von allen europäiſchen Mächten als eine Macht anerkannt. Es iſt hohe Zeit daß die Kommuniſten ihre Anſchauungsweiſe, ihre Zwecke, ihre Tendenzen vor der ganzen Welt offen darlegen, und den Mährchen vom Geſpenſt des Kommunismus ein Manifeſt der Partei ſelbſt entgegenſtellen. Zu dieſem Zweck haben ſich Kommuniſten der verſchiedenſten Nationalität in London verſammelt und das folgende Manifeſt entworfen, das in engliſcher, franzöſiſcher, deutſcher, italieniſcher, flämmiſcher und däniſcher Sprache veröffentlicht wird. 1. Bourgeois und Proletarier. Die Geſchichte aller bisherigen Geſellſchaft iſt die Geſchichte von Klaſſenkämpfen. Freier und Sklave, Patrizier und Plebejer, Baron und Leibeigner, Zunftbürger und Geſell, kurz, Unterdrücker und Unterdrückte ſtanden in ſtetem Gegenſatz zu einander, führten einen ununterbrochenen, bald verſteckten bald offenen Kampf, einen Kampf, der jedesmal mit einer revolutionären Umgeſtaltung der ganzen Geſellſchaft endete, oder mit dem gemeinſamen Untergang der kämpfenden Klaſſen. In den früheren Epochen der Geſchichte finden wir faſt überall eine vollſtändige Gliederung der Geſellſchaft in verſchiedene Stände, eine mannichfaltige Abſtufung der geſellſchaftlichen Stellungen. Im alten Rom haben wir Patrizier, Ritter, Plebejer, Sklaven; im Mittelalter Feudalherren, Vaſallen, Zunftbürger, Geſellen, Leibeigene, und noch dazu in faſt jeder dieſer Klaſſen wieder beſondere Abſtufungen. Die aus dem Untergange der feudalen Geſellſchaft hervorgegangene moderne bürgerliche Geſellſchaft hat die Klaſſengegenſätze nicht aufgehoben. Sie hat nur neue Klaſſen, neue Bedingungen der Unterdrückung, neue Geſtaltungen des Kampfes an die Stelle der alten geſetzt. Unſere Epoche, die Epoche der Bourgeoiſie, zeichnet ſich jedoch dadurch aus, daß ſie die Klaſſengegenſätze vereinfacht hat. Die ganze Geſellſchaft ſpaltet ſich mehr und mehr in zwei große feindliche Lager, in zwei große einander direkt gegenüberſtehende Klaſſen — Bourgeoiſie und Proletariat. Aus den Leibeigenen des Mittelalters gingen die Pfahlbürger der erſten Städte hervor; aus dieſer Pfahlbürgerſchaft entwickelten ſich die erſten Elemente der Bourgeoiſie. Die Entdeckung Amerika’s, die Umſchiffung Afrika’s, ſchufen der aufkommenden Bourgeoiſie ein neues Terrain. Der oſtindiſche und chineſiſche Markt, die Koloniſirung von Amerika, der Austauſch mit den Kolonien, die Vermehrung der Tauſchmittel und der Waaren überhaupt gaben dem Handel, der Schifffahrt, der Induſtrie einen niegekannten Aufſchwung, und damit dem revolutionären Element in der zerfallenden feudalen Geſellſchaft eine raſche Entwicklung. Die bisherige feudale oder zünftige Betriebsweiſe der Induſtrie reichte nicht mehr aus für den mit den neuen Märkten anwachſenden Bedarf. Die Manufaktur trat an ihre Stelle. Die Zunftmeiſter wurden verdrängt durch den induſtriellen Mittelſtand; die Theilung der Arbeit zwiſchen den verſchiedenen Corporationen verſchwand vor der Theilung der Arbeit in der einzelnen Werkſtatt ſelbſt. Aber immer wuchſen die Märkte, immer ſtieg der Bedarf. Auch die Manufaktur reichte nicht mehr aus. Da revolutionirten der Dampf und die Maſchinerie die induſtrielle Produktion. An die Stelle der Manufaktur trat die moderne große Induſtrie, an die Stelle des induſtriellen Mittelſtandes traten die induſtriellen Millionäre, die Chefs ganzer induſtriellen Armeen, die modernen Bourgeois. Die große Induſtrie hat den Weltmarkt hergeſtellt, den die Entdeckung Amerika’s vorbereitete. Der Weltmarkt hat dem Handel, der Schifffahrt, den Landkommunikationen eine unermeßliche Entwicklung gegeben. Dieſe hat wieder auf die Ausdehnung der Induſtrie zurückgewirkt, und in demſelben Maße, worin Induſtrie, Handel, Schifffahrt, Eiſenbahnen ſich ausdehnten, in demſelben Maße entwickelte ſich die Bourgeoiſie, vermehrte ſie ihre Kapitalien, drängte ſie alle vom Mittelalter her überlieferten Klaſſen in den Hintergrund. Wir ſehen alſo, wie die moderne Bourgeoiſie ſelbſt das Produkt eines langen Entwicklungsganges, einer Reihe von Umwälzungen in der Produktions- und Verkehrsweiſe iſt. Jede dieſer Entwicklungsſtufen der Bourgeoiſie war begleitet von einem entſprechenden politiſchen Fortſchritt. Unterdrückter Stand unter der Herrſchaft der Feudalherren, bewaffnete und ſich ſelbſt verwaltende Aſſociationen in der Commune, hier unabhängige ſtädtiſche Republik, dort dritter ſteuerpflichtiger Stand der Monarchie, dann zur Zeit der Manufaktur Gegengewicht gegen den Adel in der ſtändiſchen oder in der abſoluten Monarchie und Hauptgrundlage der großen Monarchieen überhaupt, erkämpfte ſie ſich endlich ſeit der Herſtellung der großen Induſtrie und des Weltmarktes im modernen Repräſentativſtaat die ausſchließliche politiſche Herrſchaft. Die moderne Staatsgewalt iſt nur ein Ausſchuß, der die gemeinſchaftlichen Geſchäfte der ganzen Bourgeoisklaſſe verwaltet. Die Bourgeoiſie hat in der Geſchichte eine höchſt revolutionäre Rolle geſpielt. Die Bourgeoiſie, wo ſie zur Herrſchaft gekommen, hat alle feudalen, patriarchaliſchen, idylliſchen Verhältniſſe zerſtört. Sie hat die buntſcheckigen Feudalbande, die den Menſchen an ſeinen natürlichen Vorgeſetzten knüpften, unbarmherzig zerriſſen, und kein anderes Band zwiſchen Menſch und Menſch übrig gelaſſen, als das nackte Intereſſe, als die gefühlloſe „baare Zahlung.“ Sie hat die heiligen Schauer der frommen Schwärmerei, der ritterlichen Begeiſterung, der ſpießbürgerlichen Wehmuth in dem eiskalten Waſſer egoiſtiſcher Berechnung ertränkt. Sie hat die perſönliche Würde in den Tauſchwerth aufgelöſt, und an die Stelle der zahlloſen verbrieften und wohlerworbenen Freiheiten die Eine gewiſſenloſe Handelsfreiheit geſetzt. Sie hat, mit einem Wort, an die Stelle der mit religiöſen und politiſchen Illuſionen verhüllten Ausbeutung die offene, unverſchämte, direkte, dürre Ausbeutung geſetzt. Die Bourgeoiſie hat alle bisher ehrwürdigen und mit frommer Scheu betrachteten Thätigkeiten ihres Heiligenſcheins entkleidet. Sie hat den Arzt, den Juriſten, den Pfaffen, den Poeten, den Mann der Wiſſenſchaft in ihre bezahlten Lohnarbeiter verwandelt. Die Bourgeoiſie hat dem Familienverhältniß ſeinen rührend-ſentimentalen Schleier abgeriſſen und es auf ein reines Geldverhältniß zurückgeführt. Die Bourgeoiſie hat enthüllt, wie die brutale Kraftäußerung, die die Reaktion ſo ſehr am Mittelalter bewundert, in der trägſten Bärenhäuterei ihre paſſende Ergänzung fand. Erſt ſie hat bewieſen, was die Thätigkeit der Menſchen zuſtande bringen kann. Sie hat ganz andere Wunderwerke vollbracht, als egyptiſche Pyramiden, römiſche Waſſerleitungen und gothiſche Kathedralen, ſie hat ganz andere Züge ausgeführt, als Völkerwanderungen und Kreuzzüge. Die Bourgeoiſie kann nicht exiſtiren, ohne die Produktionsinſtrumente, alſo die Produktionsverhältniſſe, alſo ſämmtliche geſellſchaftlichen Verhältniſſe fortwährend zu revolutioniren. Unveränderte Beibehaltung der alten Produktionsweiſe war dagegen die erſte Exiſtenzbedingung aller früheren induſtriellen Klaſſen. Die fortwährende Umwälzung der Produktion, die ununterbrochene Erſchütterung aller geſellſchaftlichen Zuſtände, die ewige Unſicherheit und Bewegung zeichnet die Bourgeois-Epoche vor allen früheren aus. Alle feſten, eingeroſteten Verhältniſſe mit ihrem Gefolge von altehrwürdigen Vorſtellungen und Anſchauungen werden aufgelöſt, alle neugebildeten veralten, ehe ſie verknöchern können. Alles Ständiſche und Stehende verdampft, alles Heilige wird entweiht, und die Menſchen ſind endlich gezwungen, ihre Lebensſtellung, ihre gegenſeitigen Beziehungen mit nüchternen Augen anzuſehen. Das Bedürfniß nach einem ſtets ausgedehnteren Abſatz für ihre Produkte jagt die Bourgeoiſie über die ganze Erdkugel. Ueberall muß ſie ſich einniſten, überall anbauen, überall Verbindungen herſtellen. Die Bourgeoiſie hat durch die Exploitation des Weltmarkts die Produktion und Konſumtion aller Länder kosmopolitiſch geſtaltet. Sie hat zum großen Bedauern der Reaktionäre den nationalen Boden der Induſtrie unter den Füßen weggezogen. Die uralten nationalen Induſtrieen ſind vernichtet worden und werden noch täglich vernichtet. Sie werden verdrängt durch neue Induſtrieen, deren Einführung eine Lebensfrage für alle civiliſirte Nationen wird, durch Induſtrieen, die nicht mehr einheimiſche Rohſtoffe, ſondern den entlegenſten Zonen angehörige Rohſtoffe verarbeiten, und deren Fabrikate nicht nur im Lande ſelbſt, ſondern in allen Welttheilen zugleich verbraucht werden. An die Stelle der alten, durch Landeserzeugniſſe befriedigten Bedürfniſſe treten neue, welche die Produkte der entfernteſten Länder und Klimate zu ihrer Befriedigung erheiſchen. An die Stelle der alten lokalen und nationalen Selbſtgenügſamkeit und Abgeſchloſſenheit tritt ein allſeitiger Verkehr, eine allſeitige Abhängigkeit der Nationen von einander. Und wie in der materiellen, ſo auch in der geiſtigen Produktion. Die geiſtigen Erzeugniſſe der einzelnen Nationen werden Gemeingut. Die nationale Einſeitigkeit und Beſchränktheit wird mehr und mehr unmöglich, und aus den vielen nationalen und lokalen