„Dreifach panzerten Mut und Kraft
Dem das eiſerne Herz, der ſich zuerſt gewagt
Im gebrechlichen Boot hinaus
Auf das tückiſche Meer. ...“
So pries einſt Horaz die Kühnheit des Seefahrers, der dem fremden Element ſein unſicheres Fahrzeug anvertraute. ... Aber unbedenklich beſteigt der Touriſt den luxuriöſen Bau des Rieſendampfers, um in wenigen Tagen die wohlbekannte Ozeanſtraße zu durchmeſſen.
Ähnlich rühmte ein Dichter des Mars den Mut und den Scharfſinn jenes Martiers Ar, der es einſt gewagt, auf den Wegen des Lichts und der kosmiſchen Schwere in die Leere des Raumes ſeinen unvollkommenen Apparat zu werfen, um zum erſten Male den Flug zu verſuchen durch den Weltäther nach dem leuchtenden Nachbarſtern, der ſtrahlenden ‚Ba‘, dem Schmuck der Marsnächte, der jahrtauſendlangen Sehnſucht aller ‚Nume‘. Jetzt aber kannte man auf dem Mars genau die Mittel, welche die Marsbewohner, die ſich ſelbſt ‚Nume‘ nannten, anwenden mußten, die einzelnen Umſtände, auf die ſie zu achten hatten, um je nach der Stellung der Planeten die ſtrahlende Ba, das iſt die Erde, zu erreichen. Wohl war eine Reiſe zwiſchen Mars und Erde noch immer ein zeitraubendes und koſtſpieliges Unternehmen, aber es hatte ſeinen ebenſo ſicheren und bequemen Gang wie etwa heutzutage für einen Menſchen eine Reiſe um die Erde.
Die Erforſchung der Erde, die Entdeckung des intraplanetaren Weges nach derſelben und die endliche Beſitzergreifung vom Nordpol bildet ein umfangreiches und wichtiges Kapitel in der Kulturgeſchichte der Martier.
Die Durchſichtigkeit der Atmoſphäre auf dem Mars hatte ſeine Bewohner frühzeitig zu vorzüglichen Aſtronomen gemacht. Mathematik und Naturwiſſenſchaft waren zu einer Höhe der Entwicklung gelangt, die uns Menſchen als ein fernes Ideal vorſchwebt. Je mehr der alternde Mars durch ſeinen verhältnismäßig geringen Waſſervorrat die Exiſtenzbedingungen der Martier erſchwerte, um ſo großartiger waren die Anſtrengungen geweſen, durch welche die Martier die Technik der Naturbeherrſchung ausbildeten. Immer neue Kräfte und Hilfsmittel wußten ſie ihrem Planeten zu entlocken, der ſich freilich durch die Eigentümlichkeit ſeines Baues in noch viel höherem Maß zur Erziehung eines Kulturvolkes eignete als die Erde.
Der Tag auf dem Mars hat faſt dieſelbe Dauer wie auf der Erde, er iſt nur vierzig Minuten länger. Das Jahr des Mars dagegen umfaßt 670 Mars-, das ſind 687 Erdentage, iſt alſo faſt doppelt ſo lang als ein Erdenjahr. Die geſamte Oberfläche des Mars beträgt etwa nur ein Viertel von derjenigen der Erde. Die ſüdliche Halbkugel des Mars iſt die waſſerreichere und daher am ſtärkſten bevölkert; ſie enthält auch die beiden einzigen Meere, welche der Mars beſitzt, wenn man darunter diejenigen Becken verſteht, welche das ganze Jahr hindurch mit Waſſer erfüllt ſind. Die nördliche Halbkugel beſteht zum größten Teil aus unfruchtbaren Wüſten. Aber die Bevölkerung des Mars, der die von der Natur genügend bewäſſerte Region ihres Planeten längſt zu klein geworden, wußte der kargen Natur neue Gebiete des Anbaus abzugewinnen. Sie durchzog das geſamte Wüſtengebiet mit einem vielverzweigten Netz geradliniger breiter Kanäle und verteilte auf dieſe Weiſe zur Zeit der Schneeſchmelze, im Beginn des Sommers einer je hatten. Die einzelnen Völkerſchaften bildeten einen großen Staatenbund. Wie auf der Erde der Weltverkehr ſich durch der einzelnen politiſchen Verbände