Da ſetzten ſich aus Müdigkeit · die Herrn und ruhten aus.
Volker und Hagen · die giengen vor das Haus
Ueber den Schild ſich lehnend · in ihrem Uebermuth:
Da pflagen launger Reden · dieſe beiden Helden gut.
Da ſprach von Burgunden · Geiſelher der Degen:
„Noch dürft ihr, lieben Freunde, · nicht der Ruhe pflegen:
Ihr ſollt erſt die Todten · aus dem Hauſe tragen.
Wir werden noch beſtanden, das will ich wahrlich euch ſagen.
„Sie ſollen untern Füßen · uns hier nicht länger liegen,
bevor im Sturm die Heunen · mögen uns beſiegen,
Wir haun noch manche Wunde, · die gar ſanft mir thut.
Des hab ich,“ ſprach da Geiſelher, · „einen willigen Muth.“
„O wohl mir ſolches Herren,“ · ſprach Hagen entgegen.
„Der Rath geziemte Niemand · als einem ſolchen Degen,
Wie unſern jungen Herren · wir heute hier geſehn:
Ihr Burgunden möget · all darob in Freuden ſtehn.
Da folgten ſie dem Rathe · und trugen vor die Thür
Siebentauſend Todte, · die warfen ſie dafür.
Vor des Saales Stiege · fielen ſie zu Thal:
Da erhoben ihre Freunde · mit Jammern kläglichen Schall.
Auch war darunter Mancher · nur ſo mäßig wund,
Käm ihm ſanftre Pflege, · er würde noch geſund;
Doch von dem hohen Falle · fand er nun den Tod.
Das klagten ihre Freunde; · es zwang ſie wahrhafte Noth.
Da ſprach der Fiedelſpieler, · der Degen unverzagt:
„Nun ſeh ich wohl, ſie haben · mir Wahrheit geſagt:
Die Heunen ſind feige, · ſie klagen wie ein Weib,
Da ſie nun pflegen ſollten · der Schwerverwundeten Leib.“
Da mocht ein Markgraf wähnen, · er meint es ernſt und gut:
Ihm war der Vettern Einer · gefallen in das Blut;
Den dacht' er wegzutragen · und wollt ihn ſchon umfahn:
Da ſchoß ob ihm zu Tode · den der kühne Spielmann.
Als das die Andern ſahen, · ſie flohen von dem Saal.
Dem Spielmann zu fluchen · begannen ſie zumal.
Einen Sper hob Volker · vom Boden, ſcharf und hart,
Der von einem Heunen · zu ihm hinauf geſchoßen ward.
Den ſchoß er durch den Burghof · zurück kräftiglich
Ueber ihre Häupter. · Das Volk Etzels wich
Erſchreckt von dem Wurfe · weiter von dem Haus.
Vor ſeinen Kräften hatten · alle Leute Schreck und Graus,
Da ſtand vor dem Hauſe · Etzel mit manchem Mann.
Volker und Hagen · huben zu reden an
Mit dem Heunenkönig · nach ihrem Uebermuth.
Das ſchuf bald große Sorge · dieſen Helden kühn und gut.
„Wohl wär es,“ ſprach da Hagen, · „des Volkes Troſt im Leid,
Wenn die Herren föchten · allen voran im Streit,
Wie von meinen Herren · hier Jeglicher thut:
Die hauen durch die Helme, · daß von den Schwertern fließt das Blut.“
So kühn war König Etzel, · er faßte ſeinen Schild.
„Nun hütet eures Lebens,“ · ſprach da Kriemhild,
„Und bietet Gold den Recken · auf dem Schildesrand,
Denn erreicht euch Hagen, · ihr habt den Tod an der Hand.“
So kühn war der König, · er ließ nicht vom Streit,
Wozu ſo mächtge Fürſten · nun ſelten ſind bereit.
Man muſt ihn bei den Riemen · des Schildes ziehn hindann.
Hagen der grimme · ihn mehr zu höhnen begann:
„Eine nahe Sippe war es,“ · ſprach Hagen gleich zur Hand,
„Die Etzeln zuſammen · und Siegfried verband:
Er minnte Kriemhilden, · eh ſie geſehen dich:
Feiger König Etzel, · warum räthſt du wider mich?“
Dieſe Rede hörte · die edle Königin,
Darüber ward unmuthig · Kriemhild in ihrem Sinn,
Daß er ſie ſchelten durfte · vor manchem Etzelsmann.
Wider die Gäſte · hub ſie aufs Neu zu werben an.
Sie ſprach: „Wer von Tronje · den Hagen mir ſchlüge
Und ſein Haupt als Gabe · her vor mich trüge,
Mit rothem Golde füllt' ich · ihm Etzels Schildesrand;
Auch gäb ich ihm zum Lohne · viel gute Burgen und Land.“
„Ich weiß nicht, was ſie zaudern,“ · ſprach der Fiedelmann.
„Nie ſah ich, daß Helden · ſo verzagt gethan,
Wo man bieten hörte · alſo reichen Sold.
Wohl ſollt ihnen Etzel · nimmer wieder werden hold.
„Die hier mit Schimpf und Schanden · eßen des Königs Brot
Und jetzt im Stich ihn laßen · in der größten Noth,
Deren ſeh ich Manchen · ſo recht verzagt da ſtehn
Und thun doch ſo verwegen: · ſie können nie der Schmach entgehn.“
Der mächtige Etzel hatte · Jammer und Noth:
Er beklagte ſeiner Mannen · und Freunde bittern Tod.
Von manchen Landen ſtanden · ihm Recken viel zur Seit
Und weinten mit dem König · ſein gewaltiges Leid.
Darob begann zu ſpotten · der kühne Volker:
„Ich ſeh hier übel weinen · gar manchen Recken hehr.
Sie helfen ſchlecht dem König · in ſeiner großen Noth.
Wohl eßen ſie mit Schanden · nun ſchon lange hier ſein Brot.“
Da gedachten wohl die Beſten: · „Wahr iſts, was Volker ſagt.“
Von Niemand doch von allen · ward es ſo ſchwer beklagt
Als von Markgraf Iring, · dem Herrn aus Dänenland,
Was ſich nach kurzer Weite · wohl nach der Wahrheit befand.