Kurd Laßwitz: Auf zwei Planeten 5. Auf der künſtlichen Inſel Das milde Licht des Polartages ſchien durch die breiten Fenſter eines hohen Gemaches, das im Stile der Marsbewohner ausgeſtattet war. An der Decke zogen ſich eine große Anzahl metalliſcher Streifen entlang, die in ihrer Geſamtheit ein geſchmackvolles Muſter darſtellten. In der Mitte ſchloſſen ſie ſich zu einer Roſette zuſammen, von welcher zahlreiche Drähte herabführten und in einem ſchrankartigen Aufſatz endigten. Dieſer Aufſatz befand ſich auf einem großen runden Tiſch und trug an ſeiner Außenſeite ringsum eine Reihe von Wirbeln oder Handgriffen; Aufſchriften über ihnen bezeichneten ihre Beſtimmung. Die den Fenſtern gegenüberliegende Wand war zu beiden Seiten der breiten Mitteltür von geſchnitzten Regalen bedeckt, die zur Aufbewahrung einer reichhaltigen Bibliothek dienten. Den darüber freibleibenden Raum ſchmückten Gemälde; ſie ſtellten Anſichten vom Mars dar. Doch hätte man glauben mögen, durch eine Reihe von Öffnungen plaſtiſche Darſtellungen, oder vielmehr die Natur ſelbſt zu ſehen. Denn die Abſtufungen der Farben waren ſo intenſiv, daß ſie den Eindruck vollſtändiger Wirklichkeit machten. Da ſah man in einer Landſchaft die Reflexe der Sonnenſtrahlen auf dem ſumpfigen Boden wie leuchtende Sterne, und dennoch vermochte man in dem tiefen Schatten der rieſigen Bäume die feinſten Nuancen deutlich zu unterſcheiden. Über der Tür leuchtete die lebensgroße Büſte Imms, des unſterblichen Philoſophen der Martier, der ihnen die Lehre von der Numenheit enthüllt hatte. Auf der Fenſterſeite blühten in Näpfen ſeltſame Gewächſe. Am merkwürdigſten war darunter die tanzende Blüte ‚Ro-Wa‘, eine lilienartige Pflanze, deren lange Blütenſtengel ſich ſchlangengleich hin- und herbewegten und mit ihren zierlichen Knoſpen fortwährend anmutige Bewegungen ausführten, indem ſie zugleich ein leiſes Zwitſchern wie von Vogelſtimmen hören ließen. Zwiſchen den Blumentiſchen ſtand auf der einen Seite eine Schreibmaſchine, auf der andern ein Apparat, der nichts anderes vorſtellte als eine Maſchine zur Ausführung ſchwieriger mathematiſcher Rechnungen. Die Fenſter reichten bis zum Boden des Zimmers. Dennoch ſchien es, als liefe an denſelben etwa bis zur Höhe von einem Meter eine Bekleidung entlang. Aber ſeltſam, dieſe Bekleidung ſchimmerte in einem dunkeln Grün und wogte leiſe auf und ab; und mitunter leuchteten kleinere und größere Fiſche darin auf und ſtießen ihre Köpfe an die Scheiben. Es war das Meer, das bis zu Meterhöhe über den Boden des Zimmers hereinblickte. Denn jenes Zimmer befand ſich auf der Außenſeite der Inſel, welche Torms verunglückte Expedition am Nordpol der Erde geſehen hatte. Eine natürliche Inſel war jedoch dieſe Anlage der Martier nicht. Sie hatten vielmehr in den Binnenſee, der am Nordpol ſich vorfand, eine künſtliche Inſel, richtiger ein ſchwimmendes Floß von großer Ausdehnung, hineingebaut, das ihr Feld von rieſigen Elektromagneten zu tragen hatte. Denn dieſe Elektromagnete brauchten ſie zur Balancierung ihrer Außenſtation und dadurch zur Errichtung des abariſchen Feldes. Auf der inneren Seite des ringförmig erbauten Rieſenfloßes befanden ſich die Arbeitsmaſchinen und Apparate, während die Außenſeite zu Wohnräumen diente ſowie zum Stapelplatz aller der Vorräte und Werkzeuge, welche die Martier hier allmählich anſammelten, um die Eroberung der Erde vom Nordpol