Ich werde in meiner Erzählung ſchnell über eine Zeit hineilen müſſen, bei der ich, wie gerne, verweilen würde, wenn ich ihren lebendigen Geiſt in der Erinnerung herauf zu beſchwören vermöchte. Aber die Farbe, die ſie belebte, und nur wieder beleben kann, iſt in mir verloſchen, und wann ich in meiner Bruſt wieder finden will, was ſie damals ſo mächtig erhob, die Schmerzen und das Glück, den frommen Wahn, — da ſchlag' ich vergebens an einen Felſen, der keinen lebendigen Quell mehr gewährt, und der Gott iſt von mir gewichen. Wie verändert blickt ſie mich jetzt an, dieſe vergangene Zeit! — Ich ſollte dort in dem Bade eine heroiſche Rolle tragiren, ſchlecht einſtudirt, und ein Neuling auf der Bühne, vergaft' ich mich aus dem Stücke heraus in ein paar blaue Augen. Die Eltern, vom Spiele getäuſcht, bieten Alles auf, den Handel nur ſchnell feſt zu machen, und die gemeine Poſſe beſchließt eine Verhöhnung. Und das iſt Alles, Alles! — Das kommt mir albern und abgeſchmackt vor, und ſchrecklich wiederum, daß ſo mir vorkommen kann, was damals ſo reich, ſo groß, die Bruſt mir ſchwellte. Mina, wie ich damals weinte, als ich dich verlor, ſo wein' ich jetzt, dich auch in mir verloren zu haben. Bin ich denn ſo alt worden? — o traurige Vernunft! Nur noch ein Pulsſchlag jener Zeit, ein Moment jenes Wachens, — aber nein! einſam auf dem hohen öden Meere deiner bittern Fluth, und längſt aus dem letzten Pokale der Champagner Elfe entſprüht!
Ich hatte Bendel mit einigen Goldſäcken voraus geſchickt, um mir im Städtchen eine Wohnung nach meinen Bedürfniſſen einzurichten. Er hatte dort viel Geld ausgeſtreut, und ſich über den vornehmen Fremden, dem er diente, etwas unbeſtimmt ausgedrückt, denn ich wollte nicht genannt ſeyn, das brachte die guten Leute auf ſonderbare Gedanken. Sobald mein Haus zu meinem Empfang bereit war, kam Bendel wieder zu mir, und holte mich dahin ab. Wir machten uns auf die Reiſe.
Ungefähr eine Stunde vom Orte, auf einem ſonnigen Plan, ward uns der Weg durch eine feſtlich geſchmückte Menge verſperrt. Der Wagen hielt. Muſik, Glockengeläute, Kanonenſchüße wurden gehört, ein lautes Vivat durchdrang die Luft, — vor dem Schlage des Wagens erſchien in weißen Kleidern ein Chor Jungfrauen von ausnehmender Schönheit, die aber vor der Einen, wie die Sterne der Nacht vor der Sonne verſchwanden. Sie trat aus der Mitte der Schweſtern hervor; die hohe zarte Bildung kniete verſchämt erröthend vor mir nieder, und hielt mir auf ſeidenem Kiſſen, einen aus Lorbeer, Oelzweigen und Roſen geflochtenen Kranz entgegen, indem ſie von Majeſtät, Ehrfurcht und Liebe einige Worte ſprach, die ich nicht verſtand, aber deren zauberiſcher Silberklang mein Ohr und Herz berauſchten, — es war mir, als wäre ſchon einmal die himmliſche Erſcheinung an mir vorüber gewallt. Der Chor fiel ein, und ſang das Lob eines guten Königes und das Glück ſeines Volkes.