darunter litt, ſo hatte die vorgeſchrittenere Ziviliſation der Martier in ihrer internationalen Vereinigung ein Zentralorgan, das unbeſchadet der Freiheit der Einzelgemeinden alle Angelegenheiten regulierte, welche für die Bewohner des ganzen Planeten ein gemeinſames den Halbkugel, das Waſſer, welches ſich in Geſtalt von Schnee an den Polen angehäuft hatte, über den ganzen Planeten. Wie die Ägypter das Anwachſen des Nils benutzten, um der Wüſte den fruchtbaren Boden des Niltals abzugewinnen, ſo tränkten die Marsbewohner durch ihre Kanäle beide Ufer derſelben. Schnell ſchoß hier eine üppige Vegetation auf, und ſo wurde durch das Kanalnetz das ganze Wüſtengebiet mit fruchtbaren, an hundert Kilometer breiten Vegetationsſtreifen durchzogen, die eine ununterbrochene Kette blühender Anſiedlungen der Martier enthielten. Wenn hier die dunkelgrünen Blätter der Pflanzen mit einem Schlag hervorſproßten, dann hoben ſich dieſe Streifen dunkel von dem rötlichen Wüſtenboden ab, und die Aſtronomen der Erde wunderten ſich, woher dieſes regelmäßige Netz von Streifen auf dem Mars wohl ſtammen möchte. Die Rieſenarbeit der Bewäſſerung des Planeten war eine Notwendigkeit für die Martier geworden, nachdem die in der Kultur vorgeſchritteneren Bewohner der Südhalbkugel allmählich den ganzen Planeten ihrer Herrſchaft unterworfen internationale Verträge regelte, ohne daß die Selbſtändigkeit Intereſſe beſaßen.
Nachdem die Oberfläche des Planeten vollſtändig erforſcht und beſiedelt war, richtete ſich die Aufmerkſamkeit der Martier naturgemäß ſtärker wie je über die Grenzen ihres Wohnplatzes hinaus auf ihre Nachbarn im Sonnenſyſtem. Und was konnte ſie hier mächtiger feſſeln als die ſtrahlende Ba, die ſagenumwobene Erde, die bald als Morgen-, bald als Abendſtern alle andern Sterne ihres dunklen Himmels überſtrahlt?
Die Ruhe und Durchſichtigkeit der Atmoſphäre geſtattete ihnen, bei ihren Fernrohren Vergrößerungen zu benutzen, wie ſie auf der Erde unmöglich waren. Denn auf der Erde vereitelt die ſtets ungleichmäßig bewegte Luft, daß wir Inſtrumente von ſo ſtarken Vergrößerungen praktiſch anzuwenden vermöchten, als wir ſie wohl theoretiſch und techniſch konſtruieren könnten. Der Druck der Atmoſphäre auf dem Mars iſt aber ſo gering, wie wir ihn nur auf den allerhöchſten Berggipfeln der Erde beſitzen, und die über der Marsoberfläche laſtende Luftſchicht iſt dementſprechend dünner und durchſichtiger. Die Aſtronomen des Mars konnten daher, bei günſtiger Stellung der Planeten gegeneinander, die Erde ihrem Auge ſo nahe bringen, als wäre ſie nur gegen zehntauſend Kilometer weit entfernt, und vermochten ſomit noch Gegenſtände von zwei bis drei Kilometer Ausdehnung zu erkennen. Unter dieſen Umſtänden hatten ſie natürlich bemerkt, daß ſich auf der Erde Einrichtungen finden, die nur als das Werk intelligenter Weſen zu erklären ſeien. Auch durchſchauten ſie viel zu klar den Bau und die Natur der Erde ſowie die Analogien im geſamten Sonnenſyſtem, als daß ſie nicht die Überzeugung von der Bewohnbarkeit der Erde und einer gewiſſen Kultur der Erdbewohner gehabt hätten. Die Karte der Erde ſelbſt war ihnen in umfaſſenderer Weiſe bekannt als uns Menſchen; denn von ihrem Standpunkt aus konnten ſie nach und nach alle jene Gebiete der Erdkugel, insbeſondere die Polargegenden, durchmuſtern, die bisher unſeren irdiſchen Forſchungen verſchloſſen geblieben ſind.