aus vorzubereiten. Über die Treppe, die von dem Dach der Inſel nach dem Korridor und den angrenzenden Wohnzimmern führte, ſtieg eine weibliche Geſtalt herab. Auf das Geländer geſtützt bewegte ſie ſich mühſam, wie durch eine ſchwere Laſt niedergebeugt. Sie zuckte ſchmerzlich zuſammen, ſooft ihr Fuß mit einem krampfhaften Aufſchlag die nächſt niedere Stufe berührte. Darauf durchſchritt ſie ebenſo ſchwer und mühevoll den Korridor, indem ſie ſich gleichfalls mit den Händen an einem der Geländer unterſtützte, die ſich den Korridor entlangzogen. Jetzt berührte ſie die Tür des Zimmers, die ſich geräuſchlos in ſich ſelbſt zuſammenrollte, und trat ein. Die Tür ſchloß ſich hinter ihr von ſelbſt. Mit einem Schlag war die Haltung der Geſtalt verändert. Leicht und kräftig richtete ſie ſich empor. In einer anmutigen Bewegung warf ſie den Kopf zurück und atmete einige Male tief auf. Sie glitt einige Schritte durch das Zimmer; nicht mehr gebeugt und mühſam, ſondern wie ſchwebend durchmaß ſie in graziöſer Haltung den Raum und blickte auf dem Tiſch nach dem Zifferblatt, das den Stand des Schweredrucks im Zimmer angab. Ein helles Aufleuchten ihrer großen, glänzenden Augen mochte ihre Zufriedenheit andeuten, denn ſie korrigierte kaum merklich die Stellung des Handgriffs, durch den ſie die im Zimmer herrſchende Schwerkraft regulieren konnte. Eine Abzweigung des abariſchen Feldes geſtattete den Bewohnern der Inſel, ihre Wohnräume den Schwereverhältniſſen anzupaſſen, welche ihre Konſtitution erforderte. Denn die Schwerkraft auf dem Mars beträgt nur ein Drittel von derjenigen auf der Erde. Jetzt ſtreifte ſie mit einer leichten Bewegung die warme Hülle ab, die ihre Schultern bedeckte, und ohne ſich umzublicken warf ſie dieſelbe, wo ſie gerade ſtand, achtlos in die Höhe. Von ihrem Kopf löſte ſie die Kapotte, die ſie draußen getragen hatte, und ſtieß ſie ebenfalls ziellos in die Luft. An ihren Handſchuhen drückte ſie auf ein Knöpfchen und ſtreckte dann ihre Hände mit geſpreizten Fingern leicht in die Höhe, worauf ſich die Handſchuhe von ſelbſt abſtreiften und emporſtiegen. Alle die nach oben geworfenen Gegenſtände flogen von ſelbſt einer Ecke des Zimmers zu, ſchlugen eine dort befindliche Klappe zurück und glitten hinter der Wand auf die ihnen beſtimmten Plätze, während die Klappe ſich wieder ſchloß. Sie waren ſämtlich mit einem von den Martiern entdeckten Stoff gefüttert, der ſich nach Art der Pflanzenfaſer behandeln ließ, aber in äußerſt kräftiger Weiſe, ſo wie das Eiſen vom Magnet, von einem dazu eingerichteten Apparat angezogen wurde. Die anziehende Kraft trat in Tätigkeit, ſobald der Schluß gelöſt wurde, der die Gegenſtände am Körper befeſtigte. Bei der im Zimmer herrſchenden geringen Schwere genügte es, die Sachen einfach mit einem leichten Ruck nach oben zu werfen; die ſelbſttätige Garderobe beſorgte das übrige. So war es den Martiern ſehr leicht gemacht, ihre Sachen in Ordnung zu halten. Denn durch die Konſtruktion der verſchiedenen Öffnungen, welche die Garderobenſtücke zu paſſieren hatten, während ſie im Inneren des Garderobenſchranks wieder herabfielen, wurden ſie automatiſch ſortiert, gereinigt und in die ihnen beſtimmten Fächer eingefügt, ſo daß ſie ſofort wieder zu bequemem Gebrauch bei der Hand waren. Ohne ſich um die abgelegten Kleidungsſtücke weiter zu kümmern, näherte ſich die Dame dem Bücherregal und zog eines der dort