Und dieſer Auftritt, lieber Freund, mitten in der Sonne, — ſie kniete noch immer zwei Schritte vor mir, und ich, ohne Schatten, konnte die Kluft nicht überſpringen, nicht wieder vor dem Engel auf die Knie fallen. O, was hätt’ ich nicht da für einen Schatten gegeben. Ich mußte meine Schaam, meine Angſt, meine Verzweiflung tief in den Grund meines Wagens verbergen. Bendel beſann ſich endlich für mich, er ſprang von der andern Seite aus dem Wagen heraus, ich rief ihn noch zurück und reichte ihm aus meinem Käſtchen, das mir eben zur Hand lag, eine reiche diamantene Krone, die die ſchöne Fanny hatte zieren ſollen. Er trat vor, und ſprach im Namen ſeines Herrn, welcher ſolche Ehrenbezeugungen nicht annehmen könne noch wolle; es müſſe hier ein Irrthum vorwalten, jedoch ſeien die guten Einwohner der Stadt für ihren guten Willen bedankt. Er nahm indeß den dargehaltenen Kranz von ſeinem Ort, und legte den brillantenen Reif an deſſen Stelle; dann reichte er ehrerbietig der ſchönen Jungfrau die Hand zum Aufſtehen, entfernte mit einem Wink Geiſtlichkeit, Magistratus und alle Deputationen. Niemand ward weiter vorgelaſſen. Er hieß den Haufen ſich theilen und den Pferden Raum geben, ſchwang ſich wieder in den Wagen, und fort ging's weiter in geſtrecktem Galopp unter eine aus Laubwerk und Blumen erbaute Pforte hinweg, dem Städtchen zu. — Die Kanonen wurden immer friſchweg abgefeuert. — Der Wagen hielt vor meinem Hauſe; ich ſprang behend' in die Thür', die Menge theilend, die die Begierde, mich zu ſehen, herbeigerufen hatte. Der Pöbel ſchrie Vivat unter meinem Fenſter, und ich ließ doppelte Dukaten daraus regnen; am Abend ward die Stadt freiwillig erleuchtet. —
Und ich wußte immer noch nicht, was das Alles bedeuten ſollte, und für wen ich angeſehen wurde. Ich ſchickte Rascal'n auf Kundſchaft aus. Er ließ ſich dann erzählen, weßmaßen man bereits ſichere Nachrichten gehabt, der gute König von Preußen reiſe unter dem Namen eines Grafen durch das Land; wie mein Adjutant erkannt worden wäre, und wie er ſich und mich verrathen habe, wie groß endlich die Freude geweſen, da man die Gewißheit gehabt, mich im Orte ſelbſt zu beſitzen. Nun ſah man freilich ein, da ich offenbar das ſtrengſte Inkognito beobachten wolle, wie ſehr man Unrecht gehabt, den Schleier ſo zudringlich zu lüften. Ich hätte aber ſo huldreich, ſo gnadenvoll gezürnt, — ich würde gewiß dem guten Herzen verzeihen müſſen.
Meinem Schlingel kam die Sache ſo ſpaßhaft vor, daß er mit ſtrafenden Reden ſein Möglichſtes that, die guten Leute einſtweilen in ihrem Glauben zu beſtärken. Er ſtattete mir einen ſehr komiſchen Bericht ab, und da er mich dadurch erheitert ſah, gab er mir ſelbſt ſeine verübte Bosheit zum Beſten. — Muß ich's bekennen? es ſchmeichelte mir doch, ſei es auch nur ſo, für das verehrte Haupt angeſehen worden zu ſeyn.
Ich hieß zu dem morgenden Abend unter den Bäumen, die den Raum vor meinem Hauſe beſchatteten, ein Feſt bereiten, und die ganze Stadt dazu einladen. Der geheimnißreichen Kraft meines Seckels, Bendel's Bemühungen und der behenden Erfindſamkeit Rascal's gelang es ſelbſt die Zeit zu beſiegen. Es iſt wirklich erſtaunlich, wie reich und ſchön ſich Alles in den wenigen Stunden anordnete. Die Pracht und der Überfluß, die da ſich erzeugten; auch die ſinnreiche Erleuchtung war ſo weiſe vertheilt, daß ich mich ganz ſicher fühlte. Es blieb mir nichts zu erinnern, ich mußte meine Diener loben.
