: Das Nibelungenlied 26. Sechsundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Dankwart Gelfraten erſchlug. Als ſie nun alle waren · gekommen an den Strand, // Da fragte König Gunther: · „Wer ſoll uns durch das Land // Die rechten Wege weiſen, · daß wir nicht irre gehn?“ // Da ſprach der kühne Volker: · „Laßt mich das Amt nur verſehn.“ // „Nun haltet an,“ ſprach Hagen, · „ſei's Ritter oder Knecht: // Man ſoll Freunden folgen, · das bedünkt mich recht. // Eine ungefüge Märe · mach ich euch bekannt: // Wir kommen nimmer wieder · heim in der Burgunden Land. // „Das ſagten mir zwei Meerfraun · heute morgen fruh, // Wir kämen nimmer wieder. · Nun rat ich, was man thu: // Waffnet euch, ihr Helden, · ihr ſollt euch wohl bewahren: // Wir finden ſtarke Feinde · und müßen drum wehrhaft fahren. // „Ich wähnt auf Lug zu finden · die weiſen Meerfraun: // Sie ſagten mir, nicht Einer · werde wiederſchaun // Die Heimat von uns Allen · bis auf den Kapellan; // Drum hätt ich ihm ſo gerne · heut den Tod angethan.“ // Da flogen dieſe Mären · von Schar zu Schar einher. // Bleich vor Schrecken wurden · Degen kühn und hehr, // Als ſie die Sorge faßte · vor dem herben Tod // Auf dieſer Hofreiſe: · das ſchuf ihnen wahrlich Noth. // Bei Möringen waren · ſie über Flut gekommen, // Wo dem Fährmann Elſen · das Leben ward benommen. // Da ſprach Hagen wieder: · „Da ich mir ſo gewann // Unterwegs der Feinde, · ſo greift man ehſtens uns an. // „Ich erſchlug den Fährmann · heute morgen fruh; // Sie wißen nun die Kunde. · Drum eilt und greifet zu, // Wenn Gelfrat und Elſen · heute hier beſteht // Unſer Ingeſinde, · daß es ihnen übel ergeht. // „Sie ſind gar kühn, ich weiß es, · es wird gewiſs geſchehn. // Drum laßt nur die Roſſe · in ſanftem Schritte gehn, // Daß nicht Jemand wähne, · wir flöhn vor ihrem Heer.“ // „Dem Rathe will ich folgen,“ · ſprach der junge Geiſelher. // „Wer zeigt nun dem Geſinde · die Wege durch das Land?“ // Sie ſprachen: „Das ſoll Volker: · dem ſind hie wohlbekannt // Die Straßen und die Steige, · dem ſtolzen Fiedelmann.“ // Eh mans von ihm verlangte, · kam er gewaffnet heran. // Der ſchnelle Fiedelſpieler: · den Helm er überband; // Von herrlicher Farbe · war all ſein Streitgewand. // Am Schaft ließ er flattern · ein Zeichen, das war roth. // Bald kam er mit den Königen · in eine furchtbare Noth. // Gewiſſe Kunde hatte · Gelfrat nun bekommen // Von des Fergen Tode; · da hatt es auch vernommen // Elſe der ſtarke: · beiden war es leid. // Sie beſandten ihre Helden: · die traf man balde bereit. // Darauf in kurzen Zeiten, · nun hört mich weiter an, // Sah man zu ihnen reiten, · denen Schade war gethan, // In ſtarkem Kriegszuge · ein ungefüges Heer: // Wohl ſiebenhundert ſtießen · zu Gelfrat oder noch mehr. // Als das den grimmen Feinden · nachzuziehn begann, // Die Herren, die es führten, · huben zu jagen an // Den kühnen Gäſten hinterdrein. · Sie wollten Rache haben: // Da muſten ſie der Freunde · hernach noch manchen begraben. // Hagen von Tronje · richtete das ein // (Wie konnte ſeiner Freunde · ein beßrer Hüter ſein?), // Daß er die Nachhut hatte · und Die ihm unterthan // Mit Dankwart ſeinem Bruder; · das war gar weislich gethan. // Ihnen war der Tag zerronnen, · den hatten ſie nicht mehr. // Er bangte vor Gefahren · für ſeine Freunde ſehr. // Sie ritten unter Schilden · durch der Baiern Land: // Darnach in kurzer Weile · die Helden wurden angerannt. // Beiderſeits der Straße · und hinter ihnen her // Vernahm man Hufe ſchlagen; · die Haufen eilten ſehr. // Da ſprach der kühne Dankwart: · „Gleich fallen ſie uns an: // Bindet auf die Helme, · das dünkt mich räthlich gethan.