Ich fiel in ſtummer Andacht auf meine Knie und vergoß Thränen des Dankes — denn klar ſtand plötzlich meine Zukunft vor meiner Seele. Durch frühe Schuld von der menſchlichen Geſellſchaft ausgeſchloſſen, ward ich zum Erſatz an die Natur, die ich ſtets geliebt, gewieſen, die Erde mir zu einem reichen Garten gegeben, das Studium zur Richtung und Kraft meines Lebens, zu ihrem Ziel die Wiſſenſchaft. Es war nicht ein Entſchluß, den ich faßte. Ich habe nur ſeitdem, was da hell und vollendet im Urbild vor mein innres Auge trat, getreu, mit ſtillem, ſtrengen, unausgeſetzten Fleiß darzuſtellen geſucht, und meine Selbſtzufriedenheit hat von dem Zuſammenfallen des Dargeſtellten mit dem Urbild abgehangen.
Ich rafte mich auf, um ohne Zögern mit flüchtigem Überblick Beſitz von dem Felde zu nehmen, wo ich künftig ärnten wollte — ich ſtand auf den Höhen des Tibet, und die Sonne, die mir vor wenigen Stunden aufgegangen war, neigte ſich hier ſchon am Abendhimmel, ich durchwanderte Aſien von Oſten gegen Weſten, ſie in ihrem Lauf einholend, und trat in Afrika ein. Ich ſah mich neugierig darin um, indem ich es wiederholt in allen Richtungen durchmaß. Wie ich durch Ägypten die alten Pyramiden und Tempel angafte, erblickte ich in der Wüſte, unfern des hundertthorigen Theben, die Hölen, wo chriſtliche Einſiedler ſonſt wohnten. Es ſtand plötzlich feſt und klar in mir: hier iſt dein Haus. — Ich erkor eine der verborgenſten, die zugleich geräumig, bequem und den Schakalen unzugänglich war, zu meinem künftigen Aufenthalte, und ſetzte meinen Stab weiter.
Ich trat bei den Herkules-Säulen nach Europa über, und nachdem ich ſeine ſüdlichen und nördlichen Provinzen in Augenſchein genommen, trat ich von Nordaſien über den Polarglätſcher nach Grönland und Amerika über, durchſchweifte die beiden Theile dieſes Kontinents, und der Winter, der ſchon im Süden herrſchte, trieb mich ſchnell vom Cap Horn nordwärts zurück.
Ich verweilte mich, bis es im öſtlichen Aſien Tag wurde, und ſetzte erſt nach einiger Ruh meine Wanderung fort. Ich verfolgte durch beide Amerika die Bergkette, die die höchſten bekannten Unebenheiten unſerer Kugel in ſich faßt. Ich ſchritt langſam und vorſichtig von Gipfel zu Gipfel, bald über flammende Vulkane, bald über beſchneite Kuppeln, oft mit Mühe athmend, ich erreichte den Eliasberg, und ſprang über die Behringsſtraſſe nach Aſien. — Ich verfolgte deſſen weſtliche Küſten in ihren vielfachen Wendungen, und unterſuchte mit beſonderer Aufmerkſamkeit, welche der dort gelegenen Inſeln mir zugänglich wären. Von der Halbinſel Malacca trugen mich meine Stiefel auf Sumatra, Java, Bali und Lamboc, ich verſuchte, ſelbſt oft mit Gefahr, und dennoch immer vergebens, mir über die kleinern Inſeln und Felſen, wovon dieſes Meer ſtarrt, einen Übergang nordweſtlich nach Borneo und andern Inſeln dieſes Archipelagus zu bahnen. Ich mußte die Hoffnung aufgeben. Ich ſetzte mich endlich auf die äußerſte Spitze von Lamboc nieder; und das Geſicht gen Süden und Oſten gewendet, weint' ich, wie am feſt verſchloſſenen Gitter meines Kerkers, daß ich doch ſobald meine Begrenzung gefunden. Das Merkwürdige, zum Verſtändniß der Erde und ihres ſonnengewirkten Kleides, der Pflanzen und Thierwelt, ſo weſentlich nothwendige Neuholland, und die Südſee mit ihren Zoophyten-Inſeln, waren mir unterſagt, und ſo war, im Urſprunge ſchon, Alles, was ich ſammeln und erbauen ſollte, bloßes Fragment zu bleiben verdammt. — O mein Adalbert, was iſt es doch um die Bemühungen der Menſchen!