Literaturen bildet ſich eine Weltliteratur. Die Bourgeoiſie reißt durch die raſche Verbeſſerung aller Produktions-Inſtrumente, durch die unendlich erleichterten Kommunikationen alle, auch die barbariſchſten Nationen in die Civiliſation. Die wohlfeilen Preiſe ihrer Waaren ſind die ſchwere Artillerie, mit der ſie alle chineſiſchen Mauern in den Grund ſchießt, mit der ſie den hartnäckigſten Fremdenhaß der Barbaren zur Kapitulation zwingt. Sie zwingt alle Nationen die Produktionsweiſe der Bourgeoiſie ſich anzueignen, wenn ſie nicht zugrunde gehen wollen; ſie zwingt ſie die ſogenannte Civiliſation bei ſich ſelbſt einzuführen, d. h. Bourgeois zu werden. Mit einem Wort, ſie ſchafft ſich eine Welt nach ihrem eigenen Bilde. Die Bourgeoiſie hat das Land der Herrſchaft der Stadt unterworfen. Sie hat enorme Städte geſchaffen, ſie hat die Zahl der ſtädtiſchen Bevölkerung gegenüber der ländlichen in hohem Grade vermehrt, und ſo einen bedeutenden Theil der Bevölkerung dem Idiotismus des Landlebens entriſſen. Wie ſie das Land von der Stadt, hat ſie die barbariſchen und halbbarbariſchen Länder von den civiliſirten, die Bauernvölker von den Bourgeoisvölkern, den Orient vom Occident abhängig gemacht. Die Bourgeoiſie hebt mehr und mehr die Zerſplitterung der Produktionsmittel, des Beſitzes und der Bevölkerung auf. Sie hat die Bevölkerung agglomerirt, die Produktionsmittel centraliſirt und das Eigenthum in wenigen Händen koncentrirt. Die nothwendige Folge hiervon war die politiſche Centraliſation. Unabhängige, faſt nur verbündete Provinzen mit verſchiedenen Intereſſen, Geſetzen, Regierungen und Zöllen wurden zuſammengedrängt in Eine Nation, Eine Regierung, Ein Geſetz, Ein nationales Klaſſenintereſſe, Eine Douanenlinie. Die Bourgeoiſie hat in ihrer kaum hundertjährigen Klaſſenherrſchaft maſſenhaftere und koloſſalere Produktionskräfte geſchaffen, als alle vergangenen Generationen zuſammen. Unterjochung der Naturkräfte, Maſchinerie, Anwendung der Chemie auf Induſtrie und Ackerbau, Dampfſchiffahrt, Eiſenbahnen, elektriſche Telegraphen, Urbarmachung ganzer Welttheile, Schiffbarmachung der Flüſſe, ganze aus dem Boden hervorgeſtampfte Bevölkerungen — welch früheres Jahrhundert ahnte, daß ſolche Produktionskräfte im Schooß der geſellſchaftlichen Arbeit ſchlummerten. Wir haben aber geſehn: Die Produktions- und Verkehrsmittel, auf deren Grundlage ſich die Bourgeoiſie heranbildete, wurden in der feudalen Geſellſchaft erzeugt. Auf einer gewiſſen Stufe der Entwicklung dieſer Produktions- und Verkehrsmittel entſprachen die Verhältniſſe, worin die feudale Geſellſchaft producirte und austauſchte, die feudale Organiſation der Agrikultur und Manufaktur, mit einem Wort die feudalen Eigenthums-Verhältniſſe den ſchon entwickelten Produktivkräften nicht mehr. Sie hemmten die Produktion ſtatt ſie zu fördern. Sie verwandelten ſich in eben ſo viele Feſſeln. Sie mußten geſprengt werden, ſie wurden geſprengt. An ihre Stelle trat die freie Konkurrenz mit der ihr angemeſſenen geſellſchaftlichen und politiſchen Konſtitution, mit der ökonomiſchen und politiſchen Herrſchaft der Bourgeois-Klaſſe. Unter unſren Augen geht eine ähnliche Bewegung vor. Die bürgerlichen Produktions- und Verkehrs-Verhältniſſe, die bürgerlichen Eigenthums-Verhältniſſe, die moderne bürgerliche Geſellſchaft, die ſo gewaltige Produktions- und Verkehrsmittel hervorgezaubert hat, gleicht dem Hexenmeiſter, der die unterirdiſchen Gewalten nicht mehr zu beherrſchen vermag, die er herauf beſchwor. Seit Dezennien iſt die Geſchichte der Induſtrie und des Handels nur noch die Geſchichte der Empörung der modernen Produktivkräfte gegen die modernen Produktions-Verhältniſſe, gegen die Eigenthums-Verhältniſſe, welche die Lebens-Bedingungen der Bourgeoiſie und ihrer Herrſchaft ſind. Es genügt die Handelskriſen zu nennen, welche in ihrer periodiſchen Wiederkehr immer drohenden die Exiſtenz der ganzen bürgerlichen Geſellſchaft in Frage ſtellen. In den Handelskriſen wird ein großer Theil nicht nur der erzeugten Produkte, ſondern ſogar der bereits geſchaffenen Produktivkräfte regelmäßig vernichtet. In der Kriſen bricht eine geſellſchaftliche Epidemie aus, welche allen früheren Epochen als ein Widerſinn erſchienen wäre — die Epidemie der Ueberproduktion. Die Geſellſchaft findet ſich plötzlich in einen Zuſtand momentaner Barbarei zurückverſetzt; eine Hungersnoth, ein allgemeiner Verwüſtungskrieg ſcheinen ihr alle Lebensmittel abgeſchnitten zu haben; die Induſtrie, der Handel ſcheinen vernichtet, und warum? Weil ſie zu viel Civiliſation, zu viel Lebensmittel, zu viel Induſtrie, zu viel Handel beſitzt. Die Produktivkräfte, die ihr zur Verfügung ſtehen, dienen nicht mehr zur Beförderung der bürgerlichen Civiliſation und der bürgerlichen Eigenthums-Verhältniſſe; im Gegentheil, ſie ſind zu gewaltig für dieſe Verhältniſſe geworden, ſie werden von ihnen gehemmt, und ſo bald ſie dies Hemmniß überwinden, bringen ſie die ganze bürgerliche Geſellſchaft in Unordnung, gefährden ſie die Exiſtenz des bürgerlichen Eigenthums. Die bürgerlichen Verhältniſſe ſind zu eng geworden um den von ihnen erzeugten Reichthum zu faſſen. — Wodurch überwindet die Bourgeoiſie die Kriſen? Einerſeits durch die erzwungene Vernichtung einer Maſſe von Produktivkräften; andererſeits durch die Eroberung neuer Märkte, und die gründlichere Ausbeutung der alten Märkte. Wodurch alſo? Dadurch, daß ſie allſeitigere und gewaltigere Kriſen vorbereitet und die Mittel, den Kriſen vorzubeugen, vermindert. Die Waffen, womit die Bourgeoiſie den Feudalismus zu Boden geſchlagen hat, richten ſich jetzt gegen die Bourgeoiſie ſelbſt. Aber die Bourgeoiſie hat nicht nur die Waffen geſchmiedet, die ihr den Tod bringen; ſie hat auch die Männer gezeugt, die dieſe Waffen führen werden — die modernen Arbeiter, die {Proletarier}. In demſelben Maße, worin ſich die Bourgeoiſie, d.h. das Kapital entwickelt, in demſelben Maße entwickelt ſich das Proletariat, die Klaſſe der modernen Arbeiter, die nur ſo lange leben, als ſie Arbeit finden, und die nur ſo lange Arbeit finden, als ihre Arbeit das Kapital vermehrt. Dieſe Arbeiter, die ſich ſtückweis verkaufen müſſen, ſind eine Waare wie jeder andere Handelsartikel, und daher gleichmäßig allen Wechſelfällen der Konkurrenz, allen Schwankungen des Marktes ausgeſetzt. Die Arbeit der Proletarier hat durch die Ausdehnung der Maſchinerie und die Theilung der Arbeit allen ſelbſtſtändigen Charakter und damit allen Reiz für den Arbeiter verloren. Er wird ein bloßes Zubehör der Maſchine, von dem nur der einfachſte, eintönigſte, am leichteſten erlernbare Handgriff verlangt wird. Die Koſten, die der Arbeiter verurſacht, beſchränken ſich daher faſt nur auf die Lebensmittel, die er zu ſeinem Unterhalt und zur Fortpflanzung ſeiner Race bedarf. Der Preis einer Waare, alſo auch der Arbeit iſt aber gleich ihren Produktionskoſten. In demſelben Maße, in dem die Widerwärtigkeit der Arbeit wächſt, nimmt daher der Lohn ab. Noch mehr, in demſelben Maße wie Maſchinerie und Theilung der Arbeit zunehmen, in demſelben Maße nimmt auch die Maſſe der Arbeit zu, ſei es durch Vermehrung der Arbeitsſtunden, ſei es durch Vermehrung der in einer gegebenen Zeit geforderten Arbeit, beſchleunigten Lauf der Maſchinen u. ſ. w. Die moderne Induſtrie hat die kleine Werkſtube des patriarchaliſchen Meiſters in die große Fabrik des induſtriellen Kapitaliſten verwandelt. Arbeiter-Maſſen in der Fabrik zuſammengedrängt, werden ſoldatiſch organiſirt. Sie werden als gemeine Induſtrieſoldaten unter die Aufſicht einer vollſtändigen Hierarchie von Unteroffizieren und Offizieren geſtellt. Sie ſind nicht nur Knechte der Bourgeoisklaſſe, des Bourgeoisſtaates, ſie ſind täglich und ſtündlich geknechtet von der Maſchine, von dem Aufſeher, und vor Allem von dem einzelnen fabrizirenden Bourgeois ſelbſt. Dieſe Deſpotie iſt um ſo kleinlicher, gehäſſiger, erbitternder, je offener ſie den Erwerb als ihren letzten Zweck proklamirt. Je weniger die Handarbeit Geſchicklichkeit und Kraftäußerung erheiſcht, d.h. je mehr die moderne Induſtrie ſich entwickelt, deſto mehr wird die Arbeit der Männer durch die der Weiber und Kinder verdrängt. Geſchlechts- und Alters-Unterſchiede haben keine geſellſchaftliche Geltung mehr für die Arbeiterklaſſe. Es gibt nur noch Arbeitsinſtrumente, die je nach Alter und Geſchlecht verſchiedene Koſten machen. Iſt die Ausbeutung des Arbeiters durch den Fabrikanten ſo weit beendigt, daß er ſeinen Arbeitslohn baar ausgezahlt erhält, ſo fallen die andern Theile der Bourgeoiſie über ihn her, der Hausbeſitzer, der Krämer, der Pfandverleiher u. ſ. w. Die bisherigen kleinen Mittelſtände, die kleinen Induſtriellen, Kaufleute und Rentiers, die Handwerker und Bauern, alle dieſe Klaſſen fallen ins Proletariat hinab, theils dadurch, daß ihr kleines Kapital für den Betrieb der großen Induſtrie nicht ausreicht, und der Konkurrenz mit den größeren Kapitaliſten erliegt, theils dadurch, daß ihre Geſchicklichkeit von neuen Produktionsweiſen entwerthet wird. So rekrutirt ſich das Proletariat aus allen Klaſſen der Bevölkerung. Das Proletariat