Als ſie nun alle waren · gekommen an den Strand,
Da fragte König Gunther: · „Wer ſoll uns durch das Land
Die rechten Wege weiſen, · daß wir nicht irre gehn?“
Da ſprach der kühne Volker: · „Laßt mich das Amt nur verſehn.“
„Nun haltet an,“ ſprach Hagen, · „ſei's Ritter oder Knecht:
Man ſoll Freunden folgen, · das bedünkt mich recht.
Eine ungefüge Märe · mach ich euch bekannt:
Wir kommen nimmer wieder · heim in der Burgunden Land.
„Das ſagten mir zwei Meerfraun · heute morgen fruh,
Wir kämen nimmer wieder. · Nun rat ich, was man thu:
Waffnet euch, ihr Helden, · ihr ſollt euch wohl bewahren:
Wir finden ſtarke Feinde · und müßen drum wehrhaft fahren.
„Ich wähnt auf Lug zu finden · die weiſen Meerfraun:
Sie ſagten mir, nicht Einer · werde wiederſchaun
Die Heimat von uns Allen · bis auf den Kapellan;
Drum hätt ich ihm ſo gerne · heut den Tod angethan.“
Da flogen dieſe Mären · von Schar zu Schar einher.
Bleich vor Schrecken wurden · Degen kühn und hehr,
Als ſie die Sorge faßte · vor dem herben Tod
Auf dieſer Hofreiſe: · das ſchuf ihnen wahrlich Noth.
Bei Möringen waren · ſie über Flut gekommen,
Wo dem Fährmann Elſen · das Leben ward benommen.
Da ſprach Hagen wieder: · „Da ich mir ſo gewann
Unterwegs der Feinde, · ſo greift man ehſtens uns an.
„Ich erſchlug den Fährmann · heute morgen fruh;
Sie wißen nun die Kunde. · Drum eilt und greifet zu,
Wenn Gelfrat und Elſen · heute hier beſteht
Unſer Ingeſinde, · daß es ihnen übel ergeht.
„Sie ſind gar kühn, ich weiß es, · es wird gewiſs geſchehn.
Drum laßt nur die Roſſe · in ſanftem Schritte gehn,
Daß nicht Jemand wähne, · wir flöhn vor ihrem Heer.“
„Dem Rathe will ich folgen,“ · ſprach der junge Geiſelher.
„Wer zeigt nun dem Geſinde · die Wege durch das Land?“
Sie ſprachen: „Das ſoll Volker: · dem ſind hie wohlbekannt
Die Straßen und die Steige, · dem ſtolzen Fiedelmann.“
Eh mans von ihm verlangte, · kam er gewaffnet heran.
Der ſchnelle Fiedelſpieler: · den Helm er überband;
Von herrlicher Farbe · war all ſein Streitgewand.
Am Schaft ließ er flattern · ein Zeichen, das war roth.
Bald kam er mit den Königen · in eine furchtbare Noth.
Gewiſſe Kunde hatte · Gelfrat nun bekommen
Von des Fergen Tode; · da hatt es auch vernommen
Elſe der ſtarke: · beiden war es leid.
Sie beſandten ihre Helden: · die traf man balde bereit.
Darauf in kurzen Zeiten, · nun hört mich weiter an,
Sah man zu ihnen reiten, · denen Schade war gethan,
In ſtarkem Kriegszuge · ein ungefüges Heer:
Wohl ſiebenhundert ſtießen · zu Gelfrat oder noch mehr.
Als das den grimmen Feinden · nachzuziehn begann,
Die Herren, die es führten, · huben zu jagen an
Den kühnen Gäſten hinterdrein. · Sie wollten Rache haben:
Da muſten ſie der Freunde · hernach noch manchen begraben.
Hagen von Tronje · richtete das ein
(Wie konnte ſeiner Freunde · ein beßrer Hüter ſein?),
Daß er die Nachhut hatte · und Die ihm unterthan
Mit Dankwart ſeinem Bruder; · das war gar weislich gethan.
Ihnen war der Tag zerronnen, · den hatten ſie nicht mehr.
Er bangte vor Gefahren · für ſeine Freunde ſehr.
Sie ritten unter Schilden · durch der Baiern Land:
Darnach in kurzer Weile · die Helden wurden angerannt.
Beiderſeits der Straße · und hinter ihnen her
Vernahm man Hufe ſchlagen; · die Haufen eilten ſehr.
Da ſprach der kühne Dankwart: · „Gleich fallen ſie uns an:
Bindet auf die Helme, · das dünkt mich räthlich gethan.“
Sie hielten ein mit Reiten, · als es muſte ſein.
