: Das Nibelungenlied 25. Fünfundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie die Könige zu den Heunen fuhren. Wie man dort gebarte, · vernahmt ihr nun genug. // Wohl kamen nie gefahren · in ſolchem ſtolzen Zug // So hochgemuthe Degen · in eines Königs Land; // Sie hatten, was ſie wollten, · beides, Waffen und Gewand. // Der Vogt vom Rheine kleidete · aus ſeinem Heergeleit // Der Degen tauſend ſechzig, · ſo gab man uns Beſcheid, // Und neuntauſend Knechte · zu dem Hofgelag; // Die ſie zu Hauſe ließen, · beweinten es wohl hernach. // Da trug man ihr Geräthe · zu Worms übern Hof. // Wohl ſprach da von Speier · ein alter Biſchof // Zu der ſchönen Ute: · „Unſre Freunde wollen fahren // Zu dem Gaſtgebote: · möge Gott ſie da bewahren.“ // Da ſprach zu ihren Söhnen · Ute, die Fraue gut: // „Ihr ſolltet hier verbleiben, · Helden hochgemuth. // Geträumt hat mir heute · von ängſtlicher Noth, // Wie all das Gevögel · in dieſem Lande wäre todt.“ // „Wer ſich an Träume wendet,“ · ſprach dawider Hagen, // „Der weiß noch die rechte · Kunde nicht zu ſagen, // Wie es mög am Beſten · um ſeine Ehre ſtehn: // Es mag mein Herr nur immer · mit Urlaub hin zu Hofe gehn. // „Wir wollen gerne reiten · in König Etzels Land: // Da mag wohl Köngen dienen · guter Helden Hand, // So wir da ſchauen ſollen · Kriemhildens Hochzeit.“ // Hagen rieth die Reiſe; · doch ward es ſpäter ihm leid. // Er hätt es widerrathen, · nur daß Gernot // Mit ungefügen Reden · ihm Spott entgegenbot. // Er mahnt' ihn an Siegfried, · Frau Kriemhildens Mann: // Er ſprach: „Darum ſteht Hagen · die große Reiſe nicht an.“ // Da ſprach von Tronje Hagen: · „Nicht Furcht iſt's, daß ich's thu. // Gebietet ihr es, Helden, · ſo greift immer zu: // Gern will ich mit euch reiten · in König Etzels Land.“ // Bald ward von ihm zerhauen · mancher Helm und Schildesrand. // Die Schiffe ſtanden fertig · zu fahren überrhein; // Was ſie an Kleidern hatten, · trugen ſie darein. // Sie fanden viel zu ſchaffen · bis zur Abendzeit; // Sie huben ſich von Hauſe · zur Reiſe freudig bereit. // Sie ſchlugen auf im Graſe · ſich Hütten und Gezelt // Jenſeits des Rheines, · wo das Lager war beſtellt. // Da bat noch zu verweilen · Gunthern ſein ſchönes Weib; // Sie herzte nachts noch einmal · des Mannes waidlichen Leib. // Flöten und Poſaunen · erſchollen morgens fruh // Den Aufbruch anzukündigen: · da griff man bald dazu. // Wem Liebes lag im Arme, · herzte des Freundes Leib; // Mit Leid trennte Viele · des König Etzel Weib. // Der ſchönen Ute Söhne · die hatten einen Mann, // Der kühn war und bieder; · als man die Fahrt begann, // Sprach er zu dem Könige · geheim nach ſeinem Muth. // Er ſprach: „Ich muß wohl trauern, · daß ihr die Hofreiſe thut.“ // Er war geheißen Rumold, · ein Degen auserkannt. // Er ſprach: „Wem wollt ihr laßen · Leute nun und Land? // Daß Niemand doch euch Recken · wenden mag den Muth! // Die Mären Kriemhildens · dauchten mich niemals gut.“ // „Das Land ſei dir befohlen · und auch mein Söhnelein; // Und diene wohl den Frauen: · das iſt der Wille mein. // Wen du weinen ſieheſt, · dem tröſte Herz und Sinn; // Es wird uns nichts zu Leide · Kriemhild thun, die Königin.