Man ſah am vierten Morgen · zweiunddreißig Mann
Hin zu Hofe reiten: · da ward es kund gethan
Gunther dem reichen, · es droh ihm neuer Streit.
Die Lüge ſchuf den Frauen · das allergrößeſte Leid.
Sie gewannen Urlaub, · an den Hof zu gehn.
Da ſagten ſie, ſie ſtänden · in Lüdegers Lehn,
Den einſt bezwungen hatte · Siegfriedens Hand
Und ihn als Geiſel brachte · König Gunthern in das Land.
Die Boten grüßte Gunther · und hieß ſie ſitzen gehn.
Einer ſprach darunter: · „Herr König, laßt uns ſtehn,
Daß wir die Mären ſagen, · die euch entboten ſind.
Wohl habt ihr zu Feinden, · das wißt, mancher Mutter Kind.
„Euch wiederſagen Lüdegaſt · und König Lüdeger:
Denen ſchuft ihr weiland · grimmige Beſchwer;
Nun wollen ſie mit Heereskraft · reiten in dieß Land.“
Gunther begann zu zürnen, · als wär es ihm unbekannt.
Man ließ die falſchen Boten · zu den Herbergen gehn.
Wie mochte da Siegfried · der Tücke ſich verſehn,
Er oder anders Jemand, · die man ſo liſtig ſpann?
Doch war es ihnen ſelber · zu großem Leide gethan.
Der König mit den Freunden · gieng raunend ab und zu:
Hagen von Tronje · ließ ihm keine Ruh,
Noch wollt es Mancher wenden · in des Königs Lehn;
Doch nicht vermocht er Hagen · von ſeinen Räthen abzuſtehn.
Eines Tages Siegfried · die Degen raunend fand.
Da begann zu fragen · der Held der Niederland:
„Wie traurig geht der König · und Die ihm unterthan?
Das helf ich immer rächen, · hat ihnen wer ein Leid gethan.“
Da ſprach König Gunther: · „Wohl hab ich Herzeleid:
Lüdegaſt und Lüdeger · drohn mir wieder Streit.
Mit Heerfahrten wollen ſie · reiten in mein Land.“
Da ſprach der kühne Degen: · „Dem ſoll Siegfriedens Hand
„Nach allen euern Ehren · mit Kräften widerſtehn;
Von mir geſchieht den Degen, · was ihnen einſt geſchehn.
Ihre Burgen leg ich wüſte · und dazu ihr Land,
Eh ich ablaße: · des ſei mein Haupt euer Pfand.
„Ihr mit euern Mannen · nehmt der Heimat wahr;
Laßt mich zu ihnen reiten · mit meiner Leute Schar.
Daß ich euch gerne diene, · laß ich euch wohl ſehn:
Von mir ſoll euern Feinden, · das wißet, übel geſchehn.“
„Nun wohl mir dieſer Märe,“ · der König ſprach da ſo,
Als wär er ſeiner Hülfe · alles Ernſtes froh.
Tief neigte ſich in Falſchheit · der ungetreue Mann.
Da ſprach der edle Siegfried: · „Laßt euch keine Sorge nahn.“
Sie ſchickten mit den Knechten · zu der Fahrt ſich an:
Siegfrieden und den Seinen · ward es zum Schein gethan.
Da hieß er ſich rüſten · Die von Niederland:
Siegfriedens Recken · ſuchten ihr Streitgewand.
Da ſprach der ſtarke Siegfried: · „Mein Vater Siegmund,
Bleibt ihr hier im Lande: · wir kehren bald geſund,
Will Gott uns Glück verleihen, · wieder an den Rhein.
Ihr ſollt bei dem König · unterdeſſen fröhlich ſein.“
Da wollten ſie von dannen: · die Fähnlein band man an.
Umher ſtanden Viele, · die Gunthern unterthan
Und hatten nicht erfahren, · wie es damit bewandt.
Groß Heergeſinde war es, · das da bei Siegfrieden ſtand.