“ // Sie hielten ein mit Reiten, · als es muſte ſein. // Da ſahen ſie im Dunkel · der lichten Schilde Schein. // Nicht länger ſtille ſchweigen · mochte da der Hagen: // „Wer verfolgt uns auf der Straße?“ · Das muſte Gelfrat ihm ſagen. // Da ſprach zu ihm der Markgraf · aus der Baiern Land: // „Wir ſuchen unſre Feinde, · denen ſind wir nachgerannt. // Ich weiß nicht, wer mir heute · meinen Fergen ſchlug: // Das war ein ſchneller Degen; · mir iſt leid um ihn genug.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „War der Ferge dein? // Er wollt uns nicht fahren; · alle Schuld iſt mein: // Ich erſchlug den Recken; · fürwahr, es that mir Noth: // Ich hatte von dem Degen · ſchier ſelbſt den grimmigen Tod. // „Ich bot ihm zum Lohne · Gold und Gewand, // Daß er uns überführe, · Held, in euer Land. // Darüber zürnt' er alſo, · daß er nach mir ſchlug // Mit ſtarker Ruderſtange: · da ward ich grimmig genug. // „Ich griff nach dem Schwerte · und wehrte ſeinem Zorn // Mit einer ſchweren Wunde: · da war der Held verlorn. // Ich ſteh euch hier zur Sühne, · wie es euch dünke gut.“ // Da gieng es an ein Streiten: · ſie hatten zornigen Muth. // „Ich wuſte wohl,“ ſprach Gelfrat, · „als hier mit dem Geleit // Gunther zog vorüber, · uns geſchäh ein Leid // Von Hagens Uebermuthe. · Nun büßt ers mit dem Leben: // Für des Fergen Ende · ſoll er ſelbſt hier Bürgſchaft geben.“ // Ueber die Schilde neigten · da zum Stich den Sper // Gelfrat und Hagen; · ſich zürnten beide ſchwer. // Dankwart und Elſe · zuſammen herrlich ritten; // Sie erprobten, wer ſie waren: · da wurde grimmig geſtritten. // Wer je verſuchte kühner · ſich und die Gunſt des Glücks? // Von einem ſtarken Stoße · ſank Hagen hinterrücks // Von der Mähre nieder · durch Gelfratens Hand. // Der Bruſtriem war gebrochen: · ſo ward im Fallen bekannt. // Man hört' auch beim Geſinde · krachender Schäfte Schall. // Da erholte Hagen · ſich wieder von dem Fall, // Den er auf das Gras gethan · von des Gegners Sper: // Da zürnte der von Tronje · wider Gelfraten ſehr. // Wer ihnen hielt die Roſſe, · das iſt mir unbekannt. // Sie waren aus den Sätteln · gekommen auf den Sand, // Hagen und Gelfrat: · nun liefen ſie ſich an. // Ihre Geſellen halfen, · daß ihnen Streit ward kund gethan. // Wie heftig auch Hagen · zu Gelfraten ſprang, // Ein Stück von Ellenlänge · der edle Markgraf ſchwang // Ihm vom Schilde nieder; · das Feuer ſtob hindann. // Da wäre ſchier erſtorben · König Gunthers Unterthan. // Er rief mit lauter Stimme · Dankwarten an: // „Hilf mir, lieber Bruder, · ein ſchneller ſtarker Mann // Hat mich hier beſtanden: · der läßt mich nicht gedeihn.“ // Da ſprach der kühne Dankwart: · „So will ich denn Schiedsmann ſein.“ // Da ſprang der Degen näher · und ſchlug ihm ſolchen Schlag // Mit einer ſcharfen Waffe, · daß er todt da lag. // Elſe wollte Rache · nehmen für den Mann: // Doch er und ſein Geſinde · ſchied mit Schaden hindann. // Sein Bruder war erſchlagen, · ſelber ward er wund. // Wohl achtzig ſeiner Degen · wurden gleich zur Stund // Des grimmen Todes Beute: · da muſte wohl der Held // Gunthers Mannen räumen · in geſchwinder Flucht das Feld. // Als Die vom Baierlande · wichen aus dem Wege, // Man hörte nachhallen · die furchtbaren Schläge: // Da jagten die von Tronje · ihren Feinden nach; // Die es nicht büßen wollten, · die hatten wenig Gemach. // Da ſprach beim Verfolgen · Dankwart der Degen: // „Kehren wir nun wieder · zurück auf unſern Wegen // Und laßen wir ſie reiten: · ſie ſind vom Blute naß. // Wir eilen zu den Freunden: · in Treuen rath ich euch das.