ſtehenden Bücher hervor, indem ſie es an einem daran befindlichen Handgriff erfaßte. Sie begab ſich damit nach dem Sofa und ſtreckte ſich in bequemer Lage hin. La war die Tochter des Ingenieurs Fru, des Vorſtehers der Außenſtation. Hätte ſie auf der Erde gelebt, ſo wäre ihre Lebenszeit auf mehr als vierzig Jahre zu berechnen geweſen. Als Bewohnerin des Mars aber, deſſen Jahre doppelt ſo lang ſind wie die der Erde, zählte ſie erſt einige zwanzig Sommer und ſtand in der Blüte ihrer Jugend. Ihr volles Haar, das ſie in einen Knoten geſchlungen trug, hatte eine auf Erden wohl nicht leicht zu findende Farbe, ein helles, etwas ins Rötliche ſchimmerndes Blond, einigermaßen der Teeroſe vergleichbar; in bezaubernder Zartheit erhob es ſich wie eine Krone über dem weißen, reinen Teint ihres feingebildeten Antlitzes. Die großen Augen, die allen Martiern eigentümlich ſind, wechſelten je nach der Beleuchtung von einem lichten Braun bis zum tiefſten Schwarz. Denn entſprechend den ſtarken Helligkeitsunterſchieden, welche auf dem Mars herrſchen, beſitzen die Bewohner desſelben ein ſehr weitreichendes Akkomodationsvermögen, und bei ſchwachem Licht erweitern ſich ihre dunklen Pupillen bis an den Rand der Augenlider. Das Mienenſpiel gewinnt dadurch eine überraſchende Lebhaftigkeit, und nichts pflegte die Menſchen mehr an den Marsbewohnern, nachdem ſie ſie kennengelernt hatten, zu feſſeln als der ausdrucksvolle Blick ihrer mächtigen Augen. In ihnen zeigte ſich die gewaltige Überlegenheit des Geiſtes dieſer einer höheren Kultur ſich erfreuenden Weſen. Wie eine leichte Wolke umhüllte ein faltenreicher weißer Schleier die ganze Geſtalt und ließ nur den edel geformten Hals und den unteren Teil der Arme unbedeckt. Darunter aber ſchimmerten die Formen des Körpers wie in einen glänzenden Harniſch gekleidet; denn in der Tat beſtand das eng anſchließende Kleid aus einem metalliſchen Gewebe, das, obgleich es ſich jeder Bewegung auf das bequemſte anpaßte und dem leichteſten Drucke nachgab, doch einen Panzer von größter Widerſtandsfähigkeit bildete. Das Buch, welches La der Bibliothek entnommen hatte, beſaß wie alle Bücher der Martier die Form einer großen Schiefertafel und wurde an einem Handgriff ähnlich wie ein Fächer gehalten, ſo daß die längere Seite der Tafel nach unten lag. Ein Druck mit dem Finger auf dieſen Griff bewirkte, daß das Buch nach oben aufklappte, und auf jeden weiteren Druck legte ſich Seite auf Seite von unten nach oben um. Man bedurfte auf dieſe Weiſe nur einer Hand, um das Buch zu halten, umzublättern und jede beliebige Seite feſtzulegen. La ſchien es mit ihrem Studium nicht eilig zu haben. Sie hielt das Buch geſchloſſen in der nachläſſig herabhängenden Hand und gab ſich ihren Gedanken hin. Nach einiger Zeit begann ſie die Lippen zu bewegen und Laute vor ſich hin zu ſagen, die ihr offenbar nicht geringe Mühe machten. Mitunter lachte ſie leiſe vor ſich hin, wenn ihr eines der ungewohnten Worte nicht über die Lippen wollte, oder es lief momentan ein Ausdruck der Ungeduld über ihre Züge. Sie repetierte ein Penſum, das ſie für ſich erlernt hatte. Aber nun blieb ſie ganz ſtecken und ſann eine Weile nach. Dann ſagte ſie für ſich: „Es iſt doch ein närriſches Kauderwelſch, das dieſe Kalaleks ſprechen!