“ // Eh man ſchied von dannen, · berieth der König hehr // Sich mit den höchſten Mannen; · er ließ nicht ohne Wehr // Das Land und die Burgen: · die ihrer ſollten pflegen, // Zum Schutze ließ er denen · manchen auserwählten Degen. // Die Roſſe ſtanden aufgezäumt · den Mannen wie den Herrn: // Mit minniglichem Kuſſe · zog da Mancher fern, // Dem noch in hohem Muthe · lebte Seel und Leib; // Das muſte bald beweinen · manches waidliche Weib. // Wehruf und Weinen · hörte man genug; // Auf dem Arm die Königin · ihr Kind dem König trug: // „Wie wollt ihr ſo verwaiſen · uns beide auf ein Mal? // Verbleibet uns zu Liebe,“ · ſprach ſein jammerreich Gemahl. // „Frau, ihr ſollt nicht weinen · um den Willen mein, // Ihr mögt hier ohne Sorgen · in hohem Muthe ſein: // Wir kommen bald euch wieder · mit Freuden wohl geſund.“ // Sie ſchieden von den Freunden · minniglich zur ſelben Stund. // Als man die ſchnellen Recken · ſah zu den Roſſen gehn, // Fand man viel der Frauen · in hoher Trauer ſtehn. // Daß ſie auf ewig ſchieden, · ſagt' ihnen wohl der Muth: // Zu großem Schaden kommen, · das thut Niemanden gut. // Die ſchnellen Burgunden · begannen ihren Zug. // Da ward in dem Lande · das Treiben groß genug; // Beiderſeits des Rheines · weinte Weib und Mann. // Wie auch das Volk gebarte, · ſie fuhren fröhlich hindann. // Niblungens Helden · zogen mit ihnen aus // In tauſend Halsbergen: · die hatten dort zu Haus // Viel ſchöne Fraun gelaßen · und ſahn ſie nimmermehr. // Siegfriedens Wunden · die ſchmerzten Kriemhilden ſehr. // Nur ſchwach in jenen Zeiten · war der Glaube noch: // Es ſang ihnen Meſſe · ein Kaplan jedoch: // Der kam geſund zurücke, · obwohl aus großer Noth; // Die andern blieben alle · dort im Heunenlande todt. // Da lenkten mit der Reiſe · auf den Mainſtrom an // Hinauf durch Oſtfranken · Die Gunthern unterthan. // Hagen war ihr Führer, · der war da wohlbekannt. // Ihr Marſchall war Dankwart, · der Held von Burgundenland. // Da ſie von Oſtfranken · durch Schwalefelde ritten, // Da konnte man ſie kennen · an den herrlichen Sitten, // Die Fürſten und die Freunde, · die Helden lobeſam. // An dem zwölften Morgen · der König an die Donau kam. // Da ritt von Tronje Hagen · den andern all zuvor: // Er hielt den Nibelungen · zumal den Muth empor. // Bald ſprang der kühne Degen · nieder auf den Strand, // Wo er ſein Roſs in Eile · feſt an einem Baume band. // Die Flut war ausgetreten, · die Schifflein verborgen: // Die Nibelungen kamen · da in große Sorgen, // Wie ſie hinüber ſollten: · das Waſſer war zu breit. // Da ſchwang ſich zur Erde · mancher Ritter allbereit. // „Uebel,“ ſprach da Hagen, · „mag dir wohl hier geſchehn, // König an dem Rheine; · du magſt es ſelber ſehn: // Das Waſſer iſt ergoßen, · zu ſtark iſt ſeine Flut: // Ich fürchte, wir verlieren · noch heute manchen Recken gut.“ // „Hagen, was verweiſt ihr mir?“ · ſprach der König hehr, // „Um eurer Hofzucht willen · erſchreckt uns nicht noch mehr. // Ihr ſollt die Furt uns ſuchen · hinüber an das Land, // Daß wir von hinnen bringen · beides, Roſs' und Gewand.“ // „Mir iſt ja noch,“ ſprach Hagen, · „mein Leben nicht ſo leid, // Daß ich mich möcht ertränken · in dieſen Wellen breit: // Erſt ſoll von meinen Händen · erſterben mancher Mann // In König Etzels Landen, · wozu ich gute Luſt gewann. // „Bleibet bei dem Waſſer, · ihr ſtolzen Ritter gut. // So geh ich und ſuche · die Fergen bei der Flut, // Die uns hinüber bringen · in Gelfratens Land.