Es hatte nicht an Verſuchen der Martier gefehlt, ſich mit den von ihnen vermuteten Erdbewohnern in Verbindung zu ſetzen. Aber die gegebenen Zeichen waren wohl nicht bemerkt oder nicht verſtanden worden. Jedenfalls mochten die Erdbewohner nicht in der Lage ſein, darauf zu antworten. Die Erde war ein ſehr viel jüngerer Planet und in ihrer ganzen Entwicklung auf einer Stufe, wie ſie der Mars ſchon vor Millionen Jahren durchlaufen hatte. Da ſagten ſich die Marsbewohner ſelbſtverſtändlich, daß die Bate, wie ſie die hypothetiſchen Bewohner der Erde nannten, jedenfalls auf einem viel niedrigeren Standpunkt der Kultur ſtänden als ſie, die Nume; ja wer weiß, ob ſie ſich überhaupt ſchon bis zur Höhe der ‚Numenheit‘, zur Vernunftidee der Martier, erhoben haben!
Um jene Zeit, als man auf der Erde von einem Jahrhundert der Naturwiſſenſchaft zu ſprechen anfing, blickten die Martier längſt nicht nur auf das Zeitalter des Dampfes, ſondern auch auf das Zeitalter der Elektrizität wie auf ein altes Kulturerbe zurück. Damals vollendete ſich bei ihnen eine wiſſenſchaftliche Entdeckung, die eine Umgeſtaltung aller Verhältniſſe nach ſich zu ziehen geeignet war. Die Enthüllung des Geheimniſſes der Gravitation war es, die einen ungeahnten Umſchwung der Technik herbeiführte und die Martier zu Herren des Sonnenſyſtems machte.
Die Gravitation iſt jene Kraft, welche die Bewegungen der Geſtirne im Weltraum beherrſcht. Sie verbindet die Sonne mit den Planeten, die Planeten mit ihren Monden, ſie hält die Gegenſtände an der Oberfläche der Weltkörper feſt und bewirkt, daß dieſe als dauernde einheitliche Gruppen im Univerſum beſtehen; ſie läßt den geworfenen Stein wieder zur Erde fallen und die Gewäſſer nach dem Meer hin ſich ſammeln. Sie iſt eine allgemeine Eigenſchaft der Körper, welche von ihrer gegenſeitigen Lage im Raum abhängt; die Arbeit, welche ein Körper infolge der Gravitation zu leiſten vermag, nennt man daher Raumenergie.
Wenn es gelänge, einem Körper dieſe eigentümliche Form der Energie zu entziehen, die er infolge ſeiner Lage zu den übrigen Körpern, insbeſondere zu den Planeten und der Sonne beſitzt, wenn es gelänge, ſeine Gravitation in eine andere Energieform überzuführen, ſo würde man dieſen Körper dadurch unabhängig von der Schwerkraft machen; die Schwerkraft würde durch ihn hindurch oder um ihn herumgehen, ohne ihn zu beeinfluſſen; er würde ‚diabariſch‘ werden. Er würde ebenſowenig von der Sonne angezogen werden wie ein Stück Holz vom Magneten. Dann aber müßte es ja auch gelingen, den Körper dem Einfluß der Planeten und der Sonne ſoweit zu entziehen, daß man ihn im Weltraum frei bewegen könnte; dann alſo müßte es gelingen, den Weg von einem Planeten zum andern, von dem Mars zur Erde zu finden.
Dies war den Martiern gelungen. Sie vermochten Körper von gewiſſer Zuſammenſetzung herzuſtellen, ſo daß jede auf ſie treffende Schwerewirkung ſpurlos an ihnen und an den von ihnen umſchloſſenen Körpern vorüberging — das heißt ſpurlos als Schwere. Die Gravitationsenergie wurde in andere Energieformen umgewandelt. Solche Körper können wir ‚diabariſch‘ nennen.
Zwei Umſtände hatten es den Martiern erleichtert, dem Geheimnis der Gravitation auf die Spur zu kommen. Der eine lag darin, daß die Schwerkraft auf ihrem Planeten nur ein Drittel von demjenigen Werte beträgt, den ſie auf der Erde beſitzt. Eine Laſt, die auf der Erde tauſend Kilogramm wiegt, hat, auf den Mars gebracht, nur ein Gewicht von 376 Kilogramm; ein freifallender Körper, der bei uns in der erſten Sekunde 5 Meter herabfällt, fällt auf dem Mars in dieſer Zeit nur um 1,8 Meter und kommt mit der ſanften Geſchwindigkeit von 3,6, ſtatt bei uns mit faſt 10 Meter, an. Infolgedeſſen war es den Martiern erleichtert, alle Eigentümlichkeiten der Schwere bequemer und genauer zu ſtudieren.