“ Jetzt erſt erhob ſie das Buch und ließ die Blätter mit großer Geſchwindigkeit ſich herumſchlagen, bis ſie die gewünſchte Stelle gefunden hatte. Das Buch enthielt eine Zuſammenſtellung alles deſſen, was die Martier bisher über die Lebensweiſe und Sprache der Eskimos hatten in Erfahrung bringen können. Durch die Eskimofamilie, welche ſie aufgefunden hatten und auf ihrer Station ernährten, war es ihnen gelungen, die Sprache der Eskimos zu erforſchen. Ja ſie kannten ſogar von einer Anzahl Worte ihre Darſtellung in lateiniſcher Druckſchrift; denn der jüngere der beiden Eskimos hatte ſich eine Zeitlang auf einer Miſſionsſtation in Grönland aufgehalten und war im Beſitz einer grönländiſchen Überſetzung des Neuen Teſtaments, in welcher er zu buchſtabieren vermochte. La ſtudierte Grammatik und Wörterbuch der Eskimos oder ‚Kalalek‘. Nachdem ſie wieder eine Reihe von Worten und Redensarten vor ſich hingeſagt hatte, fiel ihr ein, ob ſie wohl auch die richtige Ausſprache getroffen habe. Die Prüfung war leicht; ſie brauchte nur die Empfangsplatte des Grammophons auf die betreffende Stelle des Buches zu legen, um den Laut ſelbſt zu hören; denn das Buch enthielt auch die Phonogramme der direkt vom Mund der Eskimos aufgenommenen Worte. Aber das Grammophon, welches die Phonogramme hörbar machte, befand ſich in dem Schrankaufſatz des Tiſches, und ſie hätte ſich zu dieſem Zweck vom Sofa erheben müſſen; das war ihr zu unbequem. Ach, dachte ſie, es iſt doch eine zu ungeſchickt eingerichtete Welt! Daß man noch nicht einmal ſo weit iſt, daß der Selbſtſprecher zu einem hergelaufen kommt! Das Grammophon kam aber nicht. La blieb alſo liegen und begnügte ſich, das Buch neben ſich auf einem Tiſchchen zu deponieren. Es iſt wirklich recht überflüſſig, ſpann ſie ihren Gedankengang weiter, ſich mit der Eskimoſprache ſoviel Mühe zu geben. Dieſe Eskimos ſind doch eine traurige Geſellſchaft, und der Trangeruch iſt unerträglich. Sicher iſt die große Erde auch von Weſen feinerer Art bewohnt, die vermutlich eine ganz andere Sprache reden. Weiß doch ſogar unſer junger Kalalek mit Erſtaunen von der Weisheit ſeiner frommen Väter zu erzählen, die ihm das Buch in der ſeltſamen Schrift gegeben haben. Wenn wir erſt einmal Gelegenheit fänden, mit ſolchen Leuten zu verkehren, das möchte ſich vielleicht eher lohnen. Was mag das für ein Luftballon geweſen ſein, der heute über die Inſel hinzog und dann in der Höhe verſchwand? Da waren doch gewiß keine Eskimos darin. Was mag aus den Luftſchiffern geworden ſein? La blickte empor. An der Wand war die Klappe des Fernſprechers mit leichtem Schlag niedergefallen. „La, biſt du da?“ fragte eine weibliche Stimme in dem halblauten Ton der Martier. „Hier bin ich“, antwortete La in ihrer tiefen, langſamen Sprechweiſe. „Biſt du es, Se?“ „Ja, ich bin es. Hil läßt dich bitten, ſogleich hinüber in das Gaſtzimmer Nummer 20 zu kommen.“ „Schon wieder hinaus in die Schwere. Was gibt es denn?“ „Etwas ganz Beſonderes, du wirſt es gleich ſehen.“ „Müſſen wir ins Freie?“ „Nein, du brauchſt keinen Pelz. Aber komm gleich.“ „Nun gut denn, ich komme.