Die Panzer und die Helme · man auf die Roſſe lud;
Aus dem Lande wollten · viel ſtarke Recken gut.
Da gieng von Tronje Hagen · hin, wo er Kriemhild fand;
Er bat ſie um Urlaub: · ſie wollten räumen das Land.
„Nun wohl mir,“ ſprach Kriemhild, · „daß ich den Mann gewann.“
Der meine lieben Freunde · ſo wohl beſchützen kann,
Wie hier mein Herr Siegfried · an meinen Brüdern thut:
Darum trag ich,“ ſprach die Königin, · „immer fröhlichen Muth.
„Lieber Freund Hagen, · nun hoff ich, ihr gedenkt,
Daß ich euch gerne diene; · ich hab euch nie gekränkt.
Das komme mir zu Gute · an meinem lieben Mann:
Laßt es ihn nicht entgelten, · was ich Brunhilden gethan.
„Des hat mich ſchon gereuet,“ · ſprach das edle Weib,
„Auch hat er ſo zerbleuet · zur Strafe mir den Leib,
Daß ich je beſchwerte · mit Reden ihr den Muth,
Er hat es wohl gerochen, · dieſer Degen kühn und gut.“
Da ſprach er: „Ihr verſöhnt euch · wohl nach wenig Tagen.
Kriemhild, liebe Herrin, · nun ſollt ihr mir ſagen,
Wie ich euch dienen möge · an Siegfried euerm Herrn.
Ich gönn es niemand beßer · und thu es, Königin, gern.“
„Ich wär ohn alle Sorge,“ · ſprach da das edle Weib,
„Daß man ihm im Kampfe · Leben nähm und Leib,
Wenn er nicht folgen wollte · ſeinem Uebermuth;
So wär immer ſicher · dieſer Degen kühn und gut.“
„Fürchtet ihr, Herrin,“ · Hagen da begann,
„Daß er verwundet werde, · ſo vertraut mir an,
Wie ſoll ichs beginnen, · dem zu widerſtehn?
Ihn zu ſchirmen will ich immer · bei ihm reiten und gehn.“
Sie ſprach: „Du biſt mir Sippe, · ſo will ich dir es ſein:
Ich befehle dir auf Treue · den holden Gatten mein.
Daß du mir behüteſt · den geliebten Mann.“
Was beßer wär verſchwiegen, · vertraute da ſie ihm an.
Sie ſprach: „Mein Mann iſt tapfer, · dazu auch ſtark genug.
Als er den Linddrachen · an dem Berge ſchlug,
Da badet' in dem Blute · der Degen allbereit,
Daher ihn keine Waffe · je verſehren mocht im Streit.
„Jedoch bin ich in Sorgen, · wenn er im Kampfe ſteht
Und aus der Helden Hände · mancher Sperwurf geht,
Daß ich da verliere · meinen lieben Mann.
Hei! was ich Sorgen · oft um Siegfried gewann!
„Mein lieber Freund, ich meld es · nun auf Gnade dir,
Daß du deine Treue · bewähren mögſt an mir,
Wo man mag verwunden · meinen lieben Mann.
Das ſollſt du nun vernehmen: · es iſt auf Gnade gethan.
„Als von des Drachen Wunden · floß das heiße Blut,
Und ſich darinne badete · der kühne Recke gut,
Da fiel ihm auf die Achſeln · ein Lindenblatt ſo breit:
Da kann man ihn verwunden; · das ſchafft mir Sorgen und Leid.“
Da ſprach von Tronje Hagen: · „So näht auf ſein Gewand
Mir ein kleines Zeichen · mit eigener Hand,
Wo ich ihn ſchirmen müße, · mag ich daran verſtehn.“
Sie wähnt' ihn ſo zu friſten; · auf ſeinen Tod wars abgeſehn.