Der zweite Umſtand war ein geographiſcher, oder, wie wir beim Mars ſagen müßten, ein areographiſcher, nämlich die Zugänglichkeit der Pole des Mars. Während auf der Erde die Pole mit ihrer ewigen Eisdecke des Beſuches ſich erwehren, ſind die Marspole nicht vergletſchert. Zwar bedecken ſie ſich im Winter mit einer dichten Schneehülle, die aber doch viel geringer iſt als auf der Erde, weil die Atmoſphäre des Mars viel weniger Feuchtigkeit enthält. Außerdem dauert der Sommer faſt ein volles Erdenjahr, währenddeſſen der Pol in fortwährendem Sonnenſchein liegt, ſo daß der Schnee zum größten Teil fortſchmilzt. Die Pole des Mars ſind daher den Marsbewohnern nicht nur bekannt, ſondern ſie haben gerade auf ihnen ihre bedeutendſten wiſſenſchaftlichen Stationen angelegt. Denn die Pole eines Planeten ſind ausgezeichnete Punkte, ſie unterliegen nicht der Umdrehung um die Achſe im Verlauf eines Tages, und ſie bieten dadurch Gelegenheit zu Beobachtungen, die ſich an keiner anderen Stelle ſo einfach anſtellen laſſen.
Gerade nun für die Unterſuchung der Schwerkraft zeigte ſich dies von größter Wichtigkeit. Ihre Wirkungen im Kosmos zu ſtudieren, das heißt ihre Wechſelwirkung mit andern kosmiſchen Kräften, mußte man ſich von der Rotation des Planeten um ſeine Achſe und allen dadurch entſtehenden Komplikationen unabhängig machen. Dies konnte nur am Pol geſchehen. Vom Pol gingen denn auch die Unterſuchungen der Martier aus.
Die Martier hatten entdeckt, daß die Gravitation, ebenſo wie das Licht, die Wärme, die Elektrizität, ſich in Form einer Wellenbewegung durch den Weltraum und die Körper fortpflanzt. Während aber die Geſchwindigkeit der ſtrahlenden Energie, die wir als Licht, Wärme und Elektrizität beobachten, 300.000 Kilometer in der Sekunde beträgt, iſt diejenige der Gravitation eine millionenmal größere. Nach den Berechnungen der Martier durchläuft die Gravitation den Raum mit einer Geſchwindigkeit von 300.000 Millionen Kilometern pro Sekunde, ſie verhält ſich alſo zu derjenigen des Lichts etwa ſo wie die des Lichts zur Geſchwindigkeit des Schalls. Den Weg von der Sonne bis zur Erde legt ſomit die Wirkung der Schwere in einem halben Tauſendteil einer Sekunde zurück; kein Wunder, daß es den Aſtronomen der Erde nicht gelungen war, die von ihnen allerdings vermutete endliche Geſchwindigkeit der Gravitation zu konſtatieren.
Einen Körper, der die Lichtwellen nicht durch ſich hindurchgehen läßt, nennen wir undurchſichtig; ließe er ſie vollſtändig hindurchgehen, ſo würde er abſolut durchſichtig ſein, wir würden ihn ſo wenig ſehen wie die Luft. Ein Körper, der die Wärmewellen durch ſich hindurchgehen läßt, bleibt kalt; er muß ſie in ſich aufnehmen, ſie abſorbieren, um ſich zu erwärmen. So iſt es nun, wie die Martier entdeckten, auch mit der Gravitation. Die Körper ſind darum ſchwer, weil ſie die Gravitationswellen abſorbieren. Körper ziehen ſich nur dann gegenſeitig an, wenn ſie die von ihnen wechſelſeitig ausgehenden Gravitationswellen nicht durch ſich hindurchtreten laſſen. Sobald aber ein Körper ſo beſchaffen iſt, daß er die Gravitationswellen eines Planeten oder der Sonne nicht aufnimmt, ſondern frei durchläßt, ſo wird er nicht angezogen, er hat keine Schwere, er iſt diabar, ſchweredurchläſſig, und dadurch ſchwerelos.
