Unter dieſen Worten waren wir mit dem Prediger zuſammengetroffen, die Alte erzählte ihr Verhältniß zu der Gefangenen und er nahm ſie freundlich mit zum Gefängniß. Ich aber eilte nun, wie ich noch nie gelaufen, nach dem Schloſſe, und es machte mir einen tröſtenden Eindruck, es war mir wie ein Zeichen der Hoffnung, als ich an Graf Groſſingers Hauſe vorüberſtürzte, und aus einem offnen Fenſter des Gartenhauſes eine liebliche Stimme zur Laute ſingen hörte:
Die Gnade ſprach von Liebe,
Die Ehre aber wacht,
Und wünſcht voll Lieb' der Gnade
In Ehren gute Nacht.
Die Gnade nimmt den Schleier,
Wenn Liebe Roſen giebt,
Die Ehre grüßt den Freier,
Weil ſie die Gnade liebt.
Ach, ich hatte der guten Wahrzeichen noch mehr! ein hundert Schritte weiter fand ich einen weißen Schleier auf der Straße liegend; ich raffte ihn auf, er war voll von duftenden Roſen. Ich hielt ihn in der Hand und lief weiter, mit dem Gedanken: ach Gott, das iſt die Gnade. Als ich um die Ecke bog, ſah ich einen Mann, der ſich in ſeinem Mantel verhüllte, als ich vor ihm vorüber eilte und mir heftig den Rücken wandte, um nicht geſehen zu werden. Er hätte es nicht nöthig gehabt, ich ſah und hörte nichts in meinem Innern, als: Gnade, Gnade! und ſtürzte durch das Gitterthor in den Schloßhof. Gott ſey Dank, der Fähndrich, Graf Groſſinger, der unter den blühenden Kaſtanienbäumen vor der Wache auf und ab ging, trat mir ſchon entgegen.
Lieber Graf, ſagte ich mit Ungeſtüm, Sie müſſen mich gleich zum Herzog bringen, gleich auf der Stelle, oder Alles iſt zu ſpät, Alles iſt verloren!
Er ſchien verlegen über dieſen Antrag und ſagte: Was fällt Ihnen ein, zu dieſer ungewohnten Stunde? Es iſt nicht möglich, kommen Sie zur Parade, da will ich Sie vorſtellen.
Mir brannte der Boden unter den Füßen. Jetzt, rief ich aus, oder nie! es muß ſeyn, es betrifft das Leben eines Menſchen.
Es kann jetzt nicht ſeyn, erwiederte Groſſinger ſcharf abſprechend, es betrifft meine Ehre, es iſt mir unterſagt, heute Nacht irgend eine Meldung zu thun.
Das Wort Ehre machte mich verzweifeln; ich dachte an Kaspers Ehre, an Annerls Ehre, und ſagte: die vermaledeite Ehre, gerade um die letzte Hülfe zu leiſten, welche ſo eine Ehre übrig gelaſſen, muß ich zum Herzoge, Sie müſſen mich melden oder ich ſchreie laut nach dem Herzog.
So Sie ſich rühren, ſagte Groſſinger heftig, laſſe ich Sie in die Wache werfen, Sie ſind ein Phantaſt, Sie kennen keine Verhältniſſe.
O, ich kenne Verhältniſſe, ſchreckliche Verhältniſſe! ich muß zum Herzoge, jede Minute iſt unerkauflich! verſetzte ich, wollen Sie mich nicht gleich melden, ſo eile ich allein zu ihm.
Mit dieſen Worten wollte ich nach der Treppe, die zu den Gemächern des Herzogs hinaufführte, als ich den Nämlichen, in einem Mantel Verhüllten, der mir begegnete, nach dieſer Treppe eilend, bemerkte. Groſſinger drehte mich mit Gewalt um, daß ich dieſen nicht ſehen ſollte. Was machen Sie, Thöriger, flüſterte er mir zu, ſchweigen Sie, ruhen Sie, Sie machen mich unglücklich.
Warum halten Sie den Mann nicht zurück, der da hinauf ging? ſagte ich; er kann nichts Dringenderes vorzubringen haben, als ich. Ach, es iſt ſo dringend, ich muß, ich muß! Es betrifft das Schickſal eines unglücklichen verführten armen Geſchöpfs.