Es dunkelte der Abend. Die Gäſte erſchienen, und wurden mir vorgeſtellt. Es ward die Majeſtät nicht mehr berührt; aber ich hieß in tiefer Ehrfurcht und Demuth: Herr Graf. Was ſollt' ich thun? Ich ließ mir den Grafen gefallen, und blieb von Stund' an der Graf Peter. Mitten im feſtlichen Gewühle begehrte meine Seele nur nach der Einen. Spät erſchien ſie; ſie, die die Krone war und trug. Sie folgte ſittſam ihren Eltern, und ſchien nicht zu wiſſen, daß ſie die Schönſte ſei. Es wurden mir der Herr Forſtmeiſter, ſeine Frau und ſeine Tochter vorgeſtellt. Ich wußte den Alten viel Angenehmes und Verbindliches zu ſagen; vor der Tochter ſtand ich wie ein ausgeſcholtener Knabe da, und vermochte kein Wort hervor zu lallen. Ich bat ſie endlich ſtammelnd, dies Feſt zu würdigen, das Amt, deren Zeichen ſie ſchmückte, darin zu verwalten. Sie bat verſchämt mit einem rührenden Blick um Schonung; aber verſchämter vor ihr, als ſie ſelbſt, bracht ich ihr als erſter Unterthan meine Huldigung in ſteifer Ehrfurcht, und der Wink des Grafen ward allen Gäſten ein Gebot, dem nachzuleben ſich Jeder freudig beeiferte. Majeſtät, Unſchuld und Grazie beherrſchten, mit der Schönheit im Bund, ein frohes Feſt. Die glücklichen Eltern Mina's glaubten ihnen nur zur Ehren ihr Kind erhöht, ich ſelber war in einem unbeſchreiblichen Rauſch. Ich ließ Alles, was ich noch von den Juwelen hatte, die ich damals, um beſchwerliches Gold loß zu werden, gekauft, alle Perlen, alles Edelgeſtein in zwei verdeckte Schüſſeln legen, und bei Tiſche unter dem Namen der Königin, ihren Geſpielinnen und allen Damen herumreichen; Gold ward indeſſen ununterbrochen über die gezogenen Schranken unter das jubelnde Volk geworfen.
Bendel am andern Morgen eröffnete mir im Vertrauen, der Verdacht, den er längſt gegen Rascal's Redlichkeit gehegt, ſei nunmehr zur Gewißheit worden. Er habe geſtern ganze Säcke Goldes unterſchlagen. „Laſſet uns,“ erwiedert’ ich, „dem armen Schelmen die kleine Beute gönnen, ich ſpende gern Allen, warum nicht auch ihm? Geſtern hat er mir, haben mir alle neuen Leute, die du mir gegeben, redlich gedient, ſie haben mir froh ein frohes Feſt begehen helfen.“ —
Es war nicht weiter die Rede davon. Rascal blieb der erſte meiner Dienerſchaft, Bendel war aber mein Freund und mein Vertrauter. Dieſer war gewohnt worden, meinen Reichthum als unerſchöpflich zu denken, und er ſpähte nicht nach deſſen Quellen. — Er half mir vielmehr, in meinen Sinn eingehend, Gelegenheiten erſinnen, ihn darzuthun und Gold zu vergeuden. Von jenem Unbekannten, dem blaſſen Schleicher, wußt' er nur ſo viel: Ich dürfe allein durch ihn von dem Fluche erlöſt werden, der auf mir laſtete, und fürchte ihn, auf dem meine einzige Hoffnung ruhte. Übrigens ſei ich davon überzeugt, er könne mich überall auffinden, ich ihn nirgends, darum ich, den verſprochenen Tag erwartend, jede vergebliche Nachſuchung eingeſtellt.
Die Pracht meines Feſtes und mein Benehmen dabei, erhielten Anfangs die ſtarkgläubigen Einwohner der Stadt bei ihrer vorgefaßten Meinung. Es ergab ſich freilich ſehr bald aus den Zeitungen, daß die ganze fabelhafte Reiſe des Königs von Preußen ein bloßes ungegründetes Gerücht geweſen. Ein König war ich aber nun einmal, und mußte ſchlechterdings ein König bleiben, und zwar einer der reichſten und königlichſten, die es immer geben mag. Nur wußte man nicht recht, welcher. Die Welt hat nie Grund gehabt, über Mangel an Monarchen zu klagen, am wenigſten in unſern Tagen; die guten Leute, die noch keinen mit Augen geſehen, riethen mit gleichem Glück bald auf dieſen, bald auf jenen — Graf Peter blieb immer der er war. —
Einſt erſchien unter den Badegäſten ein Handelsmann, der Bankerot gemacht hatte, um ſich zu bereichern; der allgemeine Achtung genoß, und einen breiten, obgleich etwas blaſſen Schatten von ſich warf. Er wollte hier das Vermögen, das er geſammelt, zum Prunk ausſtellen, und es fiel ſogar ihm ein, mit mir wetteifern zu wollen. Ich ſprach meinem Seckel zu, und hatte ſehr bald den armen Teufel ſo weit, daß er, um ſein Anſehen zu retten, abermals Bankerot machen mußte und über das Gebirg ziehen. So ward ich ihn loß. — Ich habe in dieſer Gegend viele Taugenichts und Müßiggänger gemacht!