“ // Da nahm der kühne Hagen · ſeinen feſten Schildesrand. // Er war wohl bewaffnet: · den Schild er bei ſich trug; // Sein Helm war aufgebunden · und glänzte hell genug. // Ueberm Harniſch führt' er · eine breite Waffe mit, // Die an beiden Schärfen · aufs allergrimmigſte ſchnitt. // Er ſuchte hin und wieder · nach einem Schiffersmann. // Da hört' er Waſſer rauſchen; · zu lauſchen hub er an. // In einem ſchönen Brunnen · that das manch weiſes Weib: // Die gedachten da im Bade · ſich zu kühlen den Leib. // Hagen ward ihrer inne, · da ſchlich er leis heran; // Sie eilten ſchnell von hinnen, · als ſie den Helden ſahn. // Daß ſie ihm entrannen, · des freuten ſie ſich ſehr. // Da nahm er ihre Kleider · und ſchadet' ihnen nicht mehr. // Da ſprach das eine Meerweib, · Hadburg war ſie genannt: // „Hagen, edler Ritter, · wir machen euch bekannt, // Wenn ihr uns dagegen · die Kleider wiedergebt, // Was ihr auf dieſer Reiſe · bei den Heunen erlebt.“ // Sie ſchwammen wie die Vögel · ſchwebend auf der Flut. // Da daucht ihn ihr Wißen · von den Dingen gut: // So glaubt' er um ſo lieber, · was ſie ihm wollten ſagen. // Sie beſchieden ihn darüber, · was er begann ſie zu fragen. // Sie ſprach: „Ihr mögt wohl reiten · in König Etzels Land: // Ich ſetz euch meine Treue · dafür zum Unterpfand: // Niemals fuhren Helden · noch in ein fremdes Reich // Zu ſo hohen Ehren: · in Wahrheit, ich ſag es euch.“ // Der Rede war da Hagen · im Herzen froh und hehr! // Die Kleider gab man ihnen · und ſäumte ſich nicht mehr. // Als ſie umgezogen · ihr wunderbar Gewand, // Vernahm er erſt die Wahrheit · von der Fahrt in Etzels Land. // Da ſprach das andre Meerweib · mit Namen Siegelind: // „Ich will dich warnen, Hagen, · Aldrianens Kind. // Meine Muhme hat dich · der Kleider halb belogen: // Und kommſt du zu den Heunen, · ſo biſt du übel betrogen. // „Wieder umzukehren, · wohl wär es an der Zeit, // Dieweil ihr kühnen Helden · alſo geladen ſeid, // Daß ihr müßt erſterben · in der Heunen Land: // Wer da hinreitet, · der hat den Tod an der Hand.“ // Da ſprach aber Hagen: · „Ihr trügt mich ohne Noth: // Wie ſollte das ſich fügen, · daß wir alle todt // Blieben bei dem Hofgelag · durch Jemandes Groll?“ // Da ſagten ſie dem Degen · die Märe deutlich und voll. // Da ſprach die Eine wieder: · „Es muß nun ſo geſchehn, // Keiner wird von euch allen · die Heimat wiederſehn // Als der Kaplan des Königs: · das iſt uns wohlbekannt, // Der kommt geborgen wieder · heim in König Gunthers Land.“ // Ingrimmen Muthes · ſprach der kühne Hagen: // „Das ließen meine Herren · ſchwerlich ſich ſagen, // Wir verlören bei den Heunen · Leben all und Leib; // Nun zeig uns übers Waſſer, · allerweiſeſtes Weib.“ // Sie ſprach: „Willſt du nicht anders · und ſoll die Fahrt geſchehn, // So ſiehſt du überm Waſſer · eine Herberge ſtehn: // Darin iſt ein Ferge · und ſonſt nicht nah noch fern.“ // Weiter nachzufragen, · des begab er nun ſich gern. // Dem unmuthsvollen Recken · rief noch die Eine nach: // „Nun wartet, Herr Hagen, · euch iſt auch gar zu jach; // Vernehmt noch erſt die Kunde, · wie ihr kommt durchs Land. // Der Herr dieſer Marke · der iſt Elſe genannt. // „Sein Bruder iſt geheißen · Gelfrat der Held, // Ein Herr im Baierlande: · nicht ſo leicht es hält, // Wollt ihr durch ſeine Marke: · ihr mögt euch wohl bewahren // Und ſollt auch mit dem Fergen · gar beſcheidentlich verfahren. // „Der iſt ſo grimmes Muthes, · er läßt euch nicht gedeihn, // Wollt ihr nicht verſtändig · bei dem Helden ſein. // Soll er euch überholen, · ſo bietet ihm den Sold; // Er hütet dieſes Landes · und iſt Gelfraten hold. // „Und kommt er nicht bei Zeiten, · ſo ruft über Flut // Und ſagt, ihr heißet Amelrich; · das war ein Degen gut, // Der ſeiner Feinde willen · räumte dieſes Land: // So wird der Fährmann kommen, · wird ihm der Name genannt.