macht verſchiedene Entwicklungsſtufen durch. Sein Kampf gegen die Bourgeoiſie beginnt mit ſeiner Exiſtenz. Im Anfang kämpfen die einzelnen Arbeiter, dann die Arbeiter einer Fabrik, dann die Arbeiter eines Arbeitszweiges an einen Ort gegen den einzelnen Bourgeois, der ſie direkt ausbeutet. Sie richten ihre Angriffe nicht nur gegen die bürgerlichen Produktions-Verhältniſſe, ſie richten ſie gegen die Produktions-Inſtrumente ſelbſt; ſie vernichten die fremden konkurrirenden Waaren, ſie zerſchlagen die Maſchinen, ſie ſtecken die Fabriken in Brand, ſie ſuchen ſich die untergegangene Stellung des mittelalterlichen Arbeiters wieder zu erringen. Auf dieſer Stufe bilden die Arbeiter eine über das ganze Land zerſtreute und durch die Konkurrenz zerſplitterte Maſſe. Maſſenhaftes Zuſammenhalten der Arbeiter iſt noch nicht die Folge ihrer eigenen Vereinigung, ſondern die Folge der Vereinigung der Bourgeoiſie, die zur Erreichung ihrer eigenen politiſchen Zwecke das ganze Proletariat in Bewegung ſetzen muß und es einſtweilen noch kann. Auf dieſer Stufe bekämpfen die Proletarier alſo nicht ihre Feinde, ſondern die Feinde ihrer Feinde, die Reſte der abſoluten Monarchie, die Grundeigenthümer, die nicht induſtriellen Bourgeois, die Kleinbürger. Die ganze geſchichtliche Bewegung iſt ſo in den Händen der Bourgeoiſie konzentrirt; jeder Sieg, der ſo errungen wird, iſt ein Sieg der Bourgeoiſie. Aber mit der Entwicklung der Induſtrie vermehrt ſich nicht nur das Proletariat; es wird in größeren Maſſen zuſammengedrängt, ſeine Kraft wächſt und es fühlt ſie mehr. Die Intereſſen, die Lebenslagen innerhalb des Proletariats gleichen ſich immer mehr aus, indem die Maſchinerie mehr und mehr die Unterſchiede der Arbeit verwiſcht und den Lohn faſt überall auf ein gleich niedriges Niveau herabdrückt. Die wachſende Konkurrenz der Bourgeois unter ſich und die daraus hervorgehenden Handelskriſen machen den Lohn der Arbeiter immer ſchwankender; die immer raſcher ſich entwickelnde, unaufhörliche Verbeſſerung der Maſchinerie macht ihre ganze Lebensſtellung immer unſicherer; immer mehr nehmen die Kolliſionen zwiſchen dem einzelnen Arbeiter und dem einzelnen Bourgeois den Charakter von Kolliſionen zweier Klaſſen an. Die Arbeiter beginnen damit, Coalitionen gegen die Bourgeois zu bilden; ſie treten zuſammen zur Behauptung ihres Arbeitslohns. Sie ſtiften ſelbſt dauernde Aſſociationen, um ſich für dieſe gelegentlichen Empörungen zu verproviantiren. Stellenweis bricht der Kampf in Emeuten aus. Von Zeit zu Zeit ſiegen die Arbeiter, aber nur vorübergehend. Das eigentliche Reſultat ihrer Kämpfe iſt nicht der unmittelbare Erfolg, ſondern die immer weiter um ſich greifende Vereinigung der Arbeiter. Sie wird befördert durch die wachſenden Kommunikationsmittel, die von der großen Induſtrie erzeugt werden und die Arbeiter der verſchiedenen Lokalitäten mit einander in Verbindung ſetzen. Es bedarf aber blos der Verbindung, um die vielen Lokalkämpfe von überall gleichem Charakter, zu einem nationalen, zu einem Klaſſenkampf zu centraliſiren. Jeder Klaſſenkampf aber iſt ein politiſcher Kampf. Und die Vereinigung, zu der die Bürger des Mittelalters mit ihren Vicinalwegen Jahrhunderte bedurften, bringen die modernen Proletarier mit den Eiſenbahnen in wenigen Jahren zu Stande. Dieſe Organiſation der Proletarier zur Klaſſe, und damit zur politiſchen Partei, wird jeden Augenblick wieder geſprengt durch die Conkurrenz unter den Arbeitern ſelbſt. Aber ſie erſteht immer wieder, ſtärker, feſter, mächtiger. Sie erzwingt die Anerkennung einzelner Intereſſen der Arbeiter in Geſetzesform, indem ſie die Spaltungen der Bourgeoiſie unter ſich benutzt. So die Zehnſtundenbill in England. Die Kolliſionen der alten Geſellſchaft überhaupt fördern mannichfach den Entwicklungsgang des Proletariats. Die Bourgeoiſie befindet ſich in fortwährendem Kampfe; anfangs gegen die Ariſtokratie; ſpäter gegen die Theile der Bourgeoiſie ſelbſt, deren Intereſſen mit dem Fortſchritt der Induſtrie in Wiederſpruch gerathen; ſtets gegen die Bourgeoiſie aller auswärtigen Länder. In allen dieſen Kämpfen ſieht ſie ſich genöthigt an das Proletariat zu appelliren, ſeine Hülfe in Anſpruch zu nehmen und es ſo in die politiſche Bewegung hineinzureißen. Sie ſelbſt führt alſo dem Proletariat ihre eigenen Bildungselemente, d. h. Waffen gegen ſich ſelbſt zu. Es werden ferner, wie wir ſahen, durch den Fortſchritt der Induſtrie ganze Beſtandtheile der herrſchenden Klaſſe in’s Proletariat hinabgeworfen oder wenigſtens in ihren Lebensbedingungen bedroht. Auch ſie führen dem Proletariat eine Maſſe Bildungselemente zu. In Zeiten endlich wo der Klaſſenkampf ſich der Entſcheidung nähert, nimmt der Auflöſungsprozeß innerhalb der herrſchenden Klaſſe, innerhalb der ganzen alten Geſellſchaft, einen ſo heftigen, ſo grellen Charakter an, daß ein kleiner Theil der herrſchende Klaſſe ſich von ihr losſagt und ſich der revolutionären Klaſſe anſchließt, der Klaſſe, welche die Zukunft in ihren Händen trägt. Wie daher früher ein Theil des Adels zur Bourgeoiſie überging, ſo geht jetzt ein Theil der Bourgeoiſie zum Proletariat über, und namentlich ein Theil der Bourgeois-Ideologen, welche zum theoretiſchen Verſtändniß der ganzen geſchichtlichen Bewegung ſich hinaufgearbeitet haben. Von allen Klaſſen, welche heutzutage der Bourgeoiſie gegenüber ſtehen, iſt nur das Proletariat eine wirklich revolutionäre Klaſſe. Die übrigen Klaſſen verkommen und gehen unter mit der großen Induſtrie, das Proletariat iſt ihr eigenſtes Produkt. Die Mittelſtände, der kleine Induſtrielle, der kleine Kaufmann, der Handwerker, der Bauer, ſie Alle bekämpfen die Bourgeoiſie, um ihre Exiſtenz als Mittelſtände, vor dem Untergang zu ſichern. Sie ſind alſo nicht revolutionär, ſondern konſervativ. Noch mehr, ſie ſind reaktionär, denn ſie ſuchen das Rad der Geſchichte zurückzudrehen. Sind ſie revolutionär, ſo ſind ſie es im Hinblick auf den ihnen bevorſtehenden Uebergang ins Proletariat, ſo vertheidigen ſie nicht ihre gegenwärtigen, ſondern ihre zukünftigen Intereſſen, ſo verlaſſen ſie ihren eigenen Standpunkt um ſich auf den des Proletariats zu ſtellen. Das Lumpenproletariat, dieſe paſſive Verfaulung der unterſten Schichten der alten Geſellſchaft, wird durch eine proletariſche Revolution ſtellenweiſe in die Bewegung hineingeſchleudert, ſeiner ganzen Lebenslage nach wird es bereitwilliger ſein ſich zu reaktionären Umtrieben erkaufen zu laſſen. Die Lebensbedingungen der alten Geſellſchaft ſind ſchon vernichtet in den Lebensbedingungen des Proletariats. Der Proletarier iſt eigenthumslos; ſein Verhältniß zu Weib und Kindern hat nichts mehr gemein mit dem bürgerlichen Familienverhältniß; die moderne induſtrielle Arbeit, die moderne Unterjochung unter das Kapital, dieſelbe in England wie in Frankreich, in Amerika wie in Deutſchland, hat ihm allen nationalen Charakter abgeſtreift. Die Geſetze, die Moral, die Religion ſind für ihn eben ſo viele bürgerliche Vorurtheile, hinter denen ſich eben ſo viele bürgerliche Intereſſen verſtecken. Alle früheren Klaſſen, die ſich die Herrſchaft eroberten, ſuchten ihre ſchon erworbene Lebensſtellung zu ſichern, indem ſie die ganze Geſellſchaft den Bedingungen ihres Erwerbs unterwarfen. Die Proletarier können ſich die geſellſchaftlichen Produktivkräfte nur erobern, indem ſie ihre eigene bisherige Aneignungsweiſe und damit die ganze bisherige Aneignungsweiſe abſchaffen. Die Proletarier haben Nichts von dem Ihrigen zu ſichern, ſie haben alle bisherige Privatſicherheit und Privatverſicherungen zu zerſtören. Alle bisherigen Bewegungen waren Bewegungen von Minoritäten oder im Intereſſe von Minoritäten. Die proletariſche Bewegung iſt die ſelbſtſtändige Bewegung der ungeheuren Mehrzahl im Intereſſe der ungeheuren Mehrzahl. Das Proletariat, die unterſte Schichte der jetzigen Geſellſchaft, kann ſich nicht erheben, nicht aufrichten, ohne daß der ganze Ueberbau der Schichten, die die offizielle Geſellſchaft bilden, in die Luft geſprengt wird. Obgleich nicht dem Inhalt, iſt der Form nach der Kampf des Proletariats gegen die Bourgeoiſie zunächſt ein nationaler. Das Proletariat eines jeden Landes muß natürlich zuerſt mit ſeiner eigenen Bourgeoiſie fertig werden. Indem wir die allgemeinſten Phaſen der Entwicklung des Proletariats zeichneten, verfolgten wir den mehr oder minder verſteckten Bürgerkrieg innerhalb der beſtehenden Geſellſchaft bis zu dem Punkt, wo er in eine offene Revolution ausbricht und durch den gewaltſamen Sturz der Bourgeoiſie das Proletariat ſeine Herrſchaft begründet. Alle bisherige Geſellſchaft beruhte, wie wir geſehn haben, auf dem Gegenſatz unterdrückender und unterdrückter Klaſſen. Um aber eine Klaſſe unterdrücken zu können, müſſen ihr Bedingungen geſichert ſein innerhalb derer ſie wenigſtens ihre knechtiſche Exiſtenz friſten kann. Der Leibeigene hat ſich zum Mitglied der Kommune in der Leibeigenſchaft herangearbeitet, wie der Kleinbürger zum Bourgeois unter dem Joch des feudaliſtiſchen Abſolutismus. Der moderne Arbeiter dagegen, ſtatt ſich mit dem Fortſchritt der Induſtrie zu heben, ſinkt immer