Der Schwäher Kriemhildens · gieng hin, wo er ſie fand.
Er ſprach zu der Königin: · „Laßt uns in unſer Land:
Wir ſind unliebe Gäſte, · wähn ich, hier am Rhein.
Kriemhild, liebe Fraue, · nun folgt uns zu dem Lande mein.
„Daß man in dieſen Landen · uns ſo verwaiſet hat
Eures edeln Mannes · durch böslichen Verrath,
Ihr ſollt es nicht entgelten: · hold will ich euch ſein
Aus Liebe meines Sohnes · und des edeln Kindes ſein.
„Ihr ſollt auch, Frau, gebieten · mit all der Gewalt,
Die Siegfried euch verſtattete, · der Degen wohlgeſtalt.
Das Land und auch die Krone · ſoll euch zu Dienſten ſtehn.
Euch ſollen gern gehorchen · Die in Siegfriedens Lehn.“
Da ſagte man den Knechten: · „Wir reiten heim vor Nacht.“
Da ſah man nach den Roſſen · eine ſchnelle Jagd:
Bei den verhaßten Feinden · zu leben war ein Leid.
Den Frauen und den Maiden · ſuchte man ihr Reiſekleid.
Als König Siegmund gerne · weggeritten wär,
Da bat ihre Mutter · Kriemhilden ſehr,
Sie ſollte bei den Freunden · im Lande doch beſtehn.
Da ſprach die Freudenarme: · „Das könnte ſchwerlich geſchehn.
„Wie vermocht ichs, mit den Augen · den immer anzuſehn,
Von dem mir armen Weibe · ſo leid iſt geſchehn?“
Da ſprach der junge Geiſelher: · „Liebe Schweſter mein,
Du ſollſt bei deiner Treue · hier mit deiner Mutter ſein.
„Die dir das Herz beſchwerten · und trübten dir den Muth,
Du bedarfſt nicht ihrer Dienſte, · du zehrſt von meinem Gut.“
Sie ſprach zu dem Recken: · „Wie könnte das geſchehn?
Vor Leide müſt ich ſterben, · wenn ich Hagen ſollte ſehn.“
„Deſſen überheb ich dich, · viel liebe Schweſter mein.
Du ſollſt bei deinem Bruder · Geiſelher hier ſein;
Ich will dir wohl vergüten · deines Mannes Tod.“
Da ſprach die Freudenloſe: · „Das wäre Kriemhilden Noth.“
Als es ihr der Junge · ſo gütlich erbot,
Da begannen auch zu flehen · Ute und Gernot
Und ihre treuen Freunde, · ſie möchte da beſtehn:
Sie hätte wenig Sippen · unter Siegfriedens Lehn.
„Sie ſind euch alle fremde,“ · ſprach da Gernot.
„Wie ſtark auch einer gelte, · ſo rafft ihn doch der Tod.
Bedenkt das, liebe Schweſter, · und tröſtet euern Muth:
Bleibt hier bei euern Freunden, · es geräth euch wahrlich gut.“
Da gelobte ſie dem Bruder, · im Lande zu beſtehn.
Man zog herbei die Roſſe · Denen in Siegmunds Lehn,
Als ſie reiten wollten · gen Nibelungenland;
Da war auch aufgeladen · der Recken Zeug und Gewand.
Da gieng König Siegmund · vor Kriemhilden ſtehn
Und ſprach zu der Frauen: · „Die in Siegfrieds Lehn
Warten bei den Roſſen: · reiten wir denn hin,
Da ich gar ſo ungern · hier bei den Burgunden bin.“
Frau Kriemhild ſprach: „Mir rathen · hier die Freunde mein,
Die beſten, die ich habe, · bei ihnen ſoll' ich ſein.
Ich habe keinen Blutsfreund · in Nibelungenland.“
Leid war es Siegmunden, · da er dieß an Kriemhild fand.
Da ſprach König Siegmund: · „Das laßt euch Niemand ſagen:
Vor allen meinen Freunden · ſollt ihr die Krone tragen
Nach rechter Königswürde, · wie ihr vordem gethan:
Ihr ſollt es nicht entgelten, · daß ihr verloren habt den Mann.