“ // Der übermüthge Hagen · dankte den Frauen hehr // Des Raths und der Lehre; · kein Wörtlein ſprach er mehr. // Dann gieng er bei dem Waſſer · hinauf an dem Strand, // Wo er auf jener Seite · eine Herberge fand. // Laut begann zu rufen · der Degen über Flut: // „Nun hol mich über, Ferge,“ · ſprach der Degen gut, // „So geb ich dir zum Lohne · eine Spange goldesroth; // Mir thut das Ueberfahren, · das wiße, wahrhaftig Noth.“ // Es brauchte nicht zu dienen · der reiche Schiffersmann, // Lohn nahm er ſelten · von Jemandem an; // Auch waren ſeine Knechte · zumal von ſtolzem Muth. // Noch immer ſtand Hagen · dießſeits allein bei der Flut. // Da rief er ſo gewaltig, · der ganze Strom erſcholl // Von des Helden Stärke, · die war ſo groß und voll: // „Mich Amelrich hol über; · ich bin es, Elſes Mann, // Der vor ſtarker Feindſchaft · aus dieſen Landen entrann.“ // Hoch an ſeinem Schwerte · er ihm die Spange bot, // Die war ſchön und glänzte · von lichtem Golde roth, // Daß er ihn überbrächte · in Gelfratens Land. // Der übermüthge Ferge · nahm ſelbſt das Ruder an die Hand. // Auch hatte dieſer Ferge · habſüchtgen Sinn: // Die Gier nach großem Gute · bringt endlich Ungewinn; // Er dachte zu verdienen · Hagens Gold ſo roth, // Da litt er von dem Degen · hier den ſchwertgrimmen Tod. // Der Ferge zog gewaltig · hinüber an den Strand. // Welcher ihm genannt war, · als er den nicht fand, // Da hub er an zu zürnen: · als er Hagen ſah, // Mit grimmem Ungeſtüme · zu dem Helden ſprach er da: // „Ihr mögt wohl ſein geheißen · mit Namen Amelrich; // Doch ſeht ihr dem nicht ähnlich, · des ich verſehen mich. // Von Vater und von Mutter · war er der Bruder mein: // Nun ihr mich betrogen habt, · ſo müßt ihr dießhalben ſein.“ // „Nein! um Gotteswillen,“ · ſprach Hagen dagegen. // „Ich bin ein fremder Recke, · beſorgt um andre Degen. // So nehmet denn freundlich · hin meinen Sold // Und fahrt uns hinüber: · ich bin euch wahrhaftig hold.“ // Da ſprach der Ferge wieder: · „Das kann einmal nicht ſein. // Viel der Feinde haben · die lieben Herren mein. // Drum fahr ich keinen Fremden · hinüber in ihr Land: // Wenn euch das Leben lieb iſt, · ſo tretet aus an den Strand.“ // „Das thu ich nicht,“ ſprach Hagen, · „traurig iſt mein Muth. // Nehmt zum Gedächtniß · die goldne Spange gut // Und fahrt uns über, tauſend Roſs' · und auch ſo manchen Mann.“ // Da ſprach der grimme Ferge: · „Das wird nimmer gethan.