tiefer unter die Bedingungen ſeiner eignen Klaſſe herab. Der Arbeiter wird zum Pauper, und der Pauperismus entwickelt ſich noch raſcher als Bevölkerung und Reichthum. Es tritt hiermit offen hervor, daß die Bourgeoiſie unfähig iſt, noch länger die herrſchende Klaſſe der Geſellſchaft zu bleiben und die Lebensbedingungen ihrer Klaſſe der Geſellſchaft als regelndes Geſetz aufzuzwingen. Sie iſt unfähig zu herrſchen, weil ſie unfähig iſt ihrem Sklaven die Exiſtenz ſelbſt innerhalb ſeiner Sklaverei zu ſichern, weil ſie gezwungen iſt ihn in eine Lage herabſinken zu laſſen, wo ſie ihn ernähren muß, ſtatt von ihm ernährt zu werden. Die Geſellſchaft kann nicht mehr unter ihr leben, d. h. ihr Leben iſt nicht mehr verträglich mit der Geſellſchaft. Die weſentlichſte Bedingung für die Exiſtenz und für die Herrſchaft der Bourgeoisklaſſe iſt die Anhäufung des Reichthums in den Händen von Privaten, die Bildung und Vermehrung des Kapitals. Die Bedingung des Kapitals iſt die Lohnarbeit. Die Lohnarbeit beruht ausſchließlich auf der Konkurrenz der Arbeiter unter ſich. Der Fortſchritt der Induſtrie, deſſen willenloſer und wiederſtandsloſer Träger die Bourgeoiſie iſt, ſetzt an die Stelle der Iſolirung der Arbeiter durch die Konkurrenz ihre revolutionäre Vereinigung durch die Aſſociation. Mit der Entwicklung der großen Induſtrie wird alſo unter den Füßen der Bourgeoiſie die Grundlage ſelbſt weggezogen worauf ſie produzirt und die Produkte ſich aneignet. Sie produzirt vor Allem ihre eigenen Todtengräber. Ihr Untergang und der Sieg des Proletariats ſind gleich unvermeidlich. 2. Proletarier und Kommuniſten. In welchem Verhältniß ſtehen die Kommuniſten zu den Proletariern überhaupt? Die Kommuniſten ſind keine beſondere Partei gegenüber den andern Arbeiterparteien. Sie haben keine von den Intereſſen des ganzen Proletariats getrennten Intereſſen. Sie ſtellen keine beſondern Prinzipien auf, wonach ſie die proletariſche Bewegung modeln wollen. Die Kommuniſten unterſcheiden ſich von den übrigen proletariſchen Parteien nur dadurch, daß einerſeits ſie in den verſchiedenen nationalen Kämpfen der Proletarier die gemeinſamen, von der Nationalität unabhängigen Intereſſen des geſammten Proletariats hervorheben und zur Geltung bringen, andrerſeits dadurch, daß ſie in den verſchiedenen Entwicklungs-Stufen, welche der Kampf zwiſchen Proletariat und Bourgeoiſie durchläuft, ſtets das Intereſſe der Geſammt-Bewegung vertreten. Die Kommuniſten ſind alſo praktiſch der entſchiedenſte immer weiter treibende Theil der Arbeiterparteien aller Länder, ſie haben theoretiſch vor der übrigen Maſſe des Proletariats die Einſicht in die Bedingungen, den Gang und die allgemeinen Reſultate der proletariſchen Bewegung voraus. Der nächſte Zweck der Kommuniſten iſt derſelbe wie der aller übrigen proletariſchen Parteien: Bildung des Proletariats zur Klaſſe, Sturz der Bourgeoiſieherrſchaft, Eroberung der politiſchen Macht durch das Proletariat. Die theoretiſchen Sätze der Kommuniſten beruhen keineswegs auf Ideen, auf Prinzipien, die von dieſem oder jenem Weltverbeſſerer erfunden oder entdeckt ſind. Sie ſind nur allgemeine Ausdrücke thatſächlicher Verhältniſſe eines exiſtirenden Klaſſenkampfes, einer unter unſern Augen vor ſich gehenden geſchichtlichen Bewegung. Die Abſchaffung bisheriger Eigenthumsverhältniſſe iſt nichts dem Kommunismus eigenthümlich Bezeichnendes. Alle Eigenthumsverhältniſſe waren einem beſtändigen geſchichtlichen Wechſel, einer beſtändigen geſchichtlichen Veränderung unterworfen. Die Franzöſiſche Revolution z. B. ſchaffte das Feudal-Eigenthum zugunſten des bürgerlichen ab. Was den Kommunismus auszeichnet, iſt nicht die Abſchaffung des Eigenthums überhaupt, ſondern die Abſchaffung des bürgerlichen Eigenthums. Aber das moderne bürgerliche Privateigenthum iſt der letzte und vollendetſte Ausdruck der Erzeugung und Aneignung der Producte, die auf Klaſſengegenſätzen, die auf der Ausbeutung der Einen durch die Andern beruht. In dieſem Sinn können die Kommuniſten ihre Theorie in dem einen Ausdruck: Aufhebung des Privat-Eigenthums zuſammenfaſſen. Man hat uns Kommuniſten vorgeworfen, wir wollten das perſönlich erworbene, ſelbſterarbeitete Eigenthum abſchaffen; das Eigenthum, welches die Grundlage aller perſönlichen Freiheit, Thätigkeit und Selbſtändigkeit bilde. Erarbeitetes, erworbenes, ſelbſtverdientes Eigenthum! Sprecht Ihr von dem kleinbürgerlichen, kleinbäuerlichen Eigenthum, welches dem bürgerlichen Eigenthum vorherging? Wir brauchen es nicht abzuſchaffen, die Entwickelung der Induſtrie hat es abgeſchafft und ſchafft es täglich ab. Oder ſprecht Ihr vom modernen bürgerlichen Privateigenthum? Schafft aber die Lohnarbeit, die Arbeit des Proletariers ihm Eigenthum? Keineswegs. Sie ſchafft das Kapital, d. h. das Eigenthum, welches die Lohnarbeit ausbeutet, welches ſich nur unter der Bedingung vermehren kann, daß es neue Lohnarbeit erzeugt, um ſie von Neuem auszubeuten. Das Eigenthum in ſeiner heutigen Geſtalt bewegt ſich in dem Gegenſatz von Kapital und Lohnarbeit. Betrachten wir die beiden Seiten dieſes Gegenſatzes. Kapitaliſt ſein heißt nicht nur eine reinperſönliche, ſondern eine geſellſchaftliche Stellung in der Produktion einnehmen. Das Kapital iſt ein gemeinſchaftliches Produkt und kann nur durch eine gemeinſame Thätigkeit vieler Mitglieder, ja in letzter Inſtanz nur durch die gemeinſame Thätigkeit aller Mitglieder der Geſellſchaft in Bewegung geſetzt werden. Das Kapital iſt alſo keine perſönliche, es iſt eine geſellſchaftliche Macht. Wenn alſo das Kapital in gemeinſchaftliches, allen Mitgliedern der Geſellſchaft angehöriges Eigenthum verwandelt wird, ſo verwandelt ſich nicht perſönliches Eigenthum in geſellſchaftliches. Nur der geſellſchaftliche Charakter des Eigenthums verwandelt ſich. Er verliert ſeinen Klaſſen-Charakter. Kommen wir zur Lohnarbeit. Der Durchſchnittspreis der Lohnarbeit iſt das Minimum des Arbeitslohnes, d. h. die Summe der Lebensmittel, die nothwendig ſind, um den Arbeiter als Arbeiter am Leben zu erhalten. Was alſo der Lohnarbeiter durch ſeine Thätigkeit ſich aneignet, reicht blos dazu hin, um ſein nacktes Leben wieder zu erzeugen. Wir wollen dieſe perſönliche Aneignung der Arbeitsprodukte zur Wiedererzeugung des unmittelbaren Lebens keineswegs abſchaffen, eine Aneignung, die keinen Reinertrag übrigläßt, der Macht über fremde Arbeit geben könnte. Wir wollen nur den elenden Charakter dieſer Aneignung aufheben, worin der Arbeiter nur lebt, um das Kapital zu vermehren, nur ſo weit lebt, wie es das Intereſſe der herrſchenden Klaſſe erheiſcht. In der bürgerlichen Geſellſchaft iſt die lebendige Arbeit nur ein Mittel, die aufgehäufte Arbeit zu vermehren. In der kommuniſtiſchen Geſellſchaft iſt die aufgehäufte Arbeit nur ein Mittel, um den Lebensprozeß der Arbeiter zu erweitern, zu bereichern, zu befördern. In der bürgerlichen Geſellſchaft herrſcht alſo die Vergangenheit über die Gegenwart, in der kommuniſtiſchen die Gegenwart über die Vergangenheit. In der bürgerlichen Geſellſchaft iſt das Kapital ſelbſtſtändig und perſönlich, während das thätige Individuum unſelbſtſtändig und unperſönlich iſt. Und die Aufhebung dieſes Verhältniſſes nennt die Bourgeoiſie Aufhebung der Perſönlichkeit und Freiheit! Und mit Recht. Es handelt ſich allerdings um die Aufhebung der Bourgeois-Perſönlichkeit, Selbſtſtändigkeit und Freiheit. Unter Freiheit verſteht man innerhalb der jetzigen bürgerlichen Produktions-Verhältniſſe den freien Handel, den freien Kauf und Verkauf. Fällt aber der Schacher, ſo fällt auch der freie Schacher. Die Redensarten vom freien Schacher, wie alle übrigen Freiheitsbravaden unſerer Bourgeois haben überhaupt nur einen Sinn gegenüber dem gebundenen Schacher, gegenüber dem geknechteten Bürger des Mittelalters, nicht aber gegenüber der kommuniſtiſchen Aufhebung des Schachers, der bürgerlichen Produktions-Verhältniſſe und der Bourgeoiſie ſelbſt. Ihr entſetzt Euch darüber, daß wir das Privateigenthum aufheben wollen. Aber in Eurer beſtehenden Geſellſchaft iſt das Privateigenthum für 9 Zehntel ihrer Mitglieder aufgehoben; es exiſtirt gerade dadurch, daß es für 9 Zehntel nicht exiſtirt. Ihr werft uns alſo vor, daß wir ein Eigenthum aufheben wollen, welches die Eigenthumsloſigkeit der ungeheuren Mehrzahl der Geſellſchaft als nothwendige Bedingung vorausſetzt. Ihr werft uns mit einem Wort vor, daß wir Euer Eigenthum aufheben wollen. Allerdings das wollen wir. Von dem Augenblick an, wo die Arbeit nicht mehr in Kapital, Geld, Grundrente, kurz, in eine monopoliſirbare geſellſchaftliche Macht verwandelt werden kann, d. h. von dem Augenblick, wo das perſönliche Eigenthum nicht mehr in bürgerliches umſchlagen kann, von dem Augenblick an erklärt Ihr die Perſon ſei aufgehoben. Ihr geſteht alſo, daß Ihr unter der Perſon Niemanden anders verſteht, als den Bourgeois, den bürgerlichen Eigenthümer. Und dieſe Perſon ſoll allerdings aufgehoben werden. Der Kommunismus nimmt keinem die Macht ſich geſellſchaftliche Produkte anzueignen, er nimmt nur die Macht ſich durch dieſe Aneignung fremde Arbeit zu unterjochen. Man