Bei der königlichen Pracht und Verſchwendung, womit ich mir Alles unterwarf, lebt' ich in meinem Hauſe ſehr einfach und eingezogen. Ich hatte mir die größte Vorſicht zur Regel gemacht, es durfte, unter keinem Vorwand, kein Anderer, als Bendel, die Zimmer, die ich bewohnte, betreten. So lange die Sonne ſchien, hielt' ich mich mit ihm darin verſchloſſen, und es hieß: der Graf arbeite in ſeinem Kabinet. Mit dieſen Arbeiten ſtanden die häufigen Kuriere in Verbindung, die ich um jede Kleinigkeit abſchickte und erhielt. — Ich nahm nur am Abend unter meinen Bäumen, oder in meinem, nach Bendel's Angabe geſchickt und reich erleuchteten Saale Geſellſchaft an. Wann ich ausging, wobei mich ſtets Bendel mit Argusaugen bewachen mußte, ſo war es nur nach dem Förſtergarten, und um des Einen willen; denn meines Lebens innerlichſtes Herz war meine Liebe.
O mein guter Chamiſſo, ich will hoffen, du habeſt noch nicht vergeſſen, was Liebe ſei! Ich laſſe Dir hier Vieles zu ergänzen. Mina war wirklich ein liebewerthes, gutes, frommes Kind. Ich hatte ihre ganze Phantaſie an mich gefeſſelt, ſie wußte in ihrer Demuth nicht, womit ſie werth geweſen, daß ich nur nach ihr geblickt; und ſie vergalt Liebe um Liebe mit der vollen jugendlichen Kraft eines unſchuldigen Herzens. Sie liebte wie ein Weib, ganz hin ſich opfernd; ſelbſt vergeſſen, hingegeben den nur meinend, der ihr Leben war; unbekümmert, ſolle ſie ſelbſt zu Grunde gehen, das heißt, ſie liebte wirklich. —
Ich aber — o welche ſchreckliche Stunden — — ſchrecklich! und würdig dennoch, daß ich ſie zurückwünſche, hab’ ich oft an Bendel's Bruſt verweint, als nach dem erſten bewußtloſen Rauſch ich mich beſonnen, mich ſelbſt ſcharf angeſchaut, der ich ohne Schatten mit tückiſcher Selbſtſucht, dieſen Engel verderbend, die reine Seele an mich gelogen und geſtolen! Dann beſchloß ich, mich ihr ſelber zu verrathen; dann gelobt' ich mit theuren Eidſchwüren, mich von ihr zu reißen und zu entfliehen; dann brach ich wieder in Thränen aus, und verabredete mit Bendel'n, wie ich ſie auf dem Abend im Förſtergarten beſuchen wolle. —
Zu andern Zeiten log ich mir ſelber vom nahe bevorſtehenden Beſuch des grauen Unbekannten große Hoffnungen vor, und weinte wieder, wann ich daran zu glauben vergebens verſucht hatte. Ich hatte den Tag ausgerechnet, wo ich den Furchtbaren wieder zu ſehen erwartete; denn er hatte geſagt, in Jahr und Tag, und ich glaubte an ſein Wort.
Die Eltern waren gute, ehrbare, alte Leute, die ihr einziges Kind ſehr liebten, das ganze Verhältniß überraſchte ſie, als es ſchon beſtand, und ſie wußten nicht, was ſie dabei thun ſollten. Sie hatten früher nicht geträumt, der Graf Peter könne nur an ihr Kind denken, nun liebte er ſie gar, und ward wieder geliebt. — Die Mutter war wohl eitel genug, an die Möglichkeit einer Verbindung zu denken, und darauf hinzuarbeiten, der geſunde Menſchenverſtand des Alten gab ſolchen überſpannten Vorſtellungen nicht Raum. Beide waren überzeugt von der Reinheit meiner Liebe — ſie konnten nichts thun, als für ihr Kind beten.
