Adelbert von Chamiſſo: Peter Schlemihl's wunderſame Geſchichte 0. Vorworte {An // Adelbert von Chamiſſo.} Trift Frank' und Deutſcher jetzt zuſammen, // Und Jeder edlen Muth's entbrannt, // So fährt an's tapfre Schwert die Hand, // Und Kampf entſprüht in wilden Flammen. Wir treffen uns auf höherm Feld, // Wir zwei verklärt in reinerm Feuer. // Heil Dir, mein Frommer, mein Getreuer, // Und dem, was uns verbunden hält! {Fouqué.} * * * Vorwort. {An // Freund Eduard.} Bewahren, lieber Eduard, ſollen wir die Geſchichte des armen Schlemihl, dergeſtalt bewahren, daß ſie vor Augen, die nicht hineinzuſehn haben, beſchirmt bleibe. Das iſt eine ſchlimme Aufgabe. Es gibt ſolcher Augen eine ganze Menge, und welcher Sterbliche kann die Schickſale eines Manuſcriptes beſtimmen, eines Dinges, das beinah noch ſchlimmer zu hüten iſt, als ein geſprochenes Wort. Da mach' ich's denn wie ein Schwindelnder, der in der Angſt lieber gleich in den Abgrund ſpringt: ich laſſe die ganze Geſchichte drucken. Und doch, Eduard, es gibt ernſtere und beſſere Gründe für mein Benehmen. Es trügt mich Alles, oder in unſerm lieben Deutſchlande ſchlagen der Herzen viel, die den armen Schlemihl zu verſtehen fähig ſind und auch werth, und über manch eines ächten Landsmannes Geſicht wird bei dem herben Scherz, den das Leben mit ihm, und bei dem argloſen, den er mit ſich ſelbſt treibt, ein gerührtes Lächeln ziehn. Und Du, mein Eduard, wenn Du das grundehrliche Buch anſiehſt, und dabei denkſt, daß viele unbekannte Herzensverwandte es mit uns lieben lernen, fühlſt auch vielleicht einen Balſamtropfen in die heiſſe Wunde fallen, die Dir und Allen, die Dich lieben, der Tod geſchlagen hat. Und endlich: es gibt — ich habe mich durch mannichfache Erfahrung davon überzeugt — es gibt für die gedruckten Bücher einen Genius, der ſie in die rechten Hände bringt, und, wenn nicht immer, doch ſehr oft die unrechten davon abhält. Auf allen Fall hat er ein unſichtbares Vorhängſchloß vor jedwedem ächten Geiſtes- und Gemüthswerke, und weiß mit einer ganz untrüglichen Geſchicklichkeit auf- und zuzuſchließen. Dieſem Genius, mein ſehr lieber Schlemihl, vertraue ich Dein Lächeln und Deine Thränen an, und ſomit Gott befohlen! {Fouqué.} * * * Du vergiſſeſt Niemanden, Du wirſt Dich noch eines gewiſſen Peter Schlemihl's erinnern, den Du in früheren Jahren ein paar Mal bei mir geſehen haſt, ein langbeiniger Burſch', den man ungeſchickt glaubte, weil er linkiſch war und der wegen ſeiner Trägheit für faul galt. Ich hatte ihn lieb, — Du kannſt nicht vergeſſen haben, Eduard, wie er uns einmal in unſerer grünen Zeit durch die Sonnette lief, ich brachte ihn mit auf einen der poetiſchen Thee's, wo er mir noch während des Schreibens einſchlief, ohne das Leſen abzuwarten. Nun erinnere ich mich auch eines Witzes, den Du auf ihn machteſt. Du hatteſt ihn nemlich ſchon, Gott weiß, wo und wann, in einer alten ſchwarzen Kurtka geſehen, die er freilich damals noch immer trug, und ſagteſt: „der ganze Kerl wäre glücklich zu ſchätzen, wenn ſeine Seele nur halb ſo unſterblich wäre, als ſeine Kurtka.“ — So wenig galt er bei Euch. — Ich hatte ihn lieb. — Von dieſem Schlemihl nun, den ich ſeit langen Jahren aus dem Geſicht verloren hatte, rührt das Heft her, das ich Dir mittheilen will — Dir nur, Eduard, meinem nächſten, innigſten Freund, meinem beſſ'rem Ich, vor dem ich kein Geheimniß verwahren kann, theil' ich es mit, nur Dir und, es verſteht ſich von ſelbſt, unſerm Fouqué, gleich Dir in meiner Seele eingewurzelt — aber in ihm theil' ich es blos dem Freunde mit, nicht dem Dichter. — Ihr werdet einſehen, wie unangenehm es mir ſeyn würde, wenn etwa die Beichte, die ein ehrlicher Mann im Vertrauen auf meine Freundſchaft und Redlichkeit an meiner Bruſt ablegt, in einem Dichterwerke an den Pranger geheftet würde, oder nur wenn überhaupt unheilig verfahren würde, wie mit einem Erzeugniß ſchlechten Witzes, mit einer Sache, die das nicht iſt, und ſeyn darf. Freilich, muß ich ſelbſt geſtehen, daß es um die Geſchichte Schad’ iſt, die unter des guten Mannes Feder nur albern geworden, daß ſie nicht von einer geſchickteren fremden Hand in ihrer ganzen komiſchen Kraft dargeſtellt werden kann. — Was würde nicht Jean Paul daraus gemacht haben. — Übrigens, lieber Freund, mögen hier Manche genannt ſeyn, die noch leben; auch das will beachtet ſeyn. — Noch ein Wort über die Art, wie dieſe Blätter an mich gelangt ſind. Geſtern früh bei meinem Erwachen, gab man ſie mir ab, — ein wunderlicher Mann, der einen langen grauen Bart trug, eine ganz abgenützte ſchwarze Kurtka an hatte, eine botaniſche Kapſel darüber umgehangen, und bei dem feuchten, regnichten Wetter Pantoffeln über ſeine Stiefel, hatte ſich nach mir erkundigt, und dieſes für mich hinterlaſſen; er hatte, aus Berlin zu kommen, vorgegeben. — — — Kunersdorf, // den 27ſten September 1813. [P. S.] // Ich lege dir eine Zeichnung bei, die der kunſtreiche Leopold, der eben an ſeinem Fenſter ſtand, von der auffallenden Erſcheinung entworfen hat. Als er den Werth, den ich auf dieſe Skizze legte, geſehen hat, hat er ſie mir gerne geſchenkt. 1. Kapitel