“ Die Klappe des Fernſprechers ſchloß ſich. La erhob ſich und glitt in ihrem ſchwebenden Gang der Tür zu. Sie öffnete ſie mit einem leiſen Seufzer, denn ſie ging nicht gern über die Korridore, auf denen die Erdſchwere herrſchte, ſo daß ſie nur gebückt einherſchleichen konnte. Aber ſie war doch neugierig, was auf der Inſel Beſonderes paſſiert ſein ſollte. Waren neue Gäſte vom Mars gekommen? Oder hatte ſich der Ballon wieder gezeigt? * * * Als der zertrümmerte Ballon ins Meer ſtürzte, hatten die Martier der Inſel bereits ihr Jagdboot bemannt, auf welchem ſie das Polarbinnenmeer zu durchforſchen pflegten. Eine von Akkumulatoren getriebene Schraube erteilte ihm eine außerordentliche Geſchwindigkeit. Sechs Martier unter Führung des Ingenieurs Jo hatten in demſelben Platz genommen; auch der Arzt der Station, Hil, befand ſich dabei. Alle trugen die Köpfe in einer helmartigen Bedeckung, die ihnen ſowohl ihre Bewegungen in der Luft erleichterte, als auch zugleich als Taucherhelm im Waſſer diente. Die Helme waren nämlich aus einem diabariſchen, das iſt ſchwereloſen Stoff und hatten daher für ihre Träger kein Gewicht. Zugleich enthielten ſie in ihrer Kuppel einen ziemlich bedeutenden luftleeren Raum, ſo daß ſie eine, freilich nur geringe Zugkraft nach oben hin ausübten. Dennoch genügte dieſelbe, wenigſtens das Gewicht des Kopfes ſoweit zu mindern, daß die Muskeln des Nackens entlaſtet wurden und die Martier ihren Kopf faſt ebenſo frei wie auf dem Mars zu bewegen vermochten, wenn ſie auch ſonſt von dem ihnen ungewohnten Körpergewicht bedrückt wurden. Eben deshalb trugen ſie Taucheranzüge, um ſchwere Arbeiten möglichſt in das Waſſer zu verlegen. Denn hier nahm ihnen natürlich der Auftrieb des Waſſers die Laſt ihres Körpergewichts ab. Schnell näherte ſich das Jagdboot dem Ballon, der von den Spuren des in ihm noch enthaltenen Waſſerſtoffes und der Luft, die ſich unter ihm verfangen hatte, auf dem Waſſer ſchwimmend erhalten wurde. Um zu dem von der Seide des Ballons bedeckten Korb zu gelangen, tauchten die Martier unter und drangen vom Waſſer aus unter den Ballon. Sie fanden ſogleich die beiden verunglückten Menſchen und ſchafften ſie eiligſt in ihr Boot. Sodann löſten ſie die Gondel von ihren Verbindungen und bargen ihren geſamten Inhalt ebenfalls an Bord. Alles übrige ließen ſie vorläufig treiben, da es ihnen zunächſt darauf ankam, die aufgefundenen Menſchen in ihre Behauſung zu bringen. Saltner und Grunthe hatten außer der Verletzung, die ſich letzterer bereits vor dem Abſturz am Fuß zugezogen hatte, weiter keine Beſchädigungen durch den Fall erlitten. Aber ſie hatten ſich nicht aus dem Waſſer herausarbeiten können. Keiner gab ein Lebenszeichen von ſich. Indeſſen begannen die Martier unter Leitung des Arztes ſofort die eifrigſten Wiederbelebungsverſuche, wie es ſchien ohne Erfolg. „Da hätten wir nun“, ſagte Jo, „endlich einmal ein paar wirkliche Bate, die keine Kalalek ſind, ein paar ziviliſierte Erdbewohner, und nun müſſen die armen Kerle tot ſein.“ „Wir wollen noch hoffen“, erwiderte einer der Martier. „Der Körper iſt noch warm. Vielleicht haben die Bate ein zähes Leben.“ „Es wäre ein großes Glück“, begann Jo wieder, „wenn wir ſie retten könnten. Es ſind nicht bloß kühne Leute, es ſind offenbar beſonders hervorragende Männer ihres Volkes, ſonſt würden ſie nicht zu dieſem wunderbaren Unternehmen ausgewählt ſein.“ „Ich wußte gar nicht“, ſagte ein andrer, „daß die Bate Luftſchiffe haben.“ „Derartige Ballons ſind ſchon mehrfach beobachtet worden“, erwiderte Jo, „aber man wußte nicht ſicher, wozu ſie dienen, wenigſtens nicht, daß ſich die Bate damit ſelbſt in die Luft erheben. Ich habe immer geglaubt, ſie ließen dadurch nur irgendwelche Laſten über die Erde heben oder ziehen. Gleichviel, für uns kommt alles darauf an, daß wir durch die Leute nähere Nachrichten von den kultivierten Gegenden der Erde erhalten. Alle unſere Pläne würden alsdann weſentlich gefördert werden. Hil, verſuchen Sie Ihre ganze Kunſt.