Bio war ein ſtattlicher Baum in einem Haine gleichartiger Rankenbäume, an deren Zweigen ſich hier und da jene blauen Sporenbecher in verſchiedenen Entwicklungsſtadien zeigten. Die allgemeine Bezeichnung für die pflanzliche Stufe der den Neptunsmond bewohnenden lebenden Weſen iſt „Fyten“. Die Idonen pflegen ihre Fyten ehrfurchtsvoll. Sobald ſie irgend wo einen jungen Rankenbaum im Aufkeimen bemerken, ſorgen ſie für ſein weiteres Gedeihen. Nur die Ausſaat dieſer Keime ſelbſt, ob ſie überhaupt zu einer Entwicklung gelangen, überlaſſen ſie einer höheren Macht. Sie halten es für einen Frevel, hier in die unbekannten Pläne des Himmelskörpers mit ihrer eignen, doch immerhin beſchränkten Überlegung einzugreifen.
Fänu und Fren ſenkten ihren Flug bis an die Wurzel des Baumes. Dort ließ Fänu ſich nieder. Sie blickte hinaus in das grünende Laubdach und hinab auf den Boden und ſagte dann:
„Mutter, wir grüßen dich. Wir bringen zu dir zum erſten Mal das Geheimnis des Schleiers, damit du es ſegneſt, ehe wir es hinſenden auf die dunklen Wanderwege der Hoffnung.“
„Sei willkommen, Kind, und du, Fren, Genoſſe ihres Glücks und ihrer Freiheit.“
So ſprach Bio, langſam, wie Pflanzen pflegen. Es war eine feierliche Handlung, zu der ſie die Idonen empfing. Die ſchöne Freiheit beider Generationen kam ihnen hier zu erhebendem Bewußtſein, und die Pflanze fühlte ſich dabei im Stolze der Vermittlerin zwiſchen Natur und Würde.
„Ich erwidere euern Gruß,“ fuhr Bio fort, „ich, die ich wachſe im Reiche der bauenden Welt. Euch baute ich empor aus der Tiefe des Planetenmondes, damit ihr lebt im goldenen Reiche des ſchönen Scheins. In euerm Denken ſchafft ihr eure Welt, euer ſpielendes Wollen iſt holdeſte Erfüllung des Gefühls. Was ihr tut, iſt des Planeten lebendig freie Freude. Ihr ſchwebt durch die Höhen, frohe Idonen, und Glück und Würde iſt in euch geeint. Mit euch erleb' ich Höhe und Glück. Freudig nun ſtreut aus der Gemeinſamkeit höchſte Blüte, ſtreut aus ins Unbeſtimmte zur Beſtimmung.“
„Wir danken dir, Mutter. Sage uns noch den Segen des ewigen Werdens!“
Wieder begann Bio:
„Aufs neue erhebe ſich der Kreislauf. Ins Unbeſtimmte ſchweben die Zellchen des Lebens, die euerm ſeligen Bunde entſprungen ſind, ob ſie vergehen und einzeln ſchwinden, ob ſie beſtehen und wurzeln im Boden, der uns trägt.
Nehme er gnädig und fördernd ſie auf, daß ſie gedeihen zum grünenden, blühenden Baume!
Fülle er ſie wieder mit der Urkraft des Schaffenden, tränke er ſie mit der Seele des gemeinſamen Lebens aller Weſen, die im Sonnenreiche zuſammenwirken!
Gehet hinaus, Endliches zum Unendlichen, daß es neu geboren kehre, Unendliches ins Endliche!
Denn das iſt der Sinn des Gottes.
Nicht uns läßt er leben, ſondern er lebt in uns, und wir ſind es, als die er ſich wandelt, der Schöpfende, von Wirklichkeit zum Spiel, vom Spiele zur Wirklichkeit.
Werden und Scheinen iſt unſer Wandel, Götterleid und Götterluſt. Flieget empor, Fänu und Fren!