Groſſinger erwiederte: Sie haben den Mann hinauf gehen ſehen; wenn Sie je ein Wort davon äußern, ſo kommen Sie vor meine Klinge; gerade, weil Er hinauf ging, können Sie nicht hinauf, der Herzog hat Geſchäfte mit ihm.
Da erleuchteten ſich die Fenſter des Herzogs. Gott, er hat Licht, er iſt auf! ſagte ich, ich muß ihn ſprechen, um des Himmels willen, laſſen Sie mich, oder ich ſchreie Hülfe.
Groſſinger faßte mich beim Arm, und ſagte: Sie ſind betrunken, kommen Sie in die Wache: ich bin Ihr Freund, ſchlafen Sie aus, und ſagen Sie mir das Lied, das die Alte heut Nacht an der Thüre ſang, als ich die Runde vorüber führte; das Lied intereſſirt mich ſehr.
Gerade wegen der Alten und den Ihrigen muß ich mit dem Herzoge ſprechen! rief ich aus.
Wegen der Alten? verſetzte Groſſinger, wegen der ſprechen Sie mit mir, die großen Herren, haben keinen Sinn für ſo etwas; geſchwind kommen Sie nach der Wache.
Er wollte mich fortziehen, da ſchlug die Schloßuhr halb Vier, der Klang ſchnitt mir wie ein Schrei der Noth durch die Seele, und ich ſchrie aus voller Bruſt zu den Fenſtern des Herzogs hinauf:
Hülfe! um Gottes willen, Hülfe für ein elendes, verführtes Geſchöpf! Da ward Groſſinger wie unſinnig, er wollte mir den Mund zuhalten, aber ich rang mit ihm; er ſtieß mich in den Nacken, er ſchimpfte, ich fühlte, ich hörte nichts. Er rief nach der Wache, der Korporal eilte mit etlichen Soldaten herbei, mich zu greifen, aber in dem Augenblick ging des Herzogs Fenſter auf, und es rief herunter:
Fähndrich Graf Groſſinger, was iſt das für ein Skandal? bringen Sie den Menſchen herauf, gleich auf der Stelle!
Ich wartete nicht auf den Fähndrich; ich ſtürzte die Treppe hinauf, ich fiel nieder zu den Füßen des Herzogs, der mich betroffen und unwillig aufſtehen hieß. Er hatte Stiefel und Sporen an, und doch einen Schlafrock, den er ſorgfältig über der Bruſt zuſammen hielt.
Ich trug dem Herzoge Alles, was mir die Alte von dem Selbſtmorde des Uhlanen, von der Geſchichte der ſchönen Annerl erzählt hatte, ſo gedrängt vor, als es die Noth erforderte, und flehte ihn wenigſtens um den Aufſchub der Hinrichtung auf wenige Stunden und um ein ehrliches Grab für die beiden Unglücklichen an, wenn Gnade unmöglich ſey. — Ach, Gnade, Gnade! rief ich aus, indem ich den gefundenen weißen Schleier voll Roſen aus dem Buſen zog; dieſer Schleier, den ich auf meinem Wege hierher gefunden, ſchien mir Gnade zu verheißen.
Der Herzog griff mit Ungeſtüm nach dem Schleier, und war heftig bewegt; er drückte den Schleier in ſeinen Händen und als ich die Worte ausſprach, dieſes arme Mädchen iſt ein Opfer falſcher Ehrſucht; ein Vornehmer hat ſie verführt, und ihr die Ehe verſprochen, ach, ſie iſt ſo gut, daß ſie lieber ſterben will, als ihn nennen — da unterbrach mich der Herzog mit Thränen in den Augen, und ſagte: Schweigen Sie, ums Himmels willen, ſchweigen Sie — und nun wendete er ſich zu dem Fähndrich, der an der Thür ſtand, und ſagte mit dringender Eile: Fort, eilend zu Pferde mit dieſem Menſchen hier; reiten Sie das Pferd todt; nur nach dem Gerichte hin: heften Sie dieſen Schleier an ihren Degen, winken und ſchreien Sie Gnade, Gnade! ich komme nach.