Es fällt mir ein Brief in die Hand, den ich noch aus dieſer Zeit von Mina habe. — Ja, das ſind ihre Züge, ich will Dir ihn abſchreiben.
„Bin ein ſchwaches, thörichtes Mädchen, könnte mir einbilden, daß mein Geliebter, weil ich ihn innig, innig liebe, dem armen Mädchen nicht weh thun möchte. — Ach, Du biſt ſo gut, ſo unausſprechlich gut; aber mißbrauche mich nicht. Du ſollſt mir nichts opfern, mir nichts opfern wollen; o Gott! ich könnte mich haſſen, wenn Du das thäteſt. Nein — Du haſt mich unendlich glücklich gemacht, Du haſt mich Dich lieben gelehrt. Zeuch hin! — Weiß doch mein Schickſal, Graf Peter gehört nicht mir, gehört der Welt an. Will ſtolz ſeyn, wenn ich höre: das iſt er geweſen, und das war er wieder, und das hat er vollbracht; da haben ſie ihn angebetet, und da haben ſie ihn vergöttert. Siehe, wenn ich das denke, zürne ich Dir, daß Du bei einem einfältigen Kinde Deiner hohen Schickſale vergeſſen kannſt. — Zeuch hin, ſonſt macht der Gedanke mich noch unglücklich, die ich, ach! durch Dich ſo glücklich, ſo ſelig bin. — Hab' ich nicht auch einen Oelzweig und eine Roſenknoſpe in Dein Leben geflochten, wie in den Kranz, den ich Dir überreichen durfte? Habe Dich im Herzen, mein Geliebter, fürchte nicht, von mir zu gehen — werde ſterben ach ſo ſelig, ſo unausſprechlich ſelig durch Dich.“ —
Du kannſt Dir denken, wie mir die Worte durch's Herz ſchneiden mußten. Ich erklärte ihr, ich ſei nicht das, wofür man mich anzuſehen ſchien; ich ſei nur ein reicher, aber unendlich elender Mann. Auf mir ruhe ein Fluch, der das einzige Geheimniß zwiſchen ihr und mir ſeyn ſolle, weil ich nicht noch ohne Hoffnung ſei, daß er gelöſt werde. Dies ſei das Gift meiner Tage: daß ich ſie mit in den Abgrund hinreißen könne, ſie, die das einzige Licht, das einzige Glück, das einzige Herz meines Lebens ſei. Dann weinte ſie wieder, daß ich unglücklich war, ach, ſie war ſo liebevoll, ſo gut. Um Eine Thräne nur mir zu erkaufen, hatte ſie, mit welcher Seligkeit, ſich ſelbſt ganz hingeopfert.
Sie war indeß weit entfernt, meine Worte richtig zu deuten, ſie ahnete nun in mir irgend einen Fürſten, den ein ſchwerer Bann getroffen, irgend ein hohes, geächtetes Haupt, und ihre Einbildungskraft malte ſich geſchäftig, unter heroiſchen Bildern den Geliebten herrlich aus.