“ Der Arzt antwortete nicht. Seine Aufmerkſamkeit konzentrierte ſich auf die Bemühungen, die Atmung der Ertrunkenen wieder in Tätigkeit zu ſetzen. Endlich richtete er ſich auf. „Geben Sie vollen Strom!“ rief er Jo zu. „Es iſt eine leiſe Hoffnung da, aber hier im Freien bringen wir ſie nicht durch. Wir müſſen in einer Minute im Laboratorium ſein.“ Das Boot ſauſte durch die Flut. In zehn Sekunden war die Inſel erreicht. Es ſchoß durch die Einfahrt bis in den inneren Hafen. Im Augenblick darauf waren die Verunglückten aufgehoben und in die Krankenabteilung gebracht. Es war keine leichte Arbeit, denn jeder der beiden Männer hatte für die Martier, in Rückſicht auf ihre Fähigkeit, Laſten zu heben, ein Gewicht, das für uns einem ſolchen von fünf Zentnern entſpricht. Sie hätten zwar ihre Kräne benutzen können, aber dies hätte zu lange gedauert. Und es kam auch nur darauf an, die Verunglückten bis über die Schwelle der Tür zu heben. Dann trat die Wirkung des abariſchen Feldes in Kraft, und der Transport hatte keine Schwierigkeiten mehr. Hil begann ſofort die Behandlung mit allen Hilfsmitteln der martiſchen Heilkunſt. Er hatte bereits einige Erfahrung aus dem Studium der Eskimos gewonnen und daraus die Unterſchiede in der Funktion der Organe bei Menſchen und bei Marsbewohnern kennengelernt, die übrigens keineswegs ſo bedeutend ſind, wie man meinen mochte. Dem durchdringenden Scharfblick des Martiers genügten die Schlüſſe, die er aus der gewonnenen Erfahrung ziehen konnte, um das Richtige zu treffen. Die Bewohner der Inſel, ſoweit ſie nicht gerade mit einer dringenden Arbeit beſchäftigt waren, hatten ſich inzwiſchen aufs Lebhafteſte für die aufgefundenen Menſchen intereſſiert. Im Vorraum des Krankenzimmers war ein fortwährendes Kommen, Gehen und Fragen, die Klappen der Fernſprechverbindungen hoben und ſenkten ſich, aber noch immer konnte man nichts Beſtimmtes erfahren. Endlich, nach einer halben Stunde angeſtrengter Tätigkeit, brach Hil ſein Schweigen. Er wandte ſich zu dem Direktor der Station, Ra, der neben ihm ſtehend aufmerkſam die merkwürdigen, wie tot daliegenden Weſen betrachtete, und ſagte: „Sie werden leben.“ „Ah!“ „Aber es iſt fraglich, ob wir ſie hier zum Bewußtſein bringen. Wir müſſen ſie in Verhältniſſe ſchaffen, die ihren Lebensgewohnheiten entſprechen. Vor allem dürfen wir ihnen die Schwere nicht entziehen, und ich glaube, auch die Temperatur des Zimmers muß höher ſein.“ „Gut“, antwortete Ra, „wir haben ja Gaſtzimmer genug, wir können ſie an der Außenſeite, bei unſeren Wohnungen unterbringen. Ich werde ſofort das Nötige anordnen.“ Sobald Ra in den Vorraum trat und den hoffnungsvollen Ausſpruch des Arztes mitteilte, pflanzte ſich die Nachricht durch die ganze Inſel hin fort. Die Bate, die keine Eskimos ſind, waren der Mittelpunkt aller Geſpräche, obgleich erſt die wenigſten Martier ſie überhaupt geſehen hatten. Daß übrigens jemand, der bei der Pflege nichts zu tun hatte, neugierig hätte eindringen wollen, konnte bei dem feinen Taktgefühl der Martier ſelbſtverſtändlich nicht vorkommen. Die beiden Geretteten wurden getrennt in geeigneten Räumen untergebracht und vollſtändiger Ruhe überlaſſen. Stundenlang lagen ſie in tiefem Schlaf. 6. In der Pflege der Fee