Die Martier hatte gefunden, daß das Stellit, ein auf ihrem Planeten vorkommender Körper, ſich ſo verändern läßt, daß die Schwerewellen hindurchtreten können. Und mit dieſem Augenblick wurde dieſer Körper vom Mars wie von der Sonne nicht mehr angezogen. Allerdings ließ es ſich nicht erreichen, abſolut ſchwereloſe Körper herzuſtellen, wie es ja auch keine abſolut durchſichtigen Körper gibt; wohl aber ließ ſich die Schwere ſo vermindern, daß ſie nur kaum merklich auf den diabaren Körper wirkt. Indem man die Schwereloſigkeit verſtärkte oder verminderte, konnte man nun, wenn einmal der Körper eine beſtimmte Geſchwindigkeit beſaß, durch paſſende Benutzung der Anziehung der Planeten und der Sonne die Bahn des Körpers im Weltraum regulieren — vorausgeſetzt, daß man ſich in einem ſolchen diabaren Körper befand, in einer Kugel aus Stellit.
Dieſes Wageſtück, einen Apparat herzuſtellen, in welchem ein Menſch ſich in den Weltraum ſchleudern laſſen konnte, um dann durch Regelung der Anziehung, welche die Weltkörper auf ihn ausübten, ſeinen Weg zu lenken, das hatte zuerſt der Martier Ar unternommen. Aber man hatte ihn nie wiedergeſehen. War er in die Fixſternwelt jenſeits des Sonnenſyſtems hinausgeflogen? War er in die Sonne geſtürzt? Umkreiſte ſein Raumſchiff die Sonne oder irgendeinen Planeten als ein neuer Trabant? Niemand wußte es.
Aber andere kühne Forſcher ließen ſich nicht zurückſchrecken. Sie hatten jetzt die theoretiſche Möglichkeit des interplanetaren Verkehrs eingeſehen, es war jetzt keine Tollkühnheit mehr, ſich dem Raum anzuvertrauen, ſondern eine dringende Aufgabe der Kultur und ſomit eine ſittliche Forderung, eine Pflicht der ‚Numenheit‘. Die größte Schwierigkeit lag nur darin, die Geſchwindigkeit unſchädlich zu machen, welche der Planet in ſeiner eigenen Bahn beſaß und die ſich natürlich auf das ſchwereloſe Raumſchiff übertrug, ſobald es den Mars verließ. Man reiſte von einem der Pole ab, um von der Rotation des Planeten unabhängig zu ſein, aber die Geſchwindigkeit des Mars in ſeiner Bahn beträgt 24 Kilometer in der Sekunde, und mit dieſer flog man hinaus in den Raum, fort von der Sonne in der Richtung der Tangente der Marsbahn. Es kam dann darauf an, ſich der Sonnenanziehung in dem richtigen Augenblick zu überlaſſen, um durch die Flugbahn des Raumſchiffs in den Anziehungsbereich der Erde zu gelangen. Man war ſomit ganz auf die vorhandenen Gravitationskräfte angewieſen, wie ein Schiff auf dem Meer auf die Richtung der Waſſer- und Luftſtrömungen; und auf einen weiteren Erfolg konnte man erſt hoffen, wenn es auch noch gelang, Mittel zu finden, die Richtung der erhaltenen Geſchwindigkeit willkürlich abzulenken.
Aber auch dieſes Problem war allmählich gelöſt worden. Die Geſchichte der menſchlichen Entdeckungen auf der Erdoberfläche war nicht weniger reich an Opfern als diejenige der Verſuche der Martier, den Weltenraum zu durchſegeln. Endlich aber war einmal nach jahrelangem Ausbleiben ein Raumſchiff zurückgekehrt, das die Erde dreimal in großer Nähe umflogen hatte. Ein anderes war auf dem Mond der Erde gelandet. Zuletzt war es dem raſtloſen Erdforſcher Col auf ſeiner dritten Raumreiſe gelungen, den Nordpol der Erde zu erreichen. Der Südpol wurde zuerſt vom Kapitän All betreten. Von jetzt ab verkürzte ſich immer mehr die Reiſezeit nach der Erde durch die vervollkommnete Technik der Raumfahrt, anſtelle der vereinzelten Entdeckungsreiſen trat eine planmäßige Beſetzung des Nordpols. Und nachdem durch Konſtruktion der Außenſtation und die Errichtung des abariſchen Feldes die Landung auf der Erde ebenſo geſichert war wie die eines Dampfſchiffes im Schutz eines trefflichen Hafens, waren die Martier an dem erſehnten Ziel angelangt, die Erde nach Belieben beſuchen zu können.