hat eingewendet, mit der Aufhebung des Privateigenthums werde alle Thätigkeit aufhören und eine allgemeine Faulheit einreißen. Hiernach müßte die bürgerliche Geſellſchaft längſt an der Trägheit zu Grunde gegangen ſein; denn die in ihr arbeiten, erwerben nicht, und die in ihr erwerben, arbeiten nicht. Das ganze Bedenken läuft auf die Tautologie hinaus, daß es keine Lohnarbeit mehr gibt, ſobald es kein Kapital mehr gibt. Alle Einwürfe die gegen die kommuniſtiſche Aneignungs- und Produktionsweiſe der materiellen Produkte gerichtet werden, ſind eben ſo auf die Aneignung und Produktion der geiſtigen Produkte ausgedehnt worden. Wie für den Bourgeois das Aufhören des Klaſſeneigenthums das Aufhören der Produktion ſelbſt iſt, ſo iſt für ihn das Aufhören der Klaſſenbildung identiſch mit dem Aufhören der Bildung überhaupt. Die Bildung, deren Verluſt er bedauert, iſt für die enorme Mehrzahl die Heranbildung zur Maſchine. Aber ſtreitet nicht mit uns, indem Ihr an Euren bürgerlichen Vorſtellungen von Freiheit, Bildung, Recht u. ſ. w. die Abſchaffung des bürgerlichen Eigenthums meßt. Eure Ideen ſelbſt ſind Erzeugniſſe der bürgerlichen Produktions- und Eigenthums-Verhältniſſe, wie Euer Recht nur der zum Geſetz erhobene Wille Eurer Klaſſe iſt, ein Wille, deſſen Inhalt gegeben iſt in den materiellen Lebensbedingungen Eurer Klaſſe. Die intereſſirte Vorſtellung, worin Ihr Eure Produktions- und Eigenthums-Verhältniſſe aus geſchichtlichen, in dem Lauf der Produktion vorübergehenden Verhältniſſen in ewige Natur und Vernunftgeſetze verwandelt, theilt Ihr mit allen untergegangenen herrſchenden Klaſſen. Was ihr für das antike Eigenthum begreift, was Ihr für das feudale Eigenthum begreift, dürft Ihr nicht mehr begreifen für das bürgerliche Eigenthum. Aufhebung der Familie! Selbſt die Radikalſten ereifern ſich über dieſe ſchändliche Abſicht der Kommuniſten. Worauf beruht die gegenwärtige, die bürgerliche Familie? Auf dem Kapital, auf dem Privaterwerb. Vollſtändig entwickelt exiſtirt ſie nur für die Bourgeoiſie; aber ſie findet ihre Ergänzung in der erzwungenen Familienloſigkeit der Proletarier und der öffentlichen Proſtitution. Die Familie des Bourgeois fällt natürlich weg, mit dem Wegfallen dieſer ihrer Ergänzung und beide verſchwinden mit dem Verſchwinden des Kapitals. Werft Ihr uns vor, daß wir die Ausbeutung der Kinder durch ihre Eltern aufheben wollen? Wir geſtehen dies Verbrechen ein. Aber ſagt Ihr, wir heben die trauteſten Verhältniſſe auf, indem wir an die Stelle der häuslichen Erziehung die geſellſchaftliche ſetzen. Und iſt nicht auch Eure Erziehung durch die Geſellſchaft beſtimmt? Durch die geſellſchaftlichen Verhältniſſe, innerhalb derer Ihr erzieht, durch die direktere oder indirektere Einmiſchung der Geſellſchaft vermittelſt der Schule u. ſ. w.? Die Kommuniſten erfinden nicht die Einwirkung der Geſellſchaft auf die Erziehung; ſie verändern nur ihren Charakter, ſie entreißen die Erziehung dem Einfluß einer herrſchenden Klaſſe. Die bürgerlichen Redensarten über Familie und Erziehung über das traute Verhältniß von Eltern und Kindern werden um ſo ekelhafter, je mehr in Folge der großen Induſtrie alle Familienbande für die Proletarier zerriſſen und die Kinder in einfache Handelsartikel und Arbeitsinſtrumente verwandelt werden. Aber Ihr Kommuniſten wollt die Weibergemeinſchaft einführen, ſchreit uns die ganze Bourgeoiſie im Chor entgegen. Der Bourgeois ſieht in ſeiner Frau ein bloßes Produktions-Inſtrument. Er hört, daß die Produktions-Inſtrumente gemeinſchaftlich ausgebeutet werden ſollen und kann ſich natürlich nichts anders denken, als daß das Loos der Gemeinſchaftlichkeit die Weiber gleichfalls treffen wird. Er ahnt nicht, daß es ſich eben darum handelt, die Stellung der Weiber als bloßer Produktions-Inſtrumente aufzuheben. Uebrigens iſt nichts lächerlicher als das hochmoraliſche Entſetzen unſrer Bourgeois über die angebliche officielle Weibergemeinſchaft der Kommuniſten. Die Kommuniſten brauchen die Weibergemeinſchaft nicht einzuführen, ſie hat faſt immer exiſtirt. Unſre Bourgeois, nicht zufrieden damit, daß ihnen die Weiber und Töchter ihrer Proletarier zur Verfügung ſtehen, von der officiellen Proſtitution gar nicht zu ſprechen, finden ein Hauptvergnügen darin, ihre Ehefrauen wechſelſeitig zu verführen. Die bürgerliche Ehe iſt in Wirklichkeit die Gemeinſchaft der Ehefrauen. Man könnte höchſtens den Kommuniſten vorwerfen, daß ſie an der Stelle einer heuchleriſch verſteckten, eine officielle, offenherzige Weibergemeinſchaft einführen wollten. Es verſteht ſich übrigens von ſelbſt, daß mit Aufhebung der jetzigen Produktions-Verhältniſſe auch die aus ihnen hervorgehende Weibergemeinſchaft, d. h. die officielle und nichtofficielle Proſtitution verſchwindet. Den Kommuniſten iſt ferner vorgeworfen worden, ſie wollten das Vaterland, die Nationalität abſchaffen. Die Arbeiter haben kein Vaterland. Man kann ihnen nicht nehmen, was ſie nicht haben. Indem das Proletariat zunächſt ſich die politiſche Herrſchaft erobern, ſich zur nationalen Klaſſe erheben, ſich ſelbſt als Nation konſtituiren muß, iſt es ſelbſt noch national, wenn auch keineswegs im Sinne der Bourgeoiſie. Die nationalen Abſonderungen und Gegenſätze der Völker verſchwinden mehr und mehr ſchon mit der Entwicklung der Bourgeoiſie, mit der Handelsfreiheit, dem Weltmarkt, der Gleichförmigkeit der induſtriellen Produktion und der ihr entſprechenden Lebensverhältniſſe. Die Herrſchaft des Proletariats wird ſie noch mehr verſchwinden machen. Vereinigte Aktion wenigſtens der civiliſirten Länder iſt eine der erſten Bedingungen ſeiner Befreiung. In dem Maße wie die Exploitation des einen Individuums durch das andere aufgehoben wird, wird die Exploitation einer Nation durch die andere aufgehoben. Mit dem Gegenſatz der Klaſſen im Innern der Nation fällt die feindliche Stellung der Nationen gegen einander. Die Anklagen gegen den Kommunismus, die von religiöſen, philoſophiſchen und ideologiſchen Geſichtspunkten überhaupt erhoben werden, verdienen keine ausführlichere Erörterung. Bedarf es tiefer Einſicht, um zu begreifen, daß mit den Lebensverhältniſſen der Menſchen, mit ihren geſellſchaftlichen Beziehungen, mit ihrem geſellſchaftlichen Daſein auch ihre Vorſtellungen, Anſchauungen und Begriffe, mit einem Worte auch ihr Bewußtſein ſich ändert? Was beweiſt die Geſchichte der Ideen anders, als daß die geiſtige Produktion ſich mit der materiellen umgeſtaltet. Die herrſchenden Ideen einer Zeit waren ſtets nur die Ideen der herrſchenden Klaſſe. Man ſpricht von Ideen, welche eine ganze Geſellſchaft revolutioniren; man ſpricht damit nur die Thatſache aus, daß ſich innerhalb der alten Geſellſchaft die Elemente einer neuen gebildet haben, daß mit der Auflöſung der alten Lebensverhältniſſe die Auflöſung der alten Ideen gleichen Schritt hält. Als die alte Welt im Untergehen begriffen war, wurden die alten Religionen von der chriſtlichen Religion beſiegt. Als die chriſtlichen Ideen im 18. Jahrhundert den Aufklärungs-Ideen unterlagen, rang die feudale Geſellſchaft ihren Todeskampf mit der damals revolutionären Bourgeoiſie. Die Ideen der Gewiſſens- und Religionsfreiheit ſprachen nur die Herrſchaft der freien Konkurrenz auf dem Gebiete des Gewiſſens aus. Aber wird man ſagen, religiöſe, moraliſche, philoſophiſche, politiſche, rechtliche Ideen u. ſ. w. modificirten ſich allerdings im Lauf der geſchichtlichen Entwicklung. Die Religion, die Moral, die Philoſophie, die Politik, das Recht erhielten ſich ſtets in dieſem Wechſel. Es gibt zudem ewige Wahrheiten, wie Freiheit, Gerechtigkeit u. ſ. w., die allen geſellſchaftlichen Zuſtänden gemeinſam ſind. Der Kommunismus aber ſchafft die ewigen Wahrheiten ab, er ſchafft die Religion ab, die Moral, ſtatt ſie neu zu geſtalten, er widerſpricht alſo allen bisherigen geſchichtlichen Entwicklungen. Worauf reducirt ſich dieſe Anklage? Die Geſchichte der ganzen bisherigen Geſellſchaft bewegte ſich in Klaſſengegenſätzen, die in den verſchiedenen Epochen verſchieden geſtaltet waren. Welche Form ſie aber auch immer angenommen, die Ausbeutung des einen Theils der Geſellſchaft durch den andern iſt eine allen vergangenen Jahrhunderten gemeinſame Thatſache. Kein Wunder daher, daß das geſellſchaftliche Bewußtſein aller Jahrhunderte, aller Mannigfaltigkeit und Verſchiedenheit zum Trotz, in gewiſſen gemeinſamen Formen ſich bewegt, Formen, Bewußtſeinsformen, die nur mit dem gänzlichen Verſchwinden des Klaſſengegenſatzes ſich vollſtändig auflöſen. Die kommuniſtiſche Revolution iſt das radikalſte Brechen mit den überlieferten Eigenthums-Verhältniſſen, kein Wunder, daß in ihrem Entwicklungsgange am radikalſten mit den überlieferten Ideen gebrochen wird. Doch laſſen wir die Einwürfe der Bourgeoiſie gegen den Kommunismus. Wir ſahen ſchon oben, daß der erſte Schritt in der Arbeiter-Revolution die Erhebung des Proletariats zur herrſchenden Klaſſe, die Erkämpfung der Demokratie iſt. Das Proletariat wird ſeine politiſche Herrſchaft dazu benutzen der Bourgeoiſie nach und nach alles Kapital zu entreißen, alle Produktions-Inſtrumente in den Händen des Staats, d. h. des als herrſchende Klaſſe organiſirten Proletariats zu centraliſiren und die Maſſe der Produktionskräfte möglichſt raſch zu vermehren. Es kann dies natürlich zunächſt nur geſchehen vermittelſt deſpotiſcher Eingriffe in das Eigenthumsrecht und in die bürgerlichen Produktions-Verhältniſſe, durch Maaßregeln alſo, die ökonomiſch unzureichend und unhaltbar erſcheinen, die aber im Lauf der Bewegung über ſich ſelbſt hinaus treiben und als Mittel zur Umwälzung der ganzen Produktionsweiſe unvermeidlich ſind. Dieſe Maaßregeln werden natürlich je nach den verſchiedenen Ländern verſchieden ſein. Für die fortgeſchrittenſten Länder werden jedoch die folgenden ziemlich allgemein in Anwendung kommen können: 1) Expropriation des Grundeigenthums und Verwendung der Grundrente zu Staatsausgaben. 