Groſſinger nahm den Schleier; er war ganz verwandelt, er ſah aus wie ein Geſpenſt vor Angſt und Eile; wir ſtürzten in den Stall, ſaßen zu Pferde und ritten im Galopp, er ſtürmte wie ein Wahnſinniger zum Thore hinaus. Als er den Schleier an ſeine Degenſpitze heftete, ſchrie er: Herr Jeſus, meine Schweſter! Ich verſtand nicht, was er wollte. Er ſtand hoch im Bügel, und wehte und ſchrie: Gnade, Gnade! wir ſahen auf dem Hügel die Menge um das Gericht verſammelt. Mein Pferd ſcheute vor dem wehenden Tuch. Ich bin ein ſchlechter Reiter, ich konnte den Groſſinger nicht einholen, er flog im ſchnellſten Carriere: ich ſtrengte alle Kräfte an. Trauriges Schickſal! die Artillerie exerzirte in der Nähe, der Kanonendonner machte es unmöglich, unſer Geſchrei aus der Ferne zu hören. Groſſinger ſtürzte, das Volk ſtob auseinander, ich ſah in den Kreis, ich ſah einen Stahlblitz in der frühen Sonne — ach Gott, es war der Schwerdtblitz des Richters! — Ich ſprengte heran, ich hörte das Wehklagen der Menge. Pardon, Pardon! ſchrie Groſſinger und ſtürzte mit wehendem Schleier durch den Kreis, wie ein Raſender, aber der Richter hielt ihm das blutende Haupt der ſchönen Annerl entgegen, das ihn wehmüthig anlächelte. Da ſchrie er: Gott ſey mir gnädig! und fiel auf die Leiche hin zur Erde, tödtet mich, tödtet mich, ihr Menſchen, ich habe ſie verführt, ich bin ihr Mörder!
Eine rächende Wuth ergriff die Menge; die Weiber und Jungfrauen drangen heran und riſſen ihn von der Leiche, und traten ihn mit Füßen, er wehrte ſich nicht; die Wachen konnten das wüthende Volk nicht bändigen. Da erhob ſich das Geſchrei: der Herzog, der Herzog! — er kam im offnen Wagen gefahren, ein blutjunger Menſch, den Hut tief in's Geſicht gedrückt, in einen Mantel gehüllt, ſaß neben ihm. Die Menſchen ſchleifen Groſſinger herbei; Jeſus, mein Bruder! ſchrie der junge Offizier mit der weiblichſten Stimme aus dem Wagen. Der Herzog ſprach beſtürzt zu ihm: ſchweigen Sie! Er ſprang aus dem Wagen, der junge Menſch wollte folgen, der Herzog drängte ihn ſchier unſanft zurück, aber ſo beförderte ſich die Entdeckung: daß der junge Menſch die, als Offizier verkleidete, Schweſter Groſſingers ſey. Der Herzog ließ den mißhandelten, blutenden, ohnmächtigen Groſſinger in den Wagen legen, die Schweſter nahm keine Rückſicht mehr, ſie warf ihren Mantel über ihn; Jedermann ſah ſie in weiblicher Kleidung. Der Herzog war verlegen, aber er ſammelte ſich, und befahl den Wagen ſogleich umzuwenden, und die Gräfin mit ihrem Bruder nach ihrer Wohnung zu fahren. Dieſes Ereigniß hatte die Wuth der Menge einigermaßen geſtillt. Der Herzog ſagte laut zu dem wachthabenden Offizier: die Gräfin Groſſinger hat ihren Bruder an ihrem Hauſe vorbei reiten ſehen, den Pardon zu bringen und wollte dieſem freudigen Ereigniß beiwohnen; als ich zu demſelben Zwecke vorüber fuhr, ſtand ſie am Fenſter, und bat mich, ſie in meinem Wagen mitzunehmen, ich konnte es dem gutmüthigen Kinde nicht abſchlagen. Sie nahm einen Mantel und Hut ihres Bruders, um kein Aufſehen zu erregen, und hat, von dem unglücklichen Zufall überraſcht, die Sache gerade dadurch zu einem abenteuerlichen Skandal gemacht. Aber wie konnten Sie, Herr Lieutenant, den unglücklichen Grafen Groſſinger nicht vor dem Pöbel ſchützen? es iſt ein gräßlicher Fall: daß er, mit dem Pferde ſtürzend, zu ſpät kam, er kann doch aber nichts dafür: ich will die Mißhandler des Grafen verhaftet und beſtraft wiſſen.
Auf dieſe Rede des Herzogs erhob ſich ein allgemeines Geſchrei: Er iſt ein Schurke, er iſt der Verführer, der Mörder der ſchönen Annerl geweſen, er hat es ſelbſt geſagt, der elende, der ſchlechte Kerl!