Einſt ſagte ich ihr: „Mina, der letzte Tag im künftigen Monat kann mein Schickſal ändern und entſcheiden — geſchieht es nicht, ſo muß ich ſterben, weil ich Dich nicht unglücklich machen will.“ — Sie verbarg weinend ihr Haupt an meiner Bruſt. „Ändert ſich Dein Schickſal, laß mich nur Dich glücklich wiſſen, ich habe keinen Anſpruch an Dich — Biſt Du elend, binde mich an Dein Elend, daß ich es Dir tragen helfe.“ —
„Mädchen, Mädchen, nimm es zurück, das raſche Wort, das thörichte, das Deinen Lippen entflohen — und kenn'ſt Du es, dieſes Elend, kenn'ſt Du ihn, dieſen Fluch? Weißt Du, wer Dein Geliebter. — – – – was er – – ? — Siehſt Du mich nicht krampfhaft zuſammenſchaudern, und vor Dir ein Geheimniß haben?“ Sie fiel ſchluchzend mir zu Füßen, und wiederholte mit Eidſchwur ihre Bitte. —
Ich erklärte mich gegen den hereintretenden Forſtmeiſter, meine Abſicht ſei, am erſten des nächſtkünftigen Monats um die Hand ſeiner Tochter anzuhalten — ich ſetzte dieſe Zeit feſt, weil ſich bis dahin Manches ereignen dürfte, was Einfluß auf mein Schickſal haben könnte. Unwandelbar ſei nur meine Liebe zu ſeiner Tochter. —
Der gute Mann erſchrack ordentlich, als er ſolche Worte aus dem Munde des Grafen Peter vernahm. Er fiel mir um den Hals, und ward wieder ganz verſchämt, ſich vergeſſen zu haben. Nun fiel es ihm ein, zu zweifeln, zu erwägen und zu forſchen; er ſprach von Mitgift, von Sicherheit, von Zukunft für ſein liebes Kind. Ich dankte ihm, mich daran zu mahnen. Ich ſagte ihm, ich wünſche in dieſer Gegend, wo ich geliebt zu ſeyn ſchien, mich anzuſiedeln, und ein ſorgenfreies Leben zu führen. Ich bat ihn, die ſchönſten Güter, die im Lande ausgebeten wurden, unter dem Namen ſeiner Tochter zu kaufen, und die Bezahlung auf mich anzuweiſen. Es könne darin ein Vater dem Liebenden am beſten dienen. — Es gab ihm viel zu thun, denn überall war ihm ein Fremder zu vorgekommen; er kaufte auch nur für ungefähr eine Million.
Daß ich ihn damit beſchäftigte, war im Grunde eine unſchuldige Liſt, um ihn zu entfernen, und ich hatte ſchon ähnliche mit ihm gebraucht, denn ich muß geſtehen, daß er etwas läſtig war. Die gute Mutter war dagegen etwas taub, und nicht, wie er, auf die Ehre eiferſüchtig, den Herrn Grafen zu unterhalten.
Die Mutter kam hinzu, die glücklichen Leute drangen in mich, den Abend länger unter ihnen zu bleiben; ich durfte keine Minute weilen: ich ſah ſchon den aufgehenden Mond am Horizonte dämmern. — Meine Zeit war um. —
Am nächſten Abend ging ich wieder nach dem Förſtergarten. Ich hatte den Mantel weit über die Schulter geworfen, den Hut tief in die Augen gedrückt, ich ging auf Mina zu; wie ſie aufſah, und mich anblickte, machte ſie eine unwillkührliche Bewegung; da ſtand mir wieder klar vor der Seele die Erſcheinung jener ſchaurigen Nacht, wo ich mich im Mondſchein ohne Schatten gezeigt. Sie war es wirklich. Hatte ſie mich aber auch jetzt erkannt? Sie war ſtill und gedankenvoll — mir lag es zentnerſchwer auf der Bruſt — Ich ſtand von meinem Sitz auf. Sie warf ſich ſtille weinend an meine Bruſt. Ich ging.
Nun fand ich ſie öfters in Thränen; mir ward's finſter und finſterer um die Seele, — nur die Eltern ſchwammen in unüberſchwänglicher Glückſeligkeit; der verhängnißvolle Tag rückte heran, bang und dumpf, wie eine Gewitterwolke. Der Vorabend war da — ich konnte kaum mehr athmen. Ich hatte vorſorglich einige Kiſten mit Gold angefüllt, ich wachte die zwölfte Stunde heran. — Sie ſchlug. —
Nun ſaß ich da, das Auge auf die Zeiger der Uhr gerichtet, die Sekunden, die Minuten zählend, wie Dolchſtiche. Bei jedem Lärm, der ſich regte, fuhr ich auf, der Tag brach an. Die bleiernen Stunden verdrängten einander, es ward Mittag, Abend, Nacht; es rückten die Zeiger, welkte die Hoffnung; es ſchlug eilf, und nichts erſchien; die letzten Minuten der letzten Stunde fielen, und nichts erſchien, es ſchlug der erſte Schlag, der letzte Schlag der zwölften Stunde, und ich ſank hoffnungslos in unendlichen Thränen auf mein Lager zurück. Morgen ſollt' ich — auf immer ſchattenlos, um die Hand der Geliebten anhalten; banger Schlaf drückte mir gegen den Morgen die Augen zu.