“ // Als ſie hinwieder kamen, · wo der Schade war geſchehn, // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Helden, laßt uns ſehn, // Wen wir hier vermiſſen, · oder wer uns verlorn // Hier in dieſem Streite · gieng durch Gelfratens Zorn.“ // Sie hatten vier verloren; · der Schade ließ ſich tragen. // Sie waren wohl vergolten; · dagegen aber lagen // Deren vom Baierlande · mehr als hundert todt. // Den Tronejern waren · von Blut die Schilde trüb und roth. // Ein wenig brach aus Wolken · des hellen Mondes Licht; // Da ſprach wieder Hagen: · „Hört, berichtet nicht // Meinen lieben Herren, · was hier von uns geſchah: // Bis zum Morgen komme · ihnen keine Sorge nah.“ // Als zu ihnen ſtießen, · die da kamen von dem Streit, // Da klagte das Geſinde · über Müdigkeit: // „Wie lange ſollen wir reiten?“ · fragte mancher Mann. // Da ſprach der kühne Dankwart: · „Wir treffen keine Herberg an. // „Ihr müſt alle reiten · bis an den hellen Tag.“ // Volker der ſchnelle, · der des Geſindes pflag, // Ließ den Marſchall fragen: · „Wo kehren wir heut ein? // Wo raſten unſre Pferde · und die lieben Herren mein?“ // Da ſprach der kühne Dankwart: · „Ich weiß es nicht zu ſagen: // Wir können uns nicht ruhen, · bis es beginnt zu tagen; // Wo wir es dann finden, · legen wir uns ins Gras.“ // Als ſie die Kunde hörten, · wie leid war Etlichen das! // Sie blieben unverrathen · vom heißen Blute roth, // Bis daß die Sonne · die lichten Stralen bot // Dem Morgen über Berge, · wo es der König ſah, // Daß ſie geſtritten hatten: · ſehr im Zorne ſprach er da: // „Wie nun denn, Freund Hagen? · Verſchmähtet ihr wohl das, // Daß ich euch Hülfe brachte, · als euch die Ringe naß // Wurden von dem Blute? · Wer hat euch das gethan?“ // Da ſprach er: „Elſe that es: · der griff nächten uns an. // „Seines Fergen wegen · wurden wir angerannt. // Da erſchlug Gelfraten · meines Bruders Hand. // Zuletzt entrann uns Elſe, · es zwang ihn große Noth: // Ihnen hundert, uns nur viere · blieben da im Streite todt.“ // Wir können euch nicht melden, · wo man die Nachtruh fand. // All den Landleuten · ward es bald bekannt, // Der edeln Ute Söhne · zögen zum Hofgelag. // Sie wurden wohl empfangen · dort zu Paßau bald hernach. // Der werthen Fürſten Oheim, · der Biſchof Pilgerin, // Dem wurde wohl zu Muthe, · als ſeine Neffen ihn // Mit ſo viel der Recken · beſuchten da im Land: // Daß er ſie gerne ſähe, · ward ihnen balde bekannt. // Sie wurden wohl empfangen · von Freunden vor dem Ort. // Nicht all verpflegen mochte · man ſie in Paßau dort: // Sie muſten übers Waſſer, · wo Raum ſich fand und Feld: // Da ſchlugen auf die Knechte · Hütten und reich Gezelt. // Sie muſten da verweilen · einen vollen Tag // Und eine Nacht darüber. · Wie ſchön man ſie verpflag! // Dann ritten ſie von dannen · in Rüdigers Land; // Dem kamen auch die Mären: · da ward ihm Freude bekannt, // Als die Wegemüden · Nachtruh genommen // Und ſie dem Lande waren · näher gekommen, // Sie fanden auf der Marke · ſchlafen einen Mann, // Dem von Tronje Hagen · ein ſtarkes Waffen abgewann. // Eckewart geheißen · war dieſer Ritter gut. // Der gewann darüber · gar traurigen Muth, // Daß er verlor das Waffen · durch der Helden Fahrt. // Rüdgers Grenzmarke, · die fand man übel bewahrt. // „O weh mir dieſer Schande,“ · ſprach da Eckewart. // „Schwer muß ich beklagen · der Burgunden Fahrt. // Als ich verlor Siegfrieden, · hub all mein Kummer an; // O weh, mein Herr Rüdiger, · wie hab ich wider dich gethan!