“ // Er hob ein ſtarkes Ruder, · mächtig und breit, // Und ſchlug es auf Hagen · (es ward ihm ſpäter leid), // Daß er im Schiffe nieder · ſtrauchelt' auf die Knie. // Solchen grimmen Fergen · fand der von Tronje noch nie. // Noch ſtärker zu erzürnen · den kühnen Fremdling, ſchwang // Er ſeine Ruderſtange, · daß ſie gar zerſprang, // Auf das Haupt dem Hagen; · er war ein ſtarker Mann: // Davon Elſes Ferge · bald großen Schaden gewann. // Mit grimmigem Muthe · griff Hagen gleich zur Hand // Zur Seite nach der Scheide, · wo er ein Waffen fand: // Er ſchlug das Haupt ihm nieder · und warf es auf den Grund. // Bald wurden dieſe Mären · den ſtolzen Burgunden kund. // Im ſelben Augenblicke, · als er den Fährmann ſchlug, // Glitt das Schiff zur Strömung; · das war ihm leid genug. // Eh er es richten konnte, · fiel ihn Ermüdung an: // Da zog am Ruder kräftig · König Gunthers Unterthan. // Er verſucht' es umzukehren · mit manchem ſchnellen Schlag, // Bis ihm das ſtarke Ruder · in der Hand zerbrach. // Er wollte zu den Recken · ſich wenden an den Strand; // Da hatt er keines weiter: · wie bald er es zuſammen band // Mit ſeinem Schildriemen, · einer Borte ſchmal. // Hin zu einem Walde · wandt er das Schiff zu Thal. // Da fand er ſeinen Herren · ſein harren an dem Strand; // Es giengen ihm entgegen · viel der Degen auserkannt. // Mit Gruß ihn wohl empfiengen · die edeln Ritter gut: // Sie ſahen in dem Schiffe · rauchen noch das Blut // Von einer ſtarken Wunde, · die er dem Fergen ſchlug: // Darüber muſte Hagen · fragen hören genug. // Als der König Gunther · das heiße Blut erſah // In dem Schiffe ſchweben, · wie bald ſprach er da: // „Wo iſt denn, Herr Hagen, · der Fährmann hingekommen? // Eure ſtarken Kräfte haben · ihm wohl das Leben benommen.“ // Da ſprach er mit Verläugnen: · „Als ich das Schifflein fand // Bei einer wilden Weide, · da löſt' es meine Hand. // Ich habe keinen Fergen · heute hier geſehn; // Leid iſt auch Niemand · von meinen Händen geſchehn.“ // Da ſprach von Burgunden · der König Gernot: // „Heute muß ich bangen · um lieber Freunde Tod, // Da wir keinen Schiffmann · hier am Strome ſehn: // Wie wir hinüber kommen, · darob muß ich in Sorgen ſtehn.“ // Laut rief da Hagen: · „Legt auf den Boden her, // Ihr Knechte, das Geräthe: · ich gedenke, daß ich mehr // Der allerbeſte Ferge war, · den man am Rheine fand: // Ich bring euch hinüber · gar wohl in Gelfratens Land.“ // Daß ſie deſto ſchneller · kämen über Flut, // Trieb man hinein die Mähren; · ihr Schwimmen ward ſo gut, // Daß ihnen auch nicht eines · der ſtarke Strom benahm. // Einige trieben ferner, · als ſie Ermüdung überkam. // Sie trugen zu dem Schiffe · ihr Gut und ihre Wehr, // Nun einmal ihre Reiſe · nicht zu vermeiden mehr. // Hagen fuhr ſie über; · da bracht er an den Strand // Manchen zieren Recken · in das unbekannte Land. // Zum erſten fuhr er über · tauſend Ritter hehr // Und ſeine ſechzig Degen; · dann kamen ihrer mehr: // Neuntauſend Knechte, · die bracht er an das Land. // Des Tags war unmüßig · des kühnen Tronejers Hand. // Das Schiff war ungefüge, · ſtark und weit genug: // Fünfhundert oder drüber · es leicht auf einmal trug // Ihres Volks mit Speiſe · und Waffen über Flut: // Am Ruder muſte ziehen · des Tages mancher Ritter gut. // Da er ſie wohlgeborgen · über Flut gebracht, // Da war der fremden Märe · der ſchnelle Held bedacht, // Die ihm verkündet hatte · das wilde Meerweib: // Dem Kaplan des Königs gieng es · da ſchier an Leben und Leib. // Bei ſeinem Weihgeräthe · er den Pfaffen fand, // Auf dem Heiligthume · ſich ſtützend mit der Hand: // Das kam ihm nicht zu Gute, · als Hagen ihn erſah; // Der unglückſelge Prieſter, · viel Beſchwerde litt er da. // Er ſchwang ihn aus dem Schiffe · mit jäher Gewalt. // Da riefen ihrer Viele: · „Halt, Hagen, halt!