Sie ſprach: „Mit feiner Seide · näh ich auf ſein Gewand
Insgeheim ein Kreuzchen: · da ſoll, Held, deine Hand
Mir den Mann behüten, · wenns ins Gedränge geht,
Und er vor ſeinen Feinden · in den ſtarken Stürmen ſteht.“
„Das thu ich,“ ſprach da Hagen, · „viel liebe Herrin mein.“
Wohl wähnte da die Gute, · ſein Frommen ſollt es ſein:
Da war hiemit verrathen · der Kriemhilde Mann.
Urtaub nahm da Hagen: · da gieng er fröhlich hindann.
Was er erfahren hatte, · bat ihn ſein Herr zu ſagen.
„Mögt ihr die Reiſe wenden, · ſo laßt uns reiten jagen.
Ich weiß nun wohl die Kunde, · wie ich ihn tödten ſoll.
Wollt ihr die Jagd beſtellen?“ · „Das thu ich,“ ſprach der König, „wohl.“
Der Dienſtmann des Königs · war froh und wohlgemuth.
Gewiſs, daß ſolche Bosheit · kein Recke wieder thut
Bis zum jüngſten Tage, · als da von ihm geſchah,
Da ſich ſeiner Treue · die ſchöne Königin verſah.
Früh des andern Morgens · mit wohl tauſend Mann
Ritt Siegfried der Degen · mit frohem Muth hindann:
Er wähnt', er ſolle rächen · ſeiner Freunde Leid.
So nah ritt ihm Hagen, · daß er beſchaute ſein Kleid.
Als er erſah das Zeichen, · da ſchickt' er ungeſehn,
Andre Mär zu bringen, · zwei aus ſeinem Lehn:
In Frieden ſollte bleiben · König Gunthers Land;
Es habe ſie Herr Lüdeger · zu dem König geſandt.
Wie ungerne Siegfried · abließ vom Streit,
Eh er gerochen hatte · ſeiner Freunde Leid!
Kaum hielten ihn zurücke · Die Gunthern unterthan.
Da ritt er zu dem König, · der ihm zu danken begann:
„Nun lohn euch Gott, Freund Siegfried, · den willigen Sinn,
Daß ihr ſo gerne thatet, · was mir vonnöthen ſchien:
Das will ich euch vergelten, · wie ich billig ſoll.
Vor allen meinen Freunden · vertrau ich euch immer wohl.
„Da wir uns der Heerfahrt · ſo entledigt ſehn,
So laßt uns nun Bären · und Schweine jagen gehn
Nach dem Odenwalde, · wie ich oft gethan.“
Gerathen hatte Hagen das, · dieſer ungetreue Mann.
„Allen meinen Gäſten · ſoll man das nun ſagen,
Ich denke früh zu reiten: · die mit mir wollen jagen,
Die laßt ſich fertig halten; · die aber hier beſtehn,
Kurzweilen mit den Frauen: · ſo ſei mir Liebes geſchehn.“
Mit herrlichen Sitten · ſprach da Siegfried:
„Wenn ihr jagen reitet, · da will ich gerne mit.
So ſollt ihr mir leihen · einen Jägersmann
Mit etlichen Bracken: · So reit ich mit euch in den Tann.“
„Wollt ihr nur Einen?“ · frug Gunther zuhand;
„Ich leih euch, wollt ihr, viere, · denen wohl bekannt
Der Wald iſt und die Steige, · wo viel Wildes iſt,
Daß ihr des Wegs unkundig · nicht ledig wieder heimwärts müßt.“
Da ritt zu ſeinem Weibe · der Degen unverzagt.
Derweil hatte Hagen · dem König geſagt,
Wie er verderben wolle · den herrlichen Degen.
So großer Untreue · ſollt ein Mann nimmer pflegen.
Als die Ungetreuen · beſchloßen ſeinen Tod,
Da wuſten ſie es Alle. · Geiſelher und Gernot
Wollten nicht mit jagen. · Weiß nicht, aus welchem Groll
Sie ihn nicht verwarnten; · doch des entgalten ſie voll.