2) Starke Progreſſiv-Steuer. 3) Abſchaffung des Erbrechts. 4) Konfiskation des Eigenthums aller Emigranten und Rebellen. 5) Centraliſation des Kredits in den Händen des Staats durch eine Nationalbank mit Staatskapital und ausſchließlichem Monopol. 6) Centraliſation alles Transportweſens in den Händen des Staats. 7) Vermehrung der Nationalfabriken, Produktions-Inſtrumente, Urbarmachung und Verbeſſerung der Ländereien nach einem gemeinſchaftlichen Plan. 8) Gleicher Arbeitszwang für Alle, Errichtung induſtrieller Armeen beſonders für den Ackerbau. 9) Vereinigung des Betriebs von Ackerbau und Induſtrie, Hinwirken auf die allmählige Beſeitigung des Gegenſatzes von Stadt und Land. 10) Oeffentliche und unentgeltliche Erziehung aller Kinder. Beſeitigung der Fabrikarbeit der Kinder in ihrer heutigen Form. Vereinigung der Erziehung mit der materiellen Produktion u. ſ. w., u. ſ. w. Sind im Laufe der Entwicklung die Klaſſenunterſchiede verſchwunden, und iſt alle Produktion in den Händen der aſſocirten Individuen koncentrirt, ſo verliert die öffentliche Gewalt den politiſchen Charakter. Die politiſche Gewalt im eigentlichen Sinn iſt die organiſirte Gewalt einer Klaſſe zur Unterdrückung einer andern. Wenn das Proletariat im Kampfe gegen die Bourgeoiſie ſich nothwendig zur Klaſſe vereint, durch eine Revolution ſich zur herrſchenden Klaſſe macht, und als herrſchende Klaſſe gewaltſam die alten Produktions-Verhältniſſe aufhebt, ſo hebt es mit dieſen Produktions-Verhältniſſen die Exiſtenz-Bedingungen des Klaſſengegenſatzes der Klaſſen überhaupt, und damit ſeine eigene Herrſchaft als Klaſſe auf. An die Stelle der alten bürgerlichen Geſellſchaft mit ihren Klaſſen und Klaſſen-Gegenſätzen tritt eine Aſſociation, worin die freie Entwicklung eines Jeden, die Bedingung für die freie Entwicklung Aller iſt. 3. Socialiſtiſche und kommuniſtiſche Literatur. // 1) Der reaktionaire Socialismus. a) Der feudale Socialismus. Die franzöſiſche und engliſche Ariſtokratie war ihrer geſchichtlichen Stellung nach dazu berufen, Pamphlete gegen die moderne bürgerliche Geſellſchaft zu ſchreiben. In der franzöſiſchen Julirevolution von 1830, in der engliſchen Reformbewegung war ſie noch einmal dem verhaßten Emporkömmling erlegen. Von einem ernſten politiſchen Kampfe konnte nicht mehr die Rede ſein. Nur der literariſche Kampf blieb ihr übrig. Aber auch auf dem Gebiete der Literatur waren die alten Redensarten der Reſtaurationszeit unmöglich geworden. Um Sympathie zu erregen, mußte die Ariſtokratie ſcheinbar ihre Intereſſen aus den Augen verlieren und nur noch im Intereſſe der exploitirten Arbeiterklaſſe ihren Anklageakt gegen die Bourgeoiſie formuliren. Sie bereitete ſich ſo die Genugthuung vor, Schmählieder auf ihren neuen Herrſcher ſingen und mehr oder minder unheilſchwangere Prophezeihungen ihm in’s Ohr raunen zu dürfen. Auf dieſe Art entſtand der feudaliſtiſche Socialismus, halb Klagelied, halb Pasquill, halb Rückhall der Vergangenheit, halb Dräuen der Zukunft, mitunter die Bourgeoiſie in’s Herz treffend durch bittres, geiſtreich zerreißendes Urtheil, ſtets komiſch wirkend durch gänzliche Unfähigkeit den Gang der modernen Geſchichte zu begreifen. Den proletariſchen Bettlerſack ſchwenkten ſie als Fahne in der Hand, um das Volk hinter ſich her zu verſammeln. So oft es ihnen aber folgte, erblickte es auf ihrem Hintern die alten feudalen Wappen und verlief ſich mit lautem und unehrerbietigem Gelächter. Ein Theil der franzöſiſchen Legitimiſten und das junge England gaben dies Schauſpiel zum Beſten. Wenn die Feudalen beweiſen, daß ihre Weiſe der Ausbeutung anders geſtaltet war als die bürgerliche Ausbeutung, ſo vergeſſen ſie nur, daß ſie unter gänzlich verſchiedenen und jetzt überlebten Umſtänden und Bedingungen ausbeuteten. Wenn ſie nachweiſen, daß unter ihrer Herrſchaft nicht das moderne Proletariat exiſtirt hat, ſo vergeſſen ſie nur, daß eben die moderne Bourgeoiſie ein nothwendiger Sprößling ihrer Geſellſchaftsordnung war. Uebrigens verheimlichen ſie den reaktionären Charakter ihrer Kritik ſo wenig, daß ihre Hauptanklage gegen die Bourgeoiſie eben darin beſteht, unter ihrem Regime entwickele ſich eine Klaſſe, welche die ganze alte Geſellſchaftsordnung in die Luft ſprengen werde. Sie werfen der Bourgeoiſie mehr noch vor, daß ſie ein revolutionäres Proletariat, als daß ſie überhaupt ein Proletariat erzeugt. In der politiſchen Praxis nehmen ſie daher an allen Gewaltmaßregeln gegen die Arbeiterklaſſe Theil, und im gewöhnlichen Leben bequemen ſie ſich, allen ihren aufgeblähten Redensarten zum Trotz, die goldenen Aepfel aufzuleſen, und Treue, Liebe, Ehre mit dem Schacher in Schaafswolle, Runkelrüben und Schnapps zu vertauſchen. Wie der Pfaffe immer Hand in Hand ging mit dem Feudalen, ſo der pfäffiſche Socialismus mit dem feudaliſtiſchen. Nichts leichter, als dem chriſtlichen Aſcetismus einen ſocialiſtiſchen Anſtrich zu geben. Hat das Chriſtenthum nicht auch gegen das Privateigenthum, gegen die Ehe, gegen den Staat geeifert? Hat es nicht die Wohlthätigkeit und den Bettel, das Cölibat und die Fleiſchesertödtung, das Zellenleben und die Kirche an ihre Stelle gepredigt? Der heitige Socialismus iſt nur das Weihwaſſer, womit der Pfaffe den Aerger des Ariſtokraten einſegnet. * * * b) Kleinbürgerlicher Socialismus. Die feudale Ariſtokratie iſt nicht die einzige Klaſſe, welche durch die Bourgeoiſie geſtürzt wurde, deren Lebensbedingungen in der modernen bürgerlichen Geſellſchaft verkümmerten und abſtarben. Das mittelalterliche Pfahlbürgerthum und der kleine Bauernſtand waren die Vorläufer der modernen Bourgeoiſie. In den weniger induſtriell und kommerciell entwickelten Ländern vegetirt dieſe Klaſſe noch fort neben der aufkommenden Bourgeoiſie. In den Ländern, wo ſich die moderne Civiliſation entwickelt hat, hat ſich eine neue Kleinbürgerſchaft gebildet, die zwiſchen dem Proletariat und der Bourgeoiſie ſchwebt und als ergänzender Theil der bürgerlichen Geſellſchaft ſtets von Neuem ſich bildet, deren Mitglieder aber beſtändig durch die Konkurrenz in’s Proletariat hinabgeſchleudert werden, ja ſelbſt mit der Entwicklung der großen Induſtrie einen Zeitpunkt herannahen ſehen, wo ſie als ſelbſtſtändiger Theil der modernen Geſellſchaft gänzlich verſchwinden, und im Handel, in der Manufaktur, in der Agrikultur durch Arbeitsaufſeher und Domeſtiken erſetzt werden. In Ländern wie in Frankreich, wo die Bauernklaſſe weit mehr als die Hälfte der Bevölkerung ausmacht, war es natürlich, daß Schriftſteller, die für das Proletariat gegen die Bourgeoiſie auftraten, an ihre Kritik des Bourgeoisregime’s den kleinbürgerlichen und kleinbäuerlichen Maaßſtab anlegten und die Partei der Arbeiter vom Standpunkt des Kleinbürgerthums ergriffen. Es bildete ſich ſo der kleinbürgerliche Socialismus. Sismondi iſt das Haupt dieſer Literatur nicht nur für Frankreich ſondern auch für England. Dieſer Socialismus zergliederte höchſt ſcharfſinnig die Widerſprüche in den modernen Produktionsverhältniſſen. Er enthüllte die gleißneriſchen Beſchönigungen der Oekonomen. Er wies unwiderleglich die zerſtörenden Wirkungen der Maſchinerie und der Theilung der Arbeit nach, die Koncentration der Kapitalien und des Grundbeſitzes, die Ueberproduktion, die Kriſen, den nothwendigen Untergang der kleinen Bürger und Bauern, das Elend des Proletariats, die Anarchie in der Produktion, die ſchreienden Mißverhältniſſe in der Vertheilung des Reichthums, den induſtriellen Vernichtungskrieg der Nationen unter einander, die Auflöſung der alten Sitten, der alten Familien-Verhältniſſe, der alten Nationalitäten. Seinem poſitiven Gehalte nach will jedoch dieſer Socialismus entweder die alten Produktions- und Verkehrsmittel wiederherſtellen und mit ihnen die alten Eigenthumsverhältniſſe und die alte Geſellſchaft, oder er will die modernen Produktions- und Verkehrsmittel in den Rahmen der alten Eigenthumsverhältniſſe, die von ihnen geſprengt werden, geſprengt werden mußten, gewaltſam wieder einſperren. In beiden Fällen iſt er reaktionär und utopiſtiſch zugleich. Zunftweſen in der Manufaktur und patriarchaliſche Wirthſchaft auf dem Lande, das ſind ſeine letzten Worte. In ihrer weitern Entwicklung hat ſich dieſe Richtung in einen feigen Katzenjammer verlaufen. * * * c) Der deutſche oder der wahre