“ // Geiſelher der junge · hub zu zürnen an; // Er wollt es doch nicht laßen, · bis er ihm Leides gethan. // Da ſprach von Burgunden · der König Gernot: // „Was hilft euch wohl, Herr Hagen, · des Kaplanes Tod? // Thät dieß anders Jemand, · es ſollt ihm werden leid. // Was verſchuldete der Prieſter, · daß ihr ſo wider ihn ſeid?“ // Der Pfaffe ſchwamm nach Kräften: · er hoffte zu entgehn, // Wenn ihm nur Jemand hülfe: · das konnte nicht geſchehn, // Denn der ſtarke Hagen, · gar zornig war ſein Muth, // Stieß ihn zu Grunde wieder; · das dauchte Niemanden gut. // Als der arme Pfaffe · hier keine Hülfe ſah, // Da wandt er ſich ans Ufer; · Beſchwerde litt er da. // Ob er nicht ſchwimmen konnte, · doch half ihm Gottes Hand, // Daß er wohlgeborgen · hinwieder kam an den Strand. // Da ſtand der arme Prieſter · und ſchüttelte ſein Kleid. // Daran erkannte Hagen, · ihm habe Wahrheit, // Unmeidliche, verkündet · das wilde Meerweib. // Er dachte: „Dieſe Degen · verlieren Leben und Leib.“ // Als ſie das Schiff entladen · und ans Geſtad geſchafft, // Was darauf beſeßen · der Könge Ritterſchaft, // Schlug Hagen es in Stücke · und warf es in die Flut; // Das wunderte gewaltig · die Recken edel und gut. // „Bruder, warum thut ihr das?“ · ſprach da Dankwart, // „Wie ſollen wir hinüber · bei unſrer Wiederfahrt, // Wenn wir von den Heunen · reiten an den Rhein?“ // Hernach ſagt' ihm Hagen, · das könne nimmermehr ſein. // Da ſprach der Held von Tronje: · „Ich thats mit Wohlbedacht: // Haben wir einen Feigen · in dieſes Land gebracht, // Der uns entrinnen möchte · in ſeines Herzens Noth, // Der muß an dieſen Wogen · leiden ſchmählichen Tod.“ // Sie führten bei ſich Einen · aus Burgundenland, // Der ein gar behender Held · und Volker ward genannt. // Der redete da launig · nach ſeinem kühnen Muth: // Was Hagen je begangen, · den Fiedler dauchte das gut. // Als der Kaplan des Königs · das Schiff zerſchlagen ſah, // Ueber das Waſſer · zu Hagen ſprach er da: // „Ihr Mörder ohne Treue, · was hatt ich euch gethan, // Daß mich unſchuldgen Pfaffen · eur Herz zu ertranken ſann?“ // Zur Antwort gab ihm Hagen: · „Die Rede laßt beiſeit: // Mich kümmert, meiner Treue, · daß ihr entkommen ſeid // Hier von meinen Händen, · das glaubt ohne Spott.“ // Da ſprach der arme Prieſter: · „Dafür lob ich ewig Gott. // „Ich fürcht euch nun wenig, · des dürft ihr ſicher ſein: // Fahrt ihr zu den Heunen, · ſo will ich über Rhein. // Gott laß euch nimmer wieder · nach dem Rheine kommen, // Das wünſch ich euch von Herzen: · ſchier das Leben habt ihr mir genommen.“ // Da ſprach König Gunther · zu ſeinem Kapellan: // „Ich will euch alles büßen, · was Hagen euch gethan // Hat in ſeinem Zorne, · komm ich an den Rhein // Mit meinem Leben wieder: · des ſollt ihr außer Sorge ſein. // „Fahrt wieder heim zu Lande; · es muß nun alſo ſein. // Ich entbiete meine Grüße · der lieben Frauen mein // Und meinen andern Freunden, · wie ich billig ſoll: // Sagt ihnen liebe Märe, · daß wir noch alle fuhren wohl.“ // Die Roſſe ſtanden harrend, · die Säumer wohl geladen; // Sie hatten auf der Reiſe · bisher noch keinen Schaden // Genommen, der ſie ſchmerzte, · als des Königs Kaplan: // Der muſt auf ſeinen Füßen · ſich zum Rheine ſuchen Bahn. // 26. Sechsundzwanzigſtes Abenteuer. // Wie Dankwart Gelfraten erſchlug.