Als dies von allen Seiten her tönte und auch der Prediger und der Offizier und die Gerichtsperſonen es beſtätigten, war der Herzog ſo tief erſchüttert, daß er nichts ſagte, als: Entſetzlich, entſetzlich, o der elende Menſch!
Nun trat der Herzog blaß und bleich in den Kreis, er wollte die Leiche der ſchönen Annerl ſehen. Sie lag auf dem grünen Raſen in einem weißen Kleide mit ſchwarzen Schleifen, die alte Großmutter, welche ſich um Alles was vorging nicht bekümmerte, hatte ihr das Haupt an den Rumpf gelegt und die ſchreckliche Trennung mit ihrer Schürze bedeckt; ſie war beſchäftigt, ihr die Hände über die Bibel zu falten, welche der Pfarrer in dem kleinen Städtchen der kleinen Annerl geſchenkt hatte, das goldene Kränzlein band ſie ihr auf den Kopf und ſteckte die Roſe vor die Bruſt, welche ihr Groſſinger in der Nacht gegeben hatte, ohne zu wiſſen, wem er ſie gab.
Der Herzog ſprach bei dieſem Anblick: Schönes, unglückliches Annerl! ſchändlicher Verführer, Du kamſt zu ſpät! — arme alte Mutter, Du biſt ihr allein treu geblieben, bis in den Tod. Als er mich bei dieſen Worten in ſeiner Nähe ſah, ſprach er zu mir: Sie ſagten mir von einem letzten Willen des Korporal Kasper, haben Sie ihn bei ſich? Da wendete ich mich zu der Alten, und ſagte: Arme Mutter, gebt mir die Brieftaſche Kaspers; Se. Durchlaucht wollen ſeinen letzten Willen leſen.
Die Alte, welche ſich um nichts bekümmerte, ſagte mürriſch: Iſt Er auch wieder da? Er hätte lieber ganz zu Hauſe bleiben können. Hat Er die Bittſchrift? jetzt iſt es zu ſpät, ich habe dem armen Kinde den Troſt nicht geben können, daß ſie zu Kasper in ein ehrliches Grab ſoll; ach, ich hab' es ihr vorgelogen, aber ſie hat mir nicht geglaubt.
Der Herzog unterbrach ſie und ſprach: Ihr habt nicht gelogen, gute Mutter, der Menſch hat ſein Möglichſtes gethan, der Sturz des Pferdes iſt an Allem ſchuld; aber ſie ſoll ein ehrliches Grab haben bei ihrer Mutter und bei Kasper, der ein braver Kerl war; es ſoll ihnen Beiden eine Leichenpredigt gehalten werden über die Worte: Gebt Gott allein die Ehre! Der Kasper ſoll als Fähndrich begraben werden, ſeine Schwadron ſoll ihm dreimal in's Grab ſchießen, und des Verderbers Groſſingers Degen ſoll auf ſeinen Sarg gelegt werden.
Nach dieſen Worten ergriff er Groſſingers Degen, der mit dem Schleier noch an der Erde lag, nahm den Schleier herunter, bedeckte Annerl damit und ſprach: Dieſer unglückliche Schleier, der ihr ſo gern Gnade gebracht hätte, ſoll ihr die Ehre wieder geben, ſie iſt ehrlich und begnadigt geſtorben, der Schleier ſoll mit ihr begraben werden.
Den Degen gab er dem Offizier der Wache mit den Worten: Sie werden heute noch meine Befehle wegen der Beſtattung des Uhlanen und dieſes armen Mädchens bei der Parade empfangen.