Oft habe ich im ſtrengſten Winter der ſüdlichen Halbkugel vom Cap-Horn aus jene zweihundert Schritte, die mich etwa vom Land van Diemen und Neuholland trennten, ſelbſt unbekümmert um die Rückkehr, und ſollte ſich dieſes ſchlechte Land über mich, wie der Deckel meines Sarges, ſchließen, über den Polarglätſcher weſtwärts zurück zu legen verſucht, habe über Treibeis mit thörigter Wagniß verzweiflungsvolle Schritte gethan, der Kälte und dem Meere Trotz geboten. Umſonſt, noch bin ich auf Neuholland nicht geweſen — ich kam dann jedesmal auf Lamboc zurück und ſetzte mich auf ſeine äußerſte Spitze nieder, und weinte wieder, das Geſicht gen Süden und Oſten gewendet, wie am feſt verſchloſſenen Gitter meines Kerkers.
Ich riß mich endlich von dieſer Stelle und trat mit traurigem Herzen wieder in das innere Aſien, ich durchſchweifte es fürder, die Morgendämmerung nach Weſten verfolgend, und kam noch in der Nacht in die Thebais zu meinem vorbeſtimmten Hauſe, das ich in den geſtrigen Nachmittagsſtunden berührt hatte.
Sobald ich etwas ausgeruht, und es Tag über Europa war, ließ ich meine erſte Sorge ſeyn, Alles anzuſchaffen, was ich bedurfte. — Zuvörderſt Hemmſchuhe, denn ich hatte erfahren, wie unbequem es ſei, ſeinen Schritt nicht anders verkürzen zu können, um nahe Gegenſtände gemächlich zu unterſuchen, als indem man die Stiefel auszieht. Ein Paar Pantoffeln übergezogen, hatten völlig die Wirkung, die ich mir davon verſprach, und ſpäterhin trug ich ſogar deren immer zwei Paar bei mir, weil ich öfter welche von den Füßen warf, ohne Zeit zu haben, ſie aufzuheben, wann Löwen, Menſchen oder Hyänen mich beim Botaniſiren aufſchreckten. Meine ſehr gute Uhr war auf die kurze Dauer meiner Gänge ein vortreffliches Kronometer. Ich brauchte noch außerdem einen Sextant, einige phyſikaliſche Inſtrumente und Bücher.
Ich machte, dieſes Alles herbei zu ſchaffen, etliche bange Gänge nach London und Paris, die ein mir günſtiger Nebel eben beſchattete. Als der Reſt meines Zaubergoldes erſchöpft war, bracht' ich leicht zu findendes afrikaniſches Elfenbein als Bezahlung herbei, wobei ich freilich die kleinſten Zähne, die meine Kräfte nicht überſtiegen, auswählen mußte. Ich ward bald mit Allem verſehen und ausgerüſtet, und ich fing ſogleich als privatiſirender Gelehrter meine neue Lebensweiſe an.
Ich ſtreifte auf der Erde umher, bald ihre Höhen, bald die Temperatur ihrer Quellen und die der Luft meſſend, bald Thiere beobachtend, bald Gewächſe unterſuchend; ich eilte von dem Aequator nach dem Pole, von der einen Welt nach der andern; Erfahrungen mit Erfahrungen vergleichend. Die Eier der afrikaniſchen Strauße oder der nördlichen Seevögel, und Früchte, beſonders der Tropen-Palmen und Bananen, waren meine gewöhnlichſte Nahrung. Für mangelndes Glück hatt' ich als Surrogat die Nicotiana, und für menſchliche Theilnahme und Bande die Liebe eines treuen Pudels, der mir meine Höhle in der Thebais bewachte, und wann ich mit neuen Schätzen beladen zu ihm zurück kehrte, freudig an mich ſprang, und es mich doch menſchlich empfinden ließ, daß ich nicht allein auf der Erde ſei. Noch ſollte mich ein Abentheuer unter die Menſchen zurückführen.