Von der Höhe der Wolken gleite ſchwebend hinab die Frucht des ſeligen Scheins, um wieder zu werden und zu wachſen im Pflanzengrunde!“
Schweigend erhob ſich das Paar und flog weiter noch manche Strecke. Dann hielten ſie an und wandten ſich dem Planeten zu, deſſen Scheibe groß und ſtill in ihrem milden Lichte herüberſchien.
In ihnen glühte der Stolz der Idonen, die Leben ausſtreuen zum Ewiglebenden, hingeben und nicht verlieren, was Leben iſt. Denn Leben iſt Schein und Schein iſt Leben. Nicht tötet eines das andere, beide ſind ſie das ewig Schaffende. Sie löſen ſich ab wie zwei treue Freunde in der Arbeit. So ſchreitet das Einzelbewußtſein, in dauerndem Wechſel immer neu ſich ſelbſt geſtaltend, von dem einen Reiche zum andern. Höher und höher arbeitet ſich in Leib und Seele die Anpaſſung des Lebendigen an gehofftes Unendliches, immer wieder neu ſich verjüngend im Pflanzenwachſtum, dann neu ſich erhebend im Reiche des freien Gedankens zur Götterwonne, und keine Träne fließt hier mehr dem Leiden.
So deutet der Glaube der Idonen die Natur ihres Sternes.
Fänu wehte mit dem Schleier zur Sonne hin — —
Das Glück ſchwebte in der Luft. Ihr Glück im Herzen kehrten ſie heim.
Aus Fänus wehendem Schleier war ein durchſcheinendes Etwas hinausgeſchwebt ins Wolkenreich. Das löſte ſich auf in Millionen unſichtbarer kleinſter Zellchen, die Dauerſporen der Pflanze Bio vom Neptunsmond.
Dieſe kleinen Körnchen beſaßen einen Durchmeſſer, der nur etwa den ſechstauſendſten Teil eines Millimeters betrug. Sie waren alſo kleiner als die Wellenlänge des Lichts und nahe an der Grenze deſſen, was das beſte Mikroſkop dem Menſchenauge noch zu zeigen vermag. Und doch waren ſie nicht kleiner als die kleinſten Pflanzenſamen, die auf der Erde vorkommen, und jedes umfaßte noch viele Millionen Molekeln.
Die Schar dieſer kleinſten Hüllen ſchlummernden Lebens ſchwebte in der Atmoſphäre des Neptunsmonds.
Lange mochten ſie hier verweilen, von jedem leiſeſten Luftzuge umhergetrieben und zerſtreut, und nur langſam, ganz langſam konnten ſie auf den Boden ſinken, wo dann einzelne ſo glücklich ſein mochten, auf fruchtbarem Lande ſich feſtzuſetzen und aufzuwachſen zum Rankenbaum.
Weiter war der Mond auf ſeiner Bahn um den Neptun geſchritten, und einige der kleinen Wanderſporen waren auf die Nachtſeite geraten, die jetzt weder von der Sonne noch vom Planeten erleuchtet wurde. Hier kamen ſie in elektriſche Entladungen der hohen Schichten der Mondatmoſphäre, durch die ſie eine Abſtoßung erlitten und fort vom Monde und vom Planeten in den leeren Weltraum hinausgetrieben wurden.
Aber auch der Weltraum iſt nicht ganz leer. Staubteilchen verſchiedener Größe, auf verſchiedene Weiſe verdunſtet und entflohen von den Weltkörpern, ſchweben darin umher. Je nach ihrer Maſſe werden ſie durch die Schwerkraft nach der Sonne hingezogen, oder ſie werden, wenn ſie zwiſchen gewiſſen Grenzen der Kleinheit liegen, durch den Strahlendruck der Sonne von ihr abgeſtoßen.