Da ſahen ſie im Dunkel · der lichten Schilde Schein.
Nicht länger ſtille ſchweigen · mochte da der Hagen:
„Wer verfolgt uns auf der Straße?“ · Das muſte Gelfrat ihm ſagen.
Da ſprach zu ihm der Markgraf · aus der Baiern Land:
„Wir ſuchen unſre Feinde, · denen ſind wir nachgerannt.
Ich weiß nicht, wer mir heute · meinen Fergen ſchlug:
Das war ein ſchneller Degen; · mir iſt leid um ihn genug.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „War der Ferge dein?
Er wollt uns nicht fahren; · alle Schuld iſt mein:
Ich erſchlug den Recken; · fürwahr, es that mir Noth:
Ich hatte von dem Degen · ſchier ſelbſt den grimmigen Tod.
„Ich bot ihm zum Lohne · Gold und Gewand,
Daß er uns überführe, · Held, in euer Land.
Darüber zürnt' er alſo, · daß er nach mir ſchlug
Mit ſtarker Ruderſtange: · da ward ich grimmig genug.
„Ich griff nach dem Schwerte · und wehrte ſeinem Zorn
Mit einer ſchweren Wunde: · da war der Held verlorn.
Ich ſteh euch hier zur Sühne, · wie es euch dünke gut.“
Da gieng es an ein Streiten: · ſie hatten zornigen Muth.
„Ich wuſte wohl,“ ſprach Gelfrat, · „als hier mit dem Geleit
Gunther zog vorüber, · uns geſchäh ein Leid
Von Hagens Uebermuthe. · Nun büßt ers mit dem Leben:
Für des Fergen Ende · ſoll er ſelbſt hier Bürgſchaft geben.“
Ueber die Schilde neigten · da zum Stich den Sper
Gelfrat und Hagen; · ſich zürnten beide ſchwer.
Dankwart und Elſe · zuſammen herrlich ritten;
Sie erprobten, wer ſie waren: · da wurde grimmig geſtritten.
Wer je verſuchte kühner · ſich und die Gunſt des Glücks?
Von einem ſtarken Stoße · ſank Hagen hinterrücks
Von der Mähre nieder · durch Gelfratens Hand.
Der Bruſtriem war gebrochen: · ſo ward im Fallen bekannt.
Man hört' auch beim Geſinde · krachender Schäfte Schall.
Da erholte Hagen · ſich wieder von dem Fall,
Den er auf das Gras gethan · von des Gegners Sper:
Da zürnte der von Tronje · wider Gelfraten ſehr.
Wer ihnen hielt die Roſſe, · das iſt mir unbekannt.
Sie waren aus den Sätteln · gekommen auf den Sand,
Hagen und Gelfrat: · nun liefen ſie ſich an.
Ihre Geſellen halfen, · daß ihnen Streit ward kund gethan.
Wie heftig auch Hagen · zu Gelfraten ſprang,
Ein Stück von Ellenlänge · der edle Markgraf ſchwang
Ihm vom Schilde nieder; · das Feuer ſtob hindann.
Da wäre ſchier erſtorben · König Gunthers Unterthan.
Er rief mit lauter Stimme · Dankwarten an:
„Hilf mir, lieber Bruder, · ein ſchneller ſtarker Mann
Hat mich hier beſtanden: · der läßt mich nicht gedeihn.“
Da ſprach der kühne Dankwart: · „So will ich denn Schiedsmann ſein.“
Da ſprang der Degen näher · und ſchlug ihm ſolchen Schlag
Mit einer ſcharfen Waffe, · daß er todt da lag.
Elſe wollte Rache · nehmen für den Mann:
Doch er und ſein Geſinde · ſchied mit Schaden hindann.
Sein Bruder war erſchlagen, · ſelber ward er wund.
Wohl achtzig ſeiner Degen · wurden gleich zur Stund
Des grimmen Todes Beute: · da muſte wohl der Held
Gunthers Mannen räumen · in geſchwinder Flucht das Feld.
Als Die vom Baierlande · wichen aus dem Wege,
Man hörte nachhallen · die furchtbaren Schläge:
Da jagten die von Tronje · ihren Feinden nach;
Die es nicht büßen wollten, · die hatten wenig Gemach.
Da ſprach beim Verfolgen · Dankwart der Degen:
„Kehren wir nun wieder · zurück auf unſern Wegen
Und laßen wir ſie reiten: · ſie ſind vom Blute naß.