„Fahrt auch mit uns zur Heimat · um euer Kindelein:
Das ſollt ihr eine Waiſe, · Frau, nicht laßen ſein.
Iſt euer Sohn erwachen, · er tröſtet euch den Muth.
Derweil ſoll euch dienen · mancher Degen kühn und gut.“
Sie ſprach: „Mein Herr Siegmund, · ich kann nicht mit euch gehn.
Ich muß hier verbleiben, · was halt mir mag geſchehn,
Bei meinen Anverwandten, · die mir helfen klagen.“
Da wollten dieſe Mären · den guten Recken nicht behagen.
Sie ſprachen einhellig: · „So möchten wir geſtehn,
Es ſei in dieſer Stunde · uns erſt ein Leid geſchehn.
Wollt ihr hier im Lande · bei unſern Feinden ſein,
So könnte Helden niemals · eine Hoffahrt übler gedeihn.“
„Ihr ſollt ohne Sorge · Gott befohlen fahren:
Ich ſchaff euch gut Geleite · und heiß euch wohl bewahren
Bis zu euerm Lande; · mein liebes Kindelein
Das ſoll euch guten Recken · auf Gnade befohlen ſein.“
Als ſie das recht vernahmen, · ſie wolle nicht hindann,
Da huben Siegfrieds Mannen · all zu weinen an.
Mit welchem Herzensjammer · nahm da Siegmund
Urlaub von Kriemhilden! · Da ward ihm Unfreude kund.
„Weh dieſes Hofgelages!“ · ſprach der König hehr.
„Einem König und den Seinen · geſchieht wohl nimmermehr
Einer Kurzweil willen, · was uns hier iſt geſchehn:
Man ſoll uns nimmer wieder · hier bei den Burgunden ſehn.“
Da ſprachen laut die Degen · in Siegfriedens Heer:
„Wohl möchte noch die Reiſe · geſchehen hieher,
Wenn wir den nur fanden, · der uns den Herrn erſchlug.
Sie haben Todfeinde · bei ſeinen Freunden genug.“
Er küſſte Kriemhilden: · kläglich ſprach er da,
Als er daheim zu bleiben · ſie ſo entſchloßen ſah:
„Wir reiten arm an Freuden · nun heim in unſer Land!
All mein Kummer · iſt mir erſt jetzo bekannt.“
Sie ritten ungeleitet · von Worms an den Rhein:
Sie mochten wohl des Muthes · in ihrem Sinne ſein,
Wenn ſie in Feindſchaft · würden angerannt,
Daß ſich ſchon wehren ſolle · der kühnen Niblungen Hand.
Sie erbaten Urlaub · von Niemanden ſich.
Da ſah man Geiſelheren · und Gernot minniglich
Zu dem König kommen; · ihnen war ſein Schade leid:
Das ließen ihn wohl ſchauen · die kühnen Helden allbereit.
Da ſprach wohlgezogen · der kühne Gernot:
„Wohl weiß es Gott im Himmel, · an Siegfriedens Tod
Bin ich ganz unſchuldig: · ich hört auch niemals ſagen,
Wer ihm Feind hier wäre: · ich muß ihn billig beklagen.“
Da gab ihm gut Geleite · Geiſelher das Kind.
Er bracht ohne Sorgen, · die ſonſt bei Leide ſind,
Den König und die Recken · heim nach Niederland.
Wie wenig der Verwandten · man dort fröhlich wiederfand!
Wie's ihnen nun ergangen iſt, · weiß ich nicht zu ſagen.
Man hörte hier Kriemhilden · zu allen Zeiten klagen,
Daß ihr Niemand tröſtete · das Herz noch den Muth
Als ihr Bruder Geiſelher: · der war getreu und auch gut.
Brunhild die ſchöne · des Uebermuthes pflag:
Wie viel Kriemhild weinte, · was fragte ſie darnach!
Sie war zu Lieb und Treue · ihr nimmermehr bereit;
Bald ſchuf auch ihr Frau Kriemhild · wohl ſo ungefüges Leid.