Nur freilich, die beiden Pole waren bis jetzt die einzigen Punkte, welche ſie zu erreichen vermochten. Am Südpol hatten ſie eine ähnliche, wenn auch kleinere und weniger benutzte Station angelegt wie am Nordpol. Denn nur während des Sommers der Nordhalbkugel konnten ſie die Nordſtation unterhalten. Im Winter verlegten ſie das abariſche Feld auf den Südpol, der zu dieſer Zeit Sommer hatte. Dagegen war es ihnen noch nicht gelungen, zu den bewohnten Teilen der Erde vorzudringen. Noch niemals hatten ſie einen ziviliſierten Menſchen kennengelernt. Einige Eskimos waren die einzigen Vertreter, nach denen ſie die Eigentümlichkeiten der Erdbewohner zu beurteilen vermochten. Aber bei ihren Umkreiſungen der Erde in der Entfernung von einigen tauſend Kilometern zeigten ihnen ihre vorzüglichen Inſtrumente natürlich die Einrichtungen der Kultur in ſolcher Deutlichkeit, daß ſie ſehr wohl wußten, die Hervorbringer dieſer Werke ſeien keine Eskimos. Doch an andern Stellen als an den Polen zu landen, war ihnen bisher nicht gelungen. Durch die Rotation der Erde wurden die Verhältniſſe dort ſo kompliziert, daß die techniſchen Schwierigkeiten nicht überwunden werden konnten. Dieſe ergaben ſich aus der beſonderen Natur der Gravitation und dem dadurch bedingten Bau der Raumſchiffe, welche dem Druck der Luft und ihren Stürmen nicht widerſtehen konnten. Auch am Pol war ja die Landung erſt mit Sicherheit durchzuführen, ſeitdem es nach vielen Opfern und Verluſten gelungen war, die Außenſtation zu errichten und ſo die Raumſchiffe außerhalb der Atmoſphäre zu halten. Wie die Brandung einer Inſel gegen die Überrumpelung durch landende Feinde ſchützt, ſo deckte die Umdrehung um ihre Achſe und die Dichtheit ihrer Atmoſphäre die Erde gegen einen plötzlichen Einfall der Marsbewohner von der Luftſeite her. Nur am Pol konnten ſie ſich feſtſetzen. Und wenn ſie nun auf der Erde vordringen wollten, ſo mußte dies über die Gletſcher und Eisſchollen der Polargegenden geſchehen.
Mit dieſem Plan trugen ſich nun freilich die Marsbewohner. Aber die Überwindung dieſer Eiszonen bot ihnen ebenſoviel Schwierigkeiten, als wenn Europäer in das vernichtende Sumpfklima eines tropiſchen Urwaldes oder über die waſſerloſe Wüſte vordringen wollten. Unſere Schiffe tragen uns wohl ans Ufer unbekannter Länder, aber in das Innere vermögen wir erſt ſpäter und unter den größten Schwierigkeiten einen Einblick zu gewinnen. Die Martier hatten auf der Erde vor allem mit zwei gewaltigen Hinderniſſen zu kämpfen: Luft und Schwere. Die Dichtigkeit der Luft, ihre Feuchtigkeit und die Größe des Luftdrucks waren für die Konſtitution ihres Körpers verderblich; ſie konnten das Klima der Erde nur kurze Zeit ertragen. Und die Stärke der Schwerkraft, dreimal ſo groß wie auf dem Mars, hinderte ihre Bewegungen und drückte jeder ihrer mechaniſchen Arbeiten eine dreifache Laſt auf. Sie hätten dieſelbe überhaupt nicht tragen können, wenn ſie nicht für die Verhältniſſe ihres Planeten eine ſehr bedeutende Muskelkraft beſeſſen hätten. Gerade jetzt, als die Nordpolexpedition Torms in ihrem abariſchen Feld ſcheiterte, waren ſie mit den ernſteſten Vorbereitungen beſchäftigt, einen Vorſtoß nach Süden zu unternehmen. Denn auf dem Mars waren die Verſuche gelungen, einen Stoff herzuſtellen, der ſich wie das Stellit ſchwerelos machen ließ, aber dabei genügende Feſtigkeit beſaß, der Wärme und Feuchtigkeit der Luft zu widerſtehen. Von ihm erhofften die Martier, daß er ihnen die Wege durch die Erdenluft bahnen werde.