Wir eilen zu den Freunden: · in Treuen rath ich euch das.“
Als ſie hinwieder kamen, · wo der Schade war geſchehn,
Da ſprach von Tronje Hagen: · „Helden, laßt uns ſehn,
Wen wir hier vermiſſen, · oder wer uns verlorn
Hier in dieſem Streite · gieng durch Gelfratens Zorn.“
Sie hatten vier verloren; · der Schade ließ ſich tragen.
Sie waren wohl vergolten; · dagegen aber lagen
Deren vom Baierlande · mehr als hundert todt.
Den Tronejern waren · von Blut die Schilde trüb und roth.
Ein wenig brach aus Wolken · des hellen Mondes Licht;
Da ſprach wieder Hagen: · „Hört, berichtet nicht
Meinen lieben Herren, · was hier von uns geſchah:
Bis zum Morgen komme · ihnen keine Sorge nah.“
Als zu ihnen ſtießen, · die da kamen von dem Streit,
Da klagte das Geſinde · über Müdigkeit:
„Wie lange ſollen wir reiten?“ · fragte mancher Mann.
Da ſprach der kühne Dankwart: · „Wir treffen keine Herberg an.
„Ihr müſt alle reiten · bis an den hellen Tag.“
Volker der ſchnelle, · der des Geſindes pflag,
Ließ den Marſchall fragen: · „Wo kehren wir heut ein?
Wo raſten unſre Pferde · und die lieben Herren mein?“
Da ſprach der kühne Dankwart: · „Ich weiß es nicht zu ſagen:
Wir können uns nicht ruhen, · bis es beginnt zu tagen;
Wo wir es dann finden, · legen wir uns ins Gras.“
Als ſie die Kunde hörten, · wie leid war Etlichen das!
Sie blieben unverrathen · vom heißen Blute roth,
Bis daß die Sonne · die lichten Stralen bot
Dem Morgen über Berge, · wo es der König ſah,
Daß ſie geſtritten hatten: · ſehr im Zorne ſprach er da:
„Wie nun denn, Freund Hagen? · Verſchmähtet ihr wohl das,
Daß ich euch Hülfe brachte, · als euch die Ringe naß
Wurden von dem Blute? · Wer hat euch das gethan?“
Da ſprach er: „Elſe that es: · der griff nächten uns an.
„Seines Fergen wegen · wurden wir angerannt.
Da erſchlug Gelfraten · meines Bruders Hand.
Zuletzt entrann uns Elſe, · es zwang ihn große Noth:
Ihnen hundert, uns nur viere · blieben da im Streite todt.“
Wir können euch nicht melden, · wo man die Nachtruh fand.
All den Landleuten · ward es bald bekannt,
Der edeln Ute Söhne · zögen zum Hofgelag.
Sie wurden wohl empfangen · dort zu Paßau bald hernach.
Der werthen Fürſten Oheim, · der Biſchof Pilgerin,
Dem wurde wohl zu Muthe, · als ſeine Neffen ihn
Mit ſo viel der Recken · beſuchten da im Land:
Daß er ſie gerne ſähe, · ward ihnen balde bekannt.
Sie wurden wohl empfangen · von Freunden vor dem Ort.
Nicht all verpflegen mochte · man ſie in Paßau dort:
Sie muſten übers Waſſer, · wo Raum ſich fand und Feld:
Da ſchlugen auf die Knechte · Hütten und reich Gezelt.
Sie muſten da verweilen · einen vollen Tag
Und eine Nacht darüber. · Wie ſchön man ſie verpflag!
Dann ritten ſie von dannen · in Rüdigers Land;
Dem kamen auch die Mären: · da ward ihm Freude bekannt,
Als die Wegemüden · Nachtruh genommen
Und ſie dem Lande waren · näher gekommen,
Sie fanden auf der Marke · ſchlafen einen Mann,
Dem von Tronje Hagen · ein ſtarkes Waffen abgewann.
Eckewart geheißen · war dieſer Ritter gut.
Der gewann darüber · gar traurigen Muth,
Daß er verlor das Waffen · durch der Helden Fahrt.
Rüdgers Grenzmarke, · die fand man übel bewahrt.
„O weh mir dieſer Schande,“ · ſprach da Eckewart.
„Schwer muß ich beklagen · der Burgunden Fahrt.
Als ich verlor Siegfrieden, · hub all mein Kummer an;
O weh, mein Herr Rüdiger, · wie hab ich wider dich gethan!“
Wohl hörte Hagen · des edeln Recken Noth:
Er gab das Schwert ihm wieder, · dazu ſechs Spangen roth.
„Die nimm dir, Held, zu Lohne, · willſt du hold mir ſein;
Du biſt ein kühner Degen, · lägſt du hier noch ſo allein.“
„Gott lohn euch eure Spangen,“ · ſprach da Eckewart;
„Doch muß ich ſehr beklagen · zu den Heunen eure Fahrt.
Ihr erſchlugt Siegfrieden; · hier trägt man euch noch Haß:
Daß ihr euch wohl behütet, · in Treuen rath ich euch das.“
„Nun, mög uns Gott behüten,“ · ſprach Hagen entgegen.
„Keine andre Sorge · haben dieſe Degen
Als um die Herberge, · die Fürſten und ihr Lehn,
Wo wir in dieſem Lande · heute Nachtruh ſollen ſehn.
„Vermüdet ſind die Roſſe · uns auf den fernen Wegen,
Die Speiſe gar zerronnen,“ · ſprach Hagen der Degen:
„Wir findens nicht zu Kaufe: · es wär ein Wirth uns Noth,
Der uns heute gäbe · in ſeiner Milde das Brot.“
Da ſprach wieder Eckewart: · „Ich zeig euch ſolchen Wirth,
Daß Niemand euch im Hauſe · ſo gut empfangen wird
Irgend in den Landen, · als hier euch mag geſchehn,
Wenn ihr ſchnellen Degen · wollt zu Rüdigern gehn.
„Der Wirth wohnt an der Straße, · der beſte allerwärts,
Der je ein Haus beſeßen. · Milde gebiert ſein Herz,
Wie das Gras mit Blumen · der lichte Maimond thut,
Und ſoll er Helden dienen, · ſo iſt er froh und wohlgemuth.“
Da ſprach der König Gunther: · „Wollt ihr mein Bote ſein,
Ob uns behalten wolle · bis an des Tages Schein
Mein lieber Freund Rüdiger · und Die mir unterthan?
Das will ich ſtäts verdienen, · ſo gut ich irgend nur kann.“
„Der Bote bin ich gerne,“ · ſprach da Eckewart,
Mit gar gutem Willen · erhob er ſich zur Fahrt
Rüdigern zu ſagen, · was er da vernommen.
Dem war in langen Zeiten · ſo liebe Kunde nicht gekommen.
Man ſah zu Bechlaren · eilen einen Degen,
Den Rüdger wohl erkannte; · er ſprach: „Auf dieſen Wegen
Kommt Eckewart in Eile, · Kriemhildens Unterthan.“
Er wähnte ſchon, die Feinde · hätten ihm ein Leid gethan.
Da gieng er vor die Pforte, · wo er den Boten fand.
Der nahm ſein Schwert vom Gurte · und legt' es aus der Hand.
Er ſprach zu dem Degen: · „Was habt ihr vernommen,
Daß ihr ſo eilen müßet? · hat uns Jemand was genommen?“
„Geſchadet hat uns Niemand,“ · ſprach Eckewart zuhand;
„Mich haben drei Könige · her zu euch geſandt,
Gunther von Burgunden, · Geiſelher und Gernot;
Jeglicher der Recken · euch ſeine Dienſte her entbot.
„Das ſelbe thut auch Hagen, · Volker auch zugleich,
Mit Fleiß und rechter Treue; · dazu bericht ich euch,
Was des Königs Marſchall · euch durch mich entbot,
Es ſei den guten Degen · eure Herberge Noth.“
Mit lachendem Munde · ſprach da Rüdiger:
„Nun wohl mir dieſer Märe, · daß die Könige hehr
Meinen Dienſt verlangen: · dazu bin ich bereit.
Wenn ſie ins Haus mir kommen, · des bin ich höchlich erfreut.“
„Dankwart der Marſchall · hat euch kund gethan,
Wer euch zu Hauſe · noch heute zieht heran:
Sechzig kühner Recken · und tauſend Ritter gut
Mit neuntauſend Knechten.“ · Da ward ihm fröhlich zu Muth.
„Wohl mir dieſer Gäſte,“ · ſprach da Rüdiger,
„Daß mir zu Hauſe kommen · dieſe Recken hehr,
Denen ich noch ſelten · hab einen Dienſt gethan.
Entgegen reitet ihnen, · ſei's Freund oder Unterthan.“
Da eilte zu den Roſſen · Ritter ſo wie Knecht:
Was ſie der Herr geheißen, · das dauchte Alle recht.
Sie brachten ihre Dienſte · um ſo ſchneller dar.
Noch wuſt es nicht Frau Gotlind, · die in ihrer Kammer war.