Socialismus. Die ſocialiſtiſche und kommuniſtiſche Literatur Frankreichs, die unter dem Druck einer herrſchenden Bourgeoiſie entſtand und der literariſche Ausdruck des Kampfes gegen dieſe Herrſchaft iſt, wurde nach Deutſchland eingeführt zu einer Zeit, wo die Bourgeoiſie ſoeben ihren Kampf gegen den feudalen Abſolutismus begann. Deutſche Philoſophen, Halbphiloſophen und Schöngeiſter bemächtigten ſich gierig dieſer Literatur und vergaſſen nur, daß bei der Einwanderung jener Schriften aus Frankreich die franzöſiſchen Lebensverhältniſſe nicht gleichzeitig nach Deutſchland eingewandert waren. Den deutſchen Verhältniſſen gegenüber verlor die franzöſiſche Literatur alle unmittelbar praktiſche Bedeutung und nahm ein rein literariſches Ausſehen an. Als müßige Spekulation über die wahre Geſellſchaft, über die Verwirklichung des menſchlichen Weſens mußte ſie erſcheinen. So hatten für die deutſchen Philoſophen des 18. Jahrhunderts die Forderungen der erſten franzöſiſchen Revolution nur den Sinn, Forderungen der „praktiſchen Vernunft“ im Allgemeinen zu ſein und die Willensäußerungen der revolutionären franzöſiſchen Bourgeoiſie bedeuteten in ihren Augen die Geſetze des reinen Willens, des Willens wie er ſein muß, des wahrhaft menſchlichen Willens. Die ausſchließliche Arbeit der deutſchen Literaten beſtand darin, die neuen franzöſiſchen Ideen mit ihrem alten philoſophiſchen Gewiſſen in Einklang zu ſetzen, oder vielmehr von ihrem philoſophiſchen Standpunkt aus die franzöſiſchen Ideen ſich anzueignen. Dieſe Aneignung geſchah in derſelben Weiſe, wodurch man ſich überhaupt eine fremde Sprache aneignet, durch die Ueberſetzung. Es iſt bekannt, wie die Mönche Manuſcripte, worauf die klaſſiſchen Werke der alten Heidenzeit verzeichnet waren, mit abgeſchmackten katholiſchen Heiligengeſchichten überſchrieben. Die deutſchen Literaten gingen umgekehrt mit der profanen franzöſiſchen Literatur um. Sie ſchrieben ihren philoſophiſchen Unſinn hinter das franzöſiſche Orginal. Z. B. hinter die franzöſiſche Kritik der Geldverhältniſſe ſchrieben ſie „Entäußerung des menſchlichen Weſens“, hinter die franzöſiſche Kritik des Bourgeoisſtaats ſchrieben ſie „Aufhebung der Herrſchaft des abſtrakt Allgemeinen“ u. ſ. w. Dieſe Unterſchiebung ihrer philoſophiſchen Redensarten unter die franzöſiſchen Entwicklungen taufte ſie „Philoſophie der That“, „wahrer Socialismus“, „Deutſche Wiſſenſchaft des Socialismus“, „Philoſophiſche Begründung des Socialismus“ u. ſ. w. Die franzöſiſch-ſocialiſtiſch kommuniſtiſche Literatur wurde ſo förmlich entmannt. Und da ſie in der Hand des Deutſchen aufhörte, den Kampf einer Klaſſe gegen die andre auszudrücken, ſo war der Deutſche ſich bewußt, die franzöſiſche Einſeitigkeit überwunden, ſtatt wahrer Bedürfniſſe, das Bedürfniß der Wahrheit, und ſtatt die Intereſſen des Proletariers die Intereſſen des menſchlichen Weſens, des Menſchen überhaupt vertreten zu haben, des Menſchen, der keiner Klaſſe, der überhaupt nicht der Wirklichkeit, der nur dem Dunſthimmel der philoſophiſchen Phantaſie angehört. Dieſer deutſche Socialismus, der ſeine unbeholfenen Schulübungen ſo ernſt und feierlich nahm und ſo marktſchreieriſch auspoſaunte, verlor indeß nach und nach ſeine pedantiſche Unſchuld. Der Kampf der deutſchen namentlich der preußiſchen Bourgeoiſie gegen die Feudalen und das abſolute Königthum, mit einem Wort, die liberale Bewegung wurde ernſthafter. Dem wahren Socialismus war ſo die erwünſchte Gelegenheit geboten, der politiſchen Bewegung die ſocialiſtiſchen Forderungen gegenüber zu ſtellen. Die überlieferten Anatheme gegen den Liberalismus, gegen den Repräſentativ-Staat, gegen die bürgerliche Konkurrenz, bürgerliche Preßfreiheit, bürgerliches Recht, bürgerliche Freiheit und Gleichheit zu ſchleudern und der Volksmaſſe vorzupredigen, wie ſie bei dieſer bürgerlichen Bewegung nichts zu gewinnen, vielmehr Alles zu verlieren habe. Der deutſche Socialismus vergaß rechtzeitig, daß die franzöſiſche Kritik, deren geiſtloſes Echo er war, die moderne bürgerliche Geſellſchaft mit den entſprechenden materiellen Lebensbedingungen und der angemeſſenen politiſchen Konſtitution vorausſetzt, lauter Vorausſetzungen, um deren Erkämpfung es ſich erſt in Deutſchland handelte. Er diente den deutſchen abſoluten Regierungen mit ihrem Gefolge von Pfaffen, Schulmeiſtern, Krautjunkern und Büreaukraten als erwünſchte Vogelſcheuche gegen die drohend aufſtrebende Bourgeoiſie. Er bildete die ſüßliche Ergänzung zu den bittern Peitſchenhieben und Flintenkugeln, womit dieſelben Regierungen die deutſchen Arbeiter-Aufſtände bearbeiteten. Ward der wahre Socialismus dergeſtalt eine Waffe in der Hand der Regierungen gegen die deutſche Bourgeoiſie, ſo vertrat er auch unmittelbar ein reaktionäres Intereſſe, das Intereſſe der deutſchen Pfahlbürgerſchaft. In Deutſchland bildet das vom ſechzehnten Jahrhundert her überlieferte und ſeit der Zeit in verſchiedener Form hier immer neu wieder auftauchende Kleinbürgerthum die eigentliche geſellſchaftliche Grundlage der beſtehenden Zuſtände. Seine Erhaltung iſt die Erhaltung der beſtehenden deutſchen Zuſtände. Von der induſtriellen und politiſchen Herrſchaft der Bourgeoiſie fürchtet es den ſichern Untergang, einer Seits in Folge der Koncentration des Kapitals, anderer Seits durch das Aufkommen eines revolutionären Proletariats. Der wahre Socialismus ſchien ihm beide Fliegen mit einer Klappe zu ſchlagen. Er verbreitete ſich wie eine Epidemie. Das Gewand, gewirkt aus ſpekulativem Spinnweb, überſtickt mit ſchöngeiſtigen Redeblumen, durchtränkt von liebesſchwülem Gemüthsthau, dies überſchwängliche Gewand, worin die deutſchen Socialiſten ihre paar knöchernen ewigen Wahrheiten einhüllten, vermehrte nur den Abſatz ihrer Waare bei dieſem Publikum. Seiner Seits erkannte der deutſche Socialismus immer mehr ſeinen Beruf, der hochtrabende Vertreter dieſer Pfahlbürgerſchaft zu ſein. Er proklamirte die deutſche Nation als die normale Nation und den deutſchen Spießbürger als den Normal-Menſchen. Er gab jeder Niedertracht desſelben einen verborgenen höheren ſocialiſtiſchen Sinn, worin ſie ihr Gegentheil bedeutete. Er zog die letzte Konſequenz, indem er direkt gegen die rohdeſtruktive Richtung des Kommunismus auftrat, und ſeine unparteiiſche Erhabenheit über alle Klaſſenkämpfe verkündete. Mit ſehr wenigen Ausnahmen gehören alles, was in Deutſchland von angeblich ſocialiſtiſchen und kommuniſtiſchen Schriften cirkulirt, in den Bereich dieſer ſchmutzigen entnervenden Literatur. * * * 2) Der konſervative oder Bourgeois-Socialismus. Ein Theil der Bourgeoiſie wünſcht den {ſocialen Mißſtänden} abzuhelfen, um den Beſtand der bürgerlichen Geſellſchaft zu ſichern. Es gehören hierher, Oekonomiſten, Philantropen, Humanitäre, Verbeſſerer der Lage der arbeitenden Klaſſen, Wohlthätigkeits-Organiſirer, Abſchaffer der Thierquälerei, Mäßigkeits-Vereinsſtifter, Winkelreformer der buntſcheckigſten Art. Und auch zu ganzen Syſtemen iſt dieſer Bourgeois-Socialismus ausgearbeitet worden. Als Beiſpiel führen wir Proudhon’s Philoſophie de la miſère an. Die ſocialiſtiſchen Bourgeois wollen die Lebensbedingungen der modernen Geſellſchaft ohne die nothwendig daraus hervorgehenden Kämpfe und Gefahren. Sie wollen die beſtehende Geſellſchaft mit Abzug der ſie revolutionirenden und ſie auflöſenden Elemente. Sie wollen die Bourgeoiſie ohne das Proletariat. Die Bourgeoiſie ſtellt ſich die Welt, worin ſie herrſcht, natürlich als die beſte Welt vor. Der Bourgeois-Socialismus arbeitet dieſe tröſtliche Vorſtellung zu einem halben oder ganzen Syſtem aus. Wenn er das Proletariat auffordert ſeine Syſteme zu verwirklichen, um in das neue Jeruſalem einzugehen, ſo verlangt er im Grunde nur, daß es in der jetzigen Geſellſchaft ſtehen bleibe, aber ſeine gehäſſigen Vorſtellungen von derſelben abſtreife. Eine zweite, weniger ſyſtematiſche und mehr praktiſche Form des Socialismus ſuchte der Arbeiterklaſſe jede revolutionäre Bewegung zu verleiden, durch den Nachweis, wie nicht dieſe oder jene politiſche Veränderung, ſondern nur eine Veränderung der materiellen Lebensverhältniſſe, der ökonomiſchen Verhältniſſe ihr von Nutzen ſein könne. Unter Veränderung der materiellen Lebensverhältniſſe verſteht dieſer Socialismus aber keineswegs Abſchaffung der bürgerlichen Produktions-Verhältniſſe, die nur auf revolutionärem Wege möglich iſt, ſondern adminiſtrative Verbeſſerungen, die auf dem Boden dieſer Produktionsverhältniſſe vor ſich gehen; alſo an dem Verhältniß von Kapital und Lohnarbeit nichts ändern, ſondern im beſten Fall der Bourgeoiſie die Koſten ihrer Herrſchaft vermindern und ihren Staatshaushalt vereinfachen. Seinen entſprechenden Ausdruck erreicht der Bourgeois-Socialismus erſt da, wo er zur bloßen redneriſchen Figur wird. Freier Handel! im Intereſſe der arbeitenden Klaſſe; Schutzzölle! im Intereſſe der arbeitenden Klaſſe; Zellengefängniſſe! im Intereſſe der arbeitenden Klaſſe, das iſt das letzte, das einzig ernſt gemeinte Wort des Bourgeois-Socialismus. Ihr Socialismus beſteht eben in der Behauptung, daß die Bourgeois Bourgeois ſind - im Intereſſe der arbeitenden Klaſſe. * * * 3) Der kritiſch-utopiſtiſche Socialismus und Kommunismus. Wie reden hier nicht von der Literatur, die in allen großen modernen Revolutionen die Forderungen des Proletariats ausſprach. (Schriften Babeufs u. ſ. w.) Die erſten Verſuche des Proletariats in einer Zeit allgemeiner Aufregung, in der Periode des Umſturzes der feudalen Geſellſchaft direkt ſein eigenes Klaſſenintereſſe durchzuſetzen, ſcheiterten nothwendig an der unentwickelten Geſtalt des Proletariats ſelbſt, wie an dem Mangel der materiellen Bedingungen ſeiner Befreiung, die eben erſt das Produkt der bürgerlichen Epoche ſind. Die revolutionäre Literatur, welche dieſe erſten Bewegungen des Proletariats begleitete, iſt dem Inhalt nach nothwendig reaktionär. Sie lehrt einen allgemeinen Aſcetismus und eine rohe Gleichmacherei. Die eigentlich ſocialiſtiſchen und kommuniſtiſchen Syſteme, die Syſteme St. Simons, Fouriers, Owens u. ſ. w. tauchen auf in der erſten unentwickelten Periode des Kampfs zwiſchen Proletariat und Bourgeoiſie, die wir oben dargeſtellt haben. (S. Bourgeoiſie und Proletariat.) Die Erfinder dieſer Syſteme ſehen zwar den Gegenſatz der Klaſſen, wie die Wirkſamkeit der auflöſenden Elemente in der herrſchenden Geſellſchaft ſelbſt. Aber ſie erblicken auf der Seite der Proletariats keine geſchichtliche Selbſtthätigkeit, keine ihm eigenthümliche politiſche Bewegung. Da die Entwicklung des Klaſſengegenſatzes gleichen Schritt hält mit der Entwicklung der Induſtrie, finden ſie eben ſo wenig die materiellen Bedingungen zur Befreiung des Proletariats vor, und ſuchen nach einer ſocialen Wiſſenſchaft, nach ſocialen Geſetzen, um dieſe Bedingungen zu ſchaffen. An die Stelle der geſellſchaftlichen Thätigkeit muß ihre perſönlich erfinderiſche Thätigkeit treten, an die Stelle der geſchichtlichen Bedingungen der Befreiung phantaſtiſche, an die Stelle der allmählich vor ſich gehenden Organiſation des Proletariats zur Klaſſe eine eigens ausgeheckte Organiſation der Geſellſchaft. Die kommende Weltgeſchichte löſt ſich für ſie auf in die Propaganda und die praktiſche Ausführung ihrer Geſellſchaftspläne. Sie ſind ſich zwar bewußt, in ihren Plänen hauptſächlich das Intereſſe der arbeitenden Klaſſe als der leidendſten Klaſſe zu vertreten. Nur unter dieſem Geſichtspunkt der leidendſten Klaſſe exiſtirt das Proletariat für ſie. Die unentwickelte Form des Klaſſenkampfes, wie ihre eigene Lebenslage bringen es aber mit ſich, daß ſie weit über jenen Klaſſengegenſatz erhaben zu ſein glauben. Sie wollen die Lebenslage aller Geſellſchaftsglieder, auch der beſtgeſtellten verbeſſern. Sie appelliren daher fortwährend an die ganze Geſellſchaft ohne Unterſchied, ja vorzugsweiſe an die herrſchende Klaſſe. Man braucht ihr Syſtem ja nur zu verſtehen, um es als den beſtmöglichen Plan der beſtmöglichen Geſellſchaft anzuerkennen. Sie verwerfen daher alle politiſche, namentlich alle revolutionäre Aktion, ſie wollen ihr Ziel auf friedlichem Wege erreichen und verſuchen durch kleine natürlich fehlſchlagende Experimente, durch die Macht des Beiſpiels dem neuen geſellſchaftlichen Evangelium Bahn zu brechen. Dieſe phantaſtiſche Schilderung der zukünftigen Geſellſchaft entſpricht in einer Zeit, wo das Proletariat noch höchſt unentwickelt iſt, alſo ſelbſt noch phantaſtiſch ſeine eigene Stellung auffaßt, ſeinem erſten ahnungsvollen Drängen nach einer allgemeinen Umgeſtaltung der Geſellſchaft. Die ſocialiſtiſchen und kommuniſtiſchen Schriften beſtehen aber auch aus kritiſchen Elementen. Sie greifen alle Grundlagen der beſtehenden Geſellſchaft an. Sie haben daher höchſt werthvolles Material zur Aufklärung der Arbeiter geliefert. Ihre poſitiven Sätze über die zukünftige Geſellſchaft, z. B., Aufhebung des Gegenſatzes von Stadt und Land, der Familie, des Privaterwerbs, der Lohnarbeit, die Verkündung der geſellſchaftlichen Harmonie, die Verwandlung des Staats in eine bloße Verwaltung der Produktion — alle dieſe ihre Sätze drücken blos das Wegfallen des Klaſſengegenſatzes aus, der eben erſt ſich zu entwickeln beginnt, den ſie nur noch in ſeiner erſten geſtaltloſen Unbeſtimmtheit kennen. Dieſe Sätze ſelbſt haben daher noch einen rein utopiſtiſchen Sinn. Die Bedeutung des kritiſchen utopiſtiſchen Socialismus und Kommunismus ſteht im umgekehrten Verhältniß zur geſchichtlichen Entwicklung. In demſelben Maaße, worin der Klaſſenkampf ſich entwickelt und geſtaltet, verliert dieſe phantaſtiſche Erhebung über denſelben, dieſe phantaſtiſche Bekämpfung desſelben, allen praktiſchen Werth, alle theoretiſche Berechtigung. Waren daher die Urheber dieſer Syſteme auch in vieler Beziehung revolutionär, ſo bilden ihre Schüler jedesmal reaktionäre Sekten. Sie halten die alten Anſchauungen der Meiſter feſt gegenüber der geſchichtlichen Fortentwicklung des Proletariats. Sie ſuchen daher konſequent den Klaſſenkampf wieder abzuſtumpfen und die Gegenſätze zu vermitteln. Sie träumen noch immer die verſuchsweiſe Verwirklichung ihrer geſellſchaftlichen Utopien, Stiftung einzelner Phalanſtere, Gründung von home-Colonien, Errichtung eines kleinen Icariens, — Duodez-Ausgabe des neuen Jeruſalems — und zum Aufbau aller dieſer ſpaniſchen Schlöſſer müſſen ſie an die Philantropie der bürgerlichen Herzen und Geldſäcke appelliren. Allmählig fallen ſie in die Categorie der oben geſchilderten reaktionären oder konſervativen Socialiſten, und unterſcheiden ſich nur mehr von ihnen durch mehr ſyſtematiſche Pedanterie, durch den fanatiſchen Aberglauben an die Wunderwirkungen ihrer ſocialen Wiſſenſchaft. Sie treten daher mit Erbitterung aller politiſchen Bewegung der Arbeiter entgegen, die nur aus blindem Unglauben an das neue Evangelium hervorgehen konnte. Die Oweniſten in England, die Fourieriſten in Frankreich, reagiren dort gegen die Chartiſten, hier gegen die Reformiſten. 4. Stellung der Kommuniſten zu den verſchiedenen oppoſitionellen Parteien. Nach Abſchnitt 2 verſteht ſich das Verhältniß der Kommuniſten zu den bereits konſtituirten Arbeiterparteien von ſelbſt, alſo ihr Verhältniß zu den Chartiſten in England und den agrariſchen Reformern in Nordamerika. Sie kämpfen für die Erreichung der unmittelbar vorliegenden Zwecke und Intereſſen der Arbeiterklaſſe, aber ſie vertreten in der gegenwärtigen Bewegung zugleich die Zukunft der Bewegung. In Frankreich ſchließen ſich die Kommuniſten an die ſocialiſtiſch-demokratiſche Partei an gegen die konſervative und radikale Bourgeoiſie, ohne darum das Recht aufzugeben ſich kritiſch zu den aus der revolutionären Ueberlieferung herrührenden Phraſen und Illuſionen zu verhalten. In der Schweiz unterſtützen ſie die Radikalen, ohne zu verkennen, daß dieſe Partei aus widerſprechenden Elementen beſteht, theils aus demokratiſchen Socialiſten im franzöſiſchen Sinn, theils aus radikalen Bourgeois. Unter den Polen unterſtützen die Kommuniſten die Partei, welche eine agrariſche Revolution zur Bedingung der nationalen Befreiung macht. Dieſelbe Partei, welche die Krakauer Inſurrektion von 1846 in’s Leben rief. In Deutſchland kämpft die kommuniſtiſche Partei, ſobald die Bourgeoiſie revolutionär auftritt, gemeinſam mit der Bourgeoiſie gegen die abſolute Monarchie, das feudale Grundeigenthum und die Kleinbürgerei. Sie unterläßt aber keinen Augenblick bei den Arbeitern ein möglichſt klares Bewußtſein über den feindlichen Gegenſatz zwiſchen Bourgeoiſie und Proletariat herauszuarbeiten, damit die deutſchen Arbeiter ſogleich die geſellſchaftlichen und politiſchen Bedingungen, welche die Bourgeoiſie mit ihrer Herrſchaft herbeiführen muß, als eben ſo viele Waffen gegen die Bourgeoiſie kehren können, damit, nach dem Sturz der reaktionären Klaſſen in Deutſchland, ſofort der Kampf gegen die Bourgeoiſie ſelbſt beginnt. Auf Deutſchland richten die Kommuniſten ihre Hauptaufmerkſamkeit, weil Deutſchland am Vorabend einer bürgerlichen Revolution ſteht, und weil es dieſe Umwälzung unter fortgeſchritteneren Bedingungen der europäiſchen Civiliſation überhaupt, und mit einem viel weiter entwickelten Proletariat vollbringt als England im ſiebenzehnten und Frankreich im achtzehnten Jahrhundert, die deutſche bürgerliche Revolution alſo nur das unmittelbare Vorſpiel einer proletariſchen Revolution ſein kann. Mit einem Wort, die Kommuniſten unterſtützen überall jede revolutionäre Bewegung gegen die beſtehenden geſellſchaftlichen und politiſchen Zuſtände. In allen dieſen Bewegungen heben ſie die Eigenthumsfrage, welche mehr oder minder entwickelte Form ſie auch angenommen haben möge, als die Grundfrage der Bewegung hervor. Die Kommuniſten arbeiten endlich überall an der Verbindung und Verſtändigung der demokratiſchen Parteien aller Länder. Die Kommuniſten verſchmähen es, ihre Anſichten und Abſichten zu verheimlichen. Sie erklären es offen, daß ihre Zwecke nur erreicht werden können durch den gewaltſamen Umſturz aller bisherigen Geſellſchaftsordnung. Mögen die herrſchenden Klaſſen vor einer Kommuniſtiſchen Revolution zittern. Die Proletarier haben nichts in ihr zu verlieren als ihre Ketten. Sie haben eine Welt zu gewinnen. {Proletarier aller Länder vereinigt Euch!}