Nun las er auch die letzten Worte Kaspers laut mit vieler Rührung, die alte Großmutter umarmte mit Freudenthränen ſeine Füße, als wäre ſie das glücklichſte Weib. Er ſagte zu ihr: gebe Sie ſich zufrieden, Sie ſoll eine Penſion haben bis an Ihr ſeliges Ende, ich will Ihrem Enkel und der Annerl einen Denkſtein ſetzen laſſen. Nun befahl er dem Prediger, mit der Alten, und einem Sarge, in welchem die Gerichtete gelegt wurde, nach ſeiner Wohnung zu fahren, und ſie dann nach ihrer Heimath zu bringen und das Begräbniß zu beſorgen. Da während dem ſeine Adjutanten mit Pferden gekommen waren, ſagte er noch zu mir: Geben Sie meinem Adjutanten Ihren Namen an, ich werde Sie rufen laſſen, Sie haben einen ſchönen menſchlichen Eifer gezeigt. Der Adjutant ſchrieb meinen Namen in ſeine Schreibtafel, und machte mir ein verbindliches Kompliment. Dann ſprengte der Herzog, von den Segenswünſchen der Menge begleitet, in die Stadt. Die Leiche der ſchönen Annerl ward nun mit der guten alten Großmutter in das Haus des Pfarrers gebracht, und in der folgenden Nacht fuhr dieſer mit ihr nach der Heimath zurück. Der Offizier traf, mit dem Degen Groſſingers und einer Schwadron Uhlanen, auch daſelbſt am folgenden Abend ein. Da wurde nun der brave Kasper, mit Groſſingers Degen auf der Bahre und dem Fähndrichs-Patent, neben der ſchönen Annerl, zur Seite ſeiner Mutter begraben. Ich war auch hingeeilt und führte die alte Mutter, welche kindiſch vor Freude war, aber wenig redete; und als die Uhlanen dem Kaſper zum dritten Mal in's Grab ſchoſſen, fiel ſie mir todt in die Arme, ſie hat ihr Grab auch neben den Ihrigen empfangen. Gott gebe ihnen Allen eine freudige Auferſtehung!
Sie ſollen treten auf die Spitzen,
Wo die lieben Engelein ſitzen,
Wo kömmt der liebe Gott gezogen,
Mit einem ſchönen Regenbogen;
Da ſollen ihre Seelen vor Gott beſtehn,
Wann wir werden zum Himmel eingehn.
Amen.
Als ich in die Hauptſtadt zurück kam, hörte ich: Graf Groſſinger ſey geſtorben: er habe Gift genommen; in meiner Wohnung fand ich einen Brief von ihm, er ſagte mir darin:
Ich habe Ihnen viel zu danken, Sie haben meine Schande, die mir lange das Herz abnagte, zu Tage gebracht. Jenes Lied der Alten kannte ich wohl, die Annerl hatte es mir oft vorgeſagt, ſie war ein unbeſchreiblich edles Geſchöpf. Ich war ein elender Verbrecher, ſie hatte ein ſchriftliches Eheverſprechen von mir gehabt und hat es verbrannt. Sie diente bei einer alten Tante von mir, ſie litt oft an Melancholie. Ich habe mich durch gewiſſe mediciniſche Mittel, die etwas Magiſches haben, ihrer Seele bemächtigt. — Gott ſey mir gnädig! — Sie haben auch die Ehre meiner Schweſter gerettet, der Herzog liebt ſie, ich war ſein Günſtling — die Geſchichte hat ihn erſchüttert — Gott helfe mir, ich habe Gift genommen.
Joſeph Graf Groſſinger.
Die Schürze der ſchönen Annerl, in welche ihr der Kopf des Jägers Jürge bei ſeiner Enthauptung gebiſſen, iſt auf der herzoglichen Kunſtkammer bewahrt worden. Man ſagt: die Schweſter des Grafen Groſſinger werde der Herzog mit dem Namen: Voil de Grace, auf deutſch: Gnadenſchleier, in den Fürſtenſtand erheben und ſich mit ihr vermählen. Bei der nächſten Revue in der Gegend von D . . . . ſoll das Monument auf den Gräbern der beiden unglücklichen Ehrenopfer, auf dem Kirchhof des Dorfs, errichtet und eingeweiht werden, der Herzog wird mit der Fürſtin ſelbſt zugegen ſeyn. Er iſt ausnehmend zufrieden damit; die Idee ſoll von der Fürſtin und dem Herzoge zuſammen erfunden ſeyn. Es ſtellt die falſche und wahre Ehre vor, die ſich vor einem Kreuze beiderſeits gleich tief zur Erde beugen, die Gerechtigkeit ſteht mit dem geſchwungenen Schwerdte zur einen Seite, die Gnade zur andern Seite und wirft einen Schleier heran. Man will im Kopfe der Gerechtigkeit Aehnlichkeit mit dem Herzoge, in dem Kopfe der Gnade Aehnlichkeit mit dem Geſichte der Fürſtin finden.