: Das Nibelungenlied 32. Zweiunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Blödel mit Dankwart in der Herberge Stritt. Blödels Recken ſtanden · gerüſtet allzumal. // In tauſend Halsbergen · erreichten ſie den Saal, // Wo Dankwart mit den Knechten · an den Tiſchen ſaß. // Da hob ſich unter Helden · der allergrimmigſte Haß. // Als der Degen Blödel · vor die Tiſche gieng, // Dankwart der Marſchall · ihn freundlich empfieng: // „Willkommen hier im Hauſe, · mein Herr Blödelein: // Mich wundert euer Kommen: · ſagt, was ſoll die Märe ſein?“ // „Du brauchſt mich nicht zu grüßen,“ · ſprach da Blödelein, // „Denn dieſes mein Kommen · muß dein Ende ſein // Um Hagen deinen Bruder, · der Siegfrieden ſchlug. // Des entgiltſt du bei den Heunen · und andre Helden genug.“ // „Nicht doch, mein Herr Blödel,“ · ſprach da Dankwart, // „So möchte ſehr uns reuen · zu Hofe dieſe Fahrt. // Ich war ein Kind, als Siegfried · Leben ließ und Leib: // Nicht weiß ich, was mir wolle · dem König Etzel ſein Weib.“ // „Ich weiß dir von der Märe · nicht mehr zu ſagen; // Es thatens deine Freunde, · Gunther und Hagen. // Nun wehrt euch, ihr Armen, · ihr könnt nicht länger leben, // Ihr müßt mit dem Tode · hier ein Pfand Kriemhilden geben.“ // „Wollt ihrs nicht laßen?“ · ſprach da Dankwart, // „So gereut mich meines Flehens: · hätt ich das geſpart!“ // Der ſchnelle kühne Degen · von dem Tiſche ſprang, // Eine ſcharfe Waffe zog er, · die war gewaltig und lang. // Damit ſchlug er Blödeln · einen ſchwinden Schwertesſchlag, // Daß ihm das Haupt im Helme · vor den Füßen lag. // „Das ſei die Morgengabe,“ · ſprach der ſchnelle Degen, // „Zu Nudungens Witwe, · die du mit Minne ſollteſt pflegen. // „Vermähle man ſie morgen · einem andern Mann: // Will er den Brautſchatz, · wird ihm wie dir gethan.“ // Ein getreuer Heune · hatt ihm das hinterbracht, // Wie die Königstochter · auf ihr Verderben gedacht. // Da ſahen Blödels Mannen, · ihr Herr ſei erſchlagen; // Das wollten ſie den Gäſten · länger nicht vertragen. // Mit aufgehobnen Schwertern · auf die Knappen ein // Drangen ſie mit Ingrimm: · das muſte Manchen gereun. // Laut rief da Dankwart · all die Knappen an: // „Ihr ſeht wohl, edle Knechte, · es iſt um uns gethan, // Nun wehrt euch, ihr Armen, · wie euch zwingt die Noth, // Daß ihr ohen Schanden · erliegt in wehrlichem Tod.“ // Die nicht Schwerter hatten, · die griffen vor die Bank, // Vom Boden aufzuheben · manchen Schemel lang. // Die Burgundenknechte · wollten nichts vertragen: // Mit ſchweren Stühlen ſah man · ſtarker Beulen viel geſchlagen. // Wie grimm die armen Knappen · ſich wehrten in dem Strauß! // Sie trieben zu dem Hauſe · die Gewaffneten hinaus: // Fünfhundert oder drüber · erlagen drin dem Tod. // Da war das Ingeſinde · vom Blute naß und auch roth. // Dieſe ſchwere Botſchaft · drang in kurzer Zeit // Zu König Etzels Recken: · ihnen wars grimmig leid, // Daß mit ſeinen Mannen · Blödel den Tod gewann; // Das hatte Hagens Bruder · mit den Knechten gethan. // Eh es vernahm der König, · ſtand ſchon ein Heunenheer // In hohem Zorn gerüſtet, · zweitauſend oder mehr. // Sie giengen zu den Knechten, · es muſte nun ſo ſein, // Und ließen des Geſindes · darin nicht Einen gedeihn. // Die Ungetreuen brachten · vors Haus ein mächtig Heer. // Die landloſen Knechte · ſtanden wohl zu Wehr. // Was half da Kraft und Kühnheit? · ſie fanden doch den Tod. // Darnach in kurzer Weile · hob ſich noch grimmere Noth. // Nun mögt ihr Wunder hören · und Ungeheures ſagen: // Neuntauſend Knechte · lagen todt geſchlagen, // Darüber zwölf Ritter · in Dankwartens Lehn. // Man ſah ihn weltalleine · noch bei ſeinen Feinden ſtehn. // Der Lärm war beſchwichtigt, · das Toſen eingeſtellt. // Ueber die Achſel blickte · Dankwart der Held: // Er ſprach: „O weh der Freunde, · die ich fallen ſah! // Nun ſteh ich leider einſam · unter meinen Feinden da.“ // Die Schwerter fielen heftig · auf des Einen Leib: // Das muſte bald beweinen · manches Helden Weib. // Den Schild rückt' er höher, · der Riemen ward geſenkt: // Mit rothem Blute ſah man · noch manchen Harniſch getränkt. // „O weh mir dieſes Leides!“ · ſprach Aldrianens Kind. // „Nun weicht, Heunenrecken, · und laßt mich an den Wind, // Daß die Lüfte kühlen · mich ſturmmüden Mann.“ // Da drang er auf die Thüre · unter Schlägen herrlich an. // Als der Streitmüde · aus dem Hauſe ſprang, // Wie manches Schwert von Neuem · auf ſeinem Helm erklang! // Die nicht geſehen hatten · die Wunder ſeiner Hand, // Die ſprangen da entgegen · dem aus Burgundenland. // „Nun wollte Gott,“ ſprach Dankwart, · „daß mir ein Bote käm, // Durch den mein Bruder Hagen · Kunde vernähm, // Daß ich vor dieſen Recken · ſteh in ſolcher Noth. // Der hülfe mir von hinnen · oder fände ſelbſt den Tod.“ // Da ſprachen Heunenrecken: · „Der Bote muſt Du ſein, // Wenn wir todt dich tragen · vor den Bruder dein. // Dann ſieht erſt ſein Herzeleid · Gunthers Unterthan. // Du haſt dem König Etzel · hier großen Schaden gethan.“ // Er ſprach: „Nun laßt das Dräuen · und weicht zurück von mir, // Sonſt netz ich noch Manchem · mit Blut den Harniſch hier. // Ich will die Märe ſelber · hin zu Hofe tragen // Und will meinen Herren · meinen großen Kummer klagen.“ // Er verleidete ſo ſehr ſich · dem Volk in Etzels Lehn, // Daß ſie ihn mit Schwertern · nicht wagten zu beſtehn: // Da ſchoßen ſie der Spere · ſo viel ihm in den Rand, // Er muſt ihn ſeiner Schwere · wegen laßen aus der Hand. // Sie wähnten ihn zu zwingen, · weil er den Schild nicht trug; // Hei, was er tiefer Wunden · durch die Helme ſchlug! // Da muſte vor ihm Straucheln · mancher kühne Mann, // Daß ſich viel Lob und Ehre · der kühne Dankwart gewann. // Von beiden Seiten ſprangen · die Gegner auf ihn zu. // Wohl kam ihrer Mancher · in den Kampf zu fruh. // Da gieng er vor den Feinden, · wie ein Eberſchwein // Im Walde thut vor Hunden: · wie möcht er wohl kühner ſein? // Sein Weg war ſtäts aufs Neue · genetzt mit heißem Blut. // Wie konnte je ein Recke · allein wohl ſo gut // Mit ſo viel Feinden ſtreiten, · als hier von ihm geſchehn? // Man ſah Hagens Bruder · herrlich hin zu Hofe gehn. // Truchſäßen und Schenken · vernahmen Schwerterklang: // Gar mancher die Getränke · aus den Händen ſchwang // Oder auch die Speiſen, · die man zu Hofe trug. // Da fand er vor der Stiege · noch ſtarker Feinde genug. // „Wie nun, ihr Truchſäßen?“ · ſprach der müde Degen, // „Nun ſolltet ihr die Gäſte · gütlich verpflegen // Und ſolltet den Herren · die edle Speiſe tragen // Und ließet mich die Märe · meinen lieben Herren ſagen.“ // Wer da den Muth gewonnen · und vor die Stieg ihm ſprang, // Deren ſchlug er etlichen · ſo ſchweren Schwertesſchwang, // Daß ihm aus Schreck die Andern · ließen freie Bahn. // Da hatten ſeine Kräfte · viel große Wunder gethan. // 33. Dreiunddreißigſtes Abenteuer. // Wie Dankwart die Märe ſeinen Herren brachte.