: Das Nibelungenlied 33. Dreiunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Dankwart die Märe ſeinen Herren brachte. Als der kühne Dankwart · unter die Thüre trat // Und Etzels Ingeſinde · zurückzuweichen bat, // Mit Blut war beronnen · all ſein Gewand; // Eine ſcharfe Waffe · trug er bloß an ſeiner Hand. // Gerade in der Stunde, · als Dankwart trat zur Thür, // Trug man Ortlieben · im Saale für und für // Von einem Tiſch zum andern · den Fürſten wohlgeboren: // Durch ſeine ſchlimme Botſchaft · gieng das Kindlein verloren. // Hellauf rief da Dankwart · einem Degen zu: // „Ihr ſitzt, Bruder Hagen, · hier zu lang in Ruh. // Euch und Gott vom Himmel · klag ich unſre Noth: // Ritter und Knechte · ſind in der Herberge todt.“ // Der rief ihn hin entgegen: · „Wer hat das gethan?“ // „Das that der Degen Blödel · und Die ihm unterthan. // Auch hat ers ſchwer entgolten, · das will ich euch ſagen: // Mit dieſen Händen hab ich · ihm ſein Haupt abgeſchlagen.“ // „Das iſt ein kleiner Schade,“ · ſprach Hagen unverzagt, // „Wenn man ſolche Märe · von einem Degen ſagt, // Daß er von Heldenhänden · zu Tode ſei geſchlagen: // Den ſollen deſto minder · die ſchönen Frauen beklagen. // „Nun ſagt mir, lieber Bruder, · wie ſeid ihr ſo roth? // Ich glaube gar, ihr leidet · von Wunden große Noth. // Iſt der wo hier im Lande, · von dem das iſt geſchehn? // Der üble Teufel helf ihm denn: · ſonſt muß es ihm ans Leben gehn.“ // „Ihr ſeht mich unverwundet: · mein Kleid iſt naß von Blut. // Das floß nur aus Wunden · andrer Degen gut, // Deren ich ſo Manchen · heute hab erſchlagen, // Wenn ichs beſchwören ſollte, · ich wüſte nicht die Zahl zu ſagen.“ // Da ſprach er: „Bruder Dankwart, · ſo hütet uns die Thür // Und laßt von den Heunen · nicht Einen Mann herfür. // So red ich mit den Recken, · wie uns zwingt die Noth: // Unſer Ingeſinde · liegt ohne Schuld von ihnen todt.“ // „Soll ich Kämmrer werden?“ · ſprach der kühne Mann, // „Bei ſo reichen Königen ſteht · mir das Amt wohl an: // Der Stiege will ich hüten · nach allen Ehren mein.“ // Kriemhildens Recken · konnte das nicht leider ſein. // „Nun nimmt mich doch Wunder,“ · ſprach wieder Hagen, // „Was ſich die Heunen · hier in die Ohren ſagen: // Sie möchten ſein entbehren, · der dort die Thür bewacht // Und der die Hofmären · den Burgunden hat gebracht. // „Ich hörte ſchon lange · von Kriemhilden ſagen, // Daß ſie nicht ungerochen · ihr Herzleid wolle tragen. // Nun trinken wir die Minne · und zahlen Etzels Wein: // Der junge Vogt der Heunen · muß hier der allererſte ſein.“ // Ortlieb das Kind erſchlug da · Hagen der Degen gut, // Daß vom Schwerte nieder · zur Hand ihm floß das Blut // Und das Haupt herabſprang · der Köngin in den Schoß. // Da hob ſich unter Degen · ein Morden grimmig und groß. // Darauf dem Hofmeiſter · der des Kindes pflag, // Mit beiden Händen ſchlug · er einen ſchnellen Schlag, // Daß vor des Tiſches Füße · das Haupt ihm niederflog: // Es war ein jämmerlicher Lohn, · den er dem Hofmeiſter wog. // Er ſah vor Etzels Tiſche · einen Spielmann: // Hagen in ſeinem Zorne · lief zu ihm heran. // Er ſchlug ihm auf der Geigen · herab die rechte Hand. // „Das habe für die Botſchaft · in der Burgunden Land.“ // „Ach meine Hand,“ ſprach Werbel, · Etzels Spielmann: // „Herr Hagen von Tronje, · was hatt ich euch gethan? // Ich kam in großer Treue · in eurer Herren Land: // Wie kläng ich nun die Töne, · da ich verlor meine Hand?“ // Hagen fragte wenig, · und geigt' er nimmermehr. // Da kühlt' er in dem Hauſe · die grimme Mordluſt ſehr // An König Etzels Recken, · deren er viel erſchlug: // Er bracht in dem Saale · zu Tod der Recken genug. // Volker ſein Geſelle · von dem Tiſche ſprang, // Daß laut der Fiedelbogen · ihm an der Hand erklang. // Ungefüge ſiedelte · Gunthers Fiedelmann: // Hei! was er ſich zu Feinden · der kühnen Heunen gewann! // Auch ſprangen von den Tiſchen · die drei Könge hehr. // Sie wolltens gerne ſchlichten, · eh Schadens würde mehr. // Doch ſtrebten ihre Kräfte · umſonſt dawider an, // Da Volker mit Hagen · ſo ſehr zu wüten begann. // Nun ſah der Vogt vom Rheine, · er ſcheide nicht den Streit: // Da ſchlug der König ſelber · manche Wunde weit // Durch die lichten Panzer · den argen Feinden ſein. // Der Held war behende, · das zeigte hier der Augenſchein. // Da kam auch zu dem Streite · der ſtarke Gernot: // Wohl ſchlug er den Heunen · manchen Helden todt // Mit dem ſcharfen Schwerte, · das Rüdeger ihm gab: // Damit bracht er Manche · von Etzels Recken ins Grab. // Der jüngſte Sohn Frau Utens · auch zu dem Streite ſprang: // Sein Gewaffen herrlich · durch die Helme drang // König Etzels Recken · aus der Heunen Land; // Da that viel große Wunder · des kühnen Geiſelher Hand. // Wie tapfer alle waren, · die Könge wie ihr Lehn, // Jedennoch ſah man Volkern · voran all Andern ſtehn // Bei den ſtarken Feinden; · er war ein Degen gut: // Er förderte mit Wunden · Manchen nieder in das Blut. // Auch wehrten ſich gewaltig · Die in Etzels Lehn. // Die Gäſte ſah man hauend · auf und nieder gehn // Mit den lichten Schwertern · durch des Königs Saal. // Allenthalben hörte man · von Wehruf größlichen Schall. // Da wollten die da draußen · zu ihren Freunden drin: // Sie fanden an der Thüre · gar wenig Gewinn; // Da wollten die da drinnen · gerne vor den Saal: // Dankwart ließ keinen · die Stieg empor noch zu Thal. // So hob ſich vor den Thüren · ein ungeſtümer Drang // Und von den Schwerthieben · auf Helme lauter Klang. // Da kam der kühne Dankwart · in eine große Noth: // Das berieth ſein Bruder, · wie ihm die Treue gebot. // Da rief mit lauter Stimme · Hagen Volkern an: // „Seht ihr dort, Geſelle, · vor manchem Heunenmann // Meinen Bruder ſtehen · unter ſtarken Schlägen? // Schützt mir, Freund, den Bruder, · eh wir verlieren den Degen.“ // Der Spielmann entgegnete: · „Das ſoll alsbald geſchehn.“ // Dann begann er fiedelnd · durch den Saal zu gehn: // Ein hartes Schwert ihm öfters · an der Hand erklang. // Vom Rhein die Recken ſagten · dafür ihm größlichen Dank. // Volker der kühne · zu Dankwarten ſprach: // „Ihr habt erlitten heute · großes Ungemach. // Mich bat euer Bruder, · ich ſollt euch helfen gehn; // Wollt ihr nun draußen bleiben, · ſo will ich innerhalben ſtehn.“ // Dankwart der ſchnelle · ſtand außerhalb der Thür: // So wehrt' er von der Stiege, · wer immer trat dafür. // Man hörte Waffen hallen · den Helden an der Hand; // So that auch innerhalben · Volker von Burgundenland. // Da rief der kühne Fiedelmann · über die Menge laut: // „Das Haus iſt wohl verſchloſſen, · ihr, Freund Hagen, ſchaut // Verſchränkt iſt ſo völlig · König Etzels Thür, // Von zweier Helden Händen · gehn ihr wohl tauſend Riegel für.“ // Als von Tronje Hagen · die Thüre ſah in Hut, // Den Schild warf zurücke · der ſchnelle Degen gut: // Nun begann er erſt zu rächen · ſeiner Freunde Leid. // Seines Zornes muſt entgelten · mancher Ritter kühn im Streit. // Als der Vogt von Berne · das Wunder recht erſah, // Wie der ſtarke Hagen · die Helme brach allda, // Der Fürſt der Amelungen · ſprang auf eine Bank. // Er ſprach: „Hier ſchenkt Hagen · den allebitterſten Trank.“ // Der Wirth war ſehr in Sorgen, · ſein Weib in gleicher Noth. // Was ſchlug man lieber Freunde · ihm vor den Augen todt! // Er ſelbſt war kaum geborgen · vor ſeiner Feinde Schar. // Er ſaß in großen Aengſten: · was half ihm, daß er König war? // Kriemhild die reiche · rief Dietrichen an: // „Hilf mir mit dem Leben, · edler Held, hindann, // Bei aller Fürſten Tugend · aus Amelungenland: // Denn erreicht mich Hagen, · hab ich den Tod an der Hand.“ // „Wie ſoll ich euch helfen,“ · ſprach da Dietrich, // „Edle Königstochter? · ich ſorge ſelbſt um mich. // Es ſind ſo ſehr im Zorne · Die Gunthern unterthan, // Daß ich zu dieſer Stunde · Niemand Frieden ſchaffen kann.“ // „Nicht alſo, Herr Dietrich, · edler Degen gut: // Laß uns heut erſcheinen · deinen tugendreichen Muth // Und hilf mir von hinnen, · oder ich bleibe todt. // Bring mich und den König · aus dieſer angſtvollen Noth.“ // „Ich will es verſuchen, · ob euch zu helfen iſt, // Jedoch ſah ich wahrlich · nicht in langer Friſt // In ſo bitterm Zorne · manchen Ritter gut: // Ich ſeh ja durch die Helme · von Hieben ſpringen das Blut.“ // Mit Kraft begann zu rufen · der Ritter auserkorn, // Daß ſeine Stimme hallte · wie ein Büffelhorn // Und daß die weite Veſte · von ſeiner Kraft erſcholl. // Dietrichens Stärke · die war gewaltig und voll. // Da hörte König Gunther · rufen dieſen Mann // In dem harten Sturme. · Zu horchen hub er an: // „Dietrichens Stimme · iſt in mein Ohr gekommen, // Ihm haben unſre Degen · wohl der Seinen wen benommen. // „Ich ſeh ihn auf dem Tiſche · winken mit der Hand. // Ihr Vettern und Freunde · von Burgundenland, // Haltet ein mit Streiten: · laßt hören erſt und ſehn, // Was hier Dietrichen · von meinen Mannen ſei geſchehn.“ // Als ſo der König Gunther · bat und auch gebot, // Da ſenkten ſie die Schwerter · in des Streites Noth. // Das war Gewalt bewieſen, · daß Niemand da mehr ſchlug. // Er fragte den von Berne · um die Märe ſchnell genug. // Er ſprach: „Viel edler Dietrich, · was iſt euch geſchehn // Hier von meinen Freunden? · Ihr ſollt mich willig ſehn: // Zur Sühne und zur Buße · bin ich euch bereit. // Was euch Jemand thäte, · das war mir inniglich leid.“ // Da ſprach der edle Dietrich: · „Mir iſt nichts geſchehn! // Laßt mich aus dem Hauſe · mit euerm Frieden gehn // Von dieſem harten Streite · mit dem Geſinde mein. // Dafür will ich euch Degen · ſtäts zu Dienſt beflißen ſein.“ // „Was müßt ihr alſo flehen?“ · ſprach da Wolfhart, // „Es hält der Fiedelſpieler · die Thür nicht ſo verwahrt, // Wir erſchließen ſie ſo mächtig, · daß man ins Freie kann.“ // „Nun ſchweig,“ ſprach da Dietrich, · „du haſt den Teufel gethan.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Das ſei euch freigeſtellt: // Führt aus dem Hauſe, · ſo viel euch gefällt, // Ohne meine Feinde: · die ſollen hier beſtehn. // Von ihnen iſt mir Leides · bei den Heunen viel geſchehn.“ // Als das der Berner hörte, · mit einem Arm umſchloß // Er die edle Königin; · ihre Angſt war groß; // Da führt er an dem andern · Etzeln aus dem Haus. // Auch folgten Dietrichen · ſechshundert Degen hinaus. // Da begann der Markgraf, · der edle Rüdiger: // „Soll aber aus dem Hauſe · noch kommen Jemand mehr, // Der euch doch gerne diente, · ſo macht es mir kund: // So walte ſtäter Friede · in getreuer Freunde Bund.“ // Antwort ſeinem Schwäher · gab Geiſelher zuhand: // „Frieden und Sühne · ſei euch von uns bekannt; // Ihr haltet ſtäte Treu, · ihr und euer Lehn, // Ihr ſollt mit euren Freunden · ohne Sorgen hinnen gehn.“ // Als Rüdiger der Markgraf · räumte Etzels Saal, // Fünfhundert oder drüber · folgten ihm zumal. // Das ward von den Helden · aus Treue gethan, // Wodurch König Gunther · bald großen Schaden gewann. // Da ſah ein Heunenrecken · König Etzeln gehn // Neben Dietrichen: · des wollt er Frommen ſehn. // Dem gab der Fiedelſpieler · einen ſolchen Schlag, // Daß ihm gleich am Boden · das Haupt vor Etzels Füßen lag. // Als der Wirth des Landes · kam vor des Hauſes Thor, // Da wandt er ſich und blickte · zu Volkern empor: // „O weh mir dieſer Gäſte: · wie iſt das grimme Noth, // Daß alle meine Recken · vor ihnen finden den Tod!“ // „Ach weh des Hofgelages!“ · ſprach der König hehr: // „Da drinnen ficht Einer, · der heißt Volker, // Wie ein wilder Eber · und iſt ein Fiedelmann; // Ich dank es meinem Heile, · daß ich dem Teufel entrann. // „Seine Weiſen lauten übel, · ſein Bogenſtrich iſt roth; // Mir ſchlagen ſeine Töne · manchen Helden todt. // Ich weiß nicht, was uns Schuld giebt · derſelbe Fiedelmann, // Daß ich in meinem Leben · ſo leiden Gaſt nicht gewann.“ // Zur Herberge giengen · die beiden Recken hehr, // Dietrich von Berne · und Markgraf Rüdiger. // Sie ſelber wollten gerne · des Streits entledigt ſein // Und geboten auch den Degen, · daß ſie den Kampf ſollten ſcheun. // Und hätten ſich die Gäſte · verſehn der Leiden, // Die ihnen werden ſollten · noch von den Beiden, // Sie wären aus dem Hauſe · ſo leicht nicht gekommen, // Eh ſie eine Strafe · von den Kühnen hätten genommen. // Sie hatten, die ſie wollten, · entlaßen aus dem Saal: // Da hob ſich innerhalben · ein furchtbarer Schall. // Die Gäſte rächten bitter · ihr Leid und ihre Schmach. // Volker der kühne, · hei, was der Helme zerbrach! // Sich kehrte zu dem Schalle · Gunther der König hehr: // „Hört ihr die Töne, Hagen, · die dorten Volker // Mit den Heunen fiedelt, · wenn wer zur Thüre trat? // Es iſt ein rother Anſtrich, · den er am Fiedelbogen hat.“ // „Es reut mich ohne Maßen,“ · ſprach Hagen entgegen, // „Daß ich je mich ſcheiden · mußte von dem Degen. // Ich war ſein Geſelle, · er der Geſelle mein, // Und kehren wir je wieder heim, · wir wollens noch in Treuen ſein. // „Nun ſchau, hehrer König, · Volker iſt dir hold: // Wie will er verdienen · dein Silber und dein Gold! // Sein Fiedelbogen ſchneidet · durch den harten Stahl, // Er wirft von den Helmen · die hellen Zierden zu Thal. // „Ich ſah nie Fiedelſpieler · noch ſo herrlich ſtehn, // Als dieſen Tag von Volker · dem Degen iſt geſchehn. // Seine Weiſen hallen · durch Helm und Schildesrand: // Gute Roſſe ſoll er reiten · und tragen herrlich Gewand.“ // So viel der Heunendegen · auch waren in dem Saal, // Nicht Einer blieb am Leben · von ihnen allzumal. // Da war der Schall beſchwichtigt, · als Niemand blieb zum Streit. // Die kühnen Recken legten · da ihre Schwerter beiſeit. // 34. Vierunddreißigſtes Abenteuer. // Wie ſie die Todten aus dem Saale warfen.