“ // Wohl hörte Hagen · des edeln Recken Noth: // Er gab das Schwert ihm wieder, · dazu ſechs Spangen roth. // „Die nimm dir, Held, zu Lohne, · willſt du hold mir ſein; // Du biſt ein kühner Degen, · lägſt du hier noch ſo allein.“ // „Gott lohn euch eure Spangen,“ · ſprach da Eckewart; // „Doch muß ich ſehr beklagen · zu den Heunen eure Fahrt. // Ihr erſchlugt Siegfrieden; · hier trägt man euch noch Haß: // Daß ihr euch wohl behütet, · in Treuen rath ich euch das.“ // „Nun, mög uns Gott behüten,“ · ſprach Hagen entgegen. // „Keine andre Sorge · haben dieſe Degen // Als um die Herberge, · die Fürſten und ihr Lehn, // Wo wir in dieſem Lande · heute Nachtruh ſollen ſehn. // „Vermüdet ſind die Roſſe · uns auf den fernen Wegen, // Die Speiſe gar zerronnen,“ · ſprach Hagen der Degen: // „Wir findens nicht zu Kaufe: · es wär ein Wirth uns Noth, // Der uns heute gäbe · in ſeiner Milde das Brot.“ // Da ſprach wieder Eckewart: · „Ich zeig euch ſolchen Wirth, // Daß Niemand euch im Hauſe · ſo gut empfangen wird // Irgend in den Landen, · als hier euch mag geſchehn, // Wenn ihr ſchnellen Degen · wollt zu Rüdigern gehn. // „Der Wirth wohnt an der Straße, · der beſte allerwärts, // Der je ein Haus beſeßen. · Milde gebiert ſein Herz, // Wie das Gras mit Blumen · der lichte Maimond thut, // Und ſoll er Helden dienen, · ſo iſt er froh und wohlgemuth.“ // Da ſprach der König Gunther: · „Wollt ihr mein Bote ſein, // Ob uns behalten wolle · bis an des Tages Schein // Mein lieber Freund Rüdiger · und Die mir unterthan? // Das will ich ſtäts verdienen, · ſo gut ich irgend nur kann.“ // „Der Bote bin ich gerne,“ · ſprach da Eckewart, // Mit gar gutem Willen · erhob er ſich zur Fahrt // Rüdigern zu ſagen, · was er da vernommen. // Dem war in langen Zeiten · ſo liebe Kunde nicht gekommen. // Man ſah zu Bechlaren · eilen einen Degen, // Den Rüdger wohl erkannte; · er ſprach: „Auf dieſen Wegen // Kommt Eckewart in Eile, · Kriemhildens Unterthan.“ // Er wähnte ſchon, die Feinde · hätten ihm ein Leid gethan. // Da gieng er vor die Pforte, · wo er den Boten fand. // Der nahm ſein Schwert vom Gurte · und legt' es aus der Hand. // Er ſprach zu dem Degen: · „Was habt ihr vernommen, // Daß ihr ſo eilen müßet? · hat uns Jemand was genommen?“ // „Geſchadet hat uns Niemand,“ · ſprach Eckewart zuhand; // „Mich haben drei Könige · her zu euch geſandt, // Gunther von Burgunden, · Geiſelher und Gernot; // Jeglicher der Recken · euch ſeine Dienſte her entbot. // „Das ſelbe thut auch Hagen, · Volker auch zugleich, // Mit Fleiß und rechter Treue; · dazu bericht ich euch, // Was des Königs Marſchall · euch durch mich entbot, // Es ſei den guten Degen · eure Herberge Noth.“ // Mit lachendem Munde · ſprach da Rüdiger: // „Nun wohl mir dieſer Märe, · daß die Könige hehr // Meinen Dienſt verlangen: · dazu bin ich bereit. // Wenn ſie ins Haus mir kommen, · des bin ich höchlich erfreut.“ // „Dankwart der Marſchall · hat euch kund gethan, // Wer euch zu Hauſe · noch heute zieht heran: // Sechzig kühner Recken · und tauſend Ritter gut // Mit neuntauſend Knechten.“ · Da ward ihm fröhlich zu Muth. // „Wohl mir dieſer Gäſte,“ · ſprach da Rüdiger, // „Daß mir zu Hauſe kommen · dieſe Recken hehr, // Denen ich noch ſelten · hab einen Dienſt gethan. // Entgegen reitet ihnen, · ſei's Freund oder Unterthan.“ // Da eilte zu den Roſſen · Ritter ſo wie Knecht: // Was ſie der Herr geheißen, · das dauchte Alle recht. // Sie brachten ihre Dienſte · um ſo ſchneller dar. // Noch wuſt es nicht Frau Gotlind, · die in ihrer Kammer war. // 27. Siebenundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie ſie nach Bechlaren kamen.