Die Dauerſporen des Rankenbaums Bio beſitzen eine Größe derart, daß für ſie der abſtoßende Strahlendruck der Sonne, eine Folge der Energieſtrahlung dieſes heißen Weltkörpers, die Anziehungskraft der Sonne überwiegt. Sie wurden alſo von der Sonne fort in den Weltraum getrieben, aus dem Anziehungsbereich des Neptun und aus unſerm Sonnenſyſtem überhaupt hinaus, und mögen dort irgend einmal in die Herrſchaft eines fremden Sternes geraten.
Einer aber dieſer kleinen Keime traf, als er eben weit genug vom Neptun entfernt war, um nicht wieder zurückzufallen, auf ein Staubteilchen, das ſeines Weges zur Sonne zog; denn dieſes war tauſendmal ſo ſchwer und groß als das Samenkörnchen. Freilich wollte das nicht viel ſagen; es blieb immer noch ſelbſt unſichtbar klein, da ſein Durchmeſſer nur den ſechshundertſten Teil eines Millimeters betrug; aber gegen das Samenkörnchen war es doch ein Rieſe. Die kleine Dauerſpore blieb an dem Staubteilchen haften. Dadurch wurde ſie mit ihm nach der Sonne hin angezogen. Sie trat ihre Reiſe nach dem Innern unſers Planetenſyſtems an.
Genau läßt es ſich ausrechnen, wieviel Zeit ein Körnchen dieſer Größe braucht, um von der Nähe des Neptun der Sonne zuzufliegen. Nach einundzwanzig Jahren war es noch ſo weit von ihr entfernt wie der Planet Uranus, nach weiteren zwölf Jahren hatte es die Saturnbahn paſſiert, vier Jahre brauchte es noch bis zur Bahn des Jupiters, und zwei weitere bis es von der Sonne ſo weit abſtand wie der Mars. Bis jetzt war es glücklich ohne Aufenthalt mit immer gleichmäßig wachſender Geſchwindigkeit geflogen und hatte keinerlei Abenteuer erlebt. Keiner der Planeten, deren Bahnen es paſſierte, hatte es geſtört, denn ſie befanden ſich gerade auf weit entlegenen Strecken. Auch die vielen kleinen Aſteroiden waren ihm nicht gefährlich geworden, nur einer hatte ihm eine unbedeutende Abweichung verſetzt. Aber, ein Vierteljahr etwa, nachdem es die Marsbahn verlaſſen, näherte ſich das Staubteilchen mit ſeinem Sporenkörnchen einem größeren Planeten, der gerade auf die Stelle zueilte, wo es ſeine Bahn zu kreuzen hatte. Hier erhielt es eine ſtarke Ablenkung. Die Anziehung des kräftigen Planeten zwang es, ihm entgegenzueilen. Es ſchoß auf ihn zu und geriet zwiſchen die äußerſt dünn verteilten Molekeln ſeiner äußerſten Atmoſphäre. Es befand ſich auf der Erde.
Die Dauerſpore des Rankenbaums Bio enthielt keine Spur von Feuchtigkeit. Infolge deſſen ſchadete ihr die Kälte des Weltraums nichts, ſo tief auch ſeine Temperatur ſank. Zwar ward das Körnchen von der Sonne beſtrahlt, aber bei ſeiner Kleinheit gab es dieſe Wärme ſogleich wieder durch Ausſtrahlung ab. So war es unverſehrt zwiſchen die äußerſten Schichten der Erdenluft gelangt.
Beim weiteren Eindringen prallten immer mehr Luftteilchen auf das Staubkörnchen und erwärmten es ſtark. Dabei löſte ſich die Dauerſpore von ihrem Weltraumfahrzeug, dem Staubteilchen, ab und ſchwebte wieder auf eigene Fauſt in der Atmoſphäre. Sie vermochte einen guten Teil Stöße der Luftmolekeln zu vertragen. Ihre Kleinheit half ihr auch jetzt, ſo daß ſie ohne Gefährdung ſich der Temperatur der umgebenden Luft anpaßte. Unverſehrt und heil ſchwebte ſie über einem Waldgebirge.
Wolken ballten ſich zuſammen, es regnete. Ein ſchöner runder Tropfen riß den Weltwanderer herab und klatſchte auf die Blätter einer alten Buche. Mehr und mehr Tropfen fielen und ſchwemmten die Spore abwärts bis auf den Boden. Unmittelbar an der Wurzel einer Efeupflanze, die an der Buche emporgeklettert war, haftete die Spore im erweichten Humusboden und kam zur Ruhe.
Vierzig Jahre hatte die Reiſe gedauert. Aber auf ſolche Abenteuer ſind die Dauerſporen vieler Pflanzen eingerichtet. Bios Samenkörnchen hatte die Zeit glücklich überſtanden, ohne ſeine Keimkraft einzubüßen. In tiefſtem Schlummer lagen in ihm alle Energien, ſich gegenſeitig im Gleichgewicht ihrer Spannungen haltend. In ihnen waren in ruhendem Zuſtande die Spuren des Lebens bewahrt, die ſich dem Geſchlechte der Pflanzen auf dem Neptunsmond eingegraben hatten in Billionen Jahren, von jenen Urzeiten, in deren Verlauf ihre Vorfahren allmählich bis zu den Müttern des Idonengeſchlechts aufgeſtiegen waren, bis zu den Erlebniſſen ihrer unmittelbaren Eltern, Frens und Fänus. Natürlich nicht alle, aber alle die, welche erforderlich waren, um die Lebensprozeſſe zu wiederholen, deren Ergebnis ſich als Aufbau eines Rankenbaumes vom Geſchlechte Bios zeigte. Es war nur nötig, daß die äußern Bedingungen eintraten, jene Prozeſſe auszulöſen, die ſchlummernden Spannungen zu erwecken und neue Energien in ihren Wirkungskreis hineinzuziehen.
Und die Zeit kam. Die Feuchtigkeit des Bodens lockerte die feſte Hülle der Spore. Zahlloſe Bakterien begannen ihre Zerſetzungsarbeit in der Umgebung. Die Zelle vom Neptunsmond regte ſich in der Fremde. Sie wuchs, teilte ſich, teilte ſich wieder, und die neue Genoſſenſchaft kam zum Lichte. Die erſten grünen Körnchen färbten das erſte Blättchen. Ein junges Biopflänzchen war aufgeſproſſen auf Erden.
Mühſam war ſein Lebenswerk. Der Buchenſchatten und die Deckung durch den Efeu ſchützten es, ſonſt hätte es ſich in der Sonnennähe des Erdplaneten nicht halten können. Die Stärke der Schwerkraft zog es zur Erde nieder, als Ranke mußte es am Boden kriechen, das ſich auf dem Saturnsmond ſtolz als Baum in die Höhe gerichtet haben würde.
Aber doch hatte es die Bedingungen günſtig getroffen. Am Efeu konnte es ſich von der Bodennäſſe emporrichten. Brutknoſpen wuchſen hervor, fielen ab und wurden von Wind und Waſſer zerſtreut. Im Winter ruhte alles. Jedoch im Frühjahr grünte die Pflanze wieder auf und ſtrebte kräftiger zur Höhe. Wo Brutknoſpen zufällig unter eine Efeupflanze geraten waren, ſproßten aus ihnen neue Rankenpflänzchen empor. So gab es einzelne Stellen im Walde am Rieſengrab, wo Nachkommen Bios, der Pflanze vom Neptunsmond, gediehen. Noch war ſie von keinem Menſchen bemerkt, unſcheinbar unter dichtem Efeu verſteckt. Aber im zweiten Jahre entwickelte ſich etwas Neues. Blaue Glöckchen brachen hier und da an den Ranken der Pflanze hervor. Sie bereitete ſich, das neue Geſchlecht zu erzeugen, die Idonen, die als freie Vernunftweſen auf dem Neptunsmond herrſchen.
Würden ſie auch auf der Erde beſtehen können?
In dieſem Jahre kam es noch nicht dazu, die blauen Becher fielen ab, die ſilberweißen Fäden, die ſich gezeigt hatten, verdorrten. Aber im folgenden Frühjahr ſproßten neue Kapſeln hervor und öffneten ſich.
Die Pflanze hatte ſich jetzt ſchon weiter verbreitet. Denn die ſchönen blauen Becher waren einem jungen Mädchen aufgefallen; ſie hatte Ableger der Ranken unter Efeupflanzen gezogen. Die fremde Pflanze aber nannte ſie Sternentau. Auch in ihrem Zimmer wuchs ein ſolches Pflänzchen mit blauen Kapſeln.
Und als der Juni ins Land kam, öffneten ſich die Becher, die freilich nicht die Größe gewonnen hatten, wie in ihrem Urſprungslande. In einer warmen Sommernacht wuchs es zuerſt an einem geöffneten Becher im Schutze des Zimmers ſchwellend hervor und trennte ſich von der Pflanze, noch unbemerkt von dem Mädchen, ein ſchwach leuchtendes Weſen, eine ſchwebende Elfe, Fänus Enkel, die erſte Idone auf der Erde. Und in den folgenden Nächten kamen nach und nach immer mehr der pflanzenſprachkundigen Vernunftweſen hervor, auf dem Friedhof, im Schlafgemach und zuletzt an der Stammutter beim Rieſengrab.
Die junge Idone — denn es war ein Idone weiblichen Geſchlechts — fand zwar, als ſie zur vollen Entwicklung gekommen war, die Überlieferung des Idonentums in ſich vor, die durch die Spore vom Neptunsmond mitgebracht war, aber alles, was ſich auf die Erde bezog, war ihr natürlich vollkommen fremd. Denn ſolange der Sternentau es nicht ſelbſt bis zur Produktion von Idonen gebracht hatte, war ihm auch eine irgendwie nähere Verſtändigung mit den Pflanzen der Erde nicht möglich. Das änderte ſich jetzt. Der Sternentau vermochte mit dem Efeu zu ſprechen und konnte nun den Idonen übermitteln, was er von den Pflanzen der Erde erfuhr. Allerdings wußte gerade Kitto, der Efeu in Hardas Zimmer, verhältnismäßig wenig von der Pflanzenwelt draußen; denn da die Sprache durch die Wurzeln im Boden vermittelt wurde, die hier infolge der künſtlichen Einpflanzung und Hegung im Zimmer von der Muttererde getrennt waren, ſo blieb der Verkehr zwiſchen Kitto und Ebah eigentlich auf die Stunden beſchränkt, in denen der Efeu einmal bei Regen in den Garten geſtellt wurde. Aber der Sternentau hatte jetzt die Sprache der irdiſchen Pflanzen durch Kitto gelernt, und dies genügte, um der jungen Idone den Verkehr mit den Pflanzen der Umgegend zu ermöglichen.
Nachdem es der Idone ſchmerzlich zum Bewußtſein gekommen war, daß ſie ſich unter völlig fremdartigen Verhältniſſen befand und daß ſie ganz allein ſtand, ohne jede Hilfe und Geſellſchaft gleichartiger Weſen, hatte ſie beim Morgengrauen durch das geöffnete Fenſter das Zimmer verlaſſen und war ſo Hardas Beobachtung entgangen. Harda fand nur die vertrocknete Kapſel.
Unſichtbar ſchwebte die junge Idone durch die Luft und ſuchte nach dem Efeu am Rieſengrab, Kittos Mutter. Dort, ſo hatte ihr Kitto geſagt, würde ſie noch anderen Sternentau finden. Auch die geöffneten Kapſeln in Hardas Zimmer ließen ſie ſchon hoffen, daß ſie bald verwandte Weſen in dieſem fremden Lande beſitzen würde. Bis dahin traute ſie nach Idonenart auf die eigne Kraft und ſuchte ſich nach Möglichkeit über die Verhältniſſe zu unterrichten.
Zunächſt gab ſie ſich ſelbſt einen Namen — denn das war das Recht der Idonen — und nannte ſich Ildu, das bedeutet in der Sprache der Idonen „die einzige“. Sie bemerkte ſogleich, daß ſie ſich gar nicht auf dem Neptunsmond befinden könne, denn die Helligkeit des Tages und die Schwere waren viel mächtiger. Da ſie aber bei ihrem Fluge nur von ihrem relativen Gewicht zur Luft abhängig war, und die Luft von nahezu gleicher Zuſammenſetzung zu ſein ſchien wie auf dem Neptunsmond, ſo erſchwerte ihr dies die Bewegung nicht weſentlich. Nach längerem Suchen war ſie zur Buche gelangt und hatte dort durch Ebah und Bio auch von Harda gehört und über die Menſchen einiges erfahren, ſoweit die unklaren Vorſtellungen der Pflanzen das geſtatteten. Sie war dann in Hardas Zimmer zurückgekehrt, und als dieſe ſelbſt dort eingetreten war, hatte ſich Ildu für kurze Zeit auf Hardas Haupt niedergelaſſen. Zufällig geſchah dies in dem Augenblicke, als Ildu zu Kitto über ihre Unterredung im Walde ſprach, worin Ebah ihrer Liebe und Sorge für Harda Ausdruck gegeben hatte. Bei dieſer Berührung fiel es Ildu auf, daß in ihr ganz neue Gedanken geweckt wurden, die nur von einer Gegenwirkung des menſchlichen Gehirnes ausgehen konnten, ſie wußte jedoch nicht, daß gleichzeitig in Harda die Gedanken Ildus in menſchlicher Vorſtellungsform reproduziert wurden. Ildu war in gewiſſem Sinne nicht weniger überraſcht und erſchrocken als Harda bei dieſem ihrem erſten „Anfall“, nur daß dieſe von der Exiſtenz der Idone nichts wußte. Aber auch der Menſch war für Ildu ein vollſtändig rätſelhaftes und unheimliches Weſen.
Die Idone zog ſich aus dem Hauſe zurück und beſchloß, in ſtillem Nachdenken nach Idonenart für ſich zu verweilen, bis ſie Genoſſen fände, mit denen ſie ſich beraten könne. Doch flog ſie dabei aufmerkend in der Umgegend umher, lauſchte den Stimmen des Waldes und verſuchte in ihrer lebhaften Phantaſie zu ermitteln, auf welchen Planeten ſie wohl geraten ſei. Alles war ſo maſſig und ſchwer, blendend war der Tag, aber um ſo dunkler die Nacht. Müde wirbelten ihre Ruderfüßchen durch die Erdenluft.
In der nächſten Nacht endlich, als ſie den Sternentau beſuchte, von dem ihr der Efeu unter der Buche geſagt hatte, daß er unter Hedo auf einem grünen Hügel wachſe, da jubelte ſie auf; da fand ſie eine Anzahl junger Idonen, die eben ihre Kapſeln verlaſſen hatten, und in ihren Reigen ſich miſchend konnte ſie den Erſtaunten ſchon manch wichtige Aufklärungen erteilen über die plumpe und rohe Welt, in der ſie ſich fanden. Viel Erfreuliches ergab ſich dabei freilich nicht. Zeigte ſich doch die Körpergroße der Idonen hier geringer, als ſie nach der ererbten Vorſtellungsweiſe in ihrer Heimat zu ſein pflegte, während die Bodenformen viel gewaltigere waren. Die Idonen planten, daß ſich ein Teil von ihnen in der Umgebung von Bios Standplatz Wohnungen bauen ſollten, um eine Stammkolonie zu bilden; die übrigen wollten weiter hinaus zur Erforſchung der Menſchen ziehen unter Führung